Online-Ausgabe 4, ET 18.04.2020
Krise, Krieg, Katastrophe: Die Begriffe, die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gerne verwendet werden, offenbaren schon die Unsicherheit. Da ist eine Unschärfe, die davon abhalten soll, das wahre Ausmaß der Katastrophe ins Auge zu fassen. Von Michael Zäh
Krise, Krieg, Katastrophe: Die Begriffe, die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gerne verwendet werden, offenbaren schon die Unsicherheit. Da ist eine Unschärfe, die davon abhalten soll, das wahre Ausmaß der Katastrophe ins Auge zu fassen. Von Michael Zäh
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Samstag, 18. April 2020
h April | 4. 2020 April 2020
DEUTSCHLAND GESELLSCHAFT 11
April 2020
Samstag, 18. April 2020
Anfreunden mit neuen Strategien.
Und das zu Recht. Denn alles, was
schnell-schnell gehen soll, ist eben
auch verdächtig. Deshalb sagen wir
hier schon Mal, wie eine Strategie
gegen die weitere Verbreitung des
Corona-Virus wohl aussehen könnte,
nachdem der Stillstand des öffentlichen
Lebens und der Wirtschgaft
schrittweise wieder aufgehoben wird:
Es wäre grob gesagt nach dem Vorbild
Südkoreas, nämlich nach dem Prinzip,
zielgenau die Infizierten zu finden und
zu isolieren. Das ginge wohl nur über
sehr viel mehr zur Verfügung stehende
Schnelltests in Kombination mit
einer App, die blitzschnelle Dienste
leistet, um potenziell Infizierte zu
informieren.
Hier ist eine europäische Lösung
in der Mache. Forscher/innen aus acht
EU-Ländern haben eine Art Baukasten
vorgestellt, um mit Handy-Apps das
Virus einzudämmen. Unis, Startups,
Forschungsinstitute sind beteiligt.
Nicht jedes Land für sich, ausnahmsweise
mal alle zusammen. Epidemiologen,
Psychologen und IT-Experten
waren an der Entwicklung beteiligt.
Bei der App sollen nur so viele Daten
genutzt werden, wie unbedingt nötig
ist. Man will die Bluetooth-Funktion
von Handys nutzen, nicht die
Standortdaten. Um sagen zu können,
ob jemand gefährdet ist, muss eine
App nicht wissen, wo genau er oder
sie sich aufgehalten hat, und der Staat
sollte das erst recht nicht wissen. Es
reicht, dass die App weiß: Der und der
war in der Nähe - das geht mit Bluetooth.
Und wenn sich später herausstellt,
dass jemand infiziert ist, schickt die
App Kontaktpersonen eine Warnung,
dass sie gefährdet sind.
Diese Technik könnte helfen, viel
schneller als bisher all jene zu testen,
die potenziell infiziert wurden. Natürlich
nur, wenn die Leute mitmachen,
sprich: mündig, auch ohne Mundschutz.
Und auch nur, wenn dann auch
wirklich genügend Tests zur Verfügung
stehen, um sofort alle zu testen,
die sich nach Benachrichtigung durch
die App zum Test melden.
Gleichzeitig ist dies aber nur eine
Seite der Medaille. Denn wie schon
zuletzt immer häufiger zu beobachten
kann auch eine Hysterie (siehe Titel
dieser ZaS) immer weiter gesteigert
werden, die ebenfalls Schaden anrichtet.
Denn natürlich ist die Angst mitten
in der Gesellschaft angekommen. Die
Angst, am Virus schwer zu erkranken.
Die Angst, durch die verfügten Verbote
seine wirtschaftliche Existenz zu
verlieren. Die Angst, dass sogar die EU
an dieser Krise zerbricht. Die Angst vor
jedem, der an einem vorbei geht. Die
Angst, dass es alles noch schlimmer
kommen könne.
Da es unabdingbar ist, dass die
Wirtschaft irgendwann wieder Fahrt
aufnehmen muss, die Kinder irgendwann
wieder in die Schule gehen
sollen, ja sogar irgendwann wieder
Kultur, Sport und Events stattfinden
müssen, gibt es noch ein Szenario,
das auch Angst machen kann. Nämlich
jenes, die „Alten“ zu isolieren,
weil diese ja die „Risikogruppe“ sind.
Stell dir vor: Das Leben tobt wieder in
Deutschland, aber über 60 (wahlweise
70 oder 80) Jahren darfst du nur zu
Hause bleiben. Und der Polizist auf
der Straße erkennt es sofort, wenn du
dagegen verstößt, weil: Du siehst ja
auch so alt aus, wie du bist.
Was könnte sonst noch alles bald
kommen? Wenn die Kontaktverbote
wieder gelockert werden, die Kinos,
Fitnessclubs und sogar die Kneipen
wieder öffnen dürfen, kann es zu Staus
kommen, zum Beispiel beim Friseur/
in, beim Einkauf in zuvor so lange
geschlossenen Fachgeschäften (hoffentlich
in den Blumenläden), beim
Ansturm in den Schwimmbädern.
Die gute Nachricht ist, dass es
irgendwann einen Impfstoff gegen das
Coronavirus geben wird, womöglich
auch wirksame Medikamente. Die
schlechte Nachricht ist, dass es später
noch andere Viren geben kann, die
heute noch keiner kennt.
Illustrationen: Viktor Lukanow