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9 190001 016276
52. Ausgabe Nr. 01/ 2020 I EUR 5,00
5 JEDER MENSCH HAT SEINE ZEIT 5
Es gibt kein
Bier auf Hawaii
Seite 4
Mutig wia
die Muatta
lSeite 15
Z’faul zur
Oarbeit
lSeite 37
Schmalzbrot, Tee
und Überstunden
lSeite 57
3
4
Sehr geehrte
Leserinnen und Leser
von ...der steirer land...,
wir befinden uns in der Fastenzeit.
Bald kommt Ostern
und zieht der Mai einmal ins
Land, dann nimmt das Jahr
schon wieder seinen Lauf –
viel zu schnell und viel zu kurzlebig. Fasten bedeutet
doch, dass man bewusst auf etwas Wichtiges verzichtet.
Manch einer trinkt in dieser Zeit keinen Alkohol,
andere versuchen ihren Körper zu entgiften und
wieder andere enthalten sich der Vergnügungen des
Lebens. Ich habe mir auch meinen Kopf darüber zerbrochen,
welche Fastenübung sinnvoll wäre, und bin
auf etwas gestoßen. Stressfasten ist ein gutes Thema!
Zumindest für ein paar Wochen auf das zu verzichten,
das einen ständig in Beschlag nimmt. Stressfasten:
sich fernhalten von Dingen, die einem die Zeit stehlen,
darauf verzichten, sich ständig in Arbeit zu verlieren,
und mit dem einfachen Wort „NEIN“ auch einmal zu
riskieren, dass man nicht immer und überall eingeteilt
wird und dabei sein muss.
Die Gebrauchsanleitung dazu ist einfach: Man nimmt
sich zurück, überlegt sehr genau, was wichtig und was
davon notwendig ist, schafft geregelte Auszeiten, die
– wie sonst die Termine – ein fixer Bestandteil des Tagesablaufs
sind und die man nicht verschieben kann.
Statt seine Gedanken darum kreisen zu lassen, was
noch alles zu tun ist, sollte man sich einmal darüber
freuen, was bereits geschafft wurde. Klingt einfach –
ist es aber nicht. Zwänge abzulegen, Antrainiertes zu
verwerfen und auf unsere tägliche Dosis Adrenalin zu
verzichten, lässt sich nicht einfach bewerkstelligen.
Das ist dann tatsächlich Verzicht – das ist Fasten.
Schafft man es doch, tun sich kleine Wunder auf. Der
Körper reagiert sofort und dankt es mit Wohlbefinden,
der Geist wird frei und bald spürt man längst verlorene
Energien in sich. Das Schöne am Stressfasten
ist: Es darf einem ruhig schwerfallen, danach in gewohnte
Bahnen zurückzukehren; oder noch besser –
vielleicht meidet man danach die alten Wege gar ganz.
In diesem Sinn wünschen mein Team und ich euch
einen guten Start ins Frühjahr, ein wenig Zeit zum
Innehalten und viel Vergnügen bei eurer Reise durch
unsere Geschichten.
INHALT 5
Es gibt kein Bier auf Hawaii… 4
Der Schwäche Raum geben 6
Der Fuhrmann 8
Jetzt geht’s wieder los… 10
Vom Maibaumstehlen 12
Mutig wia die Muatta 15
Woaßt as noch? 18
Geschichtensammler 20
Naturpark Südsteiermark 23
„WEN GOTT LIEBT“ 26
Großer und kleiner Bruder 27
Das Gold am Hof 30
Frühlingsgefühle 32
Kräuter Rath 34
Z’faul zur Oarbeit 37
Osterbrot 42
Der Holzknecht und sein Werkzeug 44
Eine Träne der Erinnerung 47
Die „lustigen Holzknechtbuam" 52
Familienausflug 54
Schmalzbrot, Tee und Überstunden 57
Reiselust 60
Die Oma hot’s gwisst 62
Buschenschänker 64
Veranstaltungen 67
Die nächste Ausgabe von
Ihr Karl Oswald
erscheint am 29. Mai 2020.
5
ES GIBT
KEIN BIER
AUF
HAWAII…
SCHON SEIT ETLICHEN JAHREN DARF ICH,
VOR ALLEM IN DER VORWEIHNACHTS-
ZEIT, DEN MENSCHEN MEINE MUNDART-
GESCHICHTEN UND DEN DAMIT VERBUN-
DENEN DIALEKT NAHEBRINGEN. GANZ
EGAL, OB DABEI 20 ODER 200 MENSCHEN
MEIN PUBLIKUM BILDEN, ES IST MIR IM-
MER EINE FREUDE UND EIN VERGNÜGEN.
OBWOHL ICH LETZTE WEIHNACHTEN
EINE LESEPAUSE EINLEGTE, FREUE ICH
MICH SCHON DARAUF, SIE UND VIELE
ANDERE MIT MEINER MUNDART ZU
BERÜHREN UND ZU UNTERHALTEN.
In der Regel gelingt mir das auch ganz gut,
aber wie immer und überall: Es gibt die
Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ich fand meine
vor ein paar Jahren im Mürztal. Es war Sommer,
also eine Zeit, in der ich eigentlich keine Lesungen
abhalte, als bei mir das Telefon klingelte und ein
netter Herr aus Wien anrief. Er erklärte mir, dass
er ein gebürtiger Steirer ist, und erzählte, wie ihn
sein beruflicher Werdegang über Deutschland in die
Bundeshauptstadt geführt hatte, wo er bereits seit
vielen Jahren ein erfolgreiches Unternehmen leitete.
Weiters berichtete er, dass er schon lange Zeit
Mitglied einer deutschen Wirtschaftsvereinigung
ist und dass diese ihr diesjähriges Jahrestreffen in
der Steiermark abhalten wird. Über 100 Geschäftsleute
kommen dabei zusammen und er möchte diesen
Herrschaften das Beste der Steiermark zeigen.
