Denkmalpflegepreis 2020
Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag
Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag
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« Der Bauherr ist<br />
ausser ordentlich sorgfältig<br />
vorgegangen und hat<br />
innovative Lösungen entwickelt. »<br />
Renate Haueter, Bauberaterin Denkmalpflege Bern<br />
Grundriss Wohngeschoss<br />
1 Stube<br />
2 Wohnstube<br />
3 Küche<br />
4 Reduit<br />
5 Bad<br />
6 Laube<br />
7 Schopf<br />
8 Heuraum<br />
9 Tenn<br />
Schnitt<br />
1 Werkstatt/Keller<br />
2 Stube<br />
3 Gaden<br />
4 Trauflaube<br />
5 Kammer<br />
6 Tenn<br />
7 Getreideraum<br />
8 Heuraum<br />
9 Stall<br />
NEU<br />
BESTAND<br />
DACHGESCHOSS<br />
OBERGESCHOSS<br />
WOHNGESCHOSS<br />
KELLERGESCHOSS<br />
4<br />
N<br />
2<br />
3<br />
2<br />
1<br />
3<br />
6<br />
1 1<br />
WOHNTEIL<br />
5<br />
3<br />
2<br />
1<br />
4<br />
N<br />
5<br />
9<br />
7<br />
6<br />
0m<br />
7<br />
8<br />
5m<br />
0 5<br />
WIRTSCHAFTSTEIL<br />
8<br />
9<br />
O:\15_Restliche Objekte , Kleinobjekte\Frutigstil Schema 9.Juli.2008\Frutigstil 9.Juli.2008.pln<br />
Kontaktadressen<br />
Bauberatung Denkmalpflege<br />
Renate Haueter<br />
Denkmalpflege des Kantons Bern<br />
Schwarztorstrasse 31<br />
Postfach<br />
3001 Bern<br />
T 031 633 40 30<br />
www.be.ch/denkmalpflege<br />
Holzbau und Dachdeckerarbeiten<br />
Däpp Holzbau GmbH<br />
Scheidmattenstrasse 22A<br />
3703 Aeschiried<br />
T 033 654 10 20<br />
daepp.aeschiried@bluewin.ch<br />
Fenster<br />
Wenger Fenster AG<br />
Chrümigstrasse 32<br />
3752 Wimmis<br />
T 033 359 82 83<br />
www.wenger-fenster.ch<br />
Fassadenrestaurierung<br />
Hans Salzmann<br />
Bräter-Allmend 41<br />
3616 Schwarzenegg<br />
T 033 453 26 08<br />
www.atelier-restauro.ch<br />
Roger Tinguely<br />
Hohgantweg 1C<br />
3612 Steffisburg<br />
T 033 438 80 75<br />
www.artinguely.ch<br />
Küche und Bad<br />
JAGGI FREI BRÜGGER architekten<br />
Dorfstrasse 13<br />
3714 Frutigen<br />
T 033 672 80 80<br />
www.jfb-architekten.ch<br />
Die Postkarte zeigt das Stuckihaus vor der Neubemalung von 1955.<br />
Die Inschriften waren damals – anders als original – weiss gefasst.<br />
Haus am Viehmarktplatz –<br />
Blick in die Geschichte<br />
Text: Hansruedi Marti<br />
D<br />
as Stuckihaus im Dorfkern von<br />
Reichenbach zählt zu den<br />
prächtigsten Bauernhäusern des<br />
Frutiglandes. Mit der Hauptfassade<br />
direkt zum Viehmarktplatz gerichtet,<br />
steht es prominent an der alten Strassenverbindung<br />
von Spiez nach Frutigen<br />
Richtung Gemmi-Wallis. Erbaut wurde<br />
es durch den Zimmermeister Hans<br />
Müller, der im Frutigtal weitere hervorragende<br />
Häuser errichtete.<br />
Der Bauherr, Landschreiber und<br />
Notar Johannes Sieber (1746–1818),<br />
brachte es in einer Zeit des wirtschaftlichen<br />
Aufschwungs im Frutigtal zu beträchtlichen<br />
Ländereien. 1781 liess er<br />
sich das stattliche Haus im typischen Stil<br />
des Frutigtals erbauen. Im grossen Keller<br />
wurde – möglicherweise schon zu Siebers<br />
Zeiten – an Markttagen gewirtet.<br />
Ein «Frutigtyp»<br />
Bei diesem Mehrzweckbau befinden<br />
sich Wohn- und Ökonomieteil giebelseitig<br />
nebeneinander unter demselben<br />
