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BLIND
no sea takimata
sanctus est Lorem ipsum
takimata
Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum.
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no sea takimata
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Bildunterschrift
TEXT Xxxxxx ILLUSTRATION Xxxxxx
NCTUS EST
R NO SEA TAKI-
LOREM
11
dasMagazin 2 juni 2020
XX
R U B R I K
Wie ein weicher,
lilafarbener
Teppich
Während der Opiumanbau Männersache
ist, wird im Westen Afghanistans
eine andere zarte Pflanze angebaut,
die jungen Frauen zu finanzieller
Unabhängigkeit verhilft – Safran
F
FrühMorgens auF eineM acker im Westen
afghanistans. Die sonne ist noch nicht aufgegangen,
kälte liegt in der Luft, als sich zwölf Frauen an
die arbeit machen. Mit Mundschutz, weißen dünnen
handschuhen und hellblauem anzug über
ihrem Tschador sehen sie aus wie eine gruppe von
chirurginnen. aber ihre zarten, flinken händen sezieren
keine körper. sie pflücken noch zartere Pflan -
zen. stück für stück ernten sie lilafarbene safranblüten
und legen sie behutsam in das rosa körbchen,
das sie mit sich führen. Langsam, aber beständig
arbeiten sie sich in der hocke vor auf dem 8000
Quadratmeter großen stück Land. eine Mauer aus
Lehm schützt sie vor Blicken von außen. Der Mundschutz
schützt sie vor kopfschmerzen und Müdigkeit,
was beim einatmen des Blütenstaubs schnell
auftreten kann.
afghanistan ist eines der ärmsten, rückständigsten
und frauenfeindlichsten Länder der Welt,
die Wirtschaftslage ist, gelinde gesagt, schlecht. in
gewisser hinsicht sind die zwölf safranplückerinnen
daher nicht einfach nur arbeiterinnen, sie sind
auch eine kleine sensation. »nur sehr wenige afghanische
Frauen haben ein eigenes einkommen, kaum
eine arbeitet außerhalb ihres Zuhauses oder darf
eine entscheidung ohne ein männliches Familienmitglied
treffen«, sagt heela, 28. ein Los, das die
zwölf Frauen auf dem Feld aus eigener erfahrung
XX
TEXT UND FOTOS Barbara Bachmann
juni 2020 2 dasMagazin
kennen. aber dies gehört seit august 2017 der Vergangenheit
an. seither ernten sie safran. nicht für
einen chef, sondern für sich selbst.
heela ist am Vortag aus kabul angereist. sie ist
verantwortlich für das Projekt, das die Frauenvereinigung
raWa, deren Mitglied sie ist, vor dreieinhalb
Jahren startete. Für viele in ihrem Land sollte
es die Widerstandsbewegung nicht geben. Dennoch
hat raWa seit mehr als 40 Jahren Bestand. ihre
kür zel stehen für »revolutionary association of the
Women of afghanistan«, die revolutionäre Vereinigung
der Frauen afghanistans. »Wir sind keine le -
gal genehmigte Vereinigung, sondern agieren im
un tergrund und finanzieren uns nur über spenden
aus dem ausland«, sagt heela.
Die Mitglieder sind ausschließlich weiblich, sie
kämpfen für eine demokratische und geschlechtergerechte
Zukunft ihres Landes. sie fordern, alle
kriegsverbrecher vor gericht zu bringen, und befürworten
den abzug der ausländischen Truppen
aus afghanistan. auch wenn »revolutionär« im Westen
gewaltvoll klingen mag und raWa ihren namen
nicht abmildern wollen, so ist die Bewegung dennoch
durch und durch fried lich.
Zwei Monate hätten die Vorbereitungen auf dem
wüstenähnlichen Feld gedauert, sagt heela. Die
Frauen legten ein Wassersystem an, das mit hilfe
von solarenergie funktioniert. sie bauten ein häuschen,
in dem sie arbeitsgeräte lagern und die Frauen
nachmittags unterrichtet werden. auf dem Markt
kauften sie mehr als 2000 safranzwiebeln und setz -
ten sie in das Feld ein. Monate darauf ernteten sie
den ersten safran.
Opium ist Männersache
Der Westen afghanistans hat sich als ideale anbaugegend
für das kostbare gut erwiesen. Die Zwiebeln
mögen kälte, schnee ist kein Problem, zu viel
regen würde sie hingegen zerstören. sie müssen
nur zweimal gegossen werden, einen Monat vor der
ernte.