Schön, sagte ich ihm und fragte, wie ich ihm dabei
helfen soll. Er erklärte mir, dass er jemanden sucht,
der etwas über die Mundart erzählen kann und der
auch ein paar Mundartgedichte vorträgt. Mehrere
Leute hat er angerufen und immer wieder hat man
ihn auf mich verwiesen. Ich dachte kurz nach: „Das
Beste der Steiermark und ich soll da dazu gehören?“
Viel Ehre für einen einfachen kleinen Schreiberling
wie mich. Skeptisch fragte ich nach, wie er
denn meint, dass mich die Herrschaften verstehen
werden. Er meinte, mit den Bayern ist es kein Problem,
das wusste ich selber auch, und die anderen
sollen ja den Dialekt hören. Irgendwie erschien mir
das dann doch sehr gewagt und so fragte ich ihn
erst einmal, wann und wo das Ganze stattfinden
soll. Es gab einen Herbsttermin und dieser große
Steiermark-Abend sollte in einem sehr renommierten
Restaurant hoch über dem Mürztal stattfinden.
6
Ein Fünfgangmenü sollte gereicht werden und in drei
der Menüpausen sollte ich meine Geschichten erzählen,
die anderen Pausen und das Danach wurden von
Volkstänzern und Schuhplattlern abgedeckt. Zu meiner
Skepsis kamen nun also noch gut zwei Stunden
Fahrzeit in eine Richtung dazu. Noch einmal erklärte
ich ihm, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass deutsche
Geschäftsleute mit den Begriffen Iaxn (Achselhöhle),
Labn (Vorhaus) und gugamoggn (kopfüber)
etwas anfangen können. Weiters vermittelte ich ihm,
dass der Aufwand für die Anreise wohl in keinem
Verhältnis zur Arbeitszeit von sechs bis acht Geschichten
steht. Für meinen Telefonpartner spielten
alle meine Argumente keine Rolle und er teilte mir
mit, dass die Kosten kein Problem seien – Hauptsache
ich bin da. So sagte ich, trotz einem komischen
Gefühl im Bauch, zu.
Zwei Tage vor dem großen Steirerabend telefonierten
wir noch einmal und an einem Donnerstag machte
ich mich nachmittags auf den Weg, um gut eine
Stunde vor dem geplanten Auftritt um 19 Uhr dort
zu sein. Die Tonanlage, damit mich auch wirklich alle
hören (verstehen ist wieder etwas anderes), sollte
zum Test bereitstehen. Um 18 Uhr traf ich ein, kein
Mensch wusste von meiner Ankunft und so fragte ich
mich mit Müh und Not durch, wo denn meine deutschen
Freunde sind. Die kommen erst so gegen 20
Uhr zurück, waren sie doch mit zwei Bussen in Graz
auf Museumstour, und dann, so wurde mir gesagt,
gibt es erst einmal einen Sektempfang an den offenen
Feuerstellen auf der Terrasse. Meine Stimmung
begann, wie die Mürz, abwärts zu brausen und als
man mir noch mitteilte, dass niemand eine Tonanlage
bestellt hat, ging meine Begeisterung endgültig baden.
Aber was solls, ich bin ja fast ein Profi und muss
hier meinen Job machen. Widerwillig zeigte man mir
den Speisesaal, in dem ich später lesen sollte. Er war
wirklich schön gedeckt und wirklich groß. Zu allem
Überfluss waren die Tische so aufgestellt, dass sie um
mich herum gruppiert waren, sodass ich mich drehen
konnte wie ich wollte – es gab immer Plätze, die hinter
mir waren. Aber was solls, man ist ja fast Profi.
Die Zeit verging und meine triste Wartezeit lichtete
sich so gegen 20 Uhr, als endlich zwei Reisebusse
vorfuhren. Meine Stimmung stieg; das Erste, das ich
zu hören bekam, als sich die automatischen Türen öffneten,
war: „Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein
Bier…“ Na toll, die Stimmung meiner potenziellen
Zuhörer hatte ihren Höhepunkt schon erreicht. Mein
Gastgeber begrüßte mich, während sich die gesamte
Horde auf der Terrasse um die Sektgläser sammelte;
wieder hieß es: „Es gibt kein Bier auf Hawaii…“
Endlich, so gegen 21 Uhr, beschlossen alle in den
Speisesaal zu gehen, ich entschied mich dafür, davor
Platz zu nehmen und auf meinen ersten Auftritt zu
warten. Tablettweise schafften die Kellner das kühle
steirische Blonde hinein, begleitet vom lieblichen Gegröle
der Massen: „Es gibt kein Bier auf Hawaii…“ Es
folgten die Ansprache des Veranstalters und die Ankündigung
jenes großen steirischen Heimatdichters,
der wohl ich war. Ich erhob mich und setzte mich bei
den Worten „nach dem ersten Gang kommt er“ wieder
hin. Es war 21.45 Uhr, der erste Gang verspeist,
die Teller abgetragen und mein großer Moment stand
bevor. Ich stellte mich in die Mitte: Ein Viertel hatte
ich im direkten Blickkontakt, das zweite und das dritte
Viertel sah ich noch im Augenwinkel und das letzte
saß hinter mir. In schönstem Hochdeutsch begrüßte
ich die Herrschaften und erklärte mein Dasein. Hinter
mir hieß es: „Es gibt kein Bier auf Hawaii…“ Ich ließ
sie fertigsingen und dann kam meine Laudatio auf die
steirische Sprache – das ging noch. Danach das erste
Mundartgedicht und wieder kam die Viertellösung
zur Anwendung. Ein Viertel hat mich eventuell verstanden,
zwei Viertel hatten keine Ahnung, was ich
redete, und das letzte Viertel hat mich nicht gehört,
weil diese Leute ja hinter mir saßen. Liebevoll meinte
eine ältere Dame, als meine Geschichte geendet hatte:
„Das Steirisch ist aber schon eine schwere Sprache“
– gleichzeitig stimmte ihr Tischnachbar wieder
das Lied vom Bier und von Hawaii an und der ganze
Saal sang mit. Der zweite Gang wurde aufgetragen,
ich verließ den Saal und schnappte mir beim Hinausgehen
meinen Auftraggeber, um ihm zu erklären,
dass mein zweiter und dritter Gang ausfallen, weil es
keinen Sinn hat. Er akzeptierte das und entschuldigte
sich für den Zustand seiner Gruppe, denn der steirische
Wein hat wohl doch mehr Wirkung gezeitigt als
„kein Bier auf Hawaii“.
