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sondern Mehrsprachigkeit! - AGPA

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Zeitschrift der Deutschlehrerinnen<br />

und Deutschlehrer Lateinamerikas<br />

ISSN 1517-9273<br />

Heft 9 2009 / 2010<br />

• Die Partnerschulinitiative in<br />

Südamerika am Beispiel von<br />

Chile und Bolivien<br />

• Nicht nur Fremdsprachenkenntnisse<br />

braucht die moderne Welt,<br />

<strong>sondern</strong> <strong>Mehrsprachigkeit</strong>!<br />

• Lernplattform Moodle:<br />

Ausblicke für Chile<br />

• Die Mauer in den Köpfen:<br />

Images der Teilung Deutsch-<br />

lands in der Wendeliteratur


INHALT<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Redaktion 3<br />

Hans Dieter Dräxler 4<br />

Nicht nur Fremdpsrachenkenntnisse braucht die moderne Welt,<br />

<strong>sondern</strong> <strong>Mehrsprachigkeit</strong>!<br />

Grauben Navas 8<br />

Deutsch an der Unidersidad Central de Venezuela<br />

Gerhard Salbeck 10<br />

Die Partnerschulinitiative in Südamerika am Beispiel von Chile und Chile<br />

Elba Díaz 19<br />

Ursprung der Universidad de Santiago de Chile und der deutschen Sprache<br />

an dieser Universität<br />

Alvaro Camú 20<br />

Interview mit Herrn Alvaro Camú, neuer Leiter der Sprachabteilung und<br />

Bildungskooperation Deutsch am GI-Chile<br />

María Schindler Stephani 22<br />

Füchse von Llafenco – Erinnerungen der Deutschen Einwanderung im Süden Chile<br />

Christina Maria Kirschbaum 24<br />

Literatur im DaF-Studium – eine Verteidigung<br />

Grauben Navas 26<br />

Die Mauer in der Köpfen: Images der Teilung Deutschlands in der Wendeliteratur<br />

Evie de Rivera 31<br />

Achtsames Zuhören ist der Schlüssel zur Kommunikation: eine Fortbildung<br />

zum Thema hören<br />

Silvia Rühl 34<br />

Lernplattform Moodle: Ausblicke für Chile<br />

Lissette Mächler 36<br />

Schreiben in Etappen: die Bewusstwerdung des Schreibprozesses im<br />

Fremdsprachenunterricht<br />

Diana Feick 40<br />

Rezension AQUI FALTA ALGO REVISAR<br />

Ramón Reyes 45<br />

Technologisches Projekt der Ursulinen Schule in Santiago de Chile<br />

Aldo Medeiros 46<br />

Der Fremsprachenunterricht als alkoholfreie Kneipe<br />

Sophia Palmes 48<br />

„Deutsch“ auf chilenisch oder: Was hat der chilenische Hanswurst mit<br />

der deutschen Kleinanzeige zu tun?<br />

Diego Alberto Torres / Carol Sánchez Torres 50<br />

Rosa M. Diesel 52<br />

Motivation<br />

Rudolf Kemmer 53<br />

Kooperatives lernen<br />

Kristl Nowald 54<br />

Klappbuch und Laterne<br />

Marta Heck / Laura Ragucci 54<br />

Partnerschulnetz „Pasch“ – wir arbeiten weiter! Adelina in Mainz –<br />

Mainz in Adelina<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

3


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

4<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Die Broschüre zu unseren<br />

Kursen 2010 können Sie<br />

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deutsch@goethe.de<br />

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Oder schreiben Sie uns: deutsch@goethe.de<br />

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Impressum<br />

DaF-Brücke<br />

Zeitschrift der<br />

Deutschlehrerinnen und<br />

Deutschlehrer in Lateinamerika<br />

Die DaF-Brücke erscheint<br />

einmal im Jahr. Die einzelnen<br />

Deutschlehrerverbände<br />

übernehmen Schriftleitung und<br />

Redaktion im Turnus.<br />

Herausgegeben von den<br />

Deutschlehrerverbänden aus:<br />

Argentinien<br />

Bolivien<br />

Brasilien<br />

Chile<br />

Ecuador<br />

Kolumbien<br />

Kuba<br />

Mexiko<br />

Paraguay<br />

Peru<br />

Uruguay<br />

Venezuela<br />

Herausgeber Heft 10/2009:<br />

Chile<br />

Asociación Gremial de<br />

Profesores de Alemán <strong>AGPA</strong><br />

Schriftleitung<br />

Ramón Reyes<br />

Redaktion<br />

María Angélica Vargas<br />

María Schindler<br />

Silvia Migliorini<br />

Titelblatt, Design und<br />

Gestaltung:<br />

Esteban Vásquez<br />

Auflage<br />

1500 Exemplare<br />

ISSN N° 1517-9273<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Redacción DaF-Brücke<br />

c/o Goethe-institut Chile<br />

Esmeralda 650<br />

Santiago de Chile<br />

Tel. (56 2) 5711961<br />

E-mail: ramon.reyes@agpa.cl,<br />

ramonreyes@vtr.net<br />

ARGENTINIEN<br />

VDLDA – Verband deutschsprachiger Lehrer<br />

und DaF-Lehrer in Argentinien<br />

Asociación Civil de Docentes de Idioma<br />

Alemán<br />

Vorsitzende: Margarita Stecher<br />

www.delila.ws/argentinien/start.htm<br />

vdlda@abaconet.com.ar<br />

BOLIVIEN<br />

ABOLPA - Asociación Boliviana de Profesores<br />

de Alemán<br />

Vorstizende: Claudia Kuruner<br />

abolpa.dlv.bolivien@gmail.com<br />

Brasilien<br />

ABRAPA- Asociación Brasileña de<br />

Asociaciones de Profesores de Alemán<br />

Vorsitzender: Geraldo de Carvalho<br />

www.abrapa.org.br<br />

vorstand@abrapa.org.br<br />

CHILE<br />

<strong>AGPA</strong> - Asociación Gremial de Profesores de<br />

Alemán<br />

Vorsitzender: Ramón Reyes<br />

www.agpa.cl<br />

agpa@agpa.cl,<br />

ramonreyes@vtr.net<br />

ECUADOR<br />

ASEPA - Asociación Ecuatoriana de<br />

Profesores de Alemán<br />

Vorsitzende: Bettina Kühn<br />

www.delila.ws/ecuador<br />

bkuehn@asociacion-humboldt.org.ec<br />

GUATEMALA<br />

AGUAPAL - Asociación Guatemalteca de<br />

Profesores de Alemán<br />

KOLUMBIEN<br />

APAC - Asociación de Profesores de Alemán<br />

de Colombia<br />

Der kolumbianische Deutschlehrerverband<br />

Vorsitzende: Franziska Kammer<br />

www.apacco.com<br />

franziskakammer@yahoo.es<br />

KUBA<br />

Asamblea Cubana de Estudios Germanísticos<br />

Kubanischer Verband für germanistische<br />

Studien<br />

Vorsitzende: Ana María Galbán Pozo<br />

www.delila.ws<br />

contancia@giron.sld.cu<br />

MEXICO<br />

AMPAl - Asociación Mexicana de Profesores<br />

de Alemán A.C.<br />

Mexikanischer Deutschlehrer Verband<br />

Vorstitzender: Martin Dettmer<br />

www.ampal.info<br />

mdettmer@unach.mx<br />

PARAGUAY<br />

RVDL – Regionalverband deutschsprachiger<br />

Lehrer in Paraguay<br />

APYPA Asociación Paraguaya de Profesores<br />

de Alemán<br />

Vorsitzende: Claudia Ortiz Tuma<br />

www.delila.ws/paraguay/index.html<br />

PERU<br />

Asociación Peruana de Profesores de Alemán<br />

Peruanischer Deutschlehrerverband<br />

Vorsitzende: Ysabel Vidal Gheiler<br />

dlvpe.wordpress.com<br />

URUGUAY<br />

Asociación Uruguaya de Profesores de<br />

Alemán<br />

UDV – Uruguayischer Deutschlehrerverband<br />

Vorsitzende: Elsa Hein<br />

www.udv.com.uy<br />

info@udv.com.uy<br />

VENEZUELA<br />

AVenPA - Asociación Venezolana de<br />

Profesores de Alemán<br />

VDV – Venezolanischer Deutschlehrerverband<br />

Vorsitzende: Renate Koroschetz<br />

r_koroschetz@yahoo.de<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

unserer Zeitschrift,schon wieder ist ein Jahr vorbei und<br />

eine neue Nummer der DaF-Brücke kommt ins Leben, und diesmal aus Chile,<br />

einem Land vielleicht für viele nicht so bekannt, weil es am Ende der Welt<br />

liegt, aber das Land Nerudas und Gabriela Mistrals, die doch durch ihre<br />

Nobelpreise in der Dichtung weltbekannt wurden.<br />

Wir freuen uns die Nummer 10 herauszugeben und hoffen, die Artikel aus<br />

vielen Ländern der Erde machen Ihnen Spaß, sowie dass sie auch von<br />

großen Nutzen für Sie und als Anregung für den Unterricht sind.<br />

Diesmal bedauern wir, dass wir mit einigen Verbänden keinen Kontakt aufnehmen<br />

konnten. Es ist schade, denn unsere Aufgabe sehen wir hauptsächlich<br />

in der Verbrüderung mit unseren Nachbarn aus Lateinamerika. Es wäre<br />

schön, wenn die Beiträge der Länder, die in dieser Ausgabe fehlen, in<br />

Zukunft wieder veröffentlicht werden können.<br />

Wie immer gibt es in DaF-Brücke Nachrichten über neue und moderne<br />

Unterrichtsmöglichkeiten, wie uns Silvia Rühl in ihrem Artikel „Lernplattform<br />

Moodle” oder Ramón Reyes in seinem Beitrag „Technologisches<br />

Projekt der Ursulinnenschule in Chile” erzählen. „DaF und<br />

das Hörclubprojekt” von Katja Reiter zeigt uns, wie eine Lehrerin den<br />

Schülern das achtsame Hören in Bolivien beibringt. Es gibt Kollegen wie<br />

Cristina Kirschbaum, aus Kolumbien, die uns in ihrem Artikel „Literatur<br />

im DaF-Studium, eine Verteidigung” zeigen will, wie wichtig die<br />

Literatur im Unterricht ist. Auch eine chilenische Schriftstellerin, Gloria<br />

Dünkler, wird uns mit ihrem Werk „Füchse von Llafenco” in die Welt<br />

der Einwanderer des Süden Chiles führen. Auch lustige Artikel wie der<br />

von Aldo Medeiros aus Brasilien „Der Fremdsparchenunterricht als<br />

alkoholfreie Kneippe” zeigen uns, welche Erfahrungen viele mit dieser<br />

Sprache Deutsch machen. Und und und ... auch die Erfahrungen junger<br />

Stipendianten aus Kolumbien, als sie in Deutschland waren, sind wichtige<br />

Aspekte der ständigen Fortbildung, die wir als Lehrer berücksichtigen sollten.<br />

Lassen wir uns doch überraschen von den Beiträgen vieler anderer<br />

Kollegen. Sie sollen uns als Mensch und Lehrer bereichern.<br />

Zuletzt wollen wir auch die guten Nachrichten verbreiten, die Gerhard Salbeck<br />

bringt: Es kommen anscheinend neue Zeiten, es wehen wieder gute<br />

Winde und schenken uns neue Hoffnungen für den Deutschunterricht.<br />

Es sollen wieder Kooperationsabkommen zwischen den Regierungen Lateinnamerika<br />

und Deutschland im Bereich der Erziehung geben, so daß die<br />

Schüler wieder eine zweite Sprache wählen können, nachdem diese von<br />

der Curricula in den letzten 30 Jahren aus den Lehrplänen verdrängt wurde.<br />

Das wird uns Gerhard Salbeck im Detail in seinem Artikel erzählen.<br />

Wir müssen uns herzlich beim Goethe-Institut bedanken, ohne dessen Hilfe<br />

vieles nicht möglich gewesen wäre und für die Unterstützung, die man<br />

uns all diese Jahre gab. So konnte diese Aufgabe zu einem glücklichen<br />

Ende gebracht werden.<br />

Also, liebe Leserinnen und Leser, viel Vergnügen beim Lesen!<br />

Mit herzlichen Grüßen,<br />

die Redaktion<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

5


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

6<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Hans-Dieter Dräxler<br />

Fremdsprachen und ihre Beherrschung ist<br />

eines der Themen des 21. Jahrhunderts.<br />

Waren Fremdsprachen bis in die sechziger<br />

Jahre des 20. Jahrhunderts hinein weitgehend<br />

Gebildeten, Reichen und besonderen<br />

Berufen vorbehalten, so gehören sie heute<br />

zum Alltag vieler Menschen. Sie erschließen<br />

immer einfacher zugänglich werdende Information,<br />

erleichtern das Reisen und werden<br />

täglich in Ausbildung und Beruf angewendet.<br />

Jedermann ist klar, man braucht Fremdsprachen.<br />

Die Frage, die sich allenfalls noch stellt,<br />

ist diejenige nach der (den) zu lernenden<br />

Sprache(n).<br />

Will man diese beantworten, so stößt man<br />

sogleich auf eine nächste: Wie sieht Kommunikation<br />

heute aus? Wie wird sie in Zukunft<br />

sein? Ist diese Frage beantwortet, so gilt es<br />

eine Antwort auf diejenige nach den Möglichkeiten<br />

der richtigen Vorbereitung zu finden.<br />

Im Folgenden soll kurz die Kommunikation<br />

heute umrissen werden, um anschließend<br />

die Herausforderungen zu beschreiben, die<br />

diese Kommunikation an den schulischen<br />

Fremdsprachenunterricht stellt. Die Schule<br />

ist der Ort, an dem laut Eurobarometer 2 die<br />

meisten Europäer (65 %) zuerst und am<br />

dauerhaftesten mit Fremdsprachen in Kontakt<br />

kommen.<br />

Fremdsprachen im 21. Jahrhundert<br />

Wie sieht nun die Kommunikation heute<br />

aus? Betrachten wir die letzten Jahrzehnte,<br />

so fällt auf, dass Informationsbeschaffung,<br />

Kommunikation und Interaktion über nationale,<br />

sprachliche und kulturelle Grenzen<br />

hinweg immens zugenommen haben. Dank<br />

der neuen Medien hat jedermann mit drei<br />

Mausklicks Zugang zu Informationen aus<br />

jedem Sprach- und Kulturraum der Erde.<br />

Nicht nur Fremdsprachenk<br />

moderne Welt, <strong>sondern</strong> Me<br />

Per Telefon, E-Post oder Messenger kann<br />

man kostengünstig weltweit kommunizieren.<br />

Reisen über alle Grenzen hinweg ist schneller,<br />

preisgünstiger und normaler geworden.<br />

Ein Wochenendausflug in eine über tausend<br />

Kilometer entfernte Stadt gehört ebenso<br />

zur Normalität wie Geschäftsreisen von ein<br />

bis zwei Tagen in andere Kontinente. Im-<br />

mer mehr Firmen agieren international. Sie<br />

führen Aufträge in anderen Ländern aus<br />

oder haben Produktion, Vermarktung und<br />

Service über mehrere Länder mit unterschiedlichen<br />

Sprachen verteilt. Ihre Angestellten<br />

müssen miteinander und mit Kunden<br />

kommunizieren, wechseln kurzzeitig den Arbeitsplatz<br />

oder siedeln sich für eine gewisse<br />

Zeit in einem anderen Kultur-/Sprachraum<br />

an. Wissenschaftliche Veröffentlichungen<br />

werden weltweit zur Kenntnis genommen.<br />

Wissenschaftler finden sich zu virtuellen<br />

Arbeitsgruppen zusammen oder arbeiten in<br />

internationalen Teams am Ort mit den bes-<br />

h t i n D e u t s c h l a n d g e b o r e n .<br />

K i n d iam uVo s r s ce h ui lna l te e r r s t aE m mi<br />

l i e. I n j e d e r z we i t e n i n S t u t<br />

ten Voraussetzungen. Studenten schließlich<br />

bereiten sich auf diese moderne Welt mittels<br />

Auslandssemestern und -studium vor.<br />

Das ist das, was als Globalisierung bezeichnet<br />

wird. Aufgrund des wirtschaftlichen und<br />

politischen Einigungsprozesses findet diese<br />

weltweite Entwicklung in Europa besonders<br />

intensiv statt.<br />

,<br />

Doch gilt es zu<br />

bedenken, dass Sprache<br />

nicht nur einfach ein<br />

Mittel zur Übertragung<br />

von Informationen ist.<br />

Sie ist mehr.<br />

,<br />

h t i n D e u t<br />

F a s t j e d e s z<br />

K i n d i m Vo r<br />

I n j e d e r z w<br />

n e u g e s c h l o<br />

h t i n D e<br />

b o r e n . F<br />

Für die Kontakte und die Kommunikation<br />

über alle Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen<br />

hinweg, für die Arbeit mit wechselnden<br />

Gesprächspartnern oder Einsatzorten sowie<br />

für die Zusammenarbeit in mehrsprachigen<br />

Gruppen bedarf es eines Mediums, das von<br />

möglichst vielen verstanden wird. Derzeit ist<br />

dies weltweit meist Englisch.<br />

Zur Globalisierung gehört auch, dass sich<br />

die bilateralen Kontakte zwischen einzelnen<br />

Ländern und Kulturen in gleicher Weise intensiviert<br />

haben. Auch hier kann die Kommunikation<br />

natürlich über eine beiden Seiten<br />

geläufige Drittsprache erfolgen.


enntnisse braucht die<br />

hrsprachigkeit!<br />

s c h l a n d g e b o r e n .<br />

we i t e S t u t t g a r t e r<br />

s c h u l a l t e r s t a m m t<br />

n wa n d e r e r f a m i l i e.<br />

e i t e n i n S t u t t g a r t<br />

s s e n e n E<br />

F a s t j e d e s z we i t e S t u t t g a r t e r<br />

t a u s e i n e r E i n wa n d e r e r f a m i -<br />

t g a r t n e u g e s c h l o s s e n e n E<br />

u t s c h l a n d g e -<br />

a s t j e d e s<br />

,<br />

Willst du etwas<br />

verkaufen, sprich am<br />

besten die Sprache<br />

deines Kunden.<br />

,<br />

Doch gilt es zu bedenken, dass Sprache nicht<br />

nur einfach ein Mittel zur Übertragung von<br />

Informationen ist. Sie ist mehr. Über die<br />

Sprache erfassen Menschen die Welt auch<br />

in einer bestimmten Weise. Mittels Sprache<br />

vermittelt eine Generation der nächsten die<br />

für ihre Gesellschaft prägenden Kenntnisse,<br />

sprich ihre Kultur. Kenntnis einer Sprache ist<br />

somit immer mit Kulturkenntnis verbunden.<br />

Ist nun in bilateralen Interaktionen einer oder<br />

sind beide Gesprächspartner der Sprache<br />

des anderen mächtig, so bedeutet dies, dass<br />

der eine etwas über den anderen weiß. So<br />

kann er ihn unmittelbar verstehen und sich<br />

direkt mit ihm verständigen.<br />

Hierauf gründet sich die alte Kaufmannsweisheit<br />

„Willst du etwas verkaufen, sprich<br />

am besten die Sprache deines Kunden.”<br />

Neuere Studien belegen dies immer wieder.<br />

so ergab eine Studie der Deutschen Handelskammer<br />

für Spanien aus dem Jahr 2003,<br />

dass spanische Unternehmen, die sich bei<br />

ihren Geschäften in/mit Deutschland vorrangig<br />

der deutschen Sprache bedienten,<br />

ihre Situation auf dem deutschen Markt<br />

signifikant besser einschätzten als Unternehmen,<br />

die auf Englisch zurückgriffen3 . In seiner<br />

Studie über die Zukunft der englischen<br />

Sprache4 sieht David Graddol als einer der<br />

Hauptentwicklungen, daß bis 2050 die Dominanz<br />

des Englischen im wirtschaftlichen<br />

Bereich zurückgehen wird und daß schon<br />

heute Japanisch, Spanisch, Französisch<br />

und Deutsch wichtiger werden. Schließlich<br />

wies eine kürzliche Studie zum Einfluß von<br />

Fremdsprachenkenntnissen in der europäischen<br />

Exportwirtschaft 5 nach, daß Englisch<br />

zwar eindeutig dominiert, doch nicht in einer<br />

Weise, wie man dies für eine Lingua franca<br />

annehmen könnte. Erfolgreiche Geschäfte<br />

setzen dauerhafte Beziehungen voraus und<br />

dieser sind nicht ohne Kenntnisse der Sprache<br />

des Zielmarktes denkbar.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Fremdsprachenkenntnisse sind aber nicht<br />

