Mai 2020 - coolibri

LITERATUR
Flimmernde Grenzen
PostmodernePostapokalypse: In Juan S. Guseszweitem Roman„Miami
Punk“hat sich das Meer vonder Küste Miamis zurückgezogen. Wiedie
Stadtund ihre Bewohner in dieser neuen, obskuren Weltleben,zeigt Guse
durchdiverse Protagonistenund experimentelleErzählweisen.
Foto: S.Fischer
Eine Game-Designerin,ein „Counterstrike“-Profi ausWuppertal,eineSoziologinauf
Sinnsucheund einTeenieauf AbwegeninsektiöseStrukturen: in
„Miami Punk“wirddie Stadtnachder Katastrophedurch verschiedenste
Perspektiven erlebbar gemacht.Guseformt dabeieineverblüffend authentische
Dystopie,ein zerrüttetes Miami nurzweiZentimeterneben der
Wirklichkeit, wo dieGrenzezwischen Realismus undMagie stetsflimmert.
EinenwirklichenPlotin„Miami Punk“auszumachenist schwierig. Aber
auch egal,denndas wahreVergnügenandiesemRoman istnicht dasAbhangelnklassischer
Erzählnormen, sondernder Bruch mitihnen.Ein Beispiel:Ein
neuesKapitel startetund plötzlich schreibtGuseübermehrere
Seiten alleWörteraneinanderhängend.Wie anstrengend, denkt man. Bis
dasEndedes Kapitels kommt,man denSinnder Form versteht undein
massivesAha-Erlebnis erntet.Der wilde Ritt durchErzählstile bringt auch
Auszügeaus einerfiktivenDoktorarbeit, RoboterprotokolleoderTagebucheinträgeeines
Auswanderers,der in dieWüste zog,woeinst derAtlantik
strömte. Dazu wirft Guse wildIdeenaus Philosophie,Artefakteder Popkulturund
einenSchwall Verschwörungstheorien zusammen.Alles in diesem
Romanist verschachteltund verheddert undauf unsichtbare
Art miteinanderverbunden.„Miami Punk“ ist ein wunderbaresLeseerlebnis.
LukasVering
Juan S. Guse:Miami Punk,2019, 664Seiten, S. Fischer
Foto: Verlag Summer Festival
Foto: Goldmann Verlag /Randomhouse
Foto: Eichborn Verlag
The Manwiththe Compound Eyes
EinBuchtippfür Englischleser mitKatastrophenstimmung:
Ähnlich wiein„Miami Punk“
spieltauch im Romandes taiwanesischen Autors
Wu Ming-Yidas Meer eine zentraleRolle.
Hier istesein Tsunami, dereineganze Inselaus
Plastikmüllandie Küste Taiwansspült –und
dadurchdas LebendiverserCharaktereverbindetund
verändert.Berührend erzähltund thematisch
brummendvor Relevanz. Mitwunderbarensprachlichen
Bildernund unkonventionellerStilistikerweitern
Leservon „The Manwith
theCompoundEyes“ zudemihren englischen
Wortschatz. lv
Wu Ming-Yi: TheMan with theCompoung Eyes,
2011,306 Seiten,VerlagSummer Festival
40
World WarZ:Operation Zombie
Noch mehr Endzeitstimmung: In „World WarZ“
geht es um dieZombie-Apokalypseals Pandemieund
aus globaler Sicht. Jedes Kapitelhälteine
neue Geschichte einesneuenCharaktersbereit
undbeleuchtetzahlreiche Facetten des
Weltuntergangs.Interessantist zu sehen, wie
verschiedene Länder aufden Ausbruch eines
Zombievirusreagieren,wie Politikund Kultur die
Überlebenschancen regulieren.Achtung:Mit
demAusbruch desCorona-VirusimBlick lassen
sich erschreckende aber auch erhellende Parallelenzur
Realität ziehen.Der gleichnamige Film
hatmit demRoman nurloseetwas zu tun. lv
MaxBrooks: WorldWar Z, 2013,432 Seiten,
Goldmann Verlag
AmericanGods
In „AmericanGods“,das jüngst vonAmazonPrime
als Serieadaptiertwurde,verwebt AutorNeil
Gaiman gekonntMythologien undreligiöseGestaltenaus
allerWeltmit derewigenSuche
nachder amerikanischen Identität.Protagonist
istder Ex-HäftlingShadowMoon, dersichnach
Ableistung seiner Haftstrafe vorden Trümmern
seiner Existenz siehtund kurzerhand beim charismatischen
Trickbetrüger Mr.Wednesday als
Mädchenfür allesanheuert.Die beiden beginneneinewilde
Fahrtquerdurch dieUSA.2017
erschien beiEichborneineungekürzteFassung,
quasider „Director’sCut“.It’swild! kb
Neil Gaiman:AmericanGods–Director‘s Cut,
2017,672 Seiten,EichbornVerlag