Mein Aufwand für die Fahrt wurde entlohnt, auf die
Gage für das Lesen verzichtete ich. Mittlerweile war
es halb elf und ich hatte noch einen weiten Weg vor
mir. Beim Verabschieden fragte mein Gastgeber mich
noch, von wo ich denn genau bin. Als ich ihm das erklärt
hatte, sagte er, das hätten wir morgen einfacher
gehabt. Auf meine Frage, wie das gemeint sei, erwiderte
er, dass die ganze Partie morgen Nachmittag in
einem südsteirischen Buschenschank eine Weinverkostung
hat und ob das „Verlangen“ da sei, dort noch
einmal der deutschen Wirtschaft die Mundart beizubringen.
Ich sagte kurz und schmerzlos zu ihm: „Das
ist wie mit dem Bier auf Hawaii – es gibt keines“!
7
DER
SCHWÄCHE
RAUM
GEBEN
„WENN ICH SCHWACH BIN, BIN ICH
STARK“, SCHREIBT DER APOSTEL
PAULUS IN SEINEM ZWEITEN BRIEF
AN DIE GEMEINDE IN KORINTH. EINE
ÄUSSERST PROVOZIERENDE ANSAGE FÜR
UNSERE HEUTIGE ZEIT, IN DER ALLE UND
ALLES FUNKTIONIEREN MÜSSEN,
OPTIMIERT WERDEN UND VOR
EFFIZIENZ STROTZEN.
Da hat das Schwache, das Zerbrechliche
keinen Platz, vor allem keinen Wert. Umso
wichtiger scheint es mir deshalb, diesen
Mainstream gegen den Strich zu bürsten.
Wir stehen am Beginn der Fastenzeit. Jener Zeit, die
einlädt, uns ein wenig zurückzunehmen, um dem
mehr Raum zu geben, das uns wirklich gut durchatmen
lässt und mit Leben erfüllt. Das hilft, uns bewusst
zu werden, was wirklich tief im Herzen Freude
bereitet und unsere Liebe aufbricht für andere.
Durch die alltägliche Fülle, den Stress, die ständigen
Herausforderungen und die Möglichkeit, mit Konsum
und Shoppen alle tiefergehenden Sehnsüchte
und Regungen stillzuhalten, ist so viel verschüttet,
das eigentlich das Leben bereichert. Wie kann ich
den Gesang der Vögel hören, wenn der Lärm des
Alltags mir die Ohren volldröhnt? Wie kann die Liebe
eines Menschen mich erreichen, wenn keine Zeit
bleibt fürs Hinhören und Gespräch? Wie kann das
Bewusstsein reifen, dass Zerbrechliches mich umgibt,
das meine Zuwendung braucht, wenn ich nur
das Starke, Gesunde, Leistungsfähige als wertvoll
erachte? Ich wüsste nicht, wie das ohne ein Weniger,
Langsamer, Bedachter gehen sollte, wie das
ohne Reduktion und Verzicht – ja Verzicht – gelingen
kann. Fasten ist für mich wie Fensterputzen, um
wieder mehr Durchblick zu bekommen in meinem
Leben, wie Zimmer aufräumen, um einen Überblick
zu haben, was wirklich wichtig ist, wie zu Fuß gehen,
um meine Umgebung wieder besser wahrnehmen zu
können, wie dankbar in der Wiese liegen, in die Luft
schauen und spüren, dass der Mensch jenseits von
Arbeit und Leistung einen unbezahlbaren Wert hat,
wie meine eigene Schwäche spüren, um begreifen
zu können, dass ich getragen bin von anderen mich
liebenden Menschen und einer Kraft, die weit über
mich hinausreicht. Als gläubiger Christ nenne ich sie
8
Gott. Gerade diese Bereitschaft,
mir meine eigenen Grenzen einzugestehen,
halte ich für zentral.
Ich muss nicht immer stark sein und
über den Dingen stehen. Es gibt Dinge
im Leben, die sind so belastend, die sind
ein so schweres Kreuz, da darf ich auch mal
loslassen, mich fallen lassen. Wenn ich einen
Schicksalsschlag, der mir widerfährt, als ungerecht
empfinde, ist es mein gutes Recht, wütend zu schreien,
zu weinen und meine Trauer auszuleben. Ich muss
mich nicht immer beherrschen, wenn andere dabei
sind. Ich darf auch zusammenbrechen – und darauf
vertrauen, dass es auch für mich einen Simon von
Cyrene gibt, der mir beim Tragen hilft.
fühlen wie Jesus am Kreuz: Dein Schmerz ist berechtigt
und du darfst ihn zulassen. Dein Schreien
ist nachvollziehbar und geht nicht ins Leere. Du bist
nicht allein. Ich, dein Gott, bin an deiner Seite. Egal,
wie es dir geht und was du getan hast, lass dich in
meine Arme fallen. Ich fange dich auf. Ich werde dich
wieder aufrichten. Manchmal ist der Ostersonntag
nur ein schmaler Lichtstreifen am Horizont, manchmal
das gleißende Licht der Mittagssonne.