Dach. Der Grundriss des Stuckihauses<br />
ist ungefähr im Verhältnis des<br />
Goldenen Schnittes zwischen Wohnen<br />
und Ökonomie aufgeteilt.<br />
Der zweigeschossige Blockbau steht<br />
auf einem gemauerten Sockelgeschoss.<br />
Üblicherweise enthält der Wohnteil<br />
zwei Stuben, hier sind es drei. In der<br />
Hauptfassade des Stuckihauses bilden<br />
die konstruktiven Elemente des Blockbaus,<br />
ihre plastische Dekoration und die<br />
Malereien eine gestalterische Einheit.<br />
Vermutlich stammen die Malereien von<br />
Stefan Allenbach. Die zeittypischen<br />
Friese und Inschriften beziehen auch<br />
den Ökonomieteil mit ein.<br />
Vom Landschreiberhaus<br />
zum Stuckihaus<br />
Nach dem Tod von Johannes Sieber<br />
1818 blieb das Haus im Besitz der Familie,<br />
bis Peter Sieber die Liegenschaft<br />
1845 an den Notar Jakob Zurbrügg verkaufte.<br />
Bereits 1849 ging das Haus an<br />
den Käsefabrikanten, Grossrat und Gemeindepräsidenten<br />
Christian Wittwer<br />
über. 1886 erfolgte schliesslich der Verkauf<br />
an die Erben von Johannes Stucki,<br />
Kirchmeier in Reichenbach – seither<br />
spricht man vom «Stuckihaus».<br />
1943 verstarb Fritz Stucki (geb.<br />
1885) und hinterliess das Stuckihaus seiner<br />
Frau Johanna (1900–2002) und der<br />
einzigen Tochter, Jakobea (1931–1996).<br />
Jakobea Stucki wurde als Malerin sowie<br />
als Textilkünstlerin für ihre kunstvollen<br />
Webteppiche bekannt. 2002 übernahm<br />
Jonathan Jaggi das Haus, das ihm<br />
seine Gotte Jakobea vermacht hatte.<br />
Von Grau zu Blau<br />
Bei der Restaurierung der Fassadenmalereien und<br />
Inschriften entdeckte der Restaurator Hans Salzmann<br />
2017 im wettergeschützten Giebelfeld Teile<br />
der originalen Farbfassung von 1781. Am Wappen<br />
und in den Friesen kam ein leuchtendes Blau<br />
zum Vorschein. Die Farbe, zur Bauzeit in der Region<br />
als Modefarbe verbreitet, war 1955 unter<br />
einer Übermalung in grau abgedämpften Tönen<br />
verschwunden. Der überraschende Fund führte<br />
zu einer Anpassung des Restaurierungskonzepts:<br />
Im oberen Fassadenbereich legten die Restauratoren<br />
die originale Farbschicht frei und frischten<br />
sie auf. Die stark verwitterten unteren Partien<br />
hingegen wurden nach dem Konzept der dort einzig<br />
noch vorhandenen Bemalung von 1955 neu gefasst.<br />
Die zwei Farbpaletten miteinander zu kombinieren,<br />
war für Salzmann das Naheliegendste.<br />
«Es geht mir nicht darum, eine Fassade fürs Publikum<br />
‹schön› zu machen», sagt er, «sondern darum,<br />
möglichst nah beim Original zu bleiben und<br />
dieses zu erhalten.»<br />
Wappen des Bauherrn Johannes Sieber in der<br />
Fassadenmitte unter dem Giebel. Die Originalmalerei<br />
mit dem typischen Blau wurde freigelegt<br />
und restauriert.<br />
Am Übergang vom Stuben- zum Gadengeschoss<br />
treffen die beiden Farbpaletten aufeinander:<br />
unten das Konzept von 1955, oben jenes<br />
von 1781 mit Blau.<br />
10 <strong>Denkmalpflegepreis</strong> · <strong>2020</strong> 11<br />
<strong>Denkmalpflegepreis</strong> · <strong>2020</strong><br />
Querschnitt 1:100<br />
MARTI ARCHITEKTEN SIA AG, 3714 FRUTIGEN TEL. 033 671 31 00<br />
30.01.<strong>2020</strong>