Trendbook Smarter Logistics
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Drei Fragen an<br />
Michael ten Hompel<br />
Digitalisierung hilft Logistikunternehmen, sich strategisch neu<br />
aufzustellen, sagt Prof. Dr. Michael ten Hompel, Leiter des<br />
Fraunhofer-Institutes für Materialfluss und Logistik. Er hofft,<br />
dass der Corona-Weckruf jetzt auch in kleineren Unternehmen<br />
angekommen ist.<br />
Die Angreifer der Logistik aus der<br />
Plattformökonomie sind ungewöhnlich<br />
gut finanziert, zum Teil<br />
mit über einer Milliarde US-Dollar.<br />
Können da deutsche Unternehmen<br />
überhaupt mitgehen?<br />
» Viele setzen jetzt auf Open Source,<br />
um einheitliche Standards und eine<br />
gemeinsame Basis zu schaffen.«<br />
Die großen Logistikunternehmen<br />
setzen zwar auf Plattformen, doch<br />
sie werden den Durchbruch nicht<br />
alleine schaffen. Die finanzielle<br />
Ausstattung der chinesischen und<br />
amerikanischen Angreifer ist viel<br />
zu hoch. Einzelunternehmen in<br />
Deutschland oder in Europa<br />
werden Schwierigkeiten haben,<br />
eine weltweit verbreitete Plattform<br />
umzusetzen. Dafür fehlen<br />
Markmacht und Ressourcen.<br />
Außerdem wird oft vergessen,<br />
dass B2BLogistik sehr komplexe<br />
SoftwareLösungen voraussetzen,<br />
die nicht kurzfristig entwickelt<br />
werden können. Auch das wird ein<br />
einzelnes Unternehmen überfordern.<br />
Da ist es aus meiner Sicht<br />
sehr sinnvoll, auf föderale<br />
OpenSourcePlattformen wie<br />
International Data Spaces und<br />
GaiaX zu setzen, an denen jeder<br />
teilnehmen kann – auch der<br />
Mittelstand.<br />
Wie ist denn der Digitalisierungsgrad<br />
in den<br />
Logistikunternehmen?<br />
Die Logistikbranche ist geradezu<br />
perfekt zu digitalisieren und<br />
entsprechend weit vorangeschritten.<br />
Denn die einzelnen Logistikprozesse<br />
sind vergleichsweise<br />
einfach, lediglich die Vernetzung<br />
und das Zusammenspiel erzeugen<br />
Komplexität, was wiederum ein<br />
guter Ansatzpunkt für Künstliche<br />
Intelligenz und Machine Learning<br />
ist – angefangen bei autonomen<br />
Fahrzeugen bis hin zu Data<br />
Analytics.<br />
Die meisten Unternehmen haben<br />
diese Entwicklung erkannt und so<br />
vollzieht sich in der Logistik ein<br />
grundsätzlicher Wandel, der auch<br />
die Verlader betrifft. Viele setzen<br />
jetzt auf Open Source, um einheitliche<br />
Standards und eine gemeinsame<br />
Basis zu schaffen. Wir<br />
werden schon sehr bald die ersten<br />
Unternehmen sehen, die ihre<br />
Transportverträge automatisch<br />
verhandeln, mit Blockchain<br />
bezahlen und Prozesse mit Hilfe<br />
künstlicher Intelligenz organisieren<br />
und orchestrieren.<br />
In vielen Branchen hat die<br />
Corona-Krise einen Digitalisierungsschub<br />
ausgelöst. Wie stark<br />
war dieser Schub in der Logistik?<br />
Krisen zwingen Menschen ihre<br />
Komfortzone zu verlassen. Sie<br />
setzen Kreativität frei, um den<br />
eigenen Lebensstandard zu<br />
sichern. Das ist der Grund, warum<br />
Gesellschaften immer gestärkt aus<br />
Krisen hervorgehen. Logistikunternehmen<br />
haben den entscheidenden<br />
Impuls erhalten, über<br />
Innovation nachzudenken. Bisher<br />
wurde Digitalisierung von vielen<br />
kleinen und mittelgroßen Unternehmen<br />
beiseitegeschoben. Das<br />
hat sich jetzt geändert, Digitalisierung<br />
wird ernst genommen.<br />
Mein Rat ist: Ruhe bewahren.<br />
Liquidität sichern, Chancen<br />
nutzen. Es wäre falsch, überstürzt<br />
in irgendwelche digitalen Technologien<br />
zu investieren, denn die<br />
Logistik muss die Digitalisierung<br />
strategisch umsetzen. Wer diesen<br />
Weg konsequent beschritten hat,<br />
ist besser durch die Krise gekommen.<br />
Das ist deutlich im Markt zu<br />
sehen und hat zahlreiche Unternehmen<br />
aufgeweckt.<br />
TRENDBOOK SMARTER LOGISTIK 6