nur ein wichtiges Werkzeug im modernen<br />

Berufsleben. Sie sind nicht nur wichtig im<br />

Kontakt nach außen, <strong>sondern</strong> aufgrund<br />

von Mobilität und Einwanderung gehört<br />

der Kontakt mit dem „Fremden” zum Alltag<br />

von jedermann in Europa, wie das Beispiel<br />

der deutschen Stadt Stuttgart eindrucksvoll<br />

zeigt. Jeder fünfte Einwohner Stuttgarts, der<br />

mit 581.000 Menschen achtgrößten Stadt<br />

Deutschlands, hat einen nicht deutschen<br />

Pass. Jeder dritte Bürger dieser Stadt ist nicht<br />

in Deutschland geboren. Fast jedes zweite<br />

Stuttgarter Kind im Vorschulalter stammt<br />

aus einer Einwandererfamilie. In jeder zweiten<br />

in Stuttgart neu geschlossenen Ehe besitzt<br />

mindestens einer der Ehepartner einen<br />

nicht deutschen Pass. In dieser Stadt leben<br />

Menschen aus 120 verschiedenen Ländern,<br />

die über 170 verschiedene Sprachen sprechen.<br />

Stuttgart ist keine Ausnahme, <strong>sondern</strong><br />

das Zusammenleben von Menschen unter-<br />

schiedlicher Herkunft ist heute Normalität in<br />

vielen Städten Europas und wird in Zukunft<br />

noch weiter um sich greifen.<br />

Beim bisherigen Zusammenleben von Bevölkerungen<br />

mit unterschiedlicher Herkunft<br />

kann man feststellen, dass die modernen Gesellschaften<br />

und ihre Bürger trotz der heutigen<br />

üblichen Mobilität und weltumfassenden<br />

Information den alltäglichen Umgang mit<br />

dem Fremden im Sinne eines friedlichen und<br />

produktiven Zusammenlebens noch weitgehend<br />

erlernen müssen. Hierzu kann der<br />

Fremdsprachenunterricht einen wichtigen<br />

Beitrag leisten. Er bringt Kinder und Jugendliche<br />

in Kontakt mit anderen Kulturen<br />

und schult sie dabei im Umgang mit dem<br />

Anderen, mit dem Unbekannten und dem<br />

Fremden.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

7


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

8<br />

<strong>AGPA</strong> Fassen - wir Chile zusammen:<br />

Unsere Gesellschaften in Europa brauchen<br />

Bürger, die<br />

• gleichzeitig in multikulturellen und -lingua-<br />

len Kontexten sowie in den für das jeweilige<br />

Land wichtigen bilateralen Beziehungen<br />

agieren können<br />

• sich anderer Sprachen bedienen können,<br />

um über einen möglichst großen Radius im<br />

Zugang zu Informationen und im Erwerb von<br />

Kenntnissen zu verfügen<br />

• weitere Sprachen lernen können, um sich<br />

neues Wissen, neue Kontakte und neue Märkte<br />

zu eröffnen<br />

• mit Bevölkerungsteilen anderer sprachlicher<br />

und kultureller Herkunft zusammenleben<br />

können.<br />

Darüber hinaus braucht das Projekt Europa<br />

Bürger, die andere europäische Nationen<br />

verstehen und damit eine neue Identität<br />

schaffen.<br />

Für den einzelnen Bürger bedeutet dies, dass<br />

er eine Ausbildung braucht, die ihn befähigt,<br />

• seine beruflichen wie privaten Vorhaben zu<br />

realisieren,<br />

• auf dem Arbeitsmarkt zu konkurrieren, d.h.<br />

u.a. die für Berufe mit internationaler Perspektive<br />

notwendigen Sprachkenntnisse zu<br />

haben bzw. die Sprachkenntnisse, die ihn<br />

von anderen Mitbewerbern abheben.<br />

Was Europa und seine Bürger brauchen, ist<br />

die Fähigkeit unterschiedliche Sprachen und<br />

Kulturen zu verstehen und in ihnen agieren zu<br />

können. Genau dies fordert die Europäische<br />

Kommission: „Das Erlernen einer einzigen<br />

Lingua franca reicht nicht aus. Jeder europäische<br />

Bürger sollte sich außer in seiner<br />

Muttersprache in mindestens zwei anderen<br />

Sprachen gut verständigen können.” 6<br />

Schule und <strong>Mehrsprachigkeit</strong><br />

Eine der Aufgabe von moderner Bildungspolitik<br />

ist es also, Bürger darauf vorzubereiten,<br />

mehr Sprachen besser zu können. Hierbei ist<br />

der traditionelle Fremdsprachenunterricht<br />

an seine Grenzen gestoßen. Nach Meinung<br />

von Experten und auch den Ergebnissen der<br />

Realität führt die Vorverlegung des Beginns<br />

des Fremdsprachenunterrichts auf die Primar-<br />

oder sogar auf die Vorschule und damit die<br />

Verlängerung der Unterrichtsdauer auf bis zu<br />

15 Jahren sowie die Erhöhung der Wochenstundenzahl<br />

nicht unmittelbar zu den gewünschten<br />

besseren Fremdsprachenkenntnissen.<br />

Meist ist zu beobachten, dass die im frühen<br />

Kindesalter in der künstlichen Immersion<br />

oder im gesteuerten Fremdsprachenunterricht<br />

erworbenen Kenntnisse sehr begrenzt<br />

bleiben. Außerdem deutet vieles darauf hin,<br />

dass Schüler nach fünf bis sieben Jahren<br />

Fremdsprachenunterrichts eine Sprachbeherrschung<br />

erreichen, die sie mittels weiteren<br />

Unterrichts nicht mehr wesentlich verbessern<br />

können. Fortschritte sind in diesem Stadium<br />

nur durch Anwendung der erworbenen<br />

Kenntnisse in wirklicher Kommunikation,<br />

mündlich wie schriftlich und Rezeption wie<br />

Produktion, zu erzielen. Damit Schüler eine<br />

Fremdsprache besser beherrschen sowie<br />

sich mehrerer Sprachen bedienen können,<br />

bedarf es neuer Wege wie z.B.:<br />

• Lernen durch Anwendung<br />

• Diversifizierung des Sprachenangebots<br />

• Differenzierung der Lernziele je nach<br />

Sprache<br />

• Einsatz von erworbenen Kenntnissen zum<br />

Verständnis weiterer Sprachen<br />

• Überdenken der Sprachenfolge<br />

Lernen durch Anwendung<br />

Eine Sprache zu verwenden ist eine Tätigkeit<br />

und Tätigkeiten lassen sich nur durch Tun<br />

erlernen. Daher muss Fremdsprachenunterricht,<br />

will er heutigen Anforderungen der<br />

Praxis gerecht werden, d.h. wir lernen eine<br />

Fremdsprache, um in ihr zu kommunizieren,<br />

Schülern von Anfang an Gelegenheiten<br />

bieten, ihre erworbenen Kenntnisse in kommunikativ<br />

sinnhaften Aufgaben und inhaltsbezogenen<br />

Aktivitäten zu erproben. Diese<br />

Anwendung wird nicht nur die erworbenen<br />

Kenntnisse so festigen, dass sie einsatzfähig<br />

werden, <strong>sondern</strong> gleichzeitig Gelegenheiten<br />

eröffnen, neue Sprachkenntnisse zu erwerben.<br />

Über den eigentlichen Fremdsprachenunterricht<br />

hinaus kann dadurch für eine sinnhafte<br />

und damit motivierende Anwendung<br />

der zu lernenden Sprache dadurch gesorgt<br />

werden, dass die Fremdsprache teilweise<br />

oder vollständig zur Unterrichtssprache von<br />

ausgewählten Sachfächern wird. 7<br />

Diversifizierung des<br />

Sprachenangebots<br />

Werden nun Sachfächer konsequenterweise<br />

in einer Fremdsprache unterrichtet, stellt<br />

sich die Frage, ob der bisherige Unterricht<br />

dieser Sprache im gleichen Umfang fortgeführt<br />

werden muss. Vieles spricht dafür,<br />

zumindest einen Teil der Stunden, die bisher<br />

dieser Sprache gewidmet wurden, für andere<br />

Zwecke zu nutzen. Die auf diese Weise in der<br />

Stundentafel gewonnenen Stunden können<br />

genutzt werden, um weitere Sprachen anzubieten.<br />

Differenzierung der Lernziele je<br />

nach Sprache<br />

Ein Ziel der Schule des 21. Jahrhunderts<br />

muss sein, die kommunikative Reichweite<br />

und den kulturellen Horizont des einzelnen<br />

Bürgers zu erweitern. Da in der Stundentafel<br />

für den Fremdsprachenunterricht nur eine<br />

begrenzte Anzahl von Stunden zur Verfügung<br />

steht, muss die anzustrebende <strong>Mehrsprachigkeit</strong><br />

u.a. durch eine Differenzierung<br />

der Ziele für die einzelnen unterrichteten<br />

Sprachen ermöglicht werden. Diese könnte<br />

folgendermaßen aussehen: Am Ende der<br />

Schulzeit beherrschen die Schüler die erste<br />

Fremdsprache rezeptiv wie produktiv auf C<br />

1- Niveau, eine zweite Sprache rezeptiv auf<br />

C 1 - und produktiv auf B 1 - Niveau und<br />

schließlich eine dritte Sprache nur rezeptiv<br />

und dies auf B 1 - Niveau.


,<br />

Was wir als Gesellschaft<br />

und Individuen brauchen,<br />

sind nicht nur<br />

Fremdsprachenkenntnisse,<br />

<strong>sondern</strong> <strong>Mehrsprachigkeit</strong>.<br />

,<br />

Einsatz von erworbenen<br />

Kenntnissen zum Verständnis<br />

weiterer Sprachen<br />

Die kommunikative Reichweite ließe sich<br />

noch erweitern, wenn man sich die Verwandtschaft<br />

von Sprachen zu Nutze macht und<br />

von den erworbenen Sprachkenntnissen<br />

ausgehend Kurse anbietet, die die Schüler<br />

befähigten, schriftliche und mündliche Texte<br />

aus anderen Sprachen derselben Sprachfamilie<br />

zu ,,knacken”, d.h. das Thema und<br />

die wesentlichen Aussagen zu verstehen.<br />

Überdenken der Sprachenfolge<br />

Eine weitere Frage, die sich unter den aktuellen<br />

Bedingungen stellt, ist die nach der Reihenfolge<br />

der schulischen Fremdsprachen.<br />

Hierbei ist zu bedenken, dass das allgemeine<br />

Ziel des Fremdsprachenunterrichts neben<br />

den praktisch einsetzbaren Sprachkenntnissen<br />

ist, Schülern andere sprachliche Systeme<br />

und andere Kulturen zu eröffnen sowie<br />

sie im Umgang mit diesen zu schulen. Weiter<br />

muss, wie schon angesprochen, zugrunde<br />

gelegt werden, dass nur eine bestimmte<br />

Menge an direkt auf Spracherwerb ausgerichtetem<br />

Unterricht - das ist traditioneller<br />

Fremdsprachenunterricht - unmittelbar zu<br />

höherer Sprachbeherrschung führt. Außerdem<br />

ist zu berücksichtigen, dass aufgrund<br />

der kognitiven Entwicklung das Lernen im<br />

Jugendlichenalter schneller vorangeht und<br />

Schüler in diesem Alter stärker der Welt,<br />

sprich dem Englischen, ausgesetzt sind, was<br />

wertvolles implizites Lernen mit sich bringt.<br />

Damit wird es fraglich, ob die derzeitige<br />

Sprachenfolge, d.h. Englisch als erste Fremdsprache,<br />

im Hinblick auf die angestrebte<br />

<strong>Mehrsprachigkeit</strong> wirklich die optimale ist.<br />

Welche Sprache(n) soll(en) gelehrt werden?<br />

Für die Gesellschaft und die Bildungspolitik<br />

stellt sich nun die Frage nach den für ein<br />

Land notwendigen oder attraktiven Sprachen.<br />

Nach dem bisher Gesagten ist deutlich,<br />

dass das Angebot an Sprachen heutzutage<br />

über die traditionellen Fremdsprachen, meist<br />

Englisch, Französisch, Latein und Altgriechisch,<br />

hinausgehen muss. Kriterien für eine<br />

Sprachenwahl sind:<br />

• Wie sinnvoll ist die Sprache in kommunikativer<br />

Hinsicht?<br />

• Ist es die Sprache eines Nachbarn oder die<br />

eines gegenwärtigen oder potentiellen Partners<br />

in Bereichen wie z. B. Handel, Industrie,<br />

Wissenschaft, Kultur, Tourismus usw.?<br />

• Wie sinnvoll ist die Sprache für die intellektuelle<br />

Entwicklung der Schüler?<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

• Inwieweit kann das Bildungsangebot durch<br />

die Sprache einer anderen Sprachfamilie<br />

oder anderen Kultur bereichert werden?<br />

In ähnlicher Weise wird der Bürger vorgehen.<br />

Er wird sich fragen:<br />

• Finde ich leichter eine Arbeit oder eine interessantere<br />

Arbeit, wenn ich eine bestimmte<br />

Sprache spreche?<br />

• Ist das Land, sind die Länder, in denen diese<br />

Sprache gesprochen wird, wirtschaftlich,<br />

technisch und/oder wissenschaftlich interessant?<br />

• Bieten sie etwas für meine Aus- und/oder-<br />

Fortbildung? Sind sie kulturell anziehend?<br />

Gesellschaften und Bürger werden darauf<br />

stoßen, dass sich bei der Sprachauswahl in<br />

unserer Welt, die immer mehr zusammenrückt<br />

und in der die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung<br />

und der Kontaktaufnahme<br />

exponentiell anwachsen, nicht die Frage<br />

eines Entweder-Oder stellt, <strong>sondern</strong> die des<br />

Wie-viele-in-welcher-Form sein muss. Was<br />

wir als Gesellschaft und Individuen brauchen,<br />

sind nicht nur Fremdsprachenkenntnisse,<br />

<strong>sondern</strong> <strong>Mehrsprachigkeit</strong>.<br />

Hans-Dieter Dräxler<br />

Sprachwissenschaftler, Fremdsprachenlehrer,<br />

Curriculum-/Lehrbuchautor<br />

Promotion in Geschichte der Linguistik<br />

Seit 1988 beim Goethe-Institut als Lehrer,<br />

Referent der Abt. Forschung und Entwicklung,<br />

Referent für Bildungskooperation in Buenos<br />

Aires und Madrid und Leiter Spracharbeit<br />

in Madrid. Seit August 2008 Leiter der<br />

Spracharbeit in Sao Paulo mit Fachauftrag für<br />

Südamerika.<br />

1 Die hier dargestellten Überlegungen entstanden im Rahmen einer Seminarreihe des spanischen Erziehungsministeriums zur Sekundarschulbildung<br />

als Vorbereitung auf die Zukunft (Universität Complutense, Madrid, Sommeruniversität, El Escorial, 2007). Eines der<br />

Seminare beschäftigte sich mit den Fremdsprachen als Mittel der interkulturellen Kommunikation und fragte dabei nach der Präsenz<br />

der deutschen Sprache im Erziehungssystem Spaniens. Die folgenden Gedanken sind der grundsätzliche Teil der Antwort und begründen<br />

aus Sicht des Verfassers jeden Fremdsprachenunterricht im 21. Jahrhundert nicht nur in Europa, <strong>sondern</strong> auch in Lateinamerika.<br />

Der Verfasser ist Leiter der Spracharbeit am Goethe-Institut São Paulo.<br />

2 Die Europäer und ihre Sprachen , Eurobarometer spezial 243, Februar 2006.<br />

http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_243_sum_de.pdf (Stand 25.11.2007)<br />

3 La empresa española en el Mercado alemán: experiencias y factores de éxito. Ed.:<br />

Cámara de Comerio Alemana para España. Barcelona. 2003.<br />

4 Graddol, David. English Next. Ed: British Council. 2006.<br />

5 ELAN. Auswirkungen mangelnder Fremdsprachenkenntnisse in den Unternehmen auf die europäische<br />

9<br />

Wirtschaft. Ed.: CILT Nacional Center of Languages, InterAct International. 2006.<br />

http://ec.europa.eu/education/policies/lang/doc/elan_de.pdf [Stand: 19.10.2007].<br />

6 Europäische Kommission. Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt. Aktionsplan 2004-2006.<br />

Luxemburg 2004. S. 10.<br />

7 Hiermit ist nur ein Aspekt von fremdsprachigem Sachfachunterricht beschrieben. Denn neben der Praxis der Fremdsprache bietet<br />

er Anlässe zu einer anderen, da intensiveren sowie kulturell mehrperspektivischen Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

10<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Grauben Navas<br />

,<br />

Positiv ist, dass sich in den<br />

letzten Jahren die Anzahl<br />

der neu eingeschriebenen<br />

Deutschlerner an unserer<br />

Universität verdoppelt hat.<br />

,<br />

Die Deutschabteilung (Departamento de Alemán)<br />

der Universidad Central de Venezuela<br />

in Caracas, der Hauptstadt des Landes, gehört<br />

zusammen mit vier weiteren Fremdsprachenabteilungen<br />

(Englisch, Französisch,<br />

Italienisch und Portugiesisch) zum Institut<br />

für Moderne Sprachen (Escuela de Idiomas<br />

Modernos) der Geisteswissenschaftlichen<br />

Fakultät.<br />

Das Institut besteht seit dem Jahr 1974. Davor<br />

gab es, schon seit den vierziger Jahren,<br />

Fremdsprachenunterricht in Deutsch, Französisch,<br />

Portugiesisch, Italienisch, Russisch<br />

sowie in Altgriechisch und Latein, der von<br />

einer zentralen Sprachabteilung der Fakultät<br />

organisiert und als Wahl- bzw. Pflichtfach für<br />

alle Studenten angeboten wurde.<br />

Das Institut für Moderne Sprachen bietet<br />

seit 1996 drei Studiengänge an, die zu drei<br />

verschiedenen Diplomabschlüssen führen:<br />

Awllgemeine Sprachforschung (Licenciatura<br />

en Idiomas Modernos), Übersetzung (Licenciatura<br />

en Traducción) und Übersetzung und<br />

Dolmetschen (Licenciatura en Traducción e<br />

Interpretación). Bei allen Studiengängen ist<br />

die verbindliche Auswahl von zwei Fremdsprachen<br />

für die komplette Dauer des Studiums<br />

obligatorisch. Beide Fremdsprachen<br />

werden mit gleicher Intensität fünf Jahre<br />

lang gelernt, dazu kommen zu Beginn des<br />

Studiums die Fächer Spanisch und Grundlagen<br />

der Sprachwissenschaft.<br />

In den Fremdsprachen werden keine<br />

Sprachkenntnisse vorausgesetzt, die Studenten<br />

beginnen in der Regel bei null. Ziel<br />

des Instituts für Moderne Fremdsprachen ist<br />

es, mehrsprachige Spezialisten auszubilden;<br />

ein Ziel, das schön klingt, aber komplex ist<br />

und in der Praxis schwer zu erreichen. Denn<br />

schon das Beherrschen einer einzigen Fremdsprache<br />

auf einem hohen Niveau bedeutet<br />

harte Arbeit, vor allem, wenn diese fast<br />

Deutsch an der<br />

Central<br />

ausschließlich im Unterricht erlernt werden<br />

soll, wie dies z.B. für Deutsch der Fall ist.<br />

Eine Reise in die deutschsprachigen Länder<br />

- um Kultur zu erleben - übersteigt meist die<br />

finanziellen Möglichkeiten venezolanischer<br />

Studenten. Ein ganz wichtiges Anliegen des<br />

Instituts ist daher von Anfang an die mit dem<br />

Fremdsprachenunterricht eng verbundene<br />

Förderung von landeskundlichen und interkulturellen<br />

Kenntnissen.<br />

Die endgültige Wahl des Studienganges erfolgt<br />

im dritten Studienjahr. Hier kommen<br />

je nach Fachrichtung noch weitere Fächer<br />

in den jeweiligen Fremdsprachen hinzu: Für<br />

die Sprachforschung sind das Morphologie,<br />

Syntax, Phonetik, Phonologie, Geschichte<br />

und Literatur; für die künftigen Übersetzer<br />

stehen das Übersetzen aus den und in die<br />

Fremdsprachen, vergleichende Stilistik und<br />

Terminologie auf dem Programm, während<br />

die Dolmetscher-Übersetzer alle Fächer des<br />

Übersetzungsstudiengangs plus Dolmetschen<br />

jeweils aus den und in die Fremdsprachen<br />

belegen müssen. Daneben müssen<br />

die Studenten auch noch einige allgemeine<br />

Pflichtfächer in der Muttersprache belegen.<br />

Ziel der Kurse Deutsch I bis V ist die Sprachkompetenz<br />

auf dem Niveau C1 des Gemeinsamen<br />

Europäischen Referenzrahmens.<br />

Die Progression während der ersten zwei<br />

Jahre des Studiums ist ziemlich steil, da bereits<br />

ab dem dritten Jahr der theoretische Teil<br />

jedes Studiengangs beginnt. Das bedeutet,<br />

dass die Studenten bereits nach den ersten<br />

beiden Jahren über ein relativ hohes Sprachniveau<br />

verfügen müssen, um den Anforderungen<br />

der Fächer genügen zu können. Alle<br />

diese Bedingungen erschweren der Deutschabteilung<br />

die Auswahl eines geeigneten<br />

Lehrwerks, vor allem für die Grundstufe. Die<br />

Dauer der Studiengänge beträgt fünf Jahre,<br />

sie schließen mit einer Diplomarbeit ab.


Universidad<br />

de Venezuela<br />

Deutsch wird in der Regel zusammen mit<br />

Englisch studiert, in den letzten Jahren<br />

stieg aber das Interesse an der Kombination<br />

Deutsch - Französisch, was damit zusammenhängen<br />

kann, dass manche Studenten<br />

schon zu Beginn ihres Studiums über gute<br />

Englischkenntnisse verfügen.<br />

Die Anzahl der immatrikulierten Studenten<br />

beträgt rund 140. Die Mehrheit der Studenten<br />

entscheidet sich für den Studiengang Übersetzen,<br />

aber der derzeitige Arbeitsmarkt in<br />

Venezuela verlangt vor allem DaF-Lehrkräfte,<br />

was zur Folge hat, dass oft Absolventen des<br />

Übersetzer- bzw. Übersetzer/Dolmetscher-<br />

Studienganges diese Tätigkeit ausüben.<br />

Einen Aufbaustudiengang gibt es im Bereich<br />

Deutsch als Fremdsprache noch nicht, aber<br />

die Deutschabteilung, das Goethe-Institut<br />

Caracas, der DAAD und der Venezolanische<br />

Deutschlehrerverband haben bereits ein gemeinsam<br />

erarbeitetes Projekt eingereicht.<br />

Positiv ist, dass sich in den letzten Jahren<br />

die Anzahl der neu eingeschriebenen Deutschlerner<br />

an unserer Universität verdoppelt<br />

hat. Das ist auch bei anderen Universitäten<br />

der Fall (z.B. bei der Universidad Simón Bolivar<br />

und der Universidad Metropolitana), wo<br />

Deutsch als Nebenfach angeboten wird.<br />

Diese Entwicklung weckt große Hoffnungen<br />

in unserem (Arbeits-)Feld, da wir zum<br />

ersten Mal seit vielen Jahren eine gute Aussicht<br />

auf akademische Nachwuchskräfte und auf<br />

einen soliden Markt für Deutsch als Fremdsprache<br />

haben.<br />

Grauben Navas ist seit 2006 Dozentin für<br />

Deutsch als Fremdsprache am Institut für<br />

Moderne Fremdsprachen (Deutschabteilung)<br />

der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der<br />

Universidad Central de Venezuela in Caracas<br />

und seit 2007 Sekretärin des venezolanischen<br />

Deutschlehrerverbandes AvenPA.<br />

Grauben Navas<br />

Geboren 1981 in Caracas, Venezuela.<br />

• Hochschulabschluss in modernen Sprachen:<br />

Englisch, Deutsch, 2004.<br />

• DAAD- Stipendiatin Sonderprogramm für neu<br />

Graduierte der Fachrichtung Germanistik, 2004<br />

• Universidad Central de Venezuela Akademisches<br />

Stipendium 2004-2006<br />

• Magister Studium Vergleichender<br />

Literaturwissenschaft 2007<br />

• Deutschdozentin an der Universidad Central<br />

de Venezuela seit 2004<br />

• Goethe-Institut Stipendium im Bereich<br />

,,Projektarbeit” 2006<br />

• Fernstudium ,,Deutsch Unterrichten” 2008<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

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<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Die Partnerschulinitiative in<br />

Südamerika am Beispiel<br />

von Chile und Bolivien<br />

Als 2008 A.D. an die 30 ExUs zunächst als<br />

SPadZen für das PASCH-Projekt an die GIs<br />

zogen, um im Verbund mit dem DAAD, der<br />

ZfA und dem PAD, koordiniert vom AA an<br />

ausl. Schulen DaF einzuführen, oder auszubauen,<br />

mussten sie sich u.a. mit vielen<br />

Abkürzungen vertraut machen. Vielleicht<br />

liegt es an der Schnelligkeit des Projekts<br />

und dem deutschen Hang zur Eile oder den<br />

deutschen Wortmonstern wie „Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz”,-dass<br />

man so gerne abkürzt. Ich verspreche ab jetzt<br />

so wenige Kürzel wie möglich zu verwenden,<br />

<strong>sondern</strong> vielmehr einige dieser Abkürzungen<br />

zu erklären.<br />

„Paschas” ziehen in die Welt<br />

Die Abkürzung SPadZ, zum Beispiel, stand<br />

für „Schulen: Partner der Zukunft” und entsprach<br />

unserer regen Flugfrequenz, da die<br />

meisten Experten für Unterricht (ExU) zwei<br />

oder mehr Länder betreuen. Allerdings<br />

wurde diese Bezeichnung von dem etwas<br />

griffigeren Akronym PASCH abgelöst. Heute<br />

ist PASCH in aller Munde, auch wenn es<br />

in vielen südamerikanischen Regionen eher<br />

[PATSCH] ausgesprochen wird.<br />

Die Partnerschulinitiative wurde von Bundesaußenminister<br />

Dr. Frank-Walter Steinmeier<br />

Anfang 2008 ins Leben gerufen und<br />

wird vom Auswärtigen Amt koordiniert.<br />

Seitdem verfolgen das Goethe-Institut und<br />

die anderen beauftragten Mittler (Zentralstelle<br />

für Auslandsschulwesen - ZfA, Deutscher<br />

Akademischer Austauschdienst -<br />

DAAD und Pädagogischer Austauschdienst -<br />

PAD) das ehrgeizige Ziel, eine internationale<br />

Lerngemeinschaft zu bilden, in der Schüler<br />

der Partnerschulen nicht nur durch die Teilnahme<br />

am Deutschunterricht frühzeitig eine<br />

Bindung zur deutschen Kultur aufbauen<br />

können, <strong>sondern</strong> auch mit Deutschlernern<br />

weltweit in einen interkulturellen Dialog treten.<br />

Geeignete Fördermaßnahmen dazu sind<br />

ein anspruchsvoller Deutschunterricht, gut<br />

ausgestattete Klassenräume, Jugendkurse in<br />

Deutschland mit Teilnehmern aus aller Welt<br />

und schließlich die durch den DAAD vergebenen<br />

Vollstipendien für ein Studium an einer<br />

deutschen Universität.<br />

Deutschland und die Partnerländer profitieren<br />

gleichermaßen vom Interesse ausländischer<br />

Schüler und Studenten an der<br />

deutschen Sprache und der Vermittlung<br />

eines modernen Deutschlandbildes. Die zunehmende<br />

multi- wie bilaterale Kommunikation<br />

ist auf junge Menschen angewiesen, die<br />

später als verantwortungsvolle Akteure in<br />

einer globalisierten Welt auftreten und mit<br />

anderen Ländern erfolgreich wirtschaftlichen,<br />

wissenschaftlichen, kulturellen und politischen<br />

Austausch pflegen.<br />

Während die ZfA im Rahmen der PASCH-<br />

Initiative ihr Netz von über 500 Schulen, an<br />

denen das Deutsche Sprachdiplom erworben<br />

werden kann, verstärken und ausbauen konnte,<br />

kam dem Goethe-Institut die Aufgabe zu,<br />

neue leistungsfähige Schulen für das Projekt<br />

zu gewinnen und einen anspruchsvollen<br />

Deutschunterricht einzurichten. Mittlerweile<br />

wurde das ursprüngliche Ziel von 1000 Partnerschulen<br />

schon weit überschritten und<br />

eine neue Obergrenze von 1500 festgelegt.


