2020-06 Pfarrblatt Freiburg
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Priesterweihe Josef Güntensperger
Eine Entscheidung mit Herz und Verstand
Als man mich bat, einige Zeilen über
mich und meine Erfahrungen zu
schreiben, da waren es nur noch wenige
Wochen bis zur Priesterweihe.
Für mich aber begann dieser Weg
bereits vor 8 Jahren sehr konkret zu
werden, als ich meinen angestammten
Beruf in der Finanzindustrie
aufgab, um einem spirituellen Verlangen
zu folgen. Zuerst ging der
Weg ins monastische Umfeld, dann
wurde er akademisch vertieft durch
ein Bachelor- und Masterstudium in
Theologie und letztendlich mündete
er in die Pfarreiseelsorge.
Ein langer Weg der Berufung
Das Verspüren dieser Berufung aber
kann ich bereits viel länger zurückverfolgen.
Als ich mit 15 Jahren zum
Berufsberater geladen wurde, lag da
auf dem Tisch unter anderem auch
das Bild eines Priesters, das ich zwar,
wenn auch etwas verlegen, in meine
Endauswahl einarbeitete, aber ich
wollte ja so oder so nicht studieren,
sondern in einem praktischen Beruf
meinen Mann stellen, also wurde
dieser Gedanke mal schön auf die
Seite geschoben. Als ich im noch
jugendlichen Alter von nicht ganz
30 Jahren in den USA arbeitete und
eine Veränderung suchte, kam dieser
Gedanke wieder dominant zum
Vorschein. Aber da ich die Frage, ob
ich dabei auf etwas zugehe, oder
vor etwas weglaufe nicht abschliessend
beantworten konnte, war auch
diese Öffnung schnell geschlossen.
Nun als dieser Gedanke zum dritten
Mal auftauchte, da lief im Beruf
wirklich alles rund – auch wenn persönliche
Ereignisse, die Jahre vorher
geschahen, hier sicherlich auch das
ihrige beitrugen – und ich konnte
mir keine Ausrede mehr zurechtlegen.
Eine solche Veränderung nach
33 Jahren erfolgreicher Karriere in
einer Berufsgattung, für die ich auch
heute noch sehr viel Interesse und
Sympathie empfinde, stösst verständlicherweise
nicht überall auf
Anklang. Und gleichwohl durfte ich
Unterstützung von Seiten der Familie,
auch wenn es nicht für alle leicht
war diesen Schritt zu verstehen und
zu akzeptieren, wie auch aus meinem
Freundeskreis erfahren.
Von Gott gehalten
Und nun geht es bereits in den
Schlussspurt auf die Weihe hin und
ich habe erfahren, dass auch die
letzten Kurven noch ganz schön herausfordernd
sein können. Je näher
ich auf die Weihe zukam und je bewusster
mir dies wurde, umso mehr
wurde ich in absolut existenzieller
Art und Weise auf mich selbst zurückgeworfen.
Die Wahrnehmung
der mit der Priesterweihe einhergehenden
Verantwortung – geweiht
wird man ja immer für die andern,
nie für sich selbst – drückte sich vor
allem dadurch aus, dass ich in den
letzten Monaten mit immer grösserem
Gewicht meiner Unzulänglichkeiten,
Schwachheiten und Verfehlungen
gewahr wurde. Und damit
auch der Tatsache, mit welcher Nonchalance
ich diese Verstrickungen
oft auf die Seite gewischt hatte. Das
damit aufkommende Gefühl der
Unwürdigkeit ging so weit, dass ich
mir ernsthaft überlegte die Weihe
abzusagen. Aber natürlich ist das
Bewusstsein eigener Schuld immer
nur die eine Seite der Gleichung. Mit
dem Bewusstsein des Gefallen-Seins
kommt auch die Realisation, trotz
allem vom immer barmherzigen
und liebenden Gott in jeder Lage
gehalten zu sein. Die von Gott herkommende
Würde des Menschen
hängt eben nicht vom menschlichen
Fallen ab, sondern ganz im
Gegenteil, Seine Gegenwart schafft
Vertrauen und Hoffnung und diese
geben geradezu den Mut, obgleich
all der Schuld, wieder aufzustehen
und den nächsten Schritt zu wagen.
Zum Glück hängt nicht alles vom
Menschen ab, und so bin ich überzeugt,
dass Gott in Seiner Zeit und
nach Seinem Willen das zum Guten
vollenden wird, was der Mensch
selbst nicht vermag.
Gegenwart Gottes spürbar machen
12 Kath. Pfarreiseelsorge Freiburg – Stadt und Umgebung | Juni 2020
Josef Güntensperger (Foto: zVg)
Ich wurde mal gefragt, wie ich in ein
paar wenigen Worten meine Berufung
als zukünftiger Priester auf den
Punkt bringen würde. Es wäre wohl:
„Die Gegenwart Gottes im Leben
des Menschen erfahr- und spürbar
zu machen“. Dies sehe ich ganz besonders
auch im Feiern/Spenden
der Sakramente (z.B. der hl. Eucharistie,
der Krankensalbung oder der
Beichte), in denen der Priester ja
lediglich die sicht- und spürbaren
äusseren Zeichen setzt, die Christus
selbst in der Realität des Seins am
Menschen vollzieht. Aber natürlich
kann jeder Mensch diese Berufung
ausleben, sei es z.B. durch eine gelebte
Nächstenliebe, durch die kleinen
liebenden Gesten des Alltags,
etc. Bedingt durch meinen spezifischen
Lebensweg bringe ich viele,
vermutlich auch sehr atypische Lebens-
und Berufserfahrungen, positive
und negative, ins Priester-Sein
mit. Da ich glaube, dass Gott jeden
Menschen immer in seiner Gesamtheit,
mit all seinen Erfahrungen und
Entscheidungen in Dienst nimmt, so
vermute ich auch, dass diese individuellen
Besonderheiten in der einen
oder anderen Situation in Zukunft
wieder, hoffentlich fruchtbringend,
zum Tragen kommen werden.
... denn wir alle sind berufen zu
Propheten, Königen, Priestern ...
Wenn ich die Entscheide in meinem
Leben anschaue, so waren diejenigen
die richtigen, die mit dem Herz,
aber auch in Kombination mit dem
Verstand gefällt wurden. Immer
dort, wo auch die Liebe ihren Platz
fand, wurde etwas fruchtbar und
dies unabhängig, ob man es von
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