Weil er wenig Wasser braucht und am besten in
trockenen gebieten gedeiht, ist safran einer
Pflanze sehr ähnlich, die in dieser gegend so häufig
angepflanzt wird wie nirgendwo sonst auf der Welt,
deren anbau illegal ist und viele Menschen in die ab -
hängigkeit getrieben hat: opium. »opium ist
dasMagazin 2 juni 2020
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WIE EIN WEICHER, LILAFARBENER TEPPICH
In mehrfacher Hinsicht eine Antithese
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eine Plage für unser Land«, sagt heela. Der Markt
wird vor allem von Männern dominiert, safran ist
in mehrfacher hinsicht seine antithese.
heela heißt eigentlich anders, aber wie alle Mitglieder
von raWa verwendet sie aus sicherheitsgründen
einen Decknamen. Feministin in afghanistan
zu sein, in einem Land, in dem gefahren an
jeder ecke lauern, ist äußerst gefährlich. in den Mobiltelefonen
der Frauen stecken daher meist zwei
sim-karten. »Für jedes Leben eine«, sagen sie und
lächeln. schriftlich kommunizieren sie nur über
den nachrichtendienst Telegram oder per e-Mail.
niemals besprechen sie am Telefon wichtige sachen.
Für fast alles verwenden sie codewörter. ihre Treffen
nennen sie in ihren chats »Party« oder »hochzeit«.
Die arbeit im untergrund erlaubt es ihnen, in
der Öffentlichkeit ohne gefahr ihr gesicht zu zeigen.
einzig in Momenten, in denen jemand raWa
kritisiert, kommen die Frauen in ein Dilemma. sie
müssen dann aufpassen, wie sie der kritik begegnen.
Für manche ist darauf der Tod gefolgt.
Zuallererst für Meena, die raWa 1977 als 21-jährige
studentin gründete und zehn Jahre später in
Pakistan erwürgt wurde, wahrscheinlich von agenten
des afghanischen geheimdienstes. seither ist
sie eine Märtyrerin, wird von allen Mitgliedern als
zeitlose Führerin verehrt. »Meena bedeutet Liebe
auf Pashtun«, sagt heela ehrfurchtsvoll. im kabul
der 70er Jahre gab es viele aktive studentenbewegungen.
Manche studenten sahen in afghanistan
ei nen künftigen islamischen gottesstaat. andere,
so wie Meena, wollten mehr soziale gerechtigkeit
und gleichberechtigung von Frauen und Männern.
statt mit Waffen versuchte Meena, durch Demokratie
und aufklärung an ihr Ziel zu kommen.
immer mehr Frauen schlossen sich ihr an, ihr einfluss
stieg. nachdem sie 1981 in Frankreich von der
afghanischen Widerstandsbewegung erzählt hatte,
stand Meenas name ganz oben auf der Todesliste
der Mudschaheddins und der Taliban. Wie viele afghanen
flüchtete sie nach Pakistan, wo sie bis zu
ihrem Tod Waisenhäuser und krankenhäuser
bauen ließ, Lese- und schreibunterricht für analphabeten
an bot und schulen für junge afghaninnen
eröffnete.
1981 gründete sie auch das Magazin »Payam e-
zan«, was so viel bedeutet wie »Die nachricht der
Frauen«. in Dari und Pashtun, den zwei meistgesprochenen
sprachen in afghanistan, veröffentlichen
raWa noch heute auf ihrer homepage laufend
detaillierte artikel und Bilder. es sind meist
schlechte nachrichten: von kriegsverbrechen, Ver-
juni 2020 2 dasMagazin
Der Schmerz
in meinem Herzen,
zu früh geheiratet zu haben,
ist kleiner geworden
gewaltigungen, Verstümmelungen. aber auch gute:
wenn krankenhäuser gebaut werden oder schulen
errichtet, und eben wenn afghanische Frauen safran
anbauen.
2019 ernten die zwölf Frauen zum dritten Mal,
je des Jahr pflücken sie mehr Blüten. »im dritten
und vierten Jahr ist die ernte am ertragreichsten«,
sagt heela. 30 bis 40 kilogramm schaffen sie in
zwei bis drei Tagen. aus 80 kilogramm Blüten gewinnen
sie ein kilogramm reinen safran. in dieser
saison rechnen die Frauen mit insgesamt sieben kilogramm.
auf dem Markt in afghanistan verkaufen
sie das gramm für umgerechnet ein paar Franken,
im ausland wäre es ein Vielfaches mehr wert. Den
gewinn teilen die zwölf Frauen gleichmäßig untereinander
auf.
es ist Mittagszeit. Parwin, 27, sitzt neben ihren
kolleginnen am Boden des häuschens aus Lehm
und zupft die Fäden aus den safranblüten, die sie
zu vor gepflückt hat. eine noch filigranere arbeit
als jene vorher auf dem Feld. hinter ihr liegt ausgebreitet
auf dem Boden die Beute der letzten stunden.
Drei bis vier Tage trocknen die Fäden, ehe sie
eingesammelt und schließlich verkauft werden.
»gu te Qualität erkennt man am geruch, an der
Farbe und der Länge der Fäden«, erklärt sie.