Um in Südamerika 52 geeignete Schulen zu<br />

finden und zu betreuen, wurden im Februar<br />

2008 vier Experten für Unterricht an die<br />

entsprechenden Goethe-Institute geschickt.<br />

Martin Wille betreut vom Regionalinstitut<br />

Sao Paulo aus 22 PASCH-Schulen in Brasilien.<br />

Carmen Cayuelas-Franco ist selten an<br />

ihrem Wohnort Lima vorzufinden, da sie neben<br />

Peru auch für Venezuela, Kolumbien und<br />

Ecuador zuständig ist. Ines Patzig-Bartsch in<br />

Buenos Aires setzt regelmäßig über den Rio<br />

de la Plata um auch Schulen in Uruguay und<br />

Paraguay zu besuchen. An Zahl der Länder<br />

und Reisetätigkeit nicht zu überbieten ist<br />

unsere Kollegin Susanna de Kuthy, die von<br />

Mexiko City aus für 12 Schulen in ganz Zentralamerika<br />

und der Karibik verantwortlich<br />

ist.<br />

Ich selbst tauschte das beschauliche Würzburg<br />

gegen Santiago ein und bekam mit Bolivien<br />

und Chile zwei Länder zugewiesen, die<br />

ich schon einmal während meiner vierjährigen<br />

Tätigkeit zwischen 1990 und 1993 am<br />

Goethe-Zentrum in Quito bereist hatte und<br />

die mich - jedes Land auf seine Art - faszinieren.<br />

Ich freue mich sehr, dass sich nach so<br />

langer Zeit der Kreis geschlossen hat und ich<br />

wieder in Südamerika tätig sein kann.<br />

Die Standorte der Experten für Unterricht in Südamerika, ihre Region und Anzahl der PASCH-Schulen. Eine Weltkarte<br />

mit allen PASCH-Schulen des Goethe-Instituts und der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) ist auf der<br />

offiziellen Projektseite www.pasch-net.de zu finden.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Gerhard Salbeck<br />

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<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Im vorbildlich ausgestatteten Medienraum an<br />

der Jugendlandschule<br />

Suche nach Schulen<br />

Von den 52 neuen Partnerschulen in Südamerika<br />

fielen auf Chile fünf und auf Bolivien<br />

drei Schulen. Wie verteilt man fünf Partnerschulen<br />

auf ein Land wie Chile? Eine<br />

Kreisstruktur ist genauso wenig möglich wie<br />

ein Triangel in Bolivien mit den Partnerschulen<br />

Ave María in La Paz, dem Colegio Froebel<br />

in Cochabamba und Pestalozzi in Sucre. Man<br />

fängt am besten in der Mitte an, wo die junge<br />

und aufstrebende Privatschule Jugendland<br />

in Talagante als erste Schule den Kooperationsvertrag<br />

mit der Botschaft und dem<br />

Goethe-Institut unterschrieb.<br />

Nach vielen weiteren Schulbesuchen fiel die<br />

Wahl auf die Rudolf Deckwerth-Schule in<br />

Santiago, eine subventionierte Einrichtung,<br />

die ebenfalls bereits wie die Jugendlandschule<br />

Deutschunterricht in bescheidenem<br />

zeitlichem Umfang anbot. Im Norden fand ich<br />

das Colegio Alemán de Arica förderungswürdig<br />

und dachte strategisch, es könnte die<br />

Brücke nach Bolivien sein, hatte aber nicht<br />

mit den schwierigen Verkehrsverbindungen<br />

gerechnet. Dennoch hatte PASCH in diesem<br />

Fall schon völkerverbindende Wirkung. Bei<br />

einer Fortbildung in Sucre nahm auch die<br />

Koordinatorin aus Arica teil und vielleicht<br />

wird ja die Zugverbindung zwischen Arica<br />

und La Paz wieder reaktiviert, so dass die<br />

Anpassung an die Höhe trotz der atemberaubenden<br />

Landschaft leichter fällt. Um ein<br />

nicht nur geographisch ausgewogenes Ensemble<br />

an PASCH-Schulen zu haben, wollte<br />

ich zwei staatliche Schulen anbinden. Das<br />

(noch) etwas unbekannte Liceo Polivalente<br />

in San Nicolás im Süden Chiles bot sich<br />

aufgrund seiner engagierten Förderung von<br />

Fremdsprachen und dem hohen Standard<br />

seiner beruflichen Ausbildung an.<br />

Der Kaiser zu Besuch<br />

Am 18. November empfing die Rudolf Deckwerth-Schule<br />

zur Unterzeichnung des Kooperationsvertrags<br />

einen illustren Ehrengast. Auf<br />

Bitte der deutschen Botschaft besuchte<br />

das Idol des deutschen Fußballs die PASCH-<br />

Schule. „El Pelé blanco” (Franz Beckenbauer),<br />

wie ihn liebevoll einige chilenische Fußballfans<br />

nannten, war eigentlich als Organisator<br />

der U-20-Damenfußballweltmeisterschaft<br />

im Lande, aber an der Deckwerth-Schule<br />

bewies er auch sein pädagogisches Talent,<br />

indem er den Schülern das Gewinnen und<br />

Verlieren im Sport als Metapher für die ausgleichende<br />

Gerechtigkeit im Leben erklärte<br />

und sich trotz sprachlicher Barrieren mit<br />

seinen jungen Fans bestens verständigte.<br />

Ich selbst war beeindruckt von dem Engagement<br />

des Kaisers, den ich nur aus dem<br />

Fernsehen als bayrischen Grantler kannte,<br />

wenn sein FC Bayern München mal wieder<br />

schlecht gespielt hatte. Mit Gelassenheit und<br />

unendlicher Geduld kam er den unzähligen<br />

Autogrammwünschen nach und genoss<br />

sichtlich den Kontakt zu den Schülern. Auf<br />

die Frage, ob ihm überhaupt bewusst sei, wie<br />

bedeutend sein Besuch für die Schule und<br />

das Projekt im Allgemeinen sei, antwortete<br />

er bescheiden: „Jo mei, wenn’s hilft, dann<br />

moch i des doch gern.”


Während der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags (v.l.): Jasna Czepansky (Deutsche Botschaft),<br />

Franz Beckenbauer, Fernando Rodriguez (Sostenedor del Colegio Alemán Rudolf Deckwerth) Gerhard Salbeck, Dr.<br />

Michael Glotzbach (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Santiago), Rodrigo Fábrega Lacoa<br />

(Director del „Programa: Inglés abre Puertas” del Ministerio de Educación)<br />

Von „Inglés abre puertas” zu<br />

„Idiomas abren puertas”<br />

Mittlerweile zeigte das chilenische Bildungsministerium<br />

MINEDUC großes Interesse an<br />

der Partnerschulinitiative und bat mich in jeder<br />

Region eine PASCH-Schule einzurichten;<br />

eine Bitte, die ich leider nicht erfüllen kann,<br />

da mir nur eine Quote von fünf Schulen zugewiesen<br />

wurde.<br />

Innerhalb des Bildungsministeriums hatte<br />

Rodrigo Fábrega bereits die Türen zu neuen<br />

pädagogischen Wegen innerhalb der Sprachenpolitik<br />

aufgestoßen und das ehrgeizige<br />

Projekt „Inglés abre puertas” gestartet, das<br />

vorsieht, langfristig mit Freiwilligen aus den<br />

USA die Englischlehrer an staatlichen Schulen<br />

zu unterstützen. Sie übernehmen regelmäßig<br />

die Hälfte der Klasse, um den Lehrer<br />

bei einer durchschnittlichen Klassenstärke<br />

von 40 Schülern zu entlasten. Durch die<br />

Kooperation mit dem PASCH-Projekt, der<br />

chinesischen Botschaft und dem französischen<br />

Kulturinstitut setzte sich beim Ministerium<br />

die Erkenntnis durch, dass nicht nur<br />

Englisch <strong>sondern</strong> eine zweite Fremdsprache<br />

enorme Zukunftsperspektiven mit sich bringt.<br />

Als Leuchtturmprojekt zur Stärkung des Fremd-<br />

sprachenunterricht dient nun das Instituto<br />

Nacional mit dem Projekt „salas multilingües”.<br />

Ab diesem Semester können die<br />

Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe mit<br />

Deutsch, Chinesisch und Französisch eine<br />

zweite Fremdsprache wählen. Ab dem nächsten<br />

Jahr wird die zweite Fremdsprache im<br />

Sekundarbereich verpflichtend eingeführt,<br />

das heißt, der Deutschunterricht wird im Lehrplan<br />

festgeschrieben. Darüber hinaus hat<br />

das Ministerium ein Dekret erlassen, dass ab<br />

nächstem Jahr zumindest an einem „colegio<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

emblemático”(ein Begriff, den ich der Bezeichnung<br />

Eliteschule vorziehe) in jeder Region<br />

des Landes dieses Pilotprojekt übernommen<br />

wird. Während einer Versammlung mit dem<br />

Ministerium und Vertretern der regionalen<br />

Schulämter am 26.06. in San Nicolás wurde<br />

nicht nur das PASCH-Kooperationsabkommen<br />

mit dem Liceo Polivalente unterzeichnet,<br />

<strong>sondern</strong> die Schule auch vom Bildungsministerium<br />

dazu auserkoren, in der achten<br />

Region diese Vorreiterrolle zu übernehmen.<br />

Rodrigo Fábrega betont stets, dass man<br />

Veränderungen gerade im pädagogischen<br />

Bereich im Verbund nur mit allen beteiligten<br />

Institutionen herbeiführen kann. Genau dies<br />

hat das PASCH-Team erfahren. Der April<br />

und Mai waren angefüllt mit Koordinationstreffen<br />

und Arbeitsgruppen am Ministerium.<br />

Es wurden die Rahmenbedingungen für ein<br />

Curriculum erarbeitet, ein gemeinsames<br />

Konzept zum Einsatz von Kulturweit-Freiwilligen,<br />

ein Coaching-Programm für die Vorbereitung<br />

der selben erstellt und die Webseite<br />

www.aleman.mineduc.cl konzipiert.<br />

Am Instituto Nacional mussten zunächst die Schüler<br />

durch Infoveranstaltungen für das Wahlfach Deutsch<br />

gewonnen werden. 2010 wird Deutsch in den Lehrplan<br />

aufgenommen.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

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16<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Die Euphorie über gute Zusammenarbeit<br />

zwischen Ministerium, PASCH und staatlichen<br />

Schulen, darf jedoch nicht über strukturelle<br />

Probleme wie Lehrermangel und<br />

unzureichende Lehrerausbildung hinwegtäuschen.<br />

Bezüglich des Lehrermangels<br />

versucht PASCH mit Hilfe von „Kulturweit-<br />

Freiwilligen” die Schulen zu unterstützen,<br />

um die unter der enormen Stundenzahl und<br />

Klassengröße leidenden Lehrer etwas zu<br />

entlasten. Der neue internationale Freiwilligendienst<br />

„Kulturweit” des Auswärtigen<br />

Amtes soll jungen Menschen zwischen 18<br />

und 26 Jahren die Möglichkeit geben, sich<br />

in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik<br />

zu engagieren. Es macht auch Hoffnung,<br />

dass am Goethe-Institut zunehmend Bewerbungen<br />

von äußerst qualifizierten Lehrern<br />

eintreffen. Es gibt sie wohl doch noch, die<br />

Deutschlehrer, die aufgrund des Rückgangs<br />

des Deutschunterrichts in den letzten Jahren<br />

umgesattelt haben. Ein wieder erstarkter<br />

chilenischer Deutschlehrerverband (<strong>AGPA</strong>)<br />

ist ein weiterer Beweis für die Aufbruchstimmen,<br />

die jetzt gemeinsam vom MINE-<br />

DUC, der deutschen Botschaft, dem Goethe-<br />

Institut, dem Lehrbildungsinstitut (LBI), der<br />

Universidad Metropolitana de Ciencias de<br />

Educación und anderen Universitäten genutzt<br />

werden muss, um eine qualitativ ansprechende<br />

und für junge Menschen attraktive<br />

Deutschlehrerausbildung im Sekundarbereich<br />

zu gewährleisten.<br />

Schüler gehen auf die weite Reise<br />

Das Völkerverbindende ist wohl das große<br />

Geheimnis für den Erfolg des Projekts. Treffen<br />

beispielsweise Jugendliche aus Chile<br />

und Bolivien in Berlin, Frankfurt oder Heidelberg<br />

gleichaltrige aus Australien, Russland,<br />

Finnland, Italien (um nur einige Länder zu<br />

nennen) findet ein interkultureller Austausch<br />

statt und ein Lernen über andere Nationen,<br />

wofür Firmen später oft viel Geld ausgeben.<br />

Sehr spannend fand ich die Berichte der Stipendiaten<br />

bei ihrer Rückkehr. Sie hatten nicht<br />

nur Deutschland kennengelernt, <strong>sondern</strong><br />

sich auch intensiv mit ihren Kurskameraden<br />

über deren Lebensstil, Schulalltag, deren<br />

Wünsche und Ziele ausgetauscht.<br />

So sind die Jugendkurse, in denen im Januar<br />

insgesamt 28 Jugendliche aus den drei bolivianischen<br />

und vier chilenischen Schulen Deutsch<br />

lernten, viel mehr als nur ein Sprachkurs.<br />

Sie öffnen einen Zugang zum interkulturellem<br />

Austausch und oftmals zu der überraschenden<br />

Erkenntnis, dass in Deutschland<br />

im Januar eben nur das Klima kalt ist, aber<br />

die Menschen sehr herzlich, dass sehr wenige<br />

Leute in Lederhosen anzutreffen sind<br />

und auch das vermeintlich typisch deutsche<br />

Liedgut schon lange von Tokyo Hotel,<br />

Rammstein und den Toten Hosen übertönt<br />

wird. Die Stipendiaten berichteten mir Dinge,<br />

die mir in Deutschland nie aufgefallen<br />

sind: etwa, dass sich die Busse beim Halt zur<br />

Ausstiegsseite hin neigen. Andere Erfahrungen<br />

konnte ich dagegen teilen, wie etwa die<br />

Faszination über die Pünktlichkeit der öffentlichen<br />

Verkehrsmittel, die allerdings oft getrübt<br />

wird durch die Tatsache, dass man die<br />

eine oder andere Straßenbahn ziehen lassen<br />

muss, da man noch mit dem Studieren der<br />

verschiedenen Tarifzonen beschäftigt ist.<br />

Mit größter Begeisterung erzählten die<br />

Schüler von den Sprachkursen. Durch die<br />

vielen Methodenwechsel, didaktische Spielen<br />

und die Gruppendynamik verflog die Zeit<br />

im Nu und niemand sehnte den Pausengong<br />

herbei. So nahmen die Kursteilnehmer<br />

die Erkenntnis mit, dass man eine Sprache<br />

tatsächlich sprechend lernen kann in Interaktion<br />

mit den Klassenkameraden und mit<br />

Selbstbeteiligung am Unterrichtsprozess.<br />

Nach den drei Wochen kam den südamerika<br />

ischen Stipendiaten in Deutschland kaum<br />

noch etwas Spanisch vor und der Abschied<br />

fiel allen schwer. Die gewonnenen internationalen<br />

Freundschaften werden weiterhin<br />

intensiv gepflegt.<br />

Auch in diesem Jahr werden insgesamt 1530<br />

Schüler aus aller Welt an den Jugendkursen<br />

im Sommer bzw. Winter teilnehmen. Sie<br />

haben den Vorteil, dass sie schon von ihren<br />

Vorgängern etwas auf das große Abenteuer<br />

vorbereitet werden können, und ihre Eltern<br />

nach den ersten reibungslos abgelaufenen<br />

Jugendkursen nicht mehr so sehr um ihre<br />

Sprösslinge bangen, wenn sie sich auf die<br />

14.000 km lange Reise machen.


Nach ihrer Rückkehr plauderten die Stipendiaten aus der<br />

Pestalozzi-Schule in Sucre bis spät in den Abend über<br />

ihre aufregenden Erlebnisse in Heidelberg.<br />

Robinson und Rapper an den<br />

PASCH-Schulen<br />

Nach der vorwiegend konzeptionellen Arbeit<br />

des ersten Jahres kommen auf uns vier<br />

Experten 2009 mehr kreative und pädagogische<br />

Aufgaben zu. Neben der pädagogischen<br />

Betreuung der Schulen, sind wir in der<br />

glücklichen Lage, den Schülern den Zugang<br />

zur deutschen Sprache auch über kulturelle<br />

Veranstaltungen zu ermöglichen. So war<br />

die Tournee des Figurentheaters „Seebühne<br />

Hiddensee” ein großer Erfolg, auch wenn sie<br />

nicht in voller Besetzung spielen konnten, da<br />

zwei Kokosnüsse, welche im Stück Robinson<br />

Crusoe die wilden Inselbewohner verkörpern<br />

sollten, bei der Einreise vom chilenischen<br />

Zoll einbehalten wurden. Neben dem Robinson-Stück<br />

brachte die Seebühne die kleinste<br />

Bühne der Welt mit nach Chile: einen Geigenkasten<br />

auf dem La Fontaines Fabel „Die<br />

Grille” die jungen Zuschauer verzauberte.<br />

Auch das Figurentheater erlebte Superlative:<br />

Mit fast 500 Zuschauern im Teatro Municipal<br />

in Talagante haben sie einen neuen persönlichen<br />

Zuschauerrekord aufgestellt.<br />

Im Juni tourten Bates, Kronstädta und Loco<br />

Green, drei Musiker verschiedener Stilrichtungen,<br />

durch Bolivien und Chile um im Rahmen<br />

des Projekts „Deine Stimme” an den<br />

PASCH-Schulen den Schülern den Zugang<br />

zur deutschen Sprache über Rhythmus und<br />

Rap-Poesie zu erleichtern. Am Ende des<br />

Workshops, in denen Schüler ihre eigenen<br />

Songtexte schreiben und mit den Künstlern<br />

vertonen konnten, stand am Abend ein großes<br />

Konzert auf dem Programm. Auf der Tour mit<br />

den Musikern lernte ich nicht nur einige coole<br />

Hiphop-Moves <strong>sondern</strong> kam auch zu einem<br />

neuen Künstlernamen. Da ich die Musiker so<br />

mütterlich betreut und ihnen die Organisation<br />

und Kommunikation an den Schulen erleichtert<br />

hatte, tauften sie mich „Paschamama”.<br />

Ende des Jahres werden die besten Beiträge<br />

auf einer CD zusammengefasst und der<br />

Gewinner jedes Teilnehmerlandes zu einer<br />

Aufnahme in ein Tonstudio nach Deutschland<br />

eingeladen. Bolivianische und chilenische<br />

Schüler von PASCH-Schulen können<br />

noch bis Mitte November ihren Beitrag an<br />

www.goethe.de/deine-stimme einsenden .<br />

Vielleicht findet Deutschland auch auf diese<br />

Weise einen neuen Superstar.<br />

Der Puppenspieler Karl Huck zaubert La Fontanes<br />

Fabel „Die Grille” aus seinem Geigenkasten.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Oxi landet in den PASCH-Schulen<br />

Neben der Ausstattung der Unterrichtsräume<br />

mit funktionellen Schulmöbeln, Medien und<br />

Unterrichtsmaterialien stellte sich natürlich<br />

auch die Frage nach den schülergerechten<br />

Lehrwerken. Einige Schulen konnten bereits<br />

auf bewährte Lehrwerke verweisen, an den<br />

meisten Schulen wurden jedoch zum ersten<br />

Mal kurstragende Materialien eingeführt. Gegen<br />

Ende des Jahres kommt auf das PASCH-<br />

Team und die PASCH-Lehrer die Phase der<br />

Curriculumserarbeitung zu. Eine Aufgabe, die<br />

vor allem an Schulen von großer Bedeutung<br />

ist, welche Deutsch im Lehrplan implementieren<br />

wie dem Instituto Nacional in Santiago<br />

und dem Liceo Politécnico de San Nicolás.<br />

Während sich die Schulen im Media-Bereich<br />

für verschiedene Lehrwerke entschieden haben,<br />

fiel die Wahl im Primarbereich einhellig<br />

auf „Oxi & Ilse”. Oxi ein Außerirdischer und<br />

der Erdling Ilse, die dem blauen Alien die Integration<br />

auf unserem Planeten erleichtert,<br />

sind Geschöpfe der Lehrbuchautorinnen Verena<br />

Bielefeld und María José Colomer. Das<br />

liebevoll illustrierte Lesebuch, umfangreiche<br />

Lehrerhandreichungen und eine Schatzkiste,<br />

übervoll mit didaktischen Spielen, haben mit<br />

dazu beigetragen, dass aus dem oft lehrerzentrierten<br />

Unterricht ein interaktives Miteinander<br />

wurde.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

17


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

18<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Nach der Fortbildung zum Lehrwerk „Oxi und Ilse”<br />

präsentieren die Lehrerinnen stolz ihre Zertifikate.<br />

Die Freude am Spielen bei einer Lehrerfortbildung im<br />

November 2008 in Sucre.<br />

Auch die Themen anderer Fortbildungen wie<br />

„Interaktive Sozialformen im Unterricht”,<br />

„Didaktische Spiele” und „Szenische Dialoge<br />

im Unterricht” hatten zum Ziel, den in<br />

Südamerika immer noch vorherrschenden<br />

Frontalunterricht aufzubrechen. So soll den<br />

Schülern die Angst vor dem Sprechen und<br />

natürlich auch vor dem Fragen genommen<br />

werden.<br />

Mittlerweile sind die U-Sitzordung, Gruppenarbeiten,<br />

wechselnde Sozialformen und<br />

Schüler an der Tafel zur Gewohnheit geworden<br />

und die Lehrer gefallen sich in der neuen<br />

Rolle der Moderatoren. Sie lassen den<br />

Schülern mehr Zeit miteinander zu sprechen,<br />

sich bei der Lösung von Übungen zu<br />

ergänzen und projektorientiert zu arbeiten.<br />

Dadurch lösen sie sich aus dem Zwang, immer<br />

alles selbst erklären und vorgeben zu<br />

müssen und schaffen sich selbst den Freiraum,<br />

sich als Lernberater anzubieten und<br />

individuell auf einzelne Schüler einzugehen.