Mögen Sie die Erfahrung machen – in den großen
wie in den kleinen Dingen –, dass es sich lohnt
schwach zu sein. Denn erst dann kann es Ostersonntag
werden.
Erst wenn ich mir meine Schwäche eingestehe und
sie zulasse, kann ich die Erfahrung des Getröstetwerdens
und des Getragenseins machen. Es zeugt in der
heutigen Zeit von Stärke, von Mut, wenn ich mich
getraue, auch einmal schwach zu sein. Der Karfreitag
ist eine besondere Ermutigung Gottes für jene,
die sich in schweren persönlichen Lebenssituationen
befinden. Er sagt allen, die sich ähnlich ausgesetzt
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9
ARBEIT & HANDWERK
LÄNGST VERGESSEN SIND SO MANCHE BERUFE, DIE VOR
WENIGEN JAHRZEHNTEN NOCH GANG UND GÄBE WAREN UND
DAFÜR SORGTEN, DASS DER EINE ODER ANDERE EINE GRUND-
LAGE HATTE, UM SEIN AUSKOMMEN FINDEN ZU KÖNNEN.
DER FUHRMANN
Ein Fuhrmann transportierte einst warenförmige Fuhren, aber auch Personen.
Dies geschah mit einem Fuhrwerk wie einem Pferde- oder Ochsenkarren.
Die Fuhrleute, wie sie im Rechtswesen meist genannt wurden,
waren Vertragspartner im Waren- und Personentransport.
Während in römischer Zeit eine hochgradig
entwickelte Infrastruktur in Form
von Straßen, Wechselstationen für die
Zugtiere sowie Unterbringungen zur Verfügung
stand und darüber hinaus ein klarer Rechtsrahmen
geschaffen worden war, war der frühmittelalterliche
Fuhrmann eher für große Grundherrschaften
tätig, etwa Klöster.
Als sich im 13. Jahrhundert zunehmend die Kummetanspannung
durchsetzte, ermöglichte dies
den Einsatz von Pferdefuhrwerken mit erheblich
höherer Last, die zudem weite Strecken schneller
bewältigen konnten. Im 15. Jahrhundert intensivierten
sich zugleich die Bemühungen der komplexeren
Staatsorganisationen, eine Art staatlichen
Postdienst für die Waren- und Korrespondenzbeförderung
einzurichten. Da die Fuhrleute einen individuellen
Kontrakt mit demjenigen abschlossen,
der Waren zu transferieren wünschte, unterlagen
sie den Bestimmungen des Vertragsrechts. So waren
sie für die Sicherheit und Vollständigkeit der
Ware ebenso verantwortlich wie dafür, sie unbeschädigt
am Zielort bei der richtigen Person abzuliefern.
Kam es zu größeren Beschädigungen oder
kam die Ware abhanden, so wurde der Grad der
Schuld des Fuhrmanns bemessen und er gegebenenfalls
bestraft. Kam im 18. Jahrhundert ein Passagier
durch die Schuld des Fuhrmanns zu Tode,
so wurde Letzterer bestraft, als ob er den Passa-
10
gier selbst erschlagen hätte. Wurde er jedoch
Opfer eines Raubes, so blieb er straffrei – vorausgesetzt,
er war nicht selbst der Drahtzieher
des Überfalls. Im Zuge der Verdichtung des
Straßenverkehrs entstanden bereits vor 1800
zunehmend Vorschriften darüber, wie sich die
Fuhrleute im Wegeverkehr zu verhalten hatten.
In der Schweiz wurde 1834 bestimmt, dass
jedes Fuhrwerk „dem entgegenkommenden
Fuhrwerke zur rechten Hand über die Mitte der
Straßenbreite ausweichen“ sollte.
Auf Zuruf oder Peitschenknall sollte sich der
langsamere Fuhrmann gegenüber dem schnelleren,
der zum Überholen ansetzen wollte, ebenso
verhalten. Außerdem sollte der Fuhrmann bei
Schnee ein „Geschälle“ mitführen, „bei ganz
finstern Nächten“ ein Licht. In Deutschland
entstanden immer dichtere Vorschriften gegen
das Überladen von Fuhrwerken, wogegen man
mit einem Waagenzwang vorging, oder zur
Frage der Bremsen, die für die „Kunststraßen“
erforderlich waren und als „Hemmvorrichtung“
bezeichnet wurden. Oft transportierten die
Fuhrmänner Schwarzpulver aus den Pulvermühlen.
Beim Transport dieser gefährlichen Ladung
konnte es zu schweren Unfällen kommen,
daher musste jeder Pulverwagen mit einem „P“
gekennzeichnet sein.
11
Jetzt geht’s
wieder los…
ALLE JAHRE WIEDER… DIE URLAUBSSAISON
BEGINNT SCHON BALD
DIE URLAUBSKATALOGE, REISEANGE-
BOTE UND ONLINE-AKTIONEN WERDEN
AKRIBISCH DURCHFORSTET. ES MUSS
DAS BESTE SEIN UND NATÜRLICH EIN
SUPER SCHNÄPPCHEN. BILLIG, ABER
DOCH QUALITATIV HOCHWERTIG. FÜR
JEDEN IST ETWAS DABEI. DANN DIE
NÄCHSTE WICHTIGE ENTSCHEIDUNG:
WO GEHT’S WANN WIE LANGE HIN?
STRAND, MEER ODER DOCH BERGE UND
SEEN? 3*** ODER 4****? KURZURLAUB
ODER DOCH 10 TAGE? EXPERIMENTIER-
FREUDIG ODER GEMÜTLICH UND
ENTSPANNT? MIT WEM? ALLEINE
ODER MIT DER FAMILIE?
