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Flensburg Journal 211 - April 2020

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Erinnerungen an Ohnsorg-Star Jürgen Pooch

Der NDR nannte ihn den

„Liebling der Deerns“

Am 21. Mai würde er erst 77

Jahre alt werden – doch das

war dem in Insterburg/Ostpreußen

geborenen Jürgen

Pooch nicht vergönnt: Nur 55

Jahre alt durfte er werden, drei

Tage vor seinem Geburtstag

starb der Flensburger Schauspieler

an einem Herzinfarkt

am 18. August 1998 im Urlaub,

den er mit seiner zweiten Frau

Christel Basilon in der Türkei

verbrachte. Bereits 1991 war

dem damals 48-Jährigen Lungenkrebs

diagnostiziert worden.

Ihm wurde daraufhin die

halbe Lunge entfernt.

Doch Jürgen Pooch hatte sich

auch diesmal noch einmal wieder

für das Leben entschieden

– 1996 feierte er sein 30jähriges

Jubiläum auf der Bühne

des Ohnsorg-Theaters. Wer

hätte das wohl gedacht?

Für den in Flensburg herangewachsenen

jungen Bühnenkünstler

war das alles andere

als selbstverständlich:

Es muss 1962/63 gewesen

sein, Mittagspause auf Holm

und Großer Straße – hier waren

sie alle anzutreffen: Größere

Schüler, Lehrlinge und

Studenten der Fachhochschule

für Schiffsbetriebstechnik, wir

nannten sie einfach Schiffsingenieursschüler,

aber auch

Schauspieler vom nahen Theater.

Sammelpunkt war bei

„Tchibo“. Dort hat so manche

Liebelei begonnen, der Kaffee

war gut und vor allem billig,

und die Gespräche waren

häufig interessant, wenn sie

überhaupt zu hören waren –

nicht immer erreichte das Ohr

des Gesprächspartners das des

anderen. Man stand eng aneinander,

dazwischen der heiße

Kaffee, und man fühlte sich

wohl. Niemand beschwerte

sich, wenn ihm der Zigarettenrauch

des Nachbarn ins

Gesicht geblasen wurde: Rauchen

war „in“.

In diesem Umfeld lernte ich

Jürgen Pooch kennen. Der war gerade

dabei, seine Lehre zum Großhandelskaufmann

bei Holm & Molzen abzuschließen.

Doch Jürgen wollte Schauspieler

werden. Unbedingt! So betrat

er schon als Schüler die „Bretter, die

die Welt bedeuten“ in Flensburg als

Statist, in kleinen Rollen auch schon

auf der Niederdeutschen Bühne. Geboren

wurde er in Insterburg in Ostpreußen.

Seinen Vater hat er, 1943 geboren,

kaum kennengelernt, erzählte

er, der sei Bankdirektor gewesen, aber

1944 in Kurland gefallen. Seine Mutter

flüchtete dann mit dem Zweijährigen

1945 „auf dem letzten Schiff“

aus Danzig nach Schleswig-Holstein.

Über Lübeck landeten beide letztlich

in einem Flüchtlingsheim in Flensburg-Mürwik.

Das hat er oft und gern

erzählt.

Jürgens Mutter Eleonore heiratete in

zweiter Ehe einen Marineoffizier mit

drei Kindern. Gemeinsam wohnten sie

im Heinz-Krey-Hof, meine Mutter und

ich – ich war seinerzeit in der Lehre

als Fotografin am Südergraben – nicht

weit davon entfernt im Kiefernweg.

Wir konnten also die gleiche Buslinie

benutzen, trafen uns dann auch häufig

und wurden gute Freunde. Jürgen hatte

sich an der Schauspielschule von

Hildburg Freese in Hamburg angemeldet,

nach einer Aufnahmeprüfung, für

die wir gemeinsam einige notwendige

Texte auswendig lernten – dazu nutzten

wir weite Spaziergänge um Glücksburg

und Solitüde herum, oftmals singenderweise,

weil wir es beide gerne

taten – war er aufgenommen worden.

Das Geld für die Ausbildung verdiente

er sich wieder als Statist an mehreren

Hamburger Bühnen, auch schon im

Ohnsorg-Theater.

Erste Rollen nach der Schauspielschule

bekam er am Lübecker Theater. Er

gefiel mit seinen blauen Augen, den

dunklen Haaren und der markanten

Stimme nicht nur den jungen Zuschauerinnen.

Und er besaß einen

umwerfenden Charme – meiner Mutter

entlockte er damit sämtliche Frikadellen,

die sie für die kommende Woche

vorbereitet hatte. Jürgen hatte immer

Hunger, vor allem, wenn seine Familie

verreist war. Im Gegenzug berichtete

er uns, was er auf der Schauspielschule

gelernt hatte. Ich sehe ihn heute

Glücklich alt werden ...

noch „en garde!“ rufen und olympiaverdächtig

den Degen schwingen. Es

machte Freude, ihm auf den Weg ins

künstlerische Leben zu helfen, seine

Begeisterung riss uns mit. Doch nachdem

er sich in Hamburg wohl fühlte,

sah ich Jürgen nur noch wenig: Ich

lernte meinen Mann kennen, Jürgen

machte Karriere. Einige Jahre hindurch

telefonierten wir noch – danach

las ich nur noch in der Presse von ihm

oder sah ihn in Fernsehrollen.

Mit seinem Debüt im Ohnsorg-Theater

im Stück „Froonslüüd sind ok bloots

Minschen“ beeindruckte der junge

Flensburger den damaligen Theaterchef

Hans Mahler. Das brachte Pooch

den ersten festen Vertrag, auch wenn

er damals noch kaum Plattdeutsch

konnte. Es hieß, Heidi Kabel und

Tochter Heidi Mahler hätten tüchtig

mit ihm geübt. So tüchtig, dass Heidi

Mahler Jürgen heiratete. Allerdings

war die Ehe nicht von Dauer, nach vier

Jahren war alles aus und vorbei! Immerhin

wurde er danach auch als Autor

bekannt. Jürgen Pooch übersetzte

mehrere Theaterstücke in die niederdeutsche

Sprache, brachte sie sogar

als Regisseur auf die Bühne. Zunächst

gab er vor allem den „jugendlichen

Liebhaber“, häufig zusammen mit

Heidi Mahler, entwickelte „sich aber

in mehr als hundert Rollen zu einem

ausdrucksstarken Charakterschauspieler,

der als Gutsbesitzer Flamm in

Gerhard Hauptmanns „Rose Bernd“…

oder in Hendrik Ibsens „Volksfeind“,

so ein Kritiker im „Spiegel“ am 28. August

1998. Jürgen Pooch habe in der

niederdeutschen Bühne „als strahlend

blauäugiger Mime“ zu den beliebtesten

Schauspielern gehört.

Hedda Maue

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FLENSBURG JOURNAL • 04/2020

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