Die Betreuung der Schulen<br />

An die hundert Lehrer der PASCH-Schulen<br />

in Südamerika konnten letztes Jahr in Deutschland<br />

Sprachkurse und Lehrerseminare<br />

besuchen. Diese Maßnahmen zur Fortbildung<br />

der PASCH-Lehrer und zur Eindämmung<br />

des Lehrermangels werden dieses<br />

Jahr ergänzt durch Fernstudieneinheiten<br />

(Multimediaführerschein, Methodik-Didaktik-<br />

Fernkurs bis hin zum Grünen Diplom)<br />

und durch das Pilotprojekt Deutschlehrer<br />

kolleg, einer zweimonatige Basisausbildung in<br />

Methodik-Didaktik in Deutschland.<br />

Tanja Olbrich und Katja Wostradowski,<br />

die Coacherinnen für Chile bzw. Bolivien.<br />

An den Standorten Buenos Aires und Santiago<br />

wurde zudem ein Coaching-Projekt entwickelt,<br />

das sich bisher hervorragend bewährt<br />

hat. Dabei gehen qualifizierte Coachs für ein<br />

bis zwei Monate an eine PASCH-Schule, um<br />

dort als Vertrauensperson mit den Lehrern<br />

zusammen, beratend aber nie belehrend<br />

pädagogische Strukturen zu entwickeln. Sie<br />

bereiten mit den Lehrern Unterricht und<br />

Unterrichtsmaterialien vor, hospitieren und<br />

evaluieren. Zudem geben sie Modellunterricht<br />

auch für interessierte Lehrer anderer Fachrichtungen,<br />

um so die pädagogischen Ziele des<br />

Projekts an der Schule transparent zu machen.<br />

Die Aufbruchstimmung an den PASCH-<br />

Schulen ist spürbar. Natürlich sind die Stipendien<br />

für die Schüler eine ungeheure<br />

Motivation; aber auch kleinere Projekte wie<br />

Ferienlager, Schreibwettbewerbe, Rockmusikwettbewerbe<br />

und Kulturveranstaltungen<br />

sind ein großer Anreiz. Es ist die neue Freude<br />

am Deutschlernen, die vor allem den hoch<br />

motivierten Lehrern an den PASCH-Schulen<br />

zu verdanken ist, die oft noch zusätzlich zu<br />

ihren bis zu 45 Wochenstunden neue Unterrichtsmethoden<br />

erproben, didaktische Spiele<br />

erstellen, sich untereinander austauschen<br />

und in ihrer Freizeit an Sprachkursen und<br />

Fortbildungen teilnehmen.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Vom Frontalunterricht, wo der Lehrer oft mit<br />

dem Rücken zur Wand steht, zum interaktiven<br />

Unterricht, in dem der Lehrer den einzelnen<br />

Schülern zugewandt ist.<br />

Schon in den jüngsten Klassen gibt<br />

es „Experten für Unterricht”.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

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20<br />

PASCH <strong>AGPA</strong> im - Chile Netz<br />

Mit einem Klick auf www.pasch-net.de bekommen<br />

Sie Zugang zur neuen PASCH-Welt.<br />

Hier findet man detaillierte Informationen<br />

über die beteiligten Institutionen sowie über<br />

Ziele und Aktivitäten der Partnerschulinitiative.<br />

Unter dem Menüpunkt „Magazin” sind<br />

aktuelle Meldungen über Ereignisse und<br />

Veranstaltungen abrufbar und auf der interaktiven<br />

PASCH-Weltkarte sind alle bisherigen<br />

Partnerschulen verortet und werden<br />

unter der Rubrik „Schulportraits” ausführlich<br />

vorgestellt.<br />

In erster Linie werden jedoch die Schüler<br />

durch ein buntes Angebot an landeskundlichen,<br />

interkulturellen Spielen, Wettbewerben<br />

und Projekten zum Mitmachen motiviert.<br />

Nach einem Probelauf an verschiedenen<br />

Schulen in Südamerika soll im August auch<br />

eine Community frei geschaltet werden, in<br />

der sich Schüler weltweit untereinander vernetzen<br />

und aktiv an der Gestaltung von www.<br />

pasch-net.de teilnehmen können. Darüber<br />

hinaus können auf einer Lernerplattform modernste<br />

Unterrichtsformen genutzt werden.<br />

Auch die Lehrer der Partnerschulen haben<br />

die Möglichkeit, in einem abgeschlossenen<br />

Lehrerbereich auf Materialien und Anregungen<br />

zuzugreifen und ihre Erfahrungen auszutauschen.<br />

PASCH puscht<br />

Auf der Suche nach Partnerschulen sind<br />

nicht nur fünf PASCH-Schulen in Chile und<br />

drei in Bolivien dazu gekommen, <strong>sondern</strong><br />

auch einige Schulen, die ich leider nicht offiziell<br />

zu PASCH-Schulen deklarieren konnte,<br />

die aber durch PASCH und die Einbindung<br />

in die traditionelle Arbeit der „Bildungskooperation<br />

Deutsch” des Goethe-Instituts<br />

von nun an beraten und gefördert werden<br />

können. Durch das Engagement des chilenischen<br />

Bildungsministeriums werden nächstes<br />

Jahr landesweit 15 weitere Schulen dazu<br />

kommen, die Deutsch als zweite Fremdsprache<br />

anbieten.<br />

Chile und Bolivien sind nur zwei Beispiele<br />

für den Erfolg des PASCH-Projekts in Südamerika.<br />

In allen Ländern gelang es, viele<br />

Schulen für die Partnerschulinitiative zu<br />

begeistern, so dass bis heute nahezu alle<br />

angestrebten 52 Schulen in Südamerika<br />

in das weltweite Netz der Partnerschulen<br />

eingebunden sind. In den meisten Ländern<br />

gelang es mit Hilfe der entsprechenden Bildungsministerien<br />

Deutsch auch in weiteren<br />

Schulen zu implementieren. Außerdem wird<br />

in fast allen Ländern versucht, mittels der<br />

Zusammenarbeit mit Universitäten und über<br />

Universitätspartnerschaften (in Argentinien)<br />

die Lehrerausbildung zu stärken und auszudehnen,<br />

denn langfristig werden in Südamerika<br />

wieder verstärkt Deutschlehrer gesucht,<br />

an manchen Orten sogar händeringend.<br />

Durch die engagierte Zusammenarbeit der<br />

Goethe-Institute mit den Botschaften, den<br />

Bildungsministerien, den Handelskammern,<br />

den Mittlern DAAD und ZfA konnte eine<br />

Aufbruchstimmung erzeugt werden, die für<br />

die nächsten Jahre viel Hoffnung macht,<br />

denn sowohl das Auswärtige Amt, als auch<br />

alle am Projekt beteiligten Institutionen setzen<br />

auf Nachhaltigkeit. PASCH hat im ersten<br />

Jahr Erstaunliches erreicht und befindet sich<br />

nun in der Konsolidierungsphase. Auch die<br />

vier Experten für Unterricht sind nach dem<br />

ersten turbulenten Jahr so richtig angekommen,<br />

fachlich wie persönlich. Denn, um noch<br />

einmal einen Bayern zu zitieren: „Fremd ist<br />

der Fremde nur in der Fremde. Weil jeder<br />

Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder<br />

ist und zwar so lange, bis er sich nicht mehr<br />

fremd fühlt, dann ist er kein Fremder mehr.”


Elba Díaz<br />

Als die Republik Chile entstand und die Verfassung<br />

von 1833 das Schicksal des Landes<br />

bestimmte, bestand auch die Notwendigkeit,<br />

ein Schulwesen einzurichten, das den Bedürfnissen<br />

des Landes gerecht würde.<br />

Schon damals existierten das Instituto Nacional,<br />

die Universidad de Chile sowie ein<br />

Grundschulnetz. Die große Nachfrage nach<br />

einer technischen Ausbildung konnte hierdurch<br />

jedoch nicht befriedigt werden.<br />

Daher wurde 1849 die Escuela de Artes y<br />

Oficios (EAO; Künste- und Berufsschule)<br />

gegründet, deren Aufgabe es war, die dringend<br />

benötigten Techniker auszubilden. Diese<br />

Schule - der Vorgänger der Universidad<br />

de Santiago - war aus dem Wunsch der Regierung<br />

nach Entwicklung und Wandel entstanden<br />

und genoss großes Ansehen.<br />

Der Kultusminister Manuel Montt gab 1844<br />

diesem Projekt den ersten Antrieb, da er die<br />

Notwendigkeit erkannte, der in allen Bereichen<br />

fortschreitenden Modernisierung des<br />

Landes mit der Einrichtung einer technischen<br />

Schule Rechnung zu tragen.<br />

Die ersten Berufe, die an der EAO angeboten<br />

wurden, waren das Schmiede- und Tischlerhandwerk,<br />

später dann Mechanik und<br />

Gießerei. Man stellte dafür einen erfahrenen<br />

Ingenieur aus Frankreich ein, der mit den<br />

ersten Werkstattmeistern zusammenarbeitete.<br />

Die besten Schüler des Landes wurden ausgewählt,<br />

um an dieser Schule zu lernen.<br />

Nach vier Jahren erhielten sie ihr Diplom<br />

und mussten in ihre Heimatstadt zurückkehren,<br />

mit der Aufgabe, dort eine Werkstatt<br />

zu gründen und anderen Schülern diesen<br />

Beruf beizubringen.<br />

In der zweiten Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

trug die EAO, deren Ausbildung internationalen<br />

Standards entsprach, maßgeblich zur<br />

technologischen Entwicklung des Landes bei<br />

und galt sogar als die erste technische Schule<br />

Lateinamerikas.<br />

Ursprung der Universidad de<br />

Santiago de Chile und der deutschen<br />

Sprache an dieser Universität<br />

1886 wurde das zweite Bildungszentrum der<br />

EAO in Santiago gegründet, auf dem selben<br />

Grundstück, auf dem sich heute die Universidad<br />

de Santiago befindet.<br />

In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />

nahm die Anzahl der Schüler an<br />

den Berufsschulen stetig zu. Diese Entwicklung<br />

wurde durch staatliche Förderungsmaßnahmen<br />

im Rahmen der neu gegründeten<br />

CORFO (Korporation zur Förderung)<br />

begünstigt.<br />

Die 1940 gegründete Berufsschule der Maschinenbauingenieure<br />

bildete in Zusammenarbeit<br />

mit dem Technisch-Pädagogischen<br />

Institut Fachleute für den industriellen Sektor<br />

aus.<br />

Anfang der 50er Jahre zählte die EAO bereits<br />

neun Bildungszentren in ganz Chile und<br />

entsprach seit der Gründung der Universidad<br />

Técnica del Estado (UTE) im Jahre 1947<br />

auch akademisch, verwaltungstechnisch und<br />

rechtlich einer Universität.<br />

Diese Universität hatte bereits in den 60er<br />

Jahren die beachtliche Zahl von 130.000<br />

Studenten und genoss nationales Ansehen.<br />

Die 1971 durchgeführte Universitätsreform<br />

sowie der zwei Jahre später erfolgende<br />

Putsch führten zu einer landesweiten Krise,<br />

die sich auch auf die UTE auswirkte.<br />

Im Zuge der Regionalisierung des Landes<br />

wurde der Aufgabenbereich der UTE auf die<br />

Región Metropolitana eingeschränkt, wodurch<br />

sich die Zahl der Studierenden drastisch<br />

reduzierte. Unter diesen Bedingungen<br />

vollzog sich 1981 der Übergang von der<br />

UTE zur Universidad de Santiago de Chile<br />

(USACH), die ihr Augenmerk nun verstärkt<br />

auf den Bereich der Forschung legte.<br />

Heute besteht die Universidad de Santiago<br />

aus sieben Fakultäten und einer Architekturfakultät<br />

mit knapp über 20.000 Studenten.<br />

Eine dieser Fakultäten ist die Facultad de<br />

Humanidades (FAHU), an der u.a. die Fächer<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Spanisch, Englisch, Übersetzung, Geschichte<br />

angeboten werden.<br />

Die deutsche Sprache hat seit 1986 einen besonderen<br />

Stellenwert an der Universität. Damals<br />

führte Herr Leopoldo Wigdorsky, Leiter<br />

der Sprachabteilung, das Fach Deutsch als<br />

Fremdsprache ein. Zuerst bot man Deutsch<br />

als ein kulturelles Wahlpflichtfach an. Mit der<br />

Zeit wuchs das Interesse der Studenten an<br />

dieser Sprache und heute werden drei verschiedene<br />

Grundkurse angeboten.<br />

Viele Deutsche leisteten hierbei einen wichtigen<br />

Beitrag, z. B. unsere Kollegin Frau Birge<br />

Lenhard, Pädagogische Fachberaterin des<br />

Goethe-Instituts in Santiago, die die Fakultätsbibliothek<br />

mit Material- und Bücherspenden<br />

bereicherte.<br />

Auch der Zuständige für die Pädagogische<br />

Verbindungsarbeit, Herr Helmut Schippert,<br />

erkannte die Wichtigkeit der deutschen Sprache<br />

in der USACH. Daher unterzeichnete er<br />

zusammen mit dem Leiter des Goethe-Instituts<br />

und dem Rektor der Universidad de<br />

Santiago einen Vertrag, der herausragende<br />

Studenten mit einem Stipendium für einen<br />

Deutschkurs am Goethe-Institut Chile<br />

auszeichnete. Die im Studium erworbenen<br />

Deutschkenntnisse bringen den Studenten<br />

auch bei der Bewerbung für wichtige Fortbildungsstipendien<br />

klare Vorteile. Derartige Anreize<br />

werden auch in Zukunft ein auschlaggebender<br />

Grund für das Interesse an der<br />

deutschen Sprache sein.<br />

Elba Díaz<br />

Studium Englisch als Fremdsprache an der Universidad<br />

de Chile und Deutsch als Fremdsprache<br />

an der Universidad Metropolitana de Ciencias de<br />

la Educación in Santiago, Chile.<br />

Erfahrung an verschiedenen Schulen und seit<br />

1986 zuständig für Deutschkurse an der Universidad<br />

de Santiago.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

21


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

22<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Interview mit Herrn<br />

Alvaro Camú,<br />

- DaF-Brücke: Seit dem 23. Februar sind<br />

Sie für die Sprachabteilung und die Bildungskooperation<br />

Deutsch am Goethe-<br />

Institut Chile zuständig. Das ist eine<br />

Stelle, die traditionsgemäß von deutschen<br />

entsandten Kollegen/innen besetzt wurde.<br />

Aus welchen Gründen hat sich das geändert?<br />

Wirtschaftsgründe sind da sicher ausschlaggebend<br />

gewesen. Weiterhin hat man<br />

aber auch - so mein Eindruck- an diverse<br />

Auswirkungen gedacht. Eine Ortskraft, die<br />

bereits länger im Gastland ansässig ist,<br />

braucht sich nicht einzuleben, kennt ortsübliche<br />

Umgangsformen, soziale und politische<br />

Hintergründe und Vernetzungen und in vielen<br />

Fällen auch die adäquaten Ansprechpartner.<br />

Das erleichtert natürlich von Anfang an<br />

die Arbeit, sowohl im Sprachkursbereich als<br />

auch im Rahmen der BKD.<br />

- DaF-Brücke: Wie werden Sie die Beziehungen<br />

zwischen dem Goethe-Institut und den verschiedenen<br />

Institutionen im Bereich<br />

DaF in Chile (Unis, Schulen, PASCH-Projekt,<br />

Deutschlehrerverband <strong>AGPA</strong>, usw.)<br />

artikulieren?<br />

Das muss auf der Basis einer breiten Kooperationsarbeit<br />

beruhen. Jede wirkungsvolle<br />

und attraktive Zusammenarbeit sollte<br />

davon ausgehen, dass alle involukrierten<br />

Akteure einen Nutzen daraus ziehen können.<br />

Das Goethe-Institut Chile bietet in diesem<br />

Sinne eine vielfältige Palette: ein interessan-<br />

tes Fortbildungsangebot für DaF-Lehrer; die<br />

Möglichkeit verschiedene Veranstaltung des<br />

nationalen Deutschlehrerverbands in den<br />

Räumlichkeiten des Instituts durchzuführen;<br />

die Stellung des DaF-Unterrichts im öffentlichen<br />

Bildungssystem Chiles zu stärken und<br />

damit mehr Arbeitschancen und bessere<br />

Arbeitsbedingungen für die Lehrer zu schaffen.<br />

Das beste Beispiel dafür ist ohne Zweifel<br />

die Partnerschule-Initiative (PASCH), ein<br />

Projekt, das von den chilenischen Behörden<br />

mit Begeisterung aufgenommen wurde und<br />

das jetzt ein wichtiger Bestandteil des Programms<br />

,,Idiomas abren puertas” des Erziehungsministeriums<br />

darstellt.<br />

- DaF-Brücke: Welche Projekte sollten,<br />

aus Ihrer Sicht, das Goethe-Institut und<br />

<strong>AGPA</strong> gemeinsam übernehmen?<br />

Einige Gespräche haben wir bereits geführt<br />

und daraus sind folgende Zielsetzungen hervorgegangen:<br />

1. <strong>AGPA</strong> wird im 2. Semester 2010 zu einer<br />

großen Generalversammlung aller ihrer Mitglieder<br />

aufrufen. Bis dahin sollen sich muglichst<br />

alle DaF-Lehrer des Landes, von Arica<br />

bis Punta Arenas, eingeschrieben haben. Bei<br />

dieser Gelegenheit soll auch der neue <strong>AGPA</strong>-<br />

Vorstand gewählt werden. Das Goethe-Institut<br />

Chile unterstützt dabei besonders in Fragen<br />

der Anwerbung neuer Mitglieder und der<br />

Organisation. Wir werden <strong>AGPA</strong> für die erfolgreiche<br />

Durchführung dieser Veranstaltung<br />

unbegrenzt unterstützen.


neuer Leiter der Sprachabteilung und<br />

Bildungskooperation Deutsch am GI-Chile.<br />

2. In Zusammenarbeit <strong>AGPA</strong>-GI-VdLich<br />

(Verband deutschsprachiger Lehrer in Chile)<br />

und MINEDUC (Erziehungsministerium) soll<br />

im nächsten Jahr, nach jahrelangem Ausfall<br />

wieder ein Kongress in Santiago stattfinden.<br />

Ziel dabei ist, die Arbeit von <strong>AGPA</strong> zu konsolidieren,<br />

in seiner Rolle als Vertreter dieses<br />

wichtigen Gremiums landesweit zu stärken,<br />

wichtige Beschlüsse in Hinsicht auf Sprachpolitik<br />

zu erarbeiten und neue bzw. junge<br />

DaF-Lehrer-Absolventen der letzten Jahre<br />

aufzunehmen und sie für eine rege Mitarbeit<br />

im Verband zu motivieren. Selbstverständlich<br />

werden wir auch die Gelegenheit nutzen,<br />

um interessante Referenten einzuladen,<br />

die den Teilnehmern in Didaktik- und Methodikfragen<br />

vielfältige inputs anbieten werden.<br />

- DaF-Brücke: Wie sehen Sie die Stellung<br />

der deutschen Sprache in Chile in 5<br />

Jahren?<br />

Ich glaube, dass wir anhand einer engen<br />

Zusammenarbeit aller Beteiligten, einem<br />

vereinten und damit starkem Landesverband<br />

(<strong>AGPA</strong>), der außerordentlichen PASCH-Initiative,<br />

sowie der dadurch positiv beeinflussten<br />

neuen Sprachpolitik der chilenischen Regierung<br />

mit Zuversicht in die Zukunft sehen können.<br />

Einfach wird es sicherlich nicht sein<br />

und um an einem ähnlichen oder sogar<br />

besseren Stand der deutschen Sprache<br />

in Chile anknüpfen zu können, wie vergleichsweise<br />

dem der 90er Jahre, werden wir alle<br />

gemeinsam unser Bestes leisten müssen.<br />

Nur so ist abzusichern, dass das Interesse<br />

*“Hoffentlich hätten wir eine magische Kristallkugel ...”<br />

an Deutsch wächst und folglich nicht nur am<br />

Goethe-Institut, <strong>sondern</strong>, und vor allem,<br />

auch an allen Schulen, die Deutsch<br />

als Fremdsprache anbieten (öffentliche<br />

und private Schulen) und an<br />

Hochschulen eine stets wachsende<br />

Zahl an Schüler bzw. Studenten<br />

aufweisen können, die diese für<br />

die moderne Arbeitswelt wichtige<br />

und schöne Sprache lernen wollen.<br />

Damit erzeugen wir gleichzeitig,<br />

dass DaF-Lehrer gerechterweise<br />

mit Optimismus ihre Arbeitsmöglichkeiten<br />

wahrnehmen.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

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24<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Maria Schindler Stephani FÜCHSE<br />

Erinnerungen der Deutschen<br />

Einwanderung im Süden Chiles<br />

Ein Interview mit Gloria Dünkler, einer chilenischen<br />

Schriftstellerin, mit der wir uns über<br />

ihr Werk unterhalten. Gloria stammt aus<br />

einer Fischer- und Musikerfamilie. In ihrer<br />

noch kurzen, aber sehr interessanten Laufbahn,<br />

hat sie verschiedene wohlverdiente<br />

Preise erhalten, unter anderem den Internationalen<br />

Preis ,,Los puños de la paloma<br />

2008” im Jahre 2007 und den 1. Preis im<br />

Wettbewerb der Universidad Tecnológica<br />

Metropolitana 2005.<br />

Wir treffen uns am Eingang der Bibliotek<br />

Juan Gómez Millas der Universidad de Chile,<br />

wo sie als Bibliothekarin arbeitet. Sie sieht<br />

viel jünger aus als ihre Stimme am Telefon<br />

klang. Es ist ein heißer Tag, aber der Schatten<br />

der alten Bäume hilft uns, die Hitze zu<br />

vergessen. Nach einer Weile beginne ich zu<br />

fragen, und sie antwortet ganz entschieden,<br />

als ob sie die Fragen vor einer Gruppe von<br />

Schriftstellern beantworten würde.<br />

- DAF-Brücke: Erzähl uns bitte von deiner<br />

Kindheit im Süden Chiles.<br />

* Gloria: Ich bin 1977 in Pucón geboren, wo<br />

ich meine Kindheit verbracht habe. Später<br />

habe ich die Universidad La Frontera in Temuco<br />

besucht und dort Spanisch auf Lehramt<br />

studiert; aber ich habe schon als Kind<br />

geschrieben und mich für das Thema der<br />

deutschen Einwanderung interessiert, da ich<br />

von Mapuche und Deutschstämmigen viel<br />

gehört hatte. Ich hatte damals Kontakt mit<br />

Mapuche-Dichtern, die aus ihrer Sicht die<br />

Kolonisierung beschrieben. Ich wollte aber<br />

auch die Sichtweise der Leute darstellen, die<br />

mit meinem Urgroßvater Wilhelm Dünkler<br />

nach Chile gekommen sind.<br />

* DAF-Brücke:<br />

Was weißt du noch von deiner Familie?<br />

* Gloria: Mein Urgroßvater war mit seiner<br />

Frau Johanna 1923 von Hamburg hierher<br />

gezogen und sie hatten später einen Kramladen<br />

in Llafenko, wo sie mit den Mapuche einen<br />

regen Tauschhandel trieben. Auch mein<br />

Großvater Ernst kam oft in Kontakt mit den<br />

Einheimischen. Nach einem Unfall, den er<br />

bei einen Wettlauf mit den Mapuche machte,<br />

war er gelähmt mit knapp zwanzig Jahren.<br />

Später hat er trotzdem meine Großmutter Maria<br />

Valencia, aus Imperial, geheiratet und sie<br />

haben zwölf Kinder bekommen. Eines davon<br />

war meine Mutter Catalina. Mein Großvater<br />

war Musiker und spielte Akkordeon. Auch<br />

viele andere Dinge habe ich später in Gesprächen<br />

mit anderen Deutschstämmigen in<br />

Erfahrung gebracht.<br />

- DAF-Brücke: Und was konntest du über<br />

deine Vorfahren herausfinden?<br />

* Gloria: Viele waren sehr beeindruckt von<br />

dieser wilden und magischen Welt, andere<br />

resignierten und kehrten zurück. Andere<br />

wiederum - wie mein Onkel - nahmen sich<br />

das Leben, nachdem sie lange Zeit von der<br />

zivilisierten Welt isoliert im Urwald gelebt<br />

hatten. Es gab natürlich auch diejenigen, die<br />

sich anpassten, zu denen die meisten Mitglieder<br />

meiner Familie wohl gehörten. Was<br />

mich bis heute verwundert ist die Vernunft<br />

und die Tapferkeit dieser Deutschen, die ihre<br />

Angehörigen und ihr gesamtes bisheriges<br />

Leben zurückließen, um ans Ende der Welt<br />

zu reisen.<br />

Eine Tante z. B. erzählte, wie man sie zu einem<br />

Guillatún* einlud - eine Veranstaltung,


VON LLAFENCO<br />

an der nur Mapuche teilnehmen. Meiner<br />

Tante kam diese religiöse Welt magisch<br />

vor. Doch auch die Mapuche passten sich<br />

allmählich an; die Frauen arbeiteten in der<br />

Küche und die Männer auf dem Feld. Ich<br />

glaube, beide Kulturen versuchten eben das<br />

Beste voneinander zu lernen. In Llafenko gab<br />

es eine kleine deutsche Schule, die auch die<br />

Mapuche besuchten. Die deutschen Kinder<br />

sahen zum ersten Mal, wie ein Puma sein<br />

Opfer riss oder am Flussufer Wasser trank -<br />

all das war für sie vollkommen neu.<br />

- DAF-Brücke:<br />

Mit welcher Intention hast du dein Buch<br />

geschrieben?<br />

* Gloria: Ich habe das Buch auf der Suche<br />

nach meiner eigenen Identität geschrieben.<br />

Außerdem wollte ich den Einfluss der anonymen<br />

Einwanderer und ihre Beziehung zu<br />

den Mapuche darstellen. Auch war ich daran<br />

interessiert, die Erfolge, Misserfolge, das<br />

Glück und die Miserien der ersten deutschen<br />

Ansiedler zu schildern.<br />

- DAF-Brücke: Kennst du noch andere<br />

Schriffsteller, die dieses Thema behandeln?<br />

* Gloria: Clemente Riedemann hat in den<br />

achtziger Jahren über die Einwanderer geschrieben,<br />

aber über diejenigen, die nach<br />

Valdivia kamen. In einem Gespräch mit ihm<br />

stellte ich fest, dass es keinen einzigen Autoren<br />

gab, der das Thema der Nazizeit aus<br />

der Sicht der Deutschstämmigen behandelte.<br />

Deshalb nahm ich das Thema in einem<br />

Kapitel meines Werkes auf.<br />

- DAF-Brücke:<br />

Und die Leser, wie reagieren sie, wenn sie<br />

dein Buch lesen?<br />

* Gloria: Es gibt nur zwei Reaktionen: Ent-<br />

Gloria Dünkler<br />

weder gefällt es ihnen oder nicht. Diejenigen,<br />

denen es gefällt, sagen, sie empfinden<br />

es als authentische Dichtung. Ich auf jeden<br />

Fall schrieb es mit reflektierenden Augen<br />

auf die Vergangenheit. Ein Kerngedanke ist,<br />

Stereotypen zu vermeiden. Es gibt einfach<br />

nicht ,,die schlechten Deutschen” und die<br />

,,guten Mapuche”. Für mich gibt es nur den<br />

universellen Menschen mit seinen Irrtümern.<br />

In meinem Falle waren es gerade die<br />

Kindheitserfahrungen, die mir das Fühlen<br />

ermöglichten und sich auf meine Dichtung<br />

auswirkten. Denn Dichtung ist Leidenschaft,<br />

sie ist etwas Lebendiges.<br />

Hier ein paar Zeilen über die<br />

ersten Ansiedler:<br />

Hier kennt sich niemand.<br />

Und man weiß nicht, ob die Nachbarfamilie<br />

keinen roten Heller Wert ist.<br />

Hier können wir uns erfinden<br />

Ein Blut,<br />

Ein Wappen,<br />

Eine Sage,<br />

Ein ehrenvoller Tod.<br />

Wir können, wenn wir es wollen<br />

Eine Herkunft von dem Blitz eingesalbt<br />

werden.<br />

- DAF-Brücke:<br />

Und kennt man dein Werk in Pucón?<br />

Gloria: Man kennt es mehr im Ausland, da<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

es zuerst in Argentinien herausgegeben<br />

wurde. Hier in Chile wird es der Verlag Tácita<br />

herausgeben und im Juli verreise ich nach<br />

Guayaquil, wo es eine Buchmesse gibt.<br />

Ich schreibe momentan einen Roman, ,,Los<br />

Intrusos” (Die Eindrinlinge), auch wieder<br />

über dasselbe Thema, aber diesmal werde<br />

ich die Themen vertiefen.<br />

- DAF-Brücke:<br />

Gloria, woher kommt der Titel deines Werkes<br />

,,Füchse von Llafenko”?<br />

- Gloria: Der Fuchs steht für den deutschen<br />

Ansiedler, der wirklich in Llafenko existierte<br />

und in der Nähe der Urwälder lebte.<br />

- DAF-Brücke: Wir bedanken uns für das<br />

Interview und wünschen dir viel Glück mit<br />

deinem zukünftigen Roman, Gloria.<br />

* Gloria: Ich danke Ihnen.<br />

- Guillatún: heiliges Ritual der Mapuche<br />

María Schindler<br />

Deutschlehrerin und Übersetzerin mit<br />

langjähriger Erfahrung an verschiedenen<br />

Schulen und Institutionen. Aufenthalte und<br />

Fortbildungskurse in Deutschland.<br />

Aktives Mitglied des Deutschlehrerverbandes<br />

<strong>AGPA</strong>.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

25


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

26<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Christina Maria Kirschbaum<br />

