„Sense(s) of place“ – Narrative Räume – Narrative Geographie
„Sense(s) of place“ – Narrative Räume – Narrative Geographie
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Ort Gefühle aufgrund persönlicher Erfahrungen, Erinnerungen und symbolhaften Bedeutungen<br />
entwickeln; der Begriff kann sich ebenso darauf beziehen, „wie der Charakter eines Ortes, dessen<br />
spezifische physische Merkmale und/oder die seiner Bewohner, von Außenstehenden (outsiders)<br />
wahrgenommen wird.“ (Knox/ Marston 2008, 386 2 ). In der Didaktik und Pädagogik sprechen wir von<br />
der subjektiven Anschließung und vom imaginativen, verständnisintensiven Lernen.<br />
Erkenntnistheoretisch ist die Unterscheidung von Innen- und Außenperspektive von Belang, um zu<br />
klären: Wer spricht und aus welcher Perspektive? Dies wiederum ist wichtig, um essentialistischen<br />
Aussagen („Es ist so!“) aus dem Weg zu gehen und die Relativität und Relationalität geographischer<br />
Erkenntnisse zu betonen („Ist es so?“).<br />
Reiseberichte und Reiseführer zum Beispiel bedienen sich aus diesem Bedeutungs-Fundus aus<br />
Alltagserfahrung, Vorstellungen und Imaginationen in besonderer Weise. In dem Buch „Nie wieder! <strong>–</strong><br />
Die schlimmsten Reisen der Welt“ bietet Hans Magnus Enzensberger (1995) 3 ein weltweites<br />
Panorama von subjektiven Ortsbeschreibungen, von Frankfurt am Main über Irland bis Katmandu<br />
und Tokio dar. Auch der hochgerühmte Soziologe Richard Sennett (1994, 168f) macht z.B. seine<br />
Beschreibung von Manhattan im Rahmen eines persönlichen Stadtspazierganges intensiv und<br />
sinnlich nachvollziehbar 4 . Und er bringt dies auf den Begriff: Eine „fragmentierte Stadt“ wird von<br />
einem „fragmentierten Selbst” chamäleonartig in „segmentierten Rollen” erfahren; so sehen es auch<br />
die Stadtsoziologen der Chicagoer Schule.<br />
Die narrative Methode und die Mehrperspektivität sind dafür ein/das Konzept. „Eine Frau, die nur in<br />
den Kategorien männlich/weiblich denkt, ein Geschäftsmann, der nur in den Kategorien reich/arm<br />
denkt, ein Jamaikaner, der nur in den Kategorien weiß/schwarz denkt <strong>–</strong> sie alle erlangen von der<br />
Außenwelt wenig Anregung.“ (Sennett 1994, 167) Das ließe sich auch auf einen Schüler übertragen:<br />
Ein Schüler, der nur in den Kategorien gute Note/ schlechte Note denkt, erlangt von der Schule wenig<br />
Anregung.<br />
Die Kategorien des Spacing und „sense <strong>of</strong> space“ erweisen sich als doppeldeutig-hilfreich: Es geht bei<br />
„sense“/ „Sinn“ nicht nur um die sinnliche Wahrnehmung, sondern zugleich um Bedeutung und<br />
Verstand. (Dies könnte für unsere Zwecke gut bei Kant und seiner transzendentalen Ästhetik in der<br />
„Kritik der reinen Vernunft“ nachgelesen werden: Für ihn bilden empirische Anschauung und<br />
begriffliches Denken zusammen die „zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis“).<br />
Drei Beispiele<br />
Diese einerseits selbstverständlichen, andererseits komplizierten Wechselwirkungen sollen jetzt an<br />
drei Beispielen entziffert werden: Ortsbedeutungen (Rafik Schami: Damaskus), Ortssymbole („Der<br />
Blaue Strich“), Ortsfunktionen (Projekt Migropolis: Venedig). Daran kann diskutiert werden,<br />
inwieweit die Figur „Raum als Text“ bzw. <strong>„Sense</strong>(s) <strong>of</strong> Space“ geeignet ist, im Fachunterricht die Welt<br />
wahrnehmbar, vorstellbar und begreifbar zu machen und darin eine bewusste und reflektierte<br />
Kognitionsleistung zu erkennen. Mehr noch: Diese Erkenntnis auf den zwei Stämmen Anschauung<br />
und begriffliches Denken kann sich als die tragfähige verständnisintensive Didaktik erweisen, wo<br />
wissensbasierte und testorientierte Instruktion mittel- und langfristig versagen. Noch mehr: Auch in<br />
der Fachwissenschaft hat sich das Paradigma der Handlungs- und Subjektzentrierung etabliert, das in<br />
besonderer Weise die Mensch-Natur-Verhältnisse fokussiert.<br />
2 Paul L. Knox/ Sallie A. Marston: Humangeographie. Hgg. Von Hans Gebhardt, Peter Meusburger, Doris Wastl-Walter<br />
( 4. 2004). Heidelberg (orig. 2007: Places and Regions in Global Context <strong>–</strong> Human Geography)<br />
3 Hans Magnus Enzensberger (Hg)(1995): Nie wieder! Die schlimmsten Reisen der Welt. Frankfurt/M.<br />
4 Richard Sennett (1994): Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Frankfurt/M. (orig. The Conscience <strong>of</strong> the<br />
Eye. The Design and Social Life <strong>of</strong> Cities. 1990)<br />
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