12
Fragen über Fragen! Man beschäftigt sich Wochen
oder sogar Monate hindurch damit, um sich am
Gedanken festzuhalten, dass es der schönste Urlaub
werden wird. Allein die Vorstellung, einige
Wochen abzuschalten und die Seele baumeln zu
lassen, reicht schon aus, um im Futur 1 statt im
Präsens zu denken. Es dreht sich alles nur mehr
um diese bestimmte Zeit! Eisern überzeugt davon,
dass es im Moment das Bedeutsamste ist.
Die Vorfreude überwiegt und das Jetzt rückt in
den Hintergrund. Man lebt nur mehr auf diesen
einen bestimmten Zeitpunkt hin und vergisst dabei
das Wichtigste: die Gegenwart! Das schönste,
stärkste und intensivste Gefühl erlebt man im Hier
und Jetzt. Verschwenderisch vergeudet man seine
kostbare Zeit, um in Gedanken dort sein zu wollen,
wo es angeblich den perfekten schönsten Ort
gibt. Aber wo ist dieser eine bestimmte perfekte
schöne Ort? Weit weg? Über dem Meer oder hoch
oben im Norden? Nein, der schönste Ort ist hier!
Das Gestern – die Vergangenheit – bleibt lebendig
als Erinnerung. Die Zukunft ist nur Hoffnung
Daniela Posch
und Mutmaßungen. Die einzige Wirklichkeit ist
der gegenwärtige Augenblick. Genießen wir, was
jetzt ist. Jede Berührung, Umarmung, Lachen,
Zeit, Freude, Geborgenheit, Liebe. Teilen wir diese
Empfindungen. Nehmen wir uns die Zeit, denn sie
ist so kurz und schnelllebig. Zeit ist das begrenzteste
Mittel, das man zur Verfügung hat. Mit offenen
Augen, jeden Tag jeden Augenblick nutzen,
als wäre es der letzte. Verschenken wir diese kostbare
Zeit nicht.
13
- GELEBTES BRAUCHTUM -
Vom Maibaumstehlen
14
TRADITIONEN GEHÖREN HOCHGE-
HALTEN: EINE DAVON WAR DAS
AUFSTELLEN DES MAIBAUMS, UM
DEN FRÜHLING ZU EHREN UND
UM EIN ZEICHEN DES DANKES ZU
SETZEN FÜR ALL JENE GABEN,
DIE UNS DIE FRUCHTBARE ERDE
WIEDER SCHENKEN WIRD.
Schöne Gedanken, aber die interessierten
uns seinerzeit eher weniger; uns ging es um
den Spaß, der mit dem Aufstellen eines Maibaums
verbunden ist. Wir waren die Landjugend und beim
dazugehörigen Fest durften wir unser Können
in punkto Volkstanz und Schuhplatteln unter
Beweis stellen. Aber damit wir dies tun konnten,
musste zuerst ein Baum her. Jahr für Jahr fragten
wir einen großen Bauern, ob er uns denn einen
zur Verfügung stellt, und immer wieder erklärte
sich einer dazu bereit, obwohl in jenen Tagen ein
Baum noch einen weit größeren Wert darstellte als
heute. In jenem Jahr machte ich mich als Obmann
des Vereines auf, um bei einer Gutsverwaltung, die
große Waldbesitzungen in unserer
Gemeinde hatte, um die Spende
eines Maibaums anzufragen.
Ich wurde sehr freundlich vom
Verwalter empfangen, trug
ihm mein Anliegen vor und
alsbald meinte er, dass wir
selbstverständlich einen Baum
haben können. Ich freute mich, nur um gleich
darauf zu erfahren, dass er den Förster schickt, um
mit mir eine Fichte auszusuchen und dass der mir
dann auch gleich mitteilt, was diese kostet. Einen
Baum kaufen konnten wir überall, aber das war
nicht im Sinne unseres Traditionsverständnisses.
So besprach ich das mit meinen Leuten. Vor lauter
Ärger über dieses Angebot beschlossen wir, auf
eine noch ältere Tradition zurückzugreifen und
den Maibaum zu stehlen. Es war bereits Mitte
April, als wir zusammenkamen, um unsere Idee
in die Tat umzusetzen. Natürlich hatten wir ein
schlechtes Gewissen, aber der Gedanke, dass ein
Baum nicht auffällt bei jemandem, der mehrere
hundert Hektar Wald besitzt, und eine Kiste
Bier sorgten bald für ein gutes Gewissen. Unser
Plan war es, uns dann, wenn bei den Höfen Ruhe
eingekehrt war, in den Wald zu schleichen und
mit Hacken und einer Zugsäge dem Baum zu
Leibe zu rücken. Diesen hatte bereits einer von
uns ausgespäht, der tief im Graben mit seinem
Wald an jene Gutsverwaltung grenzte. Wir waren
Schuhplattler und davon überzeugt, dass wir
deswegen auch etwas vom Hacken und Sägen
verstanden. In der Hütte unseres Spähers trafen
wir uns zu später Stunde. Acht gestandene und
hochmotivierte Burschen machten sich nach
22.00 Uhr auf, um den diesjährigen Maibaum
im Schweiße ihres Angesichts zu erobern. Der
Weg in den Graben war weiter als gedacht, zum
Glück war es mondhell, und als wir unser Ziel, die
Fichte, erreichten, dachten wir zwar schon, dass
dies ein sehr „mächtiger“ Baum ist, aber da wir
ja nicht viel mehr als den Stamm sahen, verließen
wir uns auf die Auswahl unseres Mitverschwörers.