Magisterstudium der Neueren Angistik/Amerikanistik,<br />

Älteren Anglistik, Neueren Deutschen Philologie<br />

und Romanistischen Sprachwissenschaft<br />

(Spanisch) an der Heinrisch-Heine-Universität<br />

Düsseldorf.<br />

Seit 2008 als DAAD-Sprachassistentin an der<br />

Universidad Nacional de Colombia in Bogotá.<br />

Christina Maria Kirschbaum<br />

Literatur im<br />

DaF-Studium -<br />

eine Verteidigung<br />

Die Universidad Nacional de Colombia in Bogotá hat ihren Studiengang Filología<br />

e Idiomas - Alemán, der bislang eine Mischung aus Germanistik und<br />

DaF war, zu einem DaF-Studiengang „zurechtgestutzt”, indem sie die Kurse für<br />

Sprachwissenschaft, Landeskunde und Literatur nun fast alle zu Wahlpflichtfächern<br />

gemacht hat - allerdings ohne dabei das Angebot an anderen, für die DaF-<br />

Ausbildung relevanten Kurse zu erhöhen. Die Literatur- und Landeskundekurse<br />

konkurrieren nun auch mit den Kursen anderer Abteilungen, die früher nur ein<br />

Zusatzangebot waren, um die Gunst der Studierenden. Obligatorisch sind nun<br />

nur noch eine spanische Einführung in die Literaturwissenschaft und ein Kurs<br />

in deutscher Literatur. Dieses Semester sind die anderen beiden Literaturkurse<br />

aufgrund mangelnden Interesses vonseiten der Studierenden nicht zustande<br />

gekommen, was zeigt, dass sie genau wie die Fakultät diese Kurse als eher<br />

unwichtig einschätzen.<br />

Doch kann man ohne Literaturkenntnisse wirklich ein guter DaF-Lehrer werden?<br />

Einige werden sicher argumentieren, dass Didaktik- und Sprachkenntnisse<br />

hierfür das Wichtigste sind. Aber wie soll man, ohne je ein Buch auf Deutsch<br />

gelesen zu haben, im Ausland von einem Niveau C1, auf dem man ja (zumindest<br />

theoretisch) die gesamte Grammatik beherrscht und sich in den meisten Lebenslagen<br />

ausdrücken kann, zu einem Niveau C2 gelangen? Für diesen Prozess<br />

spielt Literatur eine nicht unerhebliche Rolle, da besonders im Rahmen eines<br />

Literaturkurses globales Lesen gezielt trainiert und das Leseverhalten so einem<br />

muttersprachlichen Verhalten angenähert werden kann. Außerdem bedeutet das<br />

Lesen deutscher Literatur eine intensive Beschäftigung mit der deutschen Sprache,<br />

die sonst außerhalb des Unterrichts kaum gegeben ist. Dies trägt somit zur<br />

Erweiterung des Wortschatzes bei. Davon abgesehen bieten Lesen und die an -<br />

schließende Interpretation der Texte, die Möglichkeit, Dinge aus verschiedenen<br />

Perspektiven zu sehen, sie regen zu kritischem Denken an und können zur Persönlichkeitsbildung<br />

beitragen, was in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten<br />

Studenten in Kolumbien ihr Studium bereits mit 17 Jahren beginnen, ein nicht<br />

unerheblicher Faktor ist. Literatur transportiert ebenfalls kulturelles Wissen und<br />

kann so die oft mangelhafte Allgemeinbildung in den Bereichen Geschichte und<br />

Politik verbessern helfen. Man kann schwer von der Hand weisen, dass ein Lehrer,<br />

der mehr weiß, mit denselben Methoden auch mehr vermitteln kann.<br />

Abschließend bleibt natürlich noch zu sagen, dass Lesen neben seinem Nutzen<br />

auch Freude bereitet - vor allem, wenn man sich daran erinnert, dass man wenige<br />

Semester zuvor kein Wort Deutsch konnte und nun einen schwierigen Text<br />

gemeistert hat!


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D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

27


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

28<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Grauben Navas<br />

Ein „als” und ein „nun” sind die zeitlichen<br />

Rahmen, in denen der Dichter Rainer Kunze<br />

mit großer Sensibilität über die kaum seit<br />

einem Jahr erreichte Einheit Deutschlands<br />

reflektiert. Bei dem „als” dachte man, dass<br />

man durch die materielle Zerstörung der<br />

Mauer auch ihr Verschwinden in den Köpfen<br />

bewirken könnte. Die Mauer und die Teilung<br />

des Landes wurden zur Gewohnheit, daraus<br />

folgte, dass ihr Vorhandensein keine Schatten<br />

mehr warf, sie schien nichts mehr zu<br />

verstecken, sie war durchsichtig geworden.<br />

Bei dem „nun” aber tritt die Naivität in den<br />

Vordergrund. Man war so naiv zu denken,<br />

dass man allein durch das Zerschlagen der<br />

Steine die Mauer wirklich zerstören könne.<br />

Dabei vergaß man die sensible, intime und<br />

psychologische Größe der Mauer. Innerhalb<br />

dieses „nun” verspürt man die Last der<br />

Schuld für diese „unverzeihliche” Entfremdung<br />

von der Realität, denn man erwarte-<br />

Die Mauer in den Köpfen:<br />

Images der Teilung<br />

in der Wendeliteratur<br />

Als wir sie schleiften,<br />

Ahnten wir nicht<br />

wie hoch sie ist in uns.<br />

Wir hatten uns gewöhnt<br />

an ihren Horizont<br />

Und an die windstille.<br />

In ihren schatten warfen<br />

alle keinen schatten<br />

Nun stehen wir entblößt<br />

jeder Entschuldigung<br />

Rainer Kunze,<br />

‘Die Mauer’ Zum 3. Oktober 1990.<br />

te viel vom Fall der Mauer und mit der Zeit<br />

merkte man, dass der Fall der Mauer allein,<br />

ohne das engagierte Mitmachen der Menschen,<br />

eher wenig bewirken konnte. Diese<br />

tendenziell negative Bilanz des Dichters<br />

wird von einer „Wir-Person” im Gedicht dargestellt,<br />

ein „Wir”, das auf den neuerdings politischen<br />

und geographischen einheitlichen<br />

Charakter Deutschlands verweist, aus dem<br />

man schreibt.<br />

Diese Verwendung des „Wir” könnte auch<br />

auf die einerseits materiellen und spürbaren<br />

und anderseits subjektiven und internen<br />

Aspekte des Einheitsbegriffes hinweisen.<br />

Dieses spricht für eine Änderung der existierenden<br />

Paradigmen, die eine echte Entsprechung<br />

der Einheit auf dem Papier und<br />

auf der seelisch-subjektiven Einheit zur Folge<br />

haben sollte. In dieser Hinsicht würde dann<br />

so ein „Wir” trotz all dieser internen Konflik-<br />

te dieses Kollektivs des vor kurzem vereinten<br />

Deutschlands beinhalten.<br />

Seitdem ich mich mit der deutschen Sprache<br />

und Kultur beschäftige, hat mich dieser<br />

konfliktive Aspekt interessiert. Besonders<br />

faszinierend fand ich die zahlreichen literarischen<br />

Werke, die ganz unterschiedliche<br />

Perspektiven darstellen. Autobiographien,<br />

Reportagen, Romane, Kurzgeschichten, Gedichte,<br />

Theaterstücke, Dokumentationen und<br />

Chroniken neben vielen anderen Textsorten<br />

widmeten sich dieser dichotomischen Idee<br />

der Einheit. Aber trotz dieser offensichtlichen<br />

Vielfalt weisen diese literarischen Texte eine<br />

interessante Gemeinsamkeit auf: in der Regel<br />

verspürt man in ihnen ein nostalgisches Gefühl<br />

für die alte Ordnung, ein Gefühl, das trotz<br />

aller Kritik an der Vergangenheit, deutlich<br />

hervortritt. Mit der Zeit wurde dieses nostalgische<br />

Bild der Wendeliteratur durch die<br />

Entstehung des Ostalgie-Begriffes abgelöst<br />

und mit ihm verbreitete sich die Idee, dass<br />

die Wendeliteratur praktisch nur im Osten<br />

geschrieben wird (Simon, 2000; Grub, 2003;<br />

Lange, 2005). Auf diese Art wurde die Literatur<br />

aus dem Westen, die sich mit der Wende<br />

beschäftigte, nicht in Betracht gezogen oder<br />

sie wurde nur als Wendeliteratur verstanden,<br />

wenn sie von prominenten Autoren entstammte,<br />

wie z.B. von Martin Walser oder<br />

Günter Grass, während die Werke von unbekannten<br />

oder neuen Autoren unbeachtet blieben.<br />

In der Literaturkritik entstand der Glaube<br />

an den Vorrang des Ostens im Rahmen der<br />

sogenannten Wendeliteratur. Grub (2003)<br />

z.B. behauptet, dass die Mehrheit der Texte<br />

von Autorinnen und Autoren aus den „neuen”<br />

Bundesländern stamme; vergleichsweise<br />

wenige Beiträge kämen von Schriftstellerinnen<br />

und Schriftstellern aus den „alten” Bundesländern<br />

(Grub, 2003: 672).<br />

Diese Literaturkritik betont immer wieder,


Deutschlands<br />

dass die Wendeliteratur im Vergleich zu der<br />

Nachkriegsliteratur von niedriger Qualität ist.<br />

Sie wird häufig als einfache, therapeutische<br />

Literatur bezeichnet (Grub, 2003: 675). Dadurch<br />

entsteht die Abwertung dieser Literatur<br />

zugunsten anderer literarischer Strömungen,<br />

mit der Folge: Man behauptet sogar, dass<br />

die Wende als literarisches Thema schon<br />

obsolet ist, weil sich „seit dem Wendejahr<br />

1989, mit dem die Fundierung des nationalen<br />

Selbstverständnisses auf dem Ost-West-<br />

Konflikt historisch obsolet wurde, der Holocaust<br />

als neues Paradigma der deutschen<br />

Identität etabliert hat.”(Egyptien, 2003: 20).<br />

Diese Diskrepanz zwischen der Literaturkritik<br />

und der ständig wachsenden Anzahl von<br />

Wendebüchern gepaart mit meiner Neugier<br />

hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung des<br />

„Wir” und des „Ich” bewegte mich dazu, die<br />

Frage zu stellen, ob es wirklich stimmt, dass<br />

die Wendeliteratur nur „ostalgisch” ist. Im<br />

Rahmen meiner Magisterarbeit in vergleichender<br />

Literaturwissenschaft habe ich zwei<br />

Werke miteinander verglichen, eins aus dem<br />

Osten und eins aus dem Westen, die aus<br />

einer Post-Wende Perspektive die Zeit vor,<br />

während und nach der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands thematisieren.<br />

So ein Anfangspunkt stellt sich als hoch interessant<br />

in diesem Bereich heraus, denn in<br />

der Regel lässt man in der literarischen Forschung<br />

Werke aus dem Osten mit denen aus<br />

dem Westen nicht ins Gespräch kommen,<br />

<strong>sondern</strong> man fokussiert sich als Forscher<br />

auf die zahlreiche Literatur über die deutsche<br />

Einheit aus dem Osten.<br />

Mit dem Ziel die Begriffe „Wir” und „Ich” zu<br />

entschlüsseln habe ich mir zwei literarische<br />

Werke ausgesucht, die sich mit der Wende<br />

beschäftigen: „Zonenkinder” (2002) von<br />

Jana Hensel aus Leipzig, und „Das war die<br />

BRD. Fast vergessene Geschichten” (2001),<br />

eine Sammlung von kurzen Texten verschiedener<br />

Autoren aus dem Westen.<br />

„Zonenkinder”, ein Bestseller des Jahres<br />

2002, gliedert sich in acht Kapitel. Jedes<br />

Kapitel thematisiert einen Aspekt der untergegangenen<br />

DDR: die Kindheit, die Heimat,<br />

den Geschmack, die Liebe, die Erziehung,<br />

das Wir-Gefühl, den Sport. Die Geschichtensammlung<br />

wird in einem Vorwort des<br />

Kolumnisten der „Zeit”, Georg Diez, präsentiert.<br />

Sie besteht aus vierunddreißig kurzen<br />

Texten von Autoren, die zur Zeit der deutschen<br />

Teilung in der BRD lebten und die<br />

sich in jedem Text an verschiedene Facetten<br />

des Lebens in Westdeutschland erinnern.<br />

Die Verwendung des „Wir “ in „Zonenkinder”<br />

und in „Das war die BRD” scheint auch<br />

mit den oben genanten Gegensätzen des<br />

Einheitsbegriffs in Deutschland verbunden<br />

zu sein. Der thematische Schwerpunkt beider<br />

Texte liegt auf der Zeit der Teilung und<br />

diese verhältnismäßig junge Vergangenheit<br />

wird aus der Perspektive der immer noch<br />

andauernden Übergangsphase, die auf die<br />

Wiedervereinigung folgte, evaluiert. Die Kollektivvorstellungen,<br />

d.h. die verschiedenen<br />

„Images” des Lebens sowohl zur Zeit der<br />

Trennung als auch danach, sind konfliktiv,<br />

denn sie sind tief geprägt von den Gegensätzen,<br />

die in beiden gesellschaftlichen und<br />

wirtschaftlichen Systemen, sowohl in der<br />

DDR als auch in der BRD 40 Jahre lang<br />

existierten. Das materialistische und individualistische<br />

Bild des „Ich” in „Das war die<br />

BRD” steht im Gegensatz zu einem idealisierten<br />

Bild des „Ich” in „Zonenkinder”, das<br />

weniger weltlich und hedonistisch ist. Zum<br />

Beispiel, in „Das war die BRD” schreibt der<br />

Autor Adrian Kreye: „Sicher, es gab großes<br />

Unrecht auf der Welt, aber das beschränkte<br />

sich auf Vietnam, Afrika, die DDR und vor<br />

allem auf die immer fernere Vergangenheit.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Wir lebten eine Musterdemokratie, der Welt<br />

zum Vorbild. Nichts könnte schief gehen,<br />

schließlich hatte die BRD mit der sozialen<br />

Marktwirtschaft den genialen Kompromiss<br />

gefunden. Freiheit, Wohlstand und Altersversorgung<br />

schien auf den Markmünzen zu<br />

stehen.„Ein ganzes Land als fürsorglicher<br />

Kokon” (Kreye, 2001:100). Als die Autorin<br />

von „Zonenkinder” über ihre eigene Generation<br />

und die ihrer Eltern spricht, sagt sie:<br />

„Wir wurden in einem materialistischen Staat<br />

geboren, obwohl heute oft das Gegenteil behauptet<br />

wird. Mit einfachen Statussymbolen<br />

baute jeder seine kleine Welt, und bereits als<br />

Kinder konnten wir Käfer- und Boxer-Jeans<br />

von solchen aus den Westen unterscheiden”<br />

(Hensel, 2002: 51).<br />

Je nachdem wie die Texte sich der heutigen<br />

Zeit annähern, ermöglichen sie eine Flexibilisierung<br />

dieses Kontrastes. Die Schattenseiten<br />

beider Systeme werden jedoch zu<br />

einer schweren Last, die man nur mit Mühe<br />

abwerfen kann. Beide Bücher unterscheiden<br />

sich dennoch von der Mehrheit der Wendeliteratur,<br />

insofern als sie die Selbstkritik in<br />

den Mittelpunkt stellen. So eine ausführliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Tun von jedem<br />

„Ich” beider Texte ist ein Zeichen dafür, dass<br />

die gesellschaftliche Ordnung, in der man<br />

aufgewachsen ist, in Frage gestellt wird.<br />

In „Das war die BRD” tritt die identitätsstiftende<br />

Funktion der Objekte besonders in den<br />

Vordergrund, mehr als ihre Nützlichkeit, gibt<br />

die Beschreibung der Gegenstände Auskunft<br />

über die Zugehörigkeit zu den gesellschaftlichen<br />

Gruppen. Oder anders ausgedrückt,<br />

der Konsum zeigt die Art und den Grad des<br />

politischen und gesellschaftlichen Bewusstseins<br />

des „Ich” im Westen. So ein Vorgehen<br />

bildet einen Raum für eine tiefgreifende<br />

Selbstkritik. Daraus folgt, dass die literarische<br />

Darstellung des „Ich” im Text einen internen<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

29


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

30<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Konflikt aufweist. Niklas Maak erläutert dies<br />

durch das Beispiel einer jungen Mutter und<br />

ihr Auto: Die Heckscheibe des Autos war mit<br />

Aufklebern voll gepfropft, deren diverse Aussagen<br />

insgesamt darauf hinausliefen, dass<br />

man Katzen, Christus und Ausländer lieb<br />

haben sowie den sauren Regen und Ernst<br />

Albrecht stoppen sollte”(Maak, 2001: 63).<br />

Das Engagement der Autobesitzerin wird in<br />

Frage gestellt, denn sie setzt ihre Religion<br />

und ihren Gegensatz zur Atomkraft auf das<br />

gleiche Niveau wie ihre Liebe für Haustiere.<br />

Der Autor zeigt durch dieses Beispiel einen<br />

Mangel an Erfahrung, der durch Posen und<br />

Symbolen verringert abgeschwächt wird.<br />

Das „Ich” in dem Westen zeigt sich als von<br />

der Konsumgesellschaft beeinflusst, d.h.,<br />

es findet sich selbst banal, weltlich, individualistisch.<br />

Um sich diesem eher negativem<br />

Bild entgegenzusetzen, versucht man sich<br />

politisch und gesellschaftlich zu engagieren,<br />

um eine stärkere Legitimation für sein Selbstbild<br />

zu verschaffen: Die Frage Hohes-C<br />

oder Capri-Sonne war ähnlich bedeutsam<br />

wie Scout oder Amigo-Ranzen und Pelikan<br />

der Geha-Füller. Eine ästhetische Grundhaltung<br />

machte sich an Capri-Sonne fest. Die<br />

Eltern, die ihren Kindern Hohes C gaben,<br />

fuhren Volvo oder Saab, kauften Sofas bei<br />

Roche Bobois, Regale und Hausschuhe aus<br />

Holz bei Ikea, spielten alte Erick-Burton-Lieder<br />

auf verkratzten Gitarren und verbrachten<br />

den Urlaub beim Waldbeerpflücken in Skandinavien<br />

oder in Portugal “ (Maak, 2001: 68).<br />

In „Zonenkinder” ist die Beziehung zwischen<br />

diesem literarischen „Ich” und den Gegenständen<br />

noch komplizierter. Sie variiert<br />

je nachdem wie diese Beziehung bewertet<br />

wird, insbesondere in Abhängigkeit von den<br />

evaluierten Objekten. Es entsteht ein verdop-<br />

peltes Bild und in der Folge auch eine doppelte<br />

Bedeutung des Materialismus und der<br />

Gegenstände in der Darstellung des „Ich”<br />

und des „Anderen”. Wenn das Evaluationsobjekt<br />

das eigene „Ich” ist, weist es auf den<br />

Erfolg der eigenen Anpassung an die neuen<br />

Lebensbedingungen hin: Die Autorin ist der<br />

Meinung, dass mit der Wende „die langen<br />

Jahre der Anpassung” an die neue Bundesrepublik<br />

begannen. Ihre Anpassung zeigte<br />

sich daran, dass sie versuchte, nicht aufzufallen<br />

und trotzdem so weit wie möglich zu<br />

kommen. Dieses Vorgehen bedeutet eine<br />

deutliche Abgrenzung von dem Lebensstil<br />

der Vergangenheit, der vom politischen Engagement<br />

geprägt wurde. Diese Abweichung<br />

von der politischen Dimension des Lebens<br />

ist ihrer Meinung nach nicht die Folge einer<br />

entstehenden Eitelkeit, <strong>sondern</strong> ein Symbol<br />

für das Erreichen eines Ziels: die Anpassung<br />

an den Westen:<br />

Wir sind die ersten Wessis aus Ostdeutschland,<br />

und an Sprache, Verhalten und<br />

Aussehen ist unsere Herkunft nicht mehr<br />

zu erkennen. Unsere Anpassung verlief erfolgreich<br />

und wir wünschten, wir könnten<br />

dies ebenfalls von unseren Eltern und Familie<br />

behaupten”(Hensel, 2001: 166). Diese<br />

Anpassung, die allen alten Werten ganz offen<br />

widerspricht, wird seitens des „Ich” positiv<br />

bewertet.<br />

Wenn aber diese Beziehung als Anlass für<br />

die Bewertung „des Anderen” verstanden<br />

wird, hebt sie vielmehr ihr knappes und<br />

eher oberflächiges politisches Engagement,<br />

sowie seine Eitelkeit hervor. Als die Autorin<br />

ihre westlichen Kommilitonen betrachtete,<br />

schaute [sie] dabei teilnahmsvoll zu ihnen<br />

hinüber, sie könnten die Leere ihrer Kindheit<br />

und ihres jugendlichen Lebens zwischen<br />

Einschulung, Konfirmation und Führerschein<br />

mit irgendetwas füllen, und begann erst<br />

viel später, einige Vereinigungsjahre waren<br />

schon ins Land gegangen, [...] die Prägungen<br />

ihrer postmodern langweiligen und letztlich<br />

ereignislosen Kindheit zu schätzen “(128).<br />

Man versteht und verzeiht die eigene Beziehung<br />

zu den Konsumgütern, aber man kritisiert<br />

und verachtet sie bei anderen Personen.<br />

Diese detaillierten Beschreibungen zeigen<br />

uns sehr deutlich, dass das literarische „Ich”<br />

auf sich selbst fokussiert ist, was dazu führt,<br />

dass erstens, der Raum für eine Bearbeitung<br />

„des Anderen” immer kleiner wird und sich<br />

zweitens, dadurch der Aufbau eines gemeinsamen<br />

„Wir” erschwert.<br />

Das „Ich” und „die Anderen” in „Das war die<br />

BRD” beschränken sich auf die Bilder innerhalb<br />

der nationalen Grenzen, was den „Anderen”<br />

aus dem Osten ausschließt. Wenn man<br />

aber in den Texten über einen „Anderen”<br />

außerhalb dieser Grenzen spricht, kommt er<br />

eher verschwommen vor. Man merkt es nur,<br />

wenn man ganz aufmerksam zwischen den<br />

Zeilen liest. Dagegen braucht man in „Zonenkinder”<br />

diese Beschäftigung mit dem „Ich”<br />

und mit dem „Anderen” und mit den Gegenständen,<br />

um die eigene konfliktive Beziehung<br />

zu den Gegenständen rechtfertigen zu<br />

können, während sie auch als Grundlage für<br />

die stets negative Beurteilung des Anderen<br />

dient.


