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der Nase erschnuppert, sowie alles, was man mit menschlichen Sinnen<br />
nicht wahrnimmt, wiewohl es existiert, hatte Er es ihnen zugedacht?<br />
Hatten sie aufgrund ihrer Sünden dieses Grauen verdient? Würde sich<br />
den Juden nach dieser schlimmsten von allen entsetzlichen Vertreibungen<br />
endlich der Sinn des Weltalls offenbaren oder würde dieses<br />
infolge des göttlichen Zorns über das menschliche Studium der Gestirne<br />
einfach auseinanderfallen? Würde Gott Mitleid mit ihnen haben<br />
und ihnen erneut den Weg ihrer Mission auf Erden weisen? Würde er<br />
wieder das Meer teilen? Das Feuer gegen die Feinde Israels entfachen?<br />
All dies, dachten die Greise, sei möglich, doch wenig wahrscheinlich.<br />
Trotz allem glimmte im Versammlungsraum des Jüdischen Rats<br />
noch die Hoffnung auf eine glückliche Lösung der Judenfrage in Spanien,<br />
denn die Führer der Juden in Granada wussten noch nicht, wie<br />
die Audienz Abrabanels beim königlichen Paar ausgegangen war. Der<br />
berühmte Würdenträger hatte diese Aufgabe auf sich genommen in<br />
der Erwartung, dass spontane Gier über die stete Idee von einem ethnisch<br />
sauberen katholischen Staat siegen und damit diese menschliche,<br />
ja auch königliche Schwäche die spanischen Juden vor der gnadenlosen<br />
Vernichtung retten würde. Der Rabbi Isaak bot dem königlichen<br />
Paar nämlich die ungeheure Summe von dreißigtausend Dukaten für<br />
ein schwaches, aber schicksalsträchtiges Kopfnicken oder für ein leises<br />
„Nein“ oder für einen Aufschub, mit einem Wort, für die Nichtunterzeichnung<br />
des Vertreibungsdekrets, auf dem die Inquisition beharrte.<br />
Könige seien auch Menschen, die Riesensumme würde ihren<br />
Entschluss ins Wanken bringen, dachten reiche jüdische Männer, und<br />
auch viele Lehrer schlossen sich ihrer Meinung an. Herrscher seien<br />
nicht nur einfach Menschen, sondern oft auch gierige Menschen. Die<br />
Katholiken seien auch Menschen und falls sie nicht starrköpfig waren,<br />
hegten auch sie eine große Liebe für das Gold.<br />
Erst später sollte die Versammlung in Granada die Kunde erreichen,<br />
die alle Vermutungen und alle Ängste bestätigte. Die jüdischen Weisen<br />
hatten sich nicht geirrt: Der König und die Königin waren bereit,<br />
ihre Unterschriften zu verkaufen oder besser gesagt, den Juden<br />
zu gestatten, sie ihnen abzukaufen. Nach seiner langen, überzeugenden<br />
und gut verfassten Rede, die sich durch Vernunft, Logik, aber<br />
auch durch ergebene Unterwürfigkeit auszeichnete, bemerkte Rabbi<br />
Isaak ein Nachgeben – zuerst in den Augen Seiner Majestät, dann im<br />
Blick Ihrer Majestät, mit dem sie die Goldstücke liebkoste. Und gerade<br />
als er voller Zufriedenheit feststellen wollte, die Sache sei gelaufen,<br />
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