Die Säge wurde angesetzt; immer
abwechselnd zogen zwei von uns
daran, nur das Weiterkommen
hielt sich in Grenzen. Vielleicht
hätten wir doch nicht unsere
rostige Auftrittsäge verwenden
sollen und vielleicht wäre es doch
ratsam gewesen, deren Zähne nach geschätzten
50 Jahren wieder einmal anzuschleifen. Eine
Motorsäge kam nicht infrage, die hätte viel zu viel
Lärm gemacht. So wurde geschwitzt und gezogen
und geschwitzt und geflucht. Es war bereits
weit nach Mitternacht, als es uns endlich gelang,
unseren Baum zu Fall zu bringen. Mit lautem
Krachen donnerte er hernieder und wir dachten,
dass wir das Schlimmste bereits überstanden
hätten. Einer von uns schritt die Fichte ab, gut
28 Meter war sie lang, dann die Nachricht: „Da
Wipfl föhlt“! Der lag einige Meter weiter unten,
brach beim Aufprall ab und maß gut noch einmal
9 Meter. Der Baum war riesig und unser Plan vom
gemeinsamen Heraustragen dahin.
Wir mussten den kleinen Steirertraktor unseres
Freundes holen, damit wir unseren Maibaum
überhaupt bewegen konnten. Mit Ketten
festgezurrt, bewegte sich aber … nichts. Einzig
der Traktor grub sich so tief in den Waldboden ein,
dass wir ihn selbst ohne Anhängstel nicht mehr
herausbekamen. Ein zweiter, ein größerer Traktor
musste her. Irgendwann war unsere Verzweiflung
dann groß genug, dass wir auch die Lichter bei
unseren Fahrzeugen einschalteten. Als wir endlich
den Baum und den kleinen Traktor herauszogen,
dämmerte es bereits. Zuletzt holten wir den
Wipfel, da brauchten wir das Licht nicht mehr,
denn die ersten Sonnenstrahlen des beginnenden
Morgens vertrieben bereits die Schatten der Nacht.
Jetzt mussten wir noch unser „Bloch“ auf einen
Holzanhänger bekommen und dann konnten wir
ihn endlich ins Dorf bringen, wo im Hinterhof
eines Bauern die Schnitzerei und das Schmücken
passieren sollten. Zwei von uns gingen zurück
in den Wald, um mit Rechen und Hauen die
Spuren unserer Arbeit zu verdecken. Wir anderen
begleiteten den Baum durch das Dorf – dort
wies man uns lachend darauf hin, dass da ja der
Wipfel fehlt. Genau das, was wir zu unserem
Glück noch brauchten! Den holten wir danach
und jetzt, bei Tageslicht und auf dem Anhänger
liegend, sahen wir, dass dieser allein schon
einen kleinen Maibaum abgab. Der Bauer, bei
dem wir unsere Beute einstellten, lachte uns aus
und wies uns darauf hin, dass wir, sollten wir
den Wipfel wieder anbringen, dieses „Trum von
Bam“ niemals aufstellen könnten. Wir mussten
es einsehen. Die Verzweiflung wurde immer
größer, denn wir wussten nicht, was tun. Er bot
uns an, aus seinem Wald einen geeigneten Baum
zu holen, dafür sollten wir ihm diesen überlassen.
Wir waren froh über seine Hilfe, obwohl uns für
unsere Fichte mindestens zwei kleine Bäume
zugestanden wären. So machten wir uns wieder
auf. Ein schöner, gerade gewachsener Baum wurde
(dieses Mal mit der Motorsäge) gefällt und siehe
da: Wir konnten ihn heraustragen, aufladen und
zum Bauern bringen. Unser Maibaumaufstellen
war gerettet. Am späten Nachmittag war jene
Arbeit abgeschlossen, die uns eigentlich nur zwei
Stunden beschäftigen sollte. Am 1. Mai wurde er
aufgestellt und wieder einmal hatte die „brave“
Landjugend die Tradition hochgehalten.
Wir planen und montieren
Ihre maßgeschneiderten Küchenund
Einrichtungslösungen nach Ihren Wünschen.
15
Unsere Sprache - unsere Seele
Spal Splitter Ban Hulzoarbeitn ham i mia an Spal einzogn.
leibi wohlgenährt Dir tut die Ehe wirklich guat, ma siacht,
wia schea leibi du gwoardn bist.
Schumma vertrocknetes Unkraut Bevor es Gros zan wochsn aunfangt, miass ma
des Schumma noch obrechn.
puglat schief, krumm Geh net so puglat, sunst kriagst wieder Kreuzweh.
Dumadumdodl lässt alles mit sich machen
Glei noch da Heirat bin i zum Dumadumdodl
befördert worden.
kluag wenig, sparsam Mia miassn kluag mit dem Most umgeha, wal er wird
schon kluag.
Brota Bräter/Backrohr Im Brota wird da Brotn richti schea brotn.
Hülf Medizin Wenn du zan Dokta gehst, bring mir a a Hülf mit.
schobln schaben Do muasst schon anständig schobln, damit du den
Dreck wegkriagst.
dischgariern miteinander reden Fia jeden Blödsinn host Zeit, aber zum Dischgariern
is koani mehr.
Weaschn Wespe Wia es woarm wird, san die ersten Weaschn schon do.
zulln umherflanieren Da Vota umd da Humd tuan nix liaba wia zulln.
aln eilen Wenn mia hiaz net aln, dawisch ma den Postbus nia.
Bischlan Blumen Deini Bischlan wochsn heuer wieder besonders schea.
Buanägln
Schmerz in gefrorenen Fingern I hob die Handschuhe vergessen und jetzt martern
mich die Buanägln.
dumpa dämmrig Schau, dass du mit der Arbeit fertig wirst,
bevor es dumpa wird.
entn drüben Wo san die Antn? Ah, duat entn.
Flinzal leichte Ohrfeige Wenn du net fulgst, wirst glei so a Flinzal kriagn.
gach plötzlich Zuerst woa nix, ober gach woas do.
Glugl dümmlicher Mann Mit so an Glugl gibst du di oh?