Die Hervorhebung der Bilder des „Ich”<br />

und ihre ausführliche Beschreibung in<br />

beiden Büchern schließt die Entstehung eines<br />

gemeinsamen „Wir” aus, welches die Merkmale<br />

beider Teile Deutschlands so vereinen könnte,<br />

dass eine relativ homogene Gruppe entstehen<br />

könnte, die der seit 1990 existierenden<br />

politischen und geographischen deutschen<br />

Einheit entsprechen würde.<br />

Welche Auswirkungen die Teilung Deutschlands<br />

hat, merkt man auch im Bereich des<br />

Kollektivs, d.h., in der Art, in der man die<br />

Zugehörigkeit zu der Nation zeigt. Eine Volksoder<br />

Ortszugehörigkeit, die ein gemeinsames<br />

„Wir” schafft, ist nicht ersichtlich.<br />

Ortsnamen, Adjektive und Adverbien, die auf<br />

die Herkunftsorte hinweisen, zeigen, dass<br />

die Wunde der Teilung noch nicht verheilt<br />

ist. Ihre Heilung wird durch den Glauben<br />

verhindert, dass die Gesellschaft, aus der<br />

man stammt, eine andere imaginäre Gemeinschaft<br />

(imagined community) d.h., eine andersartige<br />

klar abgegrenzte community ist.<br />

In den analysierten Büchern haben die<br />

Wörter „Ost” und „West” immer noch eine<br />

größere Bedeutung als das Wort „Deutsch”<br />

als Herkunftsbezeichnungen. Dem Wort<br />

„Deutsch” gelingt es noch nicht, beide Kollektive<br />

zusammenzubringen, auch nicht das<br />

Adjektiv „bundesrepublikanisch”, das immer<br />

noch auf den westlichen Teil, auf die BRD vor<br />

der Wiedervereinigung hinweist. Ein Beispiel<br />

zu dieser heiklen Bedeutung der Ortsnamen<br />

gibt der Text „Der Pass” von Anne Zielke:<br />

„Hier sagt man Bundesrepublik. Und innerhalb<br />

dieser Republik gab es Münchner,<br />

Hamburger, Bremer, eingeschworen auf ein<br />

Grundgesetzt, verkörpert in der Unschuld<br />

des grünen Passes. Innerhalb der BRD gab<br />

es Deutschland nicht. “(Zielke, 2001: 111)<br />

Diese eher negative Bilanz der Bilder in „Zonenkinder”<br />

und „Das war die BRD” ähnelt<br />

der des am Anfang analysierten Gedichtes.<br />

Sie zeigt uns eine kollektive Vorstellung,<br />

die immer noch stark von der Teilung Deutschlands<br />

geprägt wird. Diese Bilder haben<br />

also eine ideologisierende Funktion. Sie<br />

bewahren die vierzig Jahre andauernde<br />

Teilung Deutschlands. Man könnte auch sagen,<br />

dass diese Bilder die geteilte Ordnung<br />

sogar verstärken, indem trotz der wichtigen<br />

Selbstkritik, die ausgeübt wird, ein idealisiertes<br />

und unverändertes Selbstbild bestehen<br />

bleibt, während der „Andere” in der Regel nur<br />

unter einer deutlichen Hervorhebung aller<br />

kritisierbaren und negativen Eigenschaften<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

dargestellt wird, so dass letzten Endes „der<br />

Andere” von der Ich-Gruppe, d.h., von der eigenen<br />

Sphäre, ausgeschlossen wird. Er wird<br />

im Allgemeinen als ein „Alter” (Mourá, 1992)<br />

beschrieben, d.h., als ein photographisches<br />

Negativ von dem Selbstbild, oder als Gegenmodell<br />

des eigenen „Ich”. Diese Bilder haben<br />

das Fortbestehen des „Ich”, seine Werte und<br />

Kultur zum Ziel. Dieses sich Durchsetzen der<br />

getrennten Ordnung erfüllt somit die Funktion<br />

der Bewahrung des alten Tatbestandes. Der<br />

französische Philosoph Paul Ricoeur beschreibt<br />

solche „Images“ als ideologisch<br />

und er versteht die Ideologie als eine Art<br />

des Fortbewahrens der existierenden gesellschaftlichen<br />

Ordnung. Wenn wir uns aber auf<br />

die oben genannten Schatten konzentrieren,<br />

die die Bilder des „Ich” und des „Anderen”<br />

und deswegen des „Wir” beeinflussen, und<br />

wenn wir von einem globalen Gesichtspunkt<br />

aus diese ständig fast unablässig nuancierte<br />

Darstellung des „Anderen” interpretieren,<br />

können wir interessante thematische Färbungen<br />

erkennen, die den Aufbau der Identitäts- und<br />

Alteritätsparadigmen anders gestalten. Dies<br />

ist der Fall, wenn man sich eingesteht, dass<br />

auch die alte BRD zu Ende ist: „[...]gerade<br />

weil das Zwischenland BRD mit dem Ende<br />

der DDR untergegangen ist, bleibt das widerprüchliche<br />

Fazit: Wie wir damals waren, sind<br />

wir noch heute” (Diez, 2001: 13). Im Gegensatz<br />

zu dem von Ricoeur formulierten Begriff<br />

der Ideologie ist die Utopie die radikalste<br />

Antwort auf die oben genannte integrierende<br />

Aufgabe der Ideologie. Die Utopie schlägt ein<br />

mögliches Anders-Sein vor, das noch nicht<br />

gründlich definiert ist, das nichtsdestotrotz<br />

eine Alternative ist (Ricoeur, 2002: 211). Die<br />

reine Existenz eines möglichen und erdachten<br />

Raumes wie die Zone des Titels, also ein abstraktes<br />

Zuhause für das „Ich” des Ostens,<br />

ermöglicht eine künftige Änderung.<br />

Auch wenn diese Zone auf den Werten aus der<br />

Zeit der Teilung beruht, erlaubt sie die Entstehung<br />

einer Utopie: ein Ort, der offen für neue<br />

Schemata bleibt. Es ist genau an diesem abstrakten<br />

Ort, wo die schon oben im Gedicht genannten<br />

„unversöhnlichen” Gegensätze und<br />

Missverständnisse eine geringe Lockerung<br />

schaffen. Gegen Ende des Textes behauptet<br />

Hensel, dass die Hoffnung bleibt, dass sich<br />

diese alte Ordnung eines Tages ändern wird,<br />

selbst wenn es uns bewusst ist, dass auch<br />

kein Westdeutscher, wenn er heute seinen<br />

Heimatort betritt, dort alles wie vor dreißig<br />

Jahren vorfindet. Unsere Kindheit war erst<br />

gestern.” (2002: 160)<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

31


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

32<br />

Durch diese einzige und kurze Aufforderung<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

zur Versöhnung und Einigung entsteht eine<br />

schüchternes anfängliches Bild „des Anderen”<br />

als ein „Alius”, d.h., ein utopischer „Er”,<br />

dass sich aus der Ferne ausspricht und die<br />

Möglichkeit einer neuen Gestaltung der Realität<br />

eröffnet.<br />

So eine Aussage fehlt in „Das war die BRD”.<br />

Dennoch kann man auch im Laufe des Textes<br />

das Vorhandensein eines Schattens<br />

feststellen, der über das zerstückelte „Ich”<br />

innerhalb der Grenzen der BRD hinausgeht<br />

und der dunkler und dichter wird, je mehr<br />

die Texte Kritik an dem Tun des „Ich” und<br />

der geltenden Ordnung ausüben. Dieser<br />

Schatten hat einen starken Einfluss auf die<br />

Art der Selbstkritik, die von dem „Ich” des<br />

Westens ausgeübt wird: Manchmal grenzt<br />

dieses Selbstbild sogar an Selbstverachtung.<br />

So ein Schatten ist auch mit einem „Alius”<br />

verbunden, einem undefinierten, exzentriesen,<br />

fernen „Er”, das, wie der Herausgeber<br />

der Sammlung erklärt, erst Ende der achtziger<br />

Jahre begann wahrgenommen zu werden,<br />

„als das Land, das Deutschland heißt, sich<br />

noch hinter drei Buchstaben versteckte”<br />

(Diez, 2001: 9). Dieses Land das einmal die<br />

BRD war, kommt jetzt zu der Erkenntnis,<br />

dass es auch einen vorübergehenden Cha-<br />

rakter hat, denn die Autoren bekennen in<br />

ihren Texten, dass mit dem Ende der DDR<br />

auch eine Phase, oder sogar die ganze BRD<br />

zu Ende gegangen ist.<br />

Ricoeur beendet seine Abhandlung der Ideologie<br />

und der Utopie mit einer Hervorhebung<br />

der unabdingbaren Verflechtung der Ideologie<br />

und der Utopie in den Kollektivvorstellungen,<br />

d.h., diese Größe basiert genau auf der<br />

Spannung zwischen den beiden und ihrer<br />

jeweiligen Funktion der Integration und der<br />

Subversion.<br />

Die kurz skizzierten Bilder des „Ich” und „des<br />

Anderen” erhalten eine doppelte Funktion: Einerseits<br />

bewahren sie den alten Tatbestand,<br />

indem sie die Teilung Deutschlands und ihre<br />

Darstellung des „Ich” und „des Anderen” tief<br />

prägen, anderseits ermöglichen sie das Entstehen<br />

einer „anderen” Gestaltung dieser Kollektivvorstellungen,<br />

indem sie schüchterne<br />

Spuren eines anderen Daseins des „Ich” und<br />

„des Anderen” still und verhalten darstellen.<br />

Ideal wäre es, wenn diese Bilder so gestaltet<br />

wären, dass sie als gemeinsame Symbole<br />

der Kollektivvorstellungen des heutigen Deutschlands<br />

gelten könnten. Dieses Ziel ist nur zu<br />

erreichen, wenn nicht nur die alten Vorstellungen<br />

der Zeit der Teilung in dem Vordergrund<br />

Literatur:<br />

ANDERSON, Benedict (2005). Comunidades imaginadas. Reflexiones sobre el origen y difusión del nacionalismo. México, Fondo de<br />

Cultura Económica.<br />

BRUNNEL, Pierre y Chevrel, Yves (1994). Compendio de literatura comparada. Madrid, Siglo XXI. Traducido con la ayuda del Ministerio<br />

Francés de la Cultura y Comunicación. Primera edición en francés 1989.<br />

CONRADY, Karl Otto (Comp.) (1993). Von einem Land und vom andern. Frankfurt am Main, Suhrkamp.<br />

DIEZ, Georg (Editor). (2001). Das war die BRD. Fast vergessene Geschichten. München, Goldmann.<br />

EGYPTIEN, Jürgen (2003). Einführung in die deutschsprachige Literatur seit 1945. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />

GRUB, Frank (2003). ,,Wende” und ,,Einheit” im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Ein Handbuch. Berlin, Walter de Gruyter.<br />

HENSEL, Jana (2004). Zonenkinder. Hamburg, Rohwolt Verlag.<br />

MOURÁ, Jean-Marc (1992). «La imagología literaria: ensayo ajuste histórico y crítico» En Revue de littérature comparé, 66. (3),<br />

271-297.<br />

RICOEUR, Paul (2002). Del texto a la acción. Ensayos de hermenéutica II. México, DF, Fondo de Cultura Económica.<br />

WEHDEKING, Volker (Editor).(2000). Mentalitätswandel in der deutschen Literatur zur Einheit (1990-2000). Berlin, Erich Schmidt<br />

Verlasg.<br />

1 Der vorliegende Artikel fasst die wesentlichen Ideen meiner Magisterarbeit zusammen. Um mehr über die interessante Beziehung<br />

zwischen der Wendeliteratur aus dem Osten und aus dem Westen, und auch noch zwischen der Wendeliteratur und der deutsche<br />

Literatur im Allgemeinen zu erfahren, empfiehlt sich Grub (2003), Wehdeking (2000).<br />

2 Sogar die Auswahl eines Namens für den Prozess, der Ende 1989 die Einigung Deutschlands zur Folge hatte, zu finden, ist schon<br />

problematisch, denn jeder Begriff bedeutet schon eine ideologische Stellungnahme. Zum Beispiel, wenn man sagt, dass Deutschland<br />

sich wiedervereint, meint man, dass es schon eine ähnliche Einheit in der Vergangenheit gab, die Integration beider Nachkriegsstaaten<br />

hätte dann nicht nach dieser Fassung aufgrund dieser gemeinsamen Erfahrung relativ reibungslos stattfinden sollen. Wenn man aber<br />

feststellt, dass Deutschland sich zum ersten mal 1990 auf diese Form einigt, weist man auf die Tatsache hin, dass trotz alle Krisen,<br />

die im Laufe der Geschichte stattgefunden haben, Deutschland sich jetzt zum ersten mal als solches vereint, was die reibungslose<br />

Integration beider Teilen schwieriger machen würde.<br />

3 Unter „Images” versteht man ein Bild des Anderen oder von sich selbst. Siehe Pageaux 1994.<br />

4 Begriff, der von dem amerikanischen Autor, Benedict Anderson, geprägt wurde, der eine Gemeinschaft bezeichnet, die auf der<br />

Basis von geographischen, politischen und besonders psychologischen und soziologischen Aspekten, wie das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

definiert wird.<br />

5 Für eine tiefgehende Beschreibung der Funktionen der Ideologie und Utopie und ihre Beziehung zu den Images und ihren Funktionen,<br />

siehe Ricoeur (2004) und Mourá (1992).<br />

stehen, <strong>sondern</strong> auch oder vielleicht vielmehr,<br />

wenn diese alten Bilder durch diese<br />

neuen Visionen des „Ich” und „des Anderen”<br />

ersetzt werden könnten. Wenn alle diese immer<br />

noch trennenden Unterschiede beiseite<br />

gelassen werden könnten, könnte man sich<br />

vielleicht auf die Ähnlichkeiten konzentrieren,<br />

die zwischen beiden Teilen Deutschlands<br />

existieren.<br />

Beide Werke behandeln das Thema der Perspektive<br />

und der Zeit. Man muss abwarten,<br />

um bewerten zu können inwieweit die Einheit<br />

Deutschlands auch eine seelische Dimension<br />

erreicht hat. Die Karikatur von Dieter<br />

Hanitszch spiegelt das behandelte Problem<br />

ganz deutlich wieder: was ist es, was Deutschland<br />

immer noch trennt? Wenn man die<br />

Karikatur von unten nach oben betrachtet, fällt<br />

ein einziger Körper, eine einzige Tradition<br />

und Kultur auf, die von der Mauer und der<br />

Erinnerung an die Trennung zerbrochen und<br />

beeinflusst wird. Wenn man von oben nach<br />

unten sieht, merkt man, dass die Erinnerung<br />

an die Mauer immer so präsent ist, dass sie<br />

trotzt der Naht (oder vielleicht der Narbe der<br />

Teilung?) und des einzigen Halses und Körpers<br />

beide Gesichter noch nicht vereinigen<br />

kann. Die analysierten Werke kombinieren<br />

beide Betrachtungsweisen. Vielleicht wird<br />

es in der Zukunft literarische Werke geben,<br />

in denen die Erinnerung an die Mauer das<br />

Lächeln des Deutschen Michels nicht mehr<br />

verhindern kann.<br />

Grauben Helena Navas de Pereira<br />

Geburtsdatum 8.3.1981<br />

Geburtsort Caracas Venezuela<br />

Studium und beruflicher Werdegang:<br />

Hochschulabschluss in modernen Sprachen<br />

Englisch Deutsch, 2004<br />

DAAD- Stipendiatin Sonderprogramm für neu<br />

Graduierte der Fachrichtung Germanistik, 2004<br />

Universidad Central de Venezuela Akademisches<br />

Stipendium 2004-2006<br />

Magister Studium Vergleichender Literaturwissenschaft<br />

2007<br />

Deutschdozentin an der Universidad Central de<br />

Venezuela seit 2004<br />

Goethe-Institut Stipendium im Bereich<br />

,,Projektarbeit” 2006<br />

Fernstudium “Deutsch Unterrichten” 2008


<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Achtsames Zuhören ist<br />

der Schlüssel zur Kommunikation:<br />

eine Fortbildung zum Thema Zuhören Evie de Rivera<br />

,<br />

Nur wer achtsam<br />

zuhört, kann auch<br />

achtsam senden.<br />

,<br />

Die Zeit, in der wir leben, ist von Multikulturalität<br />

und Informationsüberfluss geprägt.<br />

Da ist selbstverständlich aufmerksames Zuhören<br />

gefragt. Denn nur wer richtig zuhört,<br />

kann auch richtig senden. Zuhören ist eine<br />

Grundvoraussetzung für Kommunikation,<br />

Artikulation und Dialogführung, nicht nur im<br />

Familienkreis, <strong>sondern</strong> auch in der Schule,<br />

auf der Arbeit, in der Gesellschaft, letztendlich<br />

überall. Es ist eine wichtige Grundlage<br />

für Toleranz, Diskussion, Dialog und Konfliktlösung.<br />

Man stellt sich immer wieder die Frage,<br />

warum das Lernen schwer fällt. Ein Grund<br />

dafür ist der zu hohe Lärmpegel. Es gibt<br />

zu viele Geräusche, um auf das Wesentliche<br />

zu achten. Die Kinder lassen sich leicht<br />

ablenken, können sich nur schlecht konzentrieren<br />

und behalten Informationen nur unzureichend.<br />

Hier ist das achtsame Zuhören<br />

gefragt. Es muss ebenso geübt werden<br />

wie das Lesen oder das Schreiben, wie das<br />

Konjugieren der Verben im Fremdsprachenunterricht,<br />

weil es nicht von vornherein da ist.<br />

Es bedarf der Übung, sich gegenseitig zuzuhören,<br />

einem Gegenüber Aufmerksamkeit<br />

und Zeit zu schenken und eine annehmende<br />

und achtende Haltung zu entwickeln.<br />

Begegnung mit Katja Reiter<br />

Katja Reiter studiert im 5. Semester „Arts<br />

& Culture” in Maastricht - Holland. Im Juni<br />

2008 machte sie ihr Praktikum beim Bayerischen<br />

Rundfunk im Bereich Bildungsprojekte.<br />

Bei ihrem Praktikum bei der Stiftung „Zuhören”<br />

kam sie mit dem Projekt „Hörclub” in<br />

Verbindung und nahm sich vor, einen Hörclub<br />

in einer Schule in Bolivien aufzubauen.<br />

Zuvor war sie 2001 - 2002 als Austauschschülerin<br />

in Sucre (Bolivien) und hatte das<br />

Land seit 2002 noch weitere Male besucht.<br />

Um ihre Ideen zu verwirklichen, begann sie<br />

im Internet zu recherchieren und stieß auf<br />

das Hainberg Gymnasium in Göttingen, das<br />

eine langjährig bestehende Partnerschaft mit<br />

der Pestalozzi-Schule in Sucre pflegt.<br />

Mit einer Kollegin und einer Schulklasse der<br />

Pestalozzi-Schule befand ich mich zu dieser<br />

Zeit in Göttingen. Zwei Tage bevor wir nach<br />

Bolivien zurückflogen, kam Katja aus München<br />

an. Sie stellte uns das Projekt vor und erzählte<br />

uns von ihrer Arbeit beim Bayerischen<br />

Rundfunk, bei der Stiftung „Zuhören”.<br />

Es gibt heute schon über 1000 Hörclubs der<br />

Stiftung „Zuhören” in Deutschland. Kinder in<br />

den Kindergärten und Schüler werden angeleitet,<br />

ihre Zuhörfähigkeit zu entdecken und<br />

zu schulen. Wesentlicher Inhalt des Hörclubs<br />

ist die Sensibilisierung für das Gehör. Kinder<br />

und Jugendliche lernen durch spielerische<br />

Übungen und Einsatz von Hör- und Klangspielen<br />

bewusst zuzuhören, um dann eigene<br />

Ideen und Gedanken kreativ auszudrücken,<br />

zum Beispiel in Form von einem Hörbild, eines<br />

Hörspiels oder eines Radiobeitrags.<br />

Als DaF-Lehrerin verband ich die Ideen des<br />

Hörclubs sofort mit dem DaF-Unterricht. Ich<br />

war voller Enthusiasmus und von dem Projekt<br />

begeistert.<br />

Mitte September 2008 kam Katja in Sucre<br />

an. Spontan beschlossen wir, schon am<br />

folgenden Nachmittag das erste Seminar zu<br />

machen. Denn obwohl Katja vorhatte, zwei<br />

Monate in Sucre zu bleiben, brauchte sie viel<br />

Zeit, um die Theorie in die Praxis umzusetzen.<br />

Wegen der kurzen Zeit hatten wir nicht<br />

die Möglichkeit, alle Kollegen in der Schule<br />

zu benachrichtigen. Doch desto größer war<br />

unsere Überraschung, als am nächsten Tag<br />

mehr Lehrer kamen, als wir erwartet hatten.<br />

Den ganzen Nachmittag beschäftigten wir<br />

uns mit spielerischen Übungen zur Hörsensibilisierung.<br />

Das Ziel dieser Übungen ist,<br />

Geräusche wahrzunehmen, die wir im Alltag<br />

gar nicht hören.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

33


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

34<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Einige Beispiele davon:<br />

Papier durchreichen<br />

Für diese Übung benötigt man nur ein Blatt<br />

Papier. Dieses wird möglichst ohne Geräuscherzeugung<br />

im Kreis weitergereicht. Nachdem<br />

alle Teilnehmer das Blatt weiter gereicht haben,<br />

wird die Frage gestellt, was die Teilnehmer<br />

während der Übung gehört haben.<br />

Es ist erstaunlich, wie viele Geräusche man<br />

hören kann, obwohl alles doch so ruhig ist.<br />

Das Vogelgezwitscher, das leise Quietschen<br />

eines Stuhls, das Rascheln des Papiers, das<br />

Knacken des Gelenks, sogar den Atem seines<br />

Nachbarn und all die Geräusche, auf die wir<br />

sonst gar nicht achten.<br />

Ich finde diese Übung sowohl in der Muttersprache<br />

als auch in der Fremdsprache, in<br />

diesem Fall Deutsch, von äußerster Wichtgkeit.<br />

Man sagt jedes Mal denselben Satz, doch<br />

jeweils mit einer anderen Betonung und in<br />

Einen Satz in verschiedenen<br />

Tönen sagen<br />

einer anderen Gemütslage. Er kann liebenswürdig,<br />

ärgerlich, informativ, höflich oder<br />

unhöflich gesagt werden. Er kann als eine<br />

Frage gestellt werden, als Befehl oder als<br />

eine Bitte. Der Inhalt bleibt zwar derselbe,<br />

doch die Reaktion des Gegenübers hängt<br />

vom Tonfall ab.<br />

„Der Ton macht die Musik...”<br />

Ein paar Tage später arbeitete Katja mit der<br />

9. Klasse. Die Klasse war eigentlich zu groß,<br />

um mit den Höraktivitäten zu arbeiten. Ideal<br />

sind zwölf Schüler. Trotzdem arbeiteten alle<br />

Schüler konzentriert mit.<br />

Sie begannen mit einer Ohrenmassage.<br />

Dabei massieren sich die Schüler erst das<br />

rechte, dann das linke und anschließend<br />

beide Ohren. Sie beginnen mit dem Ohrläppchen<br />

und massieren langsam zum oberen<br />

Ohr hin, bis sich das Ohr ganz warm anfühlt.<br />

Anschließend machen sie noch weitere<br />

Höraktivitäten wie die „Stille Post”, oder „Ich<br />

schenke dir meinen Klang.”<br />

In einer anderen Klasse spielte Katja mit den<br />

Schülern „Kofferpacken mit Geräuschen”<br />

und „Hörspaziergang”.<br />

Beim Hörspaziergang gehen die Kinder<br />

selbst auf Klangerkundung und entdecken<br />

den Hörsinn aktiv für sich. Sie gehen zu<br />

zweit und nehmen einander an der Hand. Sie<br />

lassen sich blind durch Flure und den Hof<br />

führen. Sie erfahren, dass sobald der Sehsinn<br />

ausgeschaltet ist, alles andere intensiver<br />

wahrgenommen wird. Sie spüren die<br />

Sonne auf der Haut, den Wind auf dem Gesicht,<br />

den Boden unter ihren Füßen. Sie hören<br />

Geräusche, die sie gewöhnlich nicht hören.<br />

Was mir am besten gefällt, ist die<br />

Klangcollage.<br />

Es gibt verschiedene Klangcollagen.<br />

a. Materialien: CD mit Naturgeräuschen,<br />

Watte, Bierdeckel, Wolle, Buntpapier, Farbstifte,<br />

Klebstoff und Karton.<br />

Die Schüler hören zunächst ein Geräusch,<br />

das sie im Alltag noch nie gehört haben.<br />

Dann soll sich jeder, ohne zu sprechen, die<br />

Materialien nehmen, die ihn an das Geräusch<br />

erinnern und die er mit dem Klang assoziiert.<br />

Jeder soll sich fragen, wie er das Geräusch


empfindet. Ist das ein angenehmes oder ein<br />

unangenehmes Geräusch? Anschließend<br />

machen alle Schüler mit den Materialien auf<br />

dem Karton eine Collage, die das Geräusch<br />

darstellen soll. Mit dieser Collage wird das<br />

Geräusch aufgelöst. Zum Schluss werden<br />

die Collagen an die Pinnwand oder an die<br />

Wand gehängt und jeder erklärt der Klasse<br />

seine Collage.<br />

Im DaF-Unterricht kann hier die Fertigkeit<br />

Hören mit der Fertigkeit Sprechen verbunden<br />

werden.<br />

b. Geräusche aufnehmen<br />

Materialien:<br />

Aufnahmegerät und Lautsprecher.<br />

Die Schüler arbeiten in Kleingruppen (drei<br />

bis vier Schüler in jeder Gruppe) und machen<br />

sich mit dem Gerät vertraut. Jede<br />

Gruppe denkt sich eine Geschichte aus und<br />

nimmt die Geräusche auf, die bei jeder Handlung<br />

entstehen. Zum Schluss hört sich die<br />

Klasse die Klangcollagen der verschiedenen<br />

Gruppen an.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Mit ihrem Kreativitätsvermögen beeindrucken<br />

die Schüler mich immer wieder aufs Neue,<br />

denn sie haben in wenigen Minuten die<br />

unterschiedlichen Themen des Alltags vom<br />

Einkaufen über die Schule bis zur Politik in<br />

Klänge und Geräusche verwandelt.<br />

Im DaF-Unterricht stehen die vier Grundfertigkeiten<br />

(Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben)<br />

in der Realität der Kommunikation in<br />

dauernder Wechselwirkung zueinander.<br />

Das Hörverstehen kommt nicht isoliert vor.<br />

Trotzdem dominiert die visuelle Wahrnehmung<br />

im kulturellen Zusammenleben die auditive.<br />

Sowohl in der Schule als auch außerhalb<br />

der Schule gilt die Fähigkeit des Hörens<br />

und Zuhörens als zu gering entwickelt, obwohl<br />

sie die Grundvoraussetzung dafür ist, aktiv<br />

mit der Umwelt kommunizieren zu können.<br />

Zuhören ist kein passiver Vorgang, <strong>sondern</strong><br />

ein aktiver Vorgang. Beim Zuhören werden<br />

Wörter und akustische Informationen erkannt,<br />

sie werden entschlüsselt und interpretiert.<br />

Neue Informationen werden mit schon bekannten<br />

verglichen. Mitteilungen werden aufgenommen<br />

und wiedergegeben. Nach dem<br />

Zuhören werden Fragen gestellt und Antworten<br />

müssen gegeben werden. Das zeigt, dass<br />

beim Zuhören vielfältige aktive Tätigkeiten<br />

und unterschiedliche Fertigkeiten ausgeführt<br />

werden können bzw. müssen.<br />

Sechs Wochen lang hat Katja Reiter mit allen<br />

Klassen der Pestalozzi-Schule in Sucre gearbeitet.<br />

Ich habe gesehen, wie die Schüler<br />

konzentriert, aktiv, interessiert und begeistert<br />

mitgearbeitet haben. Ich denke, dass die<br />

Schüler, egal in welchem Alter, zuhören wollen.<br />

Sie brauchen nur die Anleitung, achtsam<br />

zuzuhören und bewusst auf Geräusche zu<br />

achten. Es ist bewiesen worden, dass mit<br />

einigen Hörspielen und -übungen die Schüler<br />

lernen, ihr Gehör zu sensibilisieren.<br />

Evie de Rivera<br />

Deutschlehrer-Ausbildung in München. Unterricht<br />

in bolivianischen Schulen, an der Universidad<br />

San Francisco Xavier, am Deutsch Bolivianischen<br />

Kulturinstitut und seit 2001 an der Pestalozzi-<br />

Schule (PASCH-Schule) in Sucre. Seit 1999 auch<br />

aktive Teilnahme an der Asociación Boliviana de<br />

Profesores de Alemán.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

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D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