Wie die anderen wohnt Parwin im nahe gelegenen
Dorf. Mit 15 Jahren hat sie einen 13 Jahre älteren
Mann geheiratet und aufgehört, zur schule zu
gehen. sie ist Mutter eines sohnes und einer Tochter,
ihr Vater war opiumsüchtig, die Familie kannte
nur finanzielle Probleme. und dennoch, sagt sie,
ha be sie glück gehabt. Weil nur wenige ehemänner
ihren Frauen erlaubten zu arbeiten.
am anfang überwog auch bei Parwins Mann die
skepsis. sie verflog, als er das geld sah, das seine
Frau nach hause brachte. obwohl sie nur zwei Monate
im Jahr arbeitet, verdient Parwin mehr als ihr
Mann. Durch die finanzielle unabhängigkeit habe
sich ihr Leben enorm verbessert, sagt sie. sie kön -
ne sich besseres essen kaufen und ihre kinder zur
schule schicken. »und der schmerz in meinem her -
zen, zu früh geheiratet zu haben, ist kleiner geworden.«
Bald möchte sie ihr eigenes safran-
Zarte Hände pflücken noch zartere Pflanzen
dasMagazin 2 juni 2020
XX
WIE EIN WEICHER, LILAFARBENER TEPPICH
Business starten. »opium wird immer das bessere
Business bleiben«, sagt heela. »safran kann opium
nicht ersetzen. aber es ist auch zu einem interessanten
geschäft geworden.«
Der größte Schatz
als die arbeit am nachmittag für diesen Tag endet,
gehen Parwin und ihre kolleginnen noch nicht nach
hause. nun beginnt der unterricht, für viele der
wichtigste grund, hier zu sein. es unterrichtet eine
der zwölf, die einzige, die an der universität studiert
hat. sie ist die schwägerin des Wachmanns,
der das ganze Jahr über die Felder hütet. Vor ihr sitzen
erwachsene Frauen, so motiviert wie erstklässlerinnen.
Weil die Tische fehlen, halten sie die arbeitsbücher
in den händen. ein wenig streng und
noch stolzer bittet die Lehrerin die Frauen einzeln
für rechenübungen an die Tafel. eine tut sich sichtlich
schwer, steht lange mit der kreide in der hand
da und grübelt über die richtige antwort. Die anderen
kichern, dann plötzlich schreibt sie die richtige
Zahl. erleichtert setzt sie sich wieder hin.
heela schaut von der Tür aus zu. es seien solche
Momente, wegen denen sie nicht ihren Mut verliere,
sagt sie, Momente des Lichts in totaler Finsternis.
»auch wenn Fundamentalisten unsere arbeit
hassen, so ist uns dennoch eine breite unterstützung
im Volk sicher. Wenn die nicht da ist,
haben wir etwas falsch gemacht und müssen un -
seren Plan ändern.« ohne raWa hätte sie keinen
grund, in afghanistan zu bleiben. »es gibt keine
hoffnung auf Frieden«, sagt heela, deren name
hoffnung bedeutet. Der kampf habe nicht mit Meenas
Tod aufgehört. »Wir werden niemals aufgeben,
weil uns der Wille eint, etwas zu verbessern.« Zur
Verwirklichung ihrer Ziele denken die Frauen von
raWa klein, weil sie auch mit dem geringsten erfolg
zufrieden sind. und groß, weil sie nicht in einer
spanne von ein, zwei oder drei, sondern 10, 20 oder
30 Jahren planen.
Begleitet man die Frauen ein paar Tage, so wird
schnell deutlich, dass raWa eine äußerst effiziente
und gut organisierte Bewegung ist. Jede Frau ist für
eine aufgabe zuständig, über deren entwicklung
sie die anderen in den Treffen informiert. Trotzdem
Opium wird immer das bessere
Business bleiben. Safran kann Opium
nicht ersetzen, aber es ist auch ein
interessantes Geschäft geworden
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juni 2020 2 dasMagazin
WIE EIN WEICHER, LILAFARBENER TEPPICH
gibt es auch kritik an raWa. Manche werfen ihnen
vor, sie seien intransparent, eine Vereinigung, die
nur als geldsammelmaschine existiere. andere ge -
hen so weit, sie als cover-organisation einer maoistischen
Partei zu bezeichnen. Die kritik habe eine
lange geschichte, sagt heela. »Die Propaganda wird
gewöhnlich von Fundamentalisten und ihren intellektuellen
Partnern geübt.« und manchmal auch
von ausländischen organisationen und experten,
die sich schwertun, Zugang zu raWa zu erhalten.
»Die kritik an uns ist auch in hohem Maße frauenfeindlich,
weil viele nicht tolerieren können, dass
Frauen ohne die unterstützung und den rückhalt
von Männern existieren.«
Draußen steht die sonne langsam tiefer. aus der
entfernung sehen die noch nicht gepflückten safrankrokusse
aus wie ein weicher, lilafarbener Teppich.
in zwei Jahren werden die safranzwiebeln
den Frauen ihren Dienst erwiesen haben und nach
insgesamt fünf Jahren aus der erde geholt werden.
aus einer werden inzwischen 40 bis 50 entstanden
sein. auf dem Markt können sie die Frauen dann
für gutes geld verkaufen oder im Jahr darauf neu
einsetzen. »unser größter schatz sind nicht die Blüten
oder Fäden«, sagt heela und deutet auf die Felder.
»unser größter schatz liegt darunter und ist
nicht auf anhieb sichtbar.«
sie meint die Zwiebeln. aber es ist, als spräche
sie von raWa. 1
Gute Qualität erkennt man am Geruch
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