Was einst als Werkzeug oder Alltagsgegenstand
in Gebrauch war und
im Laufe der Zeit einfach erneuert,
abgelöst oder vergessen worden ist,
wird hier zu neuem Leben erweckt.
8505 ST. NIKOLAI IM SAUSAL • 0650 62 41 953 • www.erinnerungshof-hermann.at
16
LEBENSRETTERIN
Mutig wia
die Muatta
Es sind Geschichten, die uns die Erfahrungen und die Lebensweisen
unserer Vorfahren nahebringen. Manche davon sollen uns lehrreich
durch das Leben führen, andere wiederum erzählen von Herzensgüte
und dem Mut der Menschen. Eine solche Geschichte weiß
Johann Kessler, geboren 1941, aus Kleinfelgitsch zu
erzählen. Sie handelt von seiner Mutter und einem fremden jungen
Mann, der ihm das „Glunzen“ beibrachte.
17
LEBENSRETTERIN
Mutig wia die Muatta
Meine Mutter und
mein Vater waren
seinerzeit Kinder
aus armen Familien und
die Gesellschaft sorgte
dafür, dass es auch so
blieb, denn immer heiratete
Reich zu Reich und Arm
zu Arm. Die Mutter erlebte
ihre ersten drei Lebensjahre
in der Weinzerlkeusche der
Großmutter, weil ihr Vater
bereits im Jahre 1916 gefallen
war, und kam dann zu jenem Bauern,
dem diese gehörte und wurde dort als Dirn
groß. Der Vater kam im Alter von sechs Jahren
zu einem Bauern und verblieb dort als Knecht.
Im Alter von 14 Jahren wollte er bei seinem Vater
das Zimmermannshandwerk erlernen, doch ließ
ihn der Bauer nicht. Bis zum 20. Lebensjahr
musste er bei ihm bleiben, um Kost und
Unterkunft seiner Kindheit abzuarbeiten. Erst
als der Bauer das Gefühl hatte, dass alle Schuld
beglichen war, durfte er mit seinem Vater mit
arbeiten gehen. Später lernte er meine Mutter
kennen und 1936 haben sie hier unsere kleine
Wirtschaft angekauft.
Es war im April 1945, der Vater
war im Krieg, mein Bruder elf,
die Schwester zehn und ich gerade
einmal vier Jahre alt. Wir saßen
mit der Mutter am Mittagstisch
und verspeisten, was diese
kläglichen Zeiten uns bescherten.
Der Tisch stand am Fenster;
wir saßen an drei Seiten, als es plötzlich klopfte
und ein junger Mann durch die Scheibe hereinschaute.
Mutter hieß in herein und er erkundigte
sich, wo er hier denn eigentlich ist. Er wurde zum
Essen eingeladen und erzählte seine Geschichte.
Ludwig, so war sein Name, kam aus dem Elsass,
deshalb sprach er Deutsch, und
wurde nach der Okkupation
durch das Deutsche Reich zur
Wehrmacht eingezogen. Er
war gerade einmal 18 oder
19 Jahre alt und hatte an der
Ostfront schlimme Dinge erlebt.
Immer weiter wurden sie
später von den Russen zurückgedrängt,
bis er keine Hoffnung
mehr für sein Leben sah und sich
zu Fuß auf den Weg machte. Meist
ging er nur in der Dämmerung und in
der Nacht, die Dörfer hat er gemieden, um
nicht entdeckt zu werden, und so landete er hier
bei uns in der Einschicht. Er war abgemagert und
müde und weil er ja nur wenige Jahre älter war als
mein großer Bruder, hatte die Mutter Mitleid und
bot ihm an, sich einige Tage bei uns im Heustall
zu verstecken. Gerne nahm er dieses Angebot
an. Er vergrub sich tagsüber tief im Heu und kam
nur ganz in der Früh und spät am Abend heraus.
Dann half er dabei, einige Arbeiten zu verrichten,
und saß mit uns in der Stube, um von seiner
Heimat, seinen Eltern und seinem Leidensweg
zu erzählen. Die Mutter schloss ihn richtig ins
Herz, ebenso wie er uns Kinder.
Die ganze Geschichte von Ludwig
kenne ich aus Erzählungen
meiner Mutter, ich war ja noch
zu klein, aber an etwas kann ich
mich auch noch erinnern und
das war das „Glunzen“. „Glunzen“
hieß bei uns jenes Spiel,
das heute bei den Kindern „Flieger
fahren“ heißt. Dabei legte
ich mich auf den Boden, Ludwig nahm mich bei
einer Hand und einem Bein und drehte sich mit
mir so schnell im Kreis, dass ich abhob. Auch mit
den älteren Geschwistern spielte er liebvoll und
so vergingen zwei, drei Wochen. Mutter setzte
sich in jenen Tagen einem großen Risiko aus,
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denn knapp vor dem Kriegsende waren die Nazis
beinahe gefährlicher als je zuvor. Hätte man Ludwig
bei uns entdeckt, wäre nicht nur er, sondern
auch die Mutter standrechtlich erschossen worden.
Als wieder zwei „Durchgeher“ – zwei Soldaten,
die auf der Flucht in Richtung ihrer Heimat
waren – bei uns vorbeikamen, schloss Ludwig sich
ihnen an; gemeinsam wollten sie bei Wildon die
Mur überqueren. Damit uns allen der Abschiedsschmerz
erspart blieb, kündigte er seinen Aufbruch
nicht an, sondern ist einfach an einem Tag
losgezogen, als meine älteren Geschwister in der
Schule waren und ich mit der Mutter beim Tagwerken
auf einem anderen Hof. Schmerzhaft war
es trotz allem für beide.
Tage später erfuhr die Mutter, dass bei Wildon drei
Deserteure aufgegriffen und standrechtlich hingerichtet
worden waren. Die Trauer war groß, Mutter
machte sich Vorwürfe, dass sie Ludwig hatte gehen
lassen und noch sehr lange Zeit wurde immer
davon geredet, was der Ludwig doch für ein lieber
und guter Mensch gewesen sei. Später kam der Vater
vom Krieg nach Hause und im Jahr 1951 kam
meine jüngste Schwester zur Welt. Das Leben normalisierte
sich und erst im Lauf des Erwachsenwerdens
wurde einem klar, wie mutig die Mutter
damals eigentlich war. Ich bin später nach Lieboch
gezogen und habe geheiratet. Selbst damals, Mitte
der 60er Jahre, erzählte die Mutter noch immer
die Geschichte vom Ludwig, dem sie Unterschlupf
gewährt hatte und der ihr in wenigen Tagen so
lieb und teuer geworden war. Anfangs der 70er
Jahre – meine Schwester war bereits an die 20
Jahre alt – hatte sie am Postamt zu tun, das von
einem Postmeisterehepaar betreut wurde. Während
sie wartete, vernahm sie, wie die beiden sich
darüber unterhielten, dass schon wieder ein Brief
aus Frankreich da sei, bei dem weder der Name
noch die Adresse passen. Aufgewachsen mit Mutters
Geschichte, wurde meine Schwester hellhörig
und fragte nach dem Namen des Absenders. Als
es hieß, dass er Ludwig heißt, erzählte sie Mutters
Geschichte und bekam den Brief ausgehändigt. Er
hatte es tatsächlich geschafft – er ist wieder zuhause
angekommen und versuchte über all die Jahre
hinweg immer wieder der Mutter zu schreiben.
Sie selbst fiel aus allen Wolken; unter Freudentränen
las sie seinen ersten Brief. Lange Zeit schrieben
die beiden hin und her. Mutter berichtete ihm,
warum sie dachte, dass er erschossen worden war.
Er schrieb davon, dass sie sich noch tagelang in
Wildon versteckten, dass auch er von dieser Hinrichtung
hörte und sich große Sorgen um die Mutter
machte. Der Grund dafür war: Ihm wurde erzählt,
dass da eine Bäuerin erschossen wurde, weil
sie einem Flüchtigen Unterkunft gewährte, und er
befürchtete, dass sie es war. Immer wieder schrieb
er Briefe und das jahrelang, in der Hoffnung, dass
einmal einer bei der Familie ankam, so wie es dann
auch geschah. Jahre später kam Ludwig mit seiner
Familie zu Besuch hierher. Er konnte und wollte
es sich nicht nehmen lassen, wie er selber sagte,
seiner Lebensretterin noch einmal persönlich zu
danken. Es war ein wunderschönes und sehr berührendes
Wiedersehen, das die beiden hatten.
Bis zu ihrem Lebensende blieben sie in Briefkontakt.
So fand die mutige Geschichte meiner Mutter
letztendlich ein glückliches Ende.
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WOAßT AS NOCH?
ÜBER HUNDERTE, JA SOGAR TAUSENDE
VON JAHREN ERFUHREN DIE WERK-
ZEUGE DES TÄGLICHEN GEBRAUCHS
ZWAR EINE STÄNDIGE WEITERENT-
WICKLUNG, ABER KAUM EINE ENT-
SCHEIDENDE VERÄNDERUNG. ERST
IM LETZTEN JAHRHUNDERT WURDEN
VIELE UNSERER HILFSMITTEL DURCH
TECHNISCHE ERRUNGENSCHAFTEN
ABGELÖST UND BEGINNEN SEITDEM
LANGSAM IN VERGESSENHEIT ZU
GERATEN. ERINNERN SIE SICH NOCH
AN DEN VERWENDUNGSZWECK
NACHSTEHENDER WERKZEUGE?
Holzknechtarbeit
Sägen
Die hier beschriebenen Zugsägen stellten in den
frühen 50er Jahren die hochwertigsten Waldarbeiterwerkzeuge
dar und sind durchwegs mit Hochleistungsbezahnungen
ausgestattet. Um diese fachgerecht
zu schärfen, wurden sie in eine Sägeblattklemme
eingespannt.
1) Hobelzahnsäge
2) Lanzenzahn-Hobelsäge
3) Euler’sche Hochleistungszahnsäge
4) Sägeblattklemme
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5) Fuchsschwanzsäge
Die Fuchsschwanzsäge (Ein-Mann-Säge) ist besonders
für die Durchforstung geeignet. Bei der Wahl
einer Fuchsschwanzsäge ist unbedingt darauf zu
achten, dass die Säge mit einer Schneidezahngruppe
beginnt, keinesfalls mit einem Räumzahn.
Die Exponate wurden uns von
www.erinnerungshof-hermann.at
zur Verfügung gestellt.
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Schränkeisen
Zum Schränken der Zugsäge, d.h. zum Herausbiegen
der Schneidezähne aus der Sägeblattebene,
eignen sich am besten ein Schränkeisen, ein
Schränkhebel oder eine Schränkzange.
9) Bügelsäge
Die Bügelsäge hat den Vorteil, dass sie durch die
Spannung des Bügels ein relativ dünnes Blatt haben
kann, wodurch ein besonders leichter Schnitt erreicht
wird.
6) Schränkeisen
7) Schränkhebel
8) Schränkzange
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JETZT
FÜHRUNG
BUCHEN
Erfahren Sie bei unseren Führungen, was Genuss
bedeutet – nämlich MIT ALLEN SINNEN FREUDE ERLEBEN.
Tauchen Sie in die Geheimnisse der Ölproduktion ein.
(FÜHRUNGEN GEGEN VORANMELDUNG)
FREUDE
ERLEBEN
EINFACH
GENIESSEN
HAMLITSCH GMBH & CO KG I WIRTSCHAFTSPARK 28 I A-8530 DEUTSCHLANDSBERG I www.hamlitsch.at
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