36<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Im Anschluss an das jährliche Koordinationstreffen<br />

der Goethe-Zentren in Chile, das 2009<br />

in Concepción stattfand, wurde ich gebeten, in<br />

kurzer Form die vom Goethe- Institut verwendete<br />

Lernplattform Moodle vorzustellen und<br />

ihre möglichen Anwendungen (für Chile) zu<br />

erläutern.<br />

Silvia Rühl<br />

Geboren in Deutschland, aufgewachsen und<br />

Schulbesuch in Deutschland und Chile. Studium<br />

an den Universitäten Frankfurt a.M. und Göttingen,<br />

wo ich 1974 meinen M. A. in den Fächern Ethnologie,<br />

Spanisch und Soziologie machte. 1992 kam<br />

noch eine Zusatzausbildung als Euromarketing-<br />

Assistentin in Würzburg dazu.<br />

Sprachlehrerin am Fremdsprachen- und Dolmetscherinstitut/<br />

Göttingen und als Assistentin<br />

am Institut für Völkerkunde/Uni Göttingen. In<br />

den 90er Jahren Leiterin einer Sprachschule am<br />

Gardasee. Seit 2002 bin ich wieder in Valparaíso<br />

und arbeite seitdem als Lehrkraft für Deutsch und<br />

Spanisch am hiesigen Goethe Zentrum.<br />

Lernplattform Moodle:<br />

Was ändert sich beim<br />

Fremdsprachenlernen?<br />

Wir konnten in den letzten Jahren bis Jahrzehnten<br />

feststellen, dass immer mehr und<br />

vielseitigere Medien in den Unterricht Einzug<br />

erhielten, was ihn gewiss attraktiver macht<br />

und in den meisten Fällen auch sehr hilfreich<br />

für die Unterstützung des Lernprozesses ist,<br />

da die verschiedenen Lerntypen differenzierter<br />

angesprochen werden.<br />

Als die digitalen Medien massiv in unseren<br />

Alltag einbrachen, war der große Renner der<br />

Sprachunterricht mit dem neuen Medium<br />

Computer: unzählige Sprachkurse wurden<br />

für diesen einsamen Dialog mit der Maschine<br />

erstellt. Mittlerweile hat sich herausgestellt,<br />

dass diese Form des Fremdsprachenlernens<br />

eine hohe Abbruchsquote hat, weil gerade die<br />

wichtige soziale Dimension des Lernprozesses<br />

fehlt. Trotzdem hat das Medium zweifels-<br />

ohne nicht zu vernachlässigende Vorzüge.<br />

In der Erwachsenenbildung haben wir oft<br />

Probleme mit der Zeit (nicht alle potentiellen<br />

Kursteilnehmer können zu den angebotenen<br />

Terminen) und der Binnendifferenzierung<br />

(die Voraussetzungen und die Lernziele sind<br />

häufig, vor allem in den fortgeschritteneren<br />

Stufen, sehr heterogen). Weiterhin kann man<br />

feststellen, dass nicht alle im Unterricht angebotenen<br />

Aktivitäten - beispielsweise Übungen<br />

zur Festigung - zwangsläufig im Präsenzunterricht<br />

stattfinden müssen. Andere<br />

Aktivitäten hingegen führen zu besseren Lernerfolgen,<br />

wenn sie in Partner- oder Gruppenarbeit<br />

ausgeführt werden oder wenn eine unmittelbare<br />

Reaktion des Lehrers möglich ist.<br />

Die logische Folgerung ist eine Kombination<br />

von Präsenz- und Fernunterricht, bei der die<br />

Vorzüge des einen und des anderen Ansatzes<br />

genutzt werden, also „Blended Learning”<br />

oder „Kombinierte Sprachkurse”.<br />

Solche kombinierten Sprachkurse (z.B. Redaktion<br />

D beim Goethe-Institut) können in<br />

verschiedener Form stattfinden:<br />

• mit einer CD (der Schüler meldet sich zum<br />

Kurs an, erhält eine CD mit dem Sprachkurs<br />

und arbeitet abwechselnd in Einzelarbeit am<br />

Computer oder im Präsenz-Unterricht)<br />

• mit einer Lernplattform (der Schüler meldet<br />

sich zum Kurs an, erhält ein Passwort für den<br />

Zugang zum virtuellen Klassenraum, arbeitet<br />

online, kommuniziert so über den virtuellen<br />

Klassenraum mit seinem Lehrer/Tutor und<br />

seinen Mitschülern, hat Zugang zum Material<br />

und den Aufgaben und kommt zum Präsenz-<br />

Unterricht).<br />

Warum die Lernplattform Moodle?<br />

Ein solcher virtueller Kurs muss also auf einer<br />

Lernplattform stattfinden und das Goethe<br />

Institut hat sich für die Lernplattform Moodle<br />

entschieden:<br />

• Moodle ist eine sogenannte Open Source<br />

und läuft sowohl unter Windows als auch<br />

unter Linux1.<br />

• Der Benutzer braucht nur Zugang zu einem<br />

Computer, einen Internetanschluss und Kenntnisse<br />

in den gängigen Computeranwendungen.<br />

• In dem angebotenen System findet man<br />

sich leicht zurecht und hat jederzeit die<br />

Möglichkeit, zu einem bestimmten Problem<br />

Hilfe aufzurufen.<br />

• Die Plattform Moodle wird nicht nur vom<br />

GI verwendet, <strong>sondern</strong> findet in vielen deutschen<br />

Schulen Anwendung; mittlerweile hat sich<br />

auch PASCH für dieses System entschieden.


Ausblicke für Chile<br />

Der Mehrwert von Moodle ergibt sich<br />

aus dem Ermöglichen und/ oder der<br />

Stärkung von nicht-gleichzeitigen Informations-<br />

und Kommunikationsmöglichkeiten:<br />

Bei traditionellen Unterrichtsmethoden<br />

müssen in der Regel Lernende und<br />

Lehrer gleichzeitig im gleichen Raum sein;<br />

bei einer Lernplattform können Lehrer und<br />

Lernende unabhängig von Ort und Zeit (asynchron)<br />

Informationen austauschen und<br />

miteinander kommunizieren. Allerdings setzt<br />

das bei den Lernenden einen autonomen<br />

Umgang mit dem Lernen voraus und bei den<br />

Lehrenden einen angemessenen Umgang<br />

mit der Technik, den man beim Goethe-<br />

Institut durch den Multimedia-Führerschein<br />

D erhalten kann (Informationen dazu weiter<br />

unten).<br />

Was kann man mit Moodle machen?<br />

Mit dieser Lernplattform kann man nicht nur<br />

Kursräume, <strong>sondern</strong> auch andere Bereiche<br />

erstellen:<br />

• Verwaltung<br />

• Austausch unter Kollegen<br />

• Materialsammlung/ Dokumentation<br />

• Vertiefung<br />

• Arbeitsgruppen<br />

• Projektarbeit<br />

Selbstverständlich haben die Teilnehmer<br />

verschiedene Rollen auf der Plattform, die<br />

von der Art des Zugangs abhängen:<br />

• Gast<br />

• Teilnehmer<br />

• Kursleiter<br />

• Kursersteller<br />

• Administrator<br />

• Site-Administrator<br />

Der Unterricht kann vielfältig gestaltet werden,<br />

da die Plattform viele Möglichkeiten<br />

bietet:<br />

• Methoden<br />

- Allgemein: Methodenvariabilität<br />

und Integration von Multimedia<br />

• SOL (selbstorganisiertes Lernen)<br />

- Lektionen<br />

- Informationen<br />

- Tests<br />

- Dokumentationen<br />

• Binnendifferenzierung<br />

- Individualisierungsmöglichkeiten<br />

- Unterstützung Einzelner und von<br />

Gruppen<br />

- Integration aller Anwendungen<br />

unter einer Plattform<br />

- leichte Navigation und Orientierung<br />

• Austausch von Materialien:<br />

- Lehrer - Schüler und umgekehrt<br />

- Schüler untereinander<br />

- Lehrer untereinander<br />

• Dokumentation<br />

- Unterrichtsschritte<br />

- Arbeitsergebnisse<br />

• Evaluation<br />

- Schülerleistungen<br />

(Noten - Kommentare)<br />

- Feedback (Anregungen -<br />

Diskussionen)<br />

- von Lehrer oder Schüler<br />

untereinander<br />

• Projektmanagement<br />

- Organisation/ Termine<br />

- Checklisten<br />

- Dokumentation<br />

(Absprachen - Diskussionen)<br />

Ausblicke für uns in Chile<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Nach all diesen Auflistungen von Möglich<br />

keiten, die Ihnen hoffentlich Lust auf mehr<br />

Moodle gemacht haben, möchte ich Ihnen<br />

ein paar konkrete Ausblicke für uns in Chile<br />

vorstellen. Sicherlich gibt es unter uns<br />

viele, die geübt im Umgang mit den neuen<br />

Medien sind und die diese in ihren Unterricht<br />

einfließen lassen, und andere, die in diesem<br />

Bereich eher zurückhaltend sind, da es auch<br />

mit Aufwand verbunden ist. Die Tendenz<br />

geht allerdings in Richtung neuer Medien<br />

und man sollte sich damit auseinandersetzen.<br />

Ich selber gehöre der Generation an, die<br />

nicht mit den virtuellen Medien großgeworden<br />

ist und kann nur sagen, dass man eher Schwellenängste<br />

überwinden und selbstverständlich<br />

schrittweise vorangehen muss).<br />

Die Einführung solcher kombinierter Sprach<br />

kurse sollte möglichst bald geschehen, da<br />

wir damit ein Publikum ansprechen können,<br />

das an unseren normalen Präsenz-Kursen<br />

nur mit Schwierigkeiten teilnehmen kann<br />

und darauf müssen wir uns als Lehrkräfte<br />

vorbereiten. Als ersten Schritt bietet das<br />

Goethe-Institut ein hervorragendes Mittel<br />

mit seinem Multimedia-Führerschein D an<br />

(http://www.goethe.de/lhr/prj/mmf/deindex.html),<br />

bei dem man auch einen Einstufungstest<br />

machen kann (http://gcsaba.<br />

hunhost.info/kerdoiv.php). Auf dem Anfangs<br />

erwähnten Treffen haben die Teilnehmer<br />

beschlossen, massiv an dieser Fortbildung<br />

teilzunehmen (Beginn des nächsten Kurses<br />

20.10.2009, Anmeldefrist 25.09.2009) und<br />

so eventuell einen Rabatt auf den regulären<br />

Preis zu erhalten. Weiterhin werden wir ein<br />

virtuelles Lehrerzimmer für Chile einrichten,<br />

um auf schnellere und gezieltere Weise Informationen<br />

auszutauschen und in Kontakt<br />

zu bleiben.<br />

1 Einen Vergleich verschiedener Systeme findet man unter edutools.info und auch Opensourcecms.com.<br />

2 Wer das Thema vertiefen möchte, findet Informationen unter http: //lehrerfortbildung-bw.de/moodle-info/ oder http://moodle.org/mod/data/view.php?id=6140<br />

3 Wer sich für den Multimediaführerschein oder die Teilnahme am virtuellen Lehrerzimmer interessiert, kann sich direkt bei mir (silviaruehl@vtr.net ) oder im Goethe-Zentrum Valparaíso (goethezentrum@123.cl) melden.<br />

Silvia Rühl<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

37


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

38<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Schreiben in Etappen:<br />

die Bewusstwerdung des<br />

Schreibprozesses im Fremdsprachenunterricht<br />

Wenn die Fertigkeit Schreiben auf dem Unterrichtsprogramm<br />

steht, richten sowohl<br />

Fremdsprachenlehrer als auch Lerner ihre<br />

Aufmerksamkeit auf die verfassten Texte.<br />

Im Vordergrund stehen Stil, Inhalt, Struktur<br />

und Sprache. Der Fokus wird also auf das<br />

Schreibprodukt gelegt, der Schreibprozess<br />

wird dabei kaum berücksichtigt. Doch ein<br />

Blick hinter die Kulissen würde Lehrern und<br />

Lernern ermöglichen, sich über den eigenen<br />

Schreibprozess bewusst zu werden, um diesen<br />

gezielt zu steuern.<br />

Aus der kognitiven Schreibforschung, deren<br />

Ursprünge in den 1980er Jahren in den USA<br />

liegen, ist bekannt, dass das Schreiben in<br />

einen Prozess eingebettet ist, der von einer<br />

Reihe kognitiver und affektiver Faktoren begleitet<br />

wird (vgl. Hayes & Flower 1980 und<br />

Hayes 1996). „Reibungsverluste” - verstanden<br />

als „Schreibblockaden” oder „Schreibhemmungen”<br />

(Bräuer 2009b) - können bei<br />

der Textproduktion auftreten, wenn der<br />

„kognitive Arbeitsspeicher” (Kellogg 1996)<br />

überbelastet wird. Die Überbelastung des<br />

kognitiven Arbeitsspeichers kann u.a. damit<br />

zusammenhängen, dass der Schreiber nicht<br />

Lissette Mächler<br />

in der Lage ist, die Textproduktion mit bestimmten<br />

Strategien zu gestalten, zu fördern,<br />

zu entlasten oder zu vereinfachen. Ein L2spezifischer<br />

Belastungsfaktor wäre z.B. das<br />

ständige „Monitoring” der Fehler, d.h. das<br />

ständige Überwachen der sprachlichen Richtigkeit<br />

während des Verfassens eines Textes.<br />

Kellogg (1996) zufolge ließe sich die Überbelastung<br />

des kognitiven Arbeitsspeichers<br />

dadurch vermeiden, dass ein Mentor die<br />

Entwicklung von Schreibroutinen fördert.<br />

Bei der Zerlegung des Schreibprozesses in<br />

seine einzelnen Phasen - Planen, Entwerfen,<br />

Überarbeiten - können gezielt Aufgaben<br />

entwickelt werden, die den aktuellen Schreibprozess<br />

entlasten und unterstützen, so dass<br />

längerfristig Schreibroutinen entstehen können<br />

(vgl. Kellogg 1996, nach Bräuer 2009a).<br />

Eine feingliedrige Aufteilung des Schreibprozesses<br />

findet sich bei Bräuer (2009). Der<br />

dreischrittige Schreibprozess wird in noch<br />

kleinere Phaseneinheiten gegliedert, die<br />

im Folgenden vorgestellt und mit einigen<br />

exemplarisch ausgewählten didaktischen<br />

Vorschlägen - auch teilweise bei Bräuer zu<br />

finden - ergänzt werden.


Planen<br />

Entwerfen<br />

Partner-Feedbacks<br />

Überarbeiten<br />

Phasen des<br />

Schreibprozesses<br />

Themenfindung<br />

und - eingrenzung<br />

Materialsammlung<br />

und -auswahl<br />

Phase des<br />

Erstentwurfs<br />

Überarbeitung des<br />

Erstentwurfs<br />

Didaktische Vorschläge für den Fremdsprachenunterricht<br />

Im Klassenraum Außerhalb des Klassenraums<br />

Sich gemeinsam auf die Suche nach einem<br />

geeigneten Thema machen. Dieses sollte möglichst<br />

authentisch, lebensnah und für die Lerner<br />

interessant sein.<br />

Im Plenum oder auch in Kleingruppenarbeit<br />

kann das Thema mit den Techniken Brainstorming,<br />

Mind-Mapping, Clustering oder Freewriting<br />

eingegrenzt werden.<br />

Die Lehrkraft kann verschiedene Möglichkeiten<br />

der Materialsammlung vorstellen: Print- vs.<br />

Online-Medien, Interviews.<br />

Die Auswahl der Materialien lässt sich mit den<br />

o.a. Techniken bewältigen.<br />

Aufgabenstellung: Schreib für dich! Schreib in<br />

20 Minuten alles, was dir zum Thema einfällt!<br />

In dieser Phase ist es wichtig, dass die Lerner<br />

Fließtext produzieren, sich nicht ständig selbst<br />

überwachen (z.B. indem sie sich auf die sprachliche<br />

Korrektheit konzentrieren), keine Hilfsmittel<br />

verwenden (d.h. keine Wörterbücher u.ä.)<br />

und den Erstentwurf beenden, bevor sie aufstehen.<br />

Sollte dem Lerner ein Wort in der L2 nicht<br />

einfallen, kann er dieses in der L1 schreiben.<br />

Aufgabenstellung: Such dir einen Partner und<br />

hol dir Feedback zu deinem Text!<br />

Folgende Leitfragen können für den Partner<br />

hilfreich sein:<br />

- Ist alles verständlich?<br />

- Hast du noch Fragen zu bestimmten<br />

Punkten?<br />

- Fallen dir spontan weitere Ideen/ Gedanken<br />

ein, die du in den Text integrieren würdest?<br />

- Schreib deine Kommentare an den Rand des<br />

Textes bzw. setz ein Fragezeichen dort ein,<br />

wo du etwas nicht verstehst.<br />

Bei der Überarbeitung des Erstentwurfs soll<br />

sich der Schreiber bewusst werden, in welchem<br />

Genre er schreibt.<br />

Der Lehrer kann das erforderliche Input über<br />

die Textsorte liefern.<br />

Aufgabenstellung: Schreib den Text für einen<br />

Leser!<br />

- Stell dir deinen Partner als ersten Leser deines<br />

Textes vor! Du schreibst für ihn!<br />

- Versuch ihm schriftlich zu erklären, was er<br />

nicht verstanden hat.<br />

- Denk dabei an die Textsorte: Welche formalen<br />

Aspekte sind zu berücksichtigen?<br />

Zur Ritualisierung von Schreibroutinen kann die<br />

„reflexive Praxis” beitragen. Unter dieser Handlung<br />

versteht man das Nachdenken über das eigene<br />

(aktuelle) Schreibhandeln. Die Lerner sollen<br />

dazu motiviert werden, zuhause über den eigenen<br />

Schreibprozess nachzudenken. Das können sie<br />

tun, indem sie z.B. ein Schreibtagebuch führen.<br />

Ob dieses in der L1 oder in der L2 geführt wird,<br />

bleibt dem Lerner überlassen. Wichtig ist, dass<br />

er sich dem Schreibgegenstand annähert und<br />

Schreibroutinen entwickelt.<br />

Das Partner-Feedback kann auch außerhalb<br />

des Unterrichtsrahmens fortgeführt werden.<br />

Die Internet-Kommunikation bietet dafür viele<br />

Möglichkeiten: Ob per Chat oder E-Mail können<br />

die Lerner über ihre eigenen Texte kommunizieren<br />

und sich darüber austauschen. Dass dieser<br />

Austausch in der L1 stattfindet, ist keineswegs<br />

unproduktiv. Entscheidend ist, dass die Lerner<br />

sich über den eigenen Text bewusst werden.<br />

Aufgabestellung: Schau dir die Kommentare<br />

deines Partners an!<br />

- Welche Kommentare findest du hilfreich für<br />

die weitere Textproduktion?<br />

- Welche Ideen/ Gedanken könntest du noch<br />

integrieren?


Partner-Feedback Aufgabenstellung: Hol Dir noch einmal<br />

Feedback von deinem Partner!<br />

Der Partner ist der erste Leser des Textes und<br />

sollte demzufolge die „Leser-Brille” aufsetzen.<br />

Fremdsprachenlehrer können sich jederzeit<br />

als Partner einschalten. Allerdings muss darauf<br />

geachtet werden, dass die sprachliche<br />

Richtigkeit (noch nicht) im Vordergrund steht<br />

und dass man nicht bewerten darf. Unklarheiten<br />

können als Frage formuliert werden.<br />

Überarbeitung des<br />

Erstentwurfs<br />

Kontrolle der<br />

Überarbeitung<br />

Sicherlich lassen sich in den einzelnen Teilphasen vielfältige Aufgaben stellen. Die vorgestellten Ideen verstehen sich als Exempel,<br />

weitere didaktische Modellierungen sind erwünscht.<br />

Literatur:<br />

* Bräuer, G. (2003): Schreiben als reflexive Praxis: Tagebuch, Arbeitsjournal, Portfolio. 2. unveränderte Auflage. Freiburg: Fillibach.<br />

* Bräuer, G. (2009a): Reflecting the praxis of foreign language learning in portfolios (1). In: GLF-journal, Nr. 2. (in Vorbereitung).<br />

* Bräuer, G. (2009b): Glossar. In: Bräuer, G. (Hrsg.): SCRIPTORIUM. Ways of interacting with writers and readers. A professional<br />

development program (incl. DVD). Freiburg: Fillibach.<br />

* Bräuer, G. (2009c): Graphik “Mein Schreibprozess”. In: Bräuer, G. (Hrsg.): SCRIPTORIUM. Ways of interacting with writers and<br />

readers. A professional development program (incl. DVD). Freiburg: Fillibach, Material der CD-ROM.<br />

* Hayes, J.R. & Flower, L.S. (1980): Identifying the organization of writing processes. In: Gregg, L.W. & Steinberg, E.R. (Hrsg.):<br />

Cognitive Processes in Writing. Hillsdale, NJ: Erlbaum, 3-30.<br />

* Hayes, J.R. (1996): A new model of cognition and affect in writing. In: C.M. Levy & S. Ransdell (Hrsg.): The Science of Writing.<br />

Hillsdale, NJ: Erlbaum, 1-30.<br />

* Kellogg, R.T. (1996): A model of working memory in writing. In: C.M. Levy & S. Ransdell (Hrsg.): The science of writing: Theories,<br />

methods, individual differences and applications. Hillsdale, NJ: Erlbaum.<br />

1 Sicherlich lassen sich weitere Faktoren auflisten, die zur Überbelastung des kognitiven Arbeitsspeichers beitragen können, wie das<br />

gleichzeitige Ausführen verschiedener Aktivitäten während der Textproduktion: Chatten, Emails lesen und schreiben, Musik hören,<br />

Telefonieren, etc. Auf diese Aspekte wird hier nicht weiter eingegangen.<br />

2 Auf der linken Spalte befindet sich die Aufteilung von Kellogg (1996). Die feingliedrige Aufteilung entspricht zum größten Teil den<br />

Phasen des Schreibprozesses von Bräuer (2009c).<br />

3 Die Vorschläge sind für den fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht gedacht. Die Lerner sollten das Niveau B2/C1 des GER<br />

erreicht haben, um die vorgestellten Aufgaben bewältigen zu können.<br />

4 Bräuer (2003) stellt in seinem Werk „Reflexive Praxis” die Formen dieses Verfahrens vor: Tagebuch, Arbeitsjournal und Portfolio.<br />

5 Das Partner-Feedback (oder auch „peer-feedback”) ist ein wichtiges Element im Laufe des Schreibprozesses: Die Lerner sind unter<br />

„ihresgleichen”, können sich über die eigenen Texte austauschen und gemeinsam an ihren Texten arbeiten.<br />

Auch hier besteht die Möglichkeit, sich mit dem<br />

Partner online auszutauschen.<br />

Der Lehrer kann sich in einzelne Dialoge einmischen;<br />

in diesem Fall agiert er als Moderator.<br />

Aufgabenstellung: Überarbeite den Textentwurf so, dass dein Partner alles versteht!<br />

Um die Kontrolle möglichst effizient zu gestalten, sollten an dieser Stelle des Schreibprozesses einige Tage<br />

Pause geplant sein. Ziel ist, dass der Lerner die erforderliche Distanz zum eigenen Text gewinnt.<br />

Aufgabenstellung: Lies den Text nochmal<br />

durch und überarbeite ihn in Hinblick auf die<br />

sprachliche und formale Richtigkeit!<br />

An dieser Stelle ist die Hilfe von Nachschlagewerke<br />

erlaubt. Hilfreich können Wörterbücher,<br />

Grammatiken aber auch vom<br />

Lehrer erstellten Listen mit Konnektoren und<br />

sonstigen Phänomenen sein.<br />

Aufgabenstellung: Markier die Textstellen,<br />

bei denen du dir unsicher bist!<br />

Partner-Arbeit Aufgabenstellung: Geh zusammen mit deinem<br />

Partner die markierten Stellen im Text durch!<br />

Gemeinsam sollen die Lerner den Text sprachlich<br />

optimieren. Dabei kann es hilfreich sein, wenn<br />

jeder eine Checkliste mit den sprachlichen<br />

Unsicherheiten führt: Welche Formulierungen<br />

bereiten mir besondere Schwierigkeiten? Wie lautet<br />

die richtige Form?<br />

Text abgeben!<br />

Im Sinne der Nachhaltigkeit soll diese Checkliste<br />

ständig vervollständigt werden und bei jedem neuen<br />

Schreibanlass bereitstehen.<br />

Lissette Mächler<br />

Lissette Mächler, Magisterstudium der germanistischen<br />

Linguistik an der Universität Hamburg<br />

und knapp zweijährige Tätigkeit als Deutschlehrkraft<br />

am Goethe-Institut Kolumbien und an der<br />

Universidad Nacional de Colombia in Bogota. Im<br />

Rahmen einer Institutspartnerschaft zwischen der<br />

PH Freiburg und der Universidad de Antioquia<br />

in Medellin – wo sie bis Mitte 2010 als DAAD-<br />

Sprachassistentin tätig ist – promoviert sie seit<br />

Frühjahr 2009 über das wissenschaftliche Schreiben<br />

in der Fremdsprache Deutsch. Parallel dazu<br />

absolviert sie den letzten Baustein der Schreibberaterausbildung<br />

an der PH Freiburg.


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

42<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Was ist Lernerautonomie? Mit dem im November<br />

2008 vorgelegten, im Rahmen der<br />

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik<br />

erschienenen Werk möchte Barbara<br />

Schmenk auf einen wunden Punkt in der<br />

diesbezüglichen Fachdiskussion hinweisen,<br />

nämlich dem der zunehmenden Entleerung<br />

und Sloganisierung des Autonomiebegriffs.<br />

Alle reden von Lernerautonomie und preisen<br />

ihre Förderung aber die verschiedenen<br />

Verfechter des Konzepts meinen damit letztendlich<br />

jeweils etwas ganz anderes. Es war<br />

also mehr als vonnöten, der weitaus breiter<br />

stattfindenden Auseinandersetzung zur<br />

Implementierung des Konzepts, die längst<br />

fällige Bedeutungserschließungsdebatte nachzureichen.<br />

Die Autorin unternimmt diese<br />

„Aufräumarbeiten”, indem sie nach eingehender<br />

Analyse auch außerhalb des fachdidaktischen<br />

Kontextes die Bedeutung der<br />

Autonomie für das Fremdsprachenlernen<br />

neu verortet und mögliche Implikationen für<br />

die Unterrichts- und Ausbildungspraxis formuliert.<br />

Barbara Schmenk, die nicht erst in ihrem<br />

aktuellen Werk auf diese konzeptuelle Verschwommenheit<br />

aufmerksam macht (vgl.<br />

Schmenk: 2004, 2005, 2006, 2008), gliedert<br />

ihr Buch in zwei Teile. Zuerst finden in fünf<br />

Kapiteln begriffliche Aufräumarbeiten statt,<br />

d.h. Barbara Schmenk geht auf terminologische<br />

Spurensuche, um anschließend deren<br />

Resultate in einem Raster zur Klassifizierung<br />

von Lernerautonomiekonzeptionen zu inventarisieren.<br />

In den drei Kapiteln des zweiten<br />

Teils, der mit „Baustellen” überschrieben<br />

ist, versucht sie Ansätze für zukünftige<br />

fremdsprachendidaktische und pädagogische<br />

Diskussionen anzustoßen. Zur besseren Veranschaulichung<br />

der polarisierenden Kontroversen<br />

in dieser Auseinandersetzung bedient<br />

sich die Autorin eines für den Fachdiskurs<br />

ungewöhnlich anmutenden, aber originellen<br />

Stilmittels. In Referenz zu Goethes „Faust”<br />

streiten sich zwei Didaktikerseelen, eine<br />

optimistische und eine pessimistische um<br />

die jeweils zuvor aufgeworfenen widersprüch-<br />

Rezension<br />

Demnach identifiziert Phil Benson (1997) drei<br />

„Versionen” von Autonomie: eine technische,<br />

eine psychologische und eine politische Diana Feick<br />

lichen Autonomieauffassungen. Dieser, sich<br />

durch den gesamten ersten Teil des Buches<br />

ziehende, so genannte „Exkursdialog” dient<br />

in einer Art lauten Denkens aus dem „Didaktikervolksmund”<br />

zur Auswertung und<br />

Zwischenstandsdebatte nach jeweils wegweisenden<br />

Erkenntnissen der Studie und holt die<br />

Bedeutung der diversen Konzeptionen in die<br />

Realität, also auf den Boden der fremdsprachendidaktischen<br />

Tatsachen zurück.<br />

Mit ihrer umfassenden Analyse zum Begriff<br />

in Alltag und Wissenschaft, besonders im<br />

deutschsprachigen Raum, gelingt Barbara<br />

Schmenk über die Fremdsprachenforschung<br />

hinaus eine wissenschaftsgeschichtlich<br />

differenzierte Aufarbeitung von Autonomie.<br />

Hierzu stellt sie im Kapitel 1 („Problemaufriss.<br />

Autonomie - Was ist das eigentlich?”)<br />

des ersten Teils der Studie fest, dass der<br />

Alltagsbegriff von Autonomie im Sinne von<br />

„Unabhängigkeit” und „Selbständigkeit” allgemeinhin<br />

positiv konnotiert ist und sogar<br />

idealisiert wird. So übernehmen ihn auch<br />

viele Forscher, nach Schmenk, relativ unreflektiert,<br />

da eine konzeptuelle Explikation ob<br />

der vermeintlichen Eindeutigkeit des Begriffs<br />

überflüssig scheint, was dementsprechend<br />

diverse und inkompatible Auslegungen für<br />

praktische Handlungsszenarien mit sich<br />

bringt.<br />

Nach einer Darstellung der Klassifikation<br />

von Lernerautonomiekonzeptionen in der<br />

Fremdsprachenforschung des englischsprachigen<br />

Raums (Benson: 1996,1997, 2001;<br />

Oxford: 2003), nimmt die Autorin im Kapitel<br />

2 („Über die Schwierigkeiten des Aufräumens.<br />

Vorüberlegungen zur Spurensuche<br />

und Inventarisierung”) einen ersten Schritt<br />

der Inventarisierung der Deutungen des<br />

Begriffs auch für den deutschsprachigen<br />

Kontext vor, da diese zum Teil anders als<br />

im angloamerikanischen Diskurs akzentuiert<br />

seien. Demnach identifiziert Phil Benson<br />

(1997) drei „Versionen” von Autonomie: eine<br />

technische, eine psychologische und eine<br />

politische, die Rebecca Oxford (2003) durch<br />

eine soziokulturelle „Perspektive” ergänzt<br />

hat, obwohl beide Kategorisierungen trotz<br />

fast identischer Bezeichnungen nicht exakt<br />

das gleiche meinen. Die Vorarbeiten, die im<br />

deutschsprachigen Raum zu einem konzeptuellen<br />

Rahmenmodell von Lernerautonomie<br />

geleistet worden sind, greift Schmenk erstaunlicherweise<br />

nicht auf, obwohl sie z.B.<br />

in der Arbeit von Helene Martinez (2005) einen<br />

wichtigen Schritt zur Bewusstmachung<br />

der reduktionistisch-verengten Sichtweise<br />

auf das Phänomen leisten. Martinez plädiert<br />

für eine mehrperspektivische Auffassung<br />

von Lernerautonomie, die eine philosophische<br />

bzw. kritisch-politische, technische<br />

(situativ-strukturelle), psychologische und<br />

sozio-interaktive Komponente (Martinez<br />

2005: 69ff.) beinhaltet. Dagegen differenziert<br />

Schmenk in ihrem Vorschlag einer Sortierung<br />

zwischen sechs Konzeptionen von Autonomie:<br />

Ein situativ-technizistisches Autonomieverständnis,<br />

„das all diejenigen Formen<br />

des Lernens als autonom begreift, in denen<br />

Lernende allein arbeiten”(52). Des Weiteren<br />

existiert ein technisch-strategisches Verständnis,<br />

„das Lernende als autonom begreift,<br />

wenn sie über Techniken und Strategien zum<br />

eigenständigen Lernen verfügen” (ebd.). An<br />

dritter Stelle stehen radikal-konstruktivistische<br />

Autonomiekonzeptionen, gefolgt von<br />

entwicklungspsychologischen. Schließlich<br />

klassifiziert Schmenk pädagogisch-fächer<br />

übergreifende und handlungstheoretische<br />

(Henri Holec) Autonomiekonzeptionen. Diese<br />

sechs Gruppen werden im 3. Kapitel („Lernerautonomie<br />

in der Fremdsprachenforschung<br />

heute”) detailliert beschrieben und ihre Sicht<br />

auf implizite bzw. explizite Konzeption von<br />

Lernen, Lehren, Sprache und Person untersucht.<br />

Es folgt die Abbildung, in der Barbara<br />

Schmenk ihre Analyseergebnisse tabellarisch<br />

zusammenfasst:


Handlungstheoreytische<br />

Autonomie-Konzeption (Henri<br />

Holec)<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist, wenn Lernende<br />

in der Lage sind und über<br />

die notwendigen Kenntnisse,<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

verfügen, den Lernprozess in<br />

all seinen Phasen von der Planung<br />

und Durchführung bis zur<br />

Reflektion und Evaluation selbstverantwortlich<br />

durchzuführen.<br />

Situative und technizistische<br />

Autonomiebegriffe<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist wenn Lernende<br />

allein und selbstverantwortlich<br />

lernen.<br />

Strategisch-technische<br />

Autonomiebegriffe<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist, wenn Lernende<br />

über genügend Strategien<br />

verfügen, die sie begründet<br />

und zielgerichtet beim Fremdsprachenlernen<br />

einsetzen können,<br />

um möglichst effizient zu<br />

lernen.<br />

(Radikal-) konstruktivistische<br />

Autonomiekonzeption<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist ein Terminus,<br />

der im (radikalen) Konstruktivismus<br />

den Zustand lebender<br />

bzw. kognitiver Systeme beschreibt.<br />

Diese sind durch informationelle<br />

Geschlossenheit,<br />

Autonomie und Autopoeisis<br />

gekennzeichnet.<br />

Entwicklungspsychologische<br />

Autonomiekonzeptionen<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist Selbstständigkeit,<br />

die das Individuum nomalerweise<br />

im Laufe seiner Adoleszenzentwicklung<br />

erwirbt, so dass es<br />

nicht mehr auf Hilfestellungen<br />

angewiesen ist.<br />

Pädagogischfächerübergreifende<br />

Autonomiekonzeptionen<br />

Kurzcharakterisierung<br />

Autonomie ist Selbstbestimmung,<br />

Mündigkeit und in sofern Zeichen<br />

der Emanzipation bzw. Befreiung<br />

von Fremdbestimmung.<br />

Implizite/explizite Konzeption<br />

von Lernen<br />

Handlungstheoretischer Lernbegriff:<br />

Lernen ist Handeln, Autonomie<br />

ist die Voraussetzung für<br />

selbstgesteuertes Lernhandeln.<br />

Diffuser Lernbegriff: Lernen als<br />

Summe von Tätigkeiten, die<br />

an und mit fremdsprachlichen<br />

Materialien allein ausgeführt<br />

werden.<br />

Instrumenteller Lernbegriff:<br />

Lernen ist Managen, ein vom<br />

Einzelnen mit Hilfe trainierbarer<br />

strategischer Entscheidungen<br />

steuerbarer Prozess.<br />

Er ist umso effizienter, je besser<br />

Lernende ihr Strategienrepertoire<br />

beherrschen.<br />

Lernen ist individuell unterschiedliche,<br />

nicht vorhersehbare<br />

Konstruktion von Wissen.<br />

Autonomie ist deshalb nicht<br />

Ziel, <strong>sondern</strong> Charakteristikum<br />

des Lernens.<br />

Entwicklungspsychologischer<br />

Lernbegriff: Rekonstruktion von<br />

Wissen und Können, Internalisierung<br />

von Vorgegebenem.<br />

Diffuser Lernbegriff, wird unter<br />

Erziehung subsumiert.<br />

Implizite/explizite Konzeption<br />

von Lehren<br />

Lernen entfällt, wenn Lernen<br />

selbst gesteuert wird und die<br />

einzelnen Handlungsschritte<br />

vom Lernenden geplant, durchgeführt<br />

und bewertet werden.<br />

Autonomie als Voraussetzung<br />

für selbstgesteuertes Lernen<br />

macht Lehren überflüssig bzw.<br />

erfordert dessen Neu konzeption<br />

als „Selbstlehren”. Wie Lehren<br />

aussehen sollte, dass zur<br />

Herausbildung dieser Fertigkeiten<br />

und Fähigkeiten führt, bleibt<br />

hingegen offen.<br />

Diffuser Lehrbegriff: Lehren als<br />

Bereitstellung von Materialien,<br />

kann Personen oder Computern<br />

überantwortet sein.<br />

Lehren ist Training bzw. Hilfe<br />

zur Selbsthilfe. Lehren ist<br />

Instruktion zur optimalen Nutzung<br />

von strategischen Kenntnissen<br />

und Handlungsspielräumen.<br />

Lehren ist nicht möglich, kann<br />

höchstens Anbieten oder<br />

Perturbieren sein, das nicht<br />

vorherzusehende Effekte bei<br />

einzelnen Lernern hervorrufen<br />

kann oder nicht.<br />

Dominanz des Lehrenden, Hilfe<br />

zur Selbsthilfe, Lehren als Eingreifen<br />

und Hilfestellung geben<br />

bis zur Selbstständigkeit des<br />

Lernenden.<br />

Lehren als Erziehen, Ingangsetzung<br />

von Emanzipation,<br />

Hilfe zum Mündigwerden.<br />

Abb. Autonomiekonzeptionen und Kriterien ihrer Unterscheidung (S.129-131)<br />

Implizite/explizite Konzeption<br />

von (Fremd-) Sprache<br />

Handlungstheoretische Lernbegriffe<br />

von Sprachen lassen auch<br />

die Sprachen als handelnd (be-)<br />

greifbar, erfassbar, lernbar,<br />

verwendbar erscheinen. Implizit<br />

liegt dem Holecschen Ansatz<br />

somit ein instrumenteller<br />

Sprachbegriff zugrunde: Sprache<br />

ist Mittel zum Zweck; Zweck<br />

ist erfolgreiches Handeln.<br />

Kein konkreter Begriff von<br />

Sprache thematisiert, da der<br />

Fokus auf dem situativ-technischen<br />

Beschreiben, nicht<br />

auf qualitativen Aspekten des<br />

Lernens liegt.<br />

Sprache ist mit den richtigen<br />

Strategien effizient lernbar.<br />

Kein konkreter Sprachbegriff<br />

impliziert, jedoch kann die<br />

strategisch-ökonomische<br />

Sicht auf Autonomie auch zu<br />

ökonomisierten, instrumentellen<br />

Sprachbegriffen verführen.<br />

Sprache ist Baumaterial für<br />

individuelle Konstruktionen<br />

und zugleich Resultat solcher<br />

Konstruktionen.<br />

Sprache ist Bausatz (wie Legosteine),<br />

der bestimmten Regeln<br />

folgt, deren Erwerb die Teilnahme<br />

an Sprachspielen (Kommunikation)<br />

ermöglicht.<br />

Sprache bzw. Sprachenlernen<br />

verheißt ein (unbestimmtes)<br />

emanzipatorisches Potential.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Implizite/explizite Konzeption<br />

der lernenden Person<br />

Lernende sind selbstbewusste,<br />

unabhängige Subjekte, die sich<br />

nicht ungeprüften Vorgaben<br />

unterordnen, <strong>sondern</strong> selbst<br />

den gesamten Lernhandlungsprozess<br />

steuern. Sie verfügen<br />

über methodische Repertoirs<br />

zum Selbstlernen sowie zur<br />

Bewertung des Selbstlernens.<br />

Lernende erscheinen als allein<br />

arbeitende black boxes. Da die<br />

Beschreibung von Autonomie<br />

rein äußerlich-situativ ist, wird<br />

die Person des Lernenden<br />

nicht im Detail betrachtet.<br />

Lernende erscheinen als Manager,<br />

die das eigene Lernen<br />

mit Blick auf möglichst effektive<br />

und effiziente Gewinnmaximierung<br />

managen (Lernkompetenz<br />

als Managamentkompetenz).<br />

Menschen sind Monaden, biologisch<br />

bzw. neurologisch zur<br />

Autonomie gezwungen, sophistisches<br />

Menschenbild.<br />

Menschen sind Kollektivwesen,<br />

die lernen müssen, auch ohne<br />

fremde Hilfe zu tun, was erforderlich<br />

ist.<br />

Lernende sind Noch-Unmündige,<br />

deren Mündigwerden unter<br />

anderem durch Sprachenlernen<br />

hervorgebracht werden soll.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

43


D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

44<br />

Durch <strong>AGPA</strong> diese - Gegenüberstellung Chile zeigt die Autorin,<br />

wie unvereinbar die existierenden Autonomieversionen<br />

erscheinen. Sie stellt in Anlehnung<br />

an Ehlich (1993) fest, dass der Autonomiebegriff<br />

Teil der wissenschaftliche Alltagssprache<br />

geworden ist und somit verflacht und trivialisiert,<br />

also Opfer der „Sedimentierung” eines<br />

vormals wissenschaftlich präzisen Terminus<br />

wurde.<br />

Dem entgegen zu wirken helfe nur eine angemessene<br />

theoretische Reflexion, welche<br />

Barbara Schmenk im Kapitel 4 („Tellerrandakrobatik.<br />

Autonomiekonzeptionen außerhalb<br />

der Fremdsprachenforschung”) vornimmt,<br />

indem sie sich der Erkundung der Kulturgeschichte<br />

von Autonomie zuwendet. Dabei konzentriert<br />

sich die Autorin auf zwei kulturhistorische<br />

Fundorte: die europäische Aufklärung und<br />

die pädagogischen Diskurse zur Autonomieerziehung.<br />

Im Exkurs zu theoretisch philosophischen<br />

Autonomiekonzeptionen (Unterkapitel<br />

4.1) konstatiert die Forscherin eine Diskrepanz<br />

zwischen der Kantschen Vorstellung von Freiheit<br />

und Autonomie sowie von Zucht und Pädagogik<br />

und unserem modernen Verständnis von<br />

Bildung, Erziehung und Sprachenlernen. Für<br />

den „Vater” der Autonomie bezieht sich diese<br />

auf den Willen und die reine Vernunft und nicht<br />

auf unabhängige Selbstbestimmung, d.h. autonom<br />

ist nicht der Mensch, <strong>sondern</strong> sein Wille<br />

zur Unterwerfung der subjektiven Wünsche und<br />

Handlungen unter das moralisch „Gute” (kategorischer<br />

Imperativ). Erst durch Fichte wird<br />

Autonomie als Freiheit des Geistes verstanden,<br />

wo das Ich nur seinen eigenen Gesetzen und<br />

nicht der Vernunft oder Moral verpflichtet ist.<br />

Eine rein auf Kant orientierte Erziehung zur Autonomie<br />

wäre also „primär auf Pflichterfüllung<br />

gerichtet” (S. 168) und habe wenig mit den<br />

heutigen Erziehungsidealen von Demokratiefähigkeit,<br />

kritischem Dialog und Emanzipation<br />

zu tun. Die Verfasserin stellt fest, dass hier die<br />

von Kant entworfene Konzeption von Mündigkeit<br />

wie er sie in seinem Text zur „Beantwortung<br />

der Frage: Was ist Aufklärung” formuliert mit<br />

seinem Autonomieverständnis vermischt bzw.<br />

verwechselt wurde und er so fälschlicherweise<br />

als geistiger Vater des Konzepts bezeichnet<br />

werde.<br />

Autonomiekonzeption<br />

Autonomieverständnis<br />

Autonomie-potenziale/<br />

heteronome Verstrikckungen<br />

Situativ-technizistisch<br />

u. strategisch-technisch<br />

Alleinlernen einzige menschliche<br />

Seins- u. Denkweise<br />

A. in diesem Kontext<br />

zu Unrecht verwendet<br />

werden, da sich<br />

dahinter eine anders<br />

etikettierte Heteronomie<br />

verbirgt, also das<br />

Ausführen fremdbestimmter<br />

Ziele und<br />

Aufgaben, wie z. B. das<br />

Strategienwissen als ein<br />

heteronom bestimmtes<br />

Wissens- und Handlungsspektrum<br />

Im zweiten Exkurs (Unterkapitel 4.2) skizziert<br />

Schmenk pädagogische Ansätze zum Erziehungsziel<br />

Autonomie, im besonderen die<br />

(Wieder-)Entdeckung des Postulats in der<br />

Nachkriegspädagogik (Adornos Erziehung zur<br />

Autonomie im Sinne von Mündigkeit als Erziehung<br />

nach Auschwitz), in der kritischen Erziehungswissenschaft<br />

(Erziehung zur Autonomie<br />

als politisch-emanzipatorische Aufgabe) und<br />

in der kommunikativen Didaktik (Habermas<br />

Theorie der kommunikativen Kompetenz zur<br />

Konkretion von Mündigkeit und Autonomie<br />

als kritische Reflexion gesellschaftlicher<br />

Herrschafts- und Kommunikationsstrukturen).<br />

Auch hier macht die Autorin Anknüpfungspunkte<br />

für ihre Spurensuche aus, da die Diskussion<br />

der 70er Jahre, die das Autonomieverständnis<br />

seit dem 18. Jahrhundert weiter radikalisiert hat,<br />

indem kritische Reflexionsfähigkeit, Erziehung<br />

zur Mündigkeit, Autonomie und Emanzipation,<br />

nach Demokratieförderung verlangt wurden, als<br />

„erste Autonomiediskussion in der Fremdsprachendidaktik<br />

(207)” angesehen werden kann.<br />

Sie kommt zu dem Schluss, dass<br />

„Autonomie semantisch jeweils so gefüllt [wurde], dass<br />

sie an spezifische historisch-kulturelle Vorstellungen anschließbar,<br />

für diese passend gemacht wurde. [...] In seiner<br />

spezifischen Verwendung spiegelt sich [im Begriff Autonomie]<br />

immer auch seine Zeit und von den Menschen in der<br />

Zeit gehegten Wünsche und Freiheitsvorstellungen.”(197)<br />

Charakteristisch für die deutsche Debatte ist die<br />

Gleichsetzung von Autonomie und Mündigkeit,<br />

was für die Autorin im Bezug auf das Verständnis<br />

von Lernerautonomie problematisch ist, da<br />

Mündigkeit nicht zwangsläufig aus Autonomie<br />

im Sinne von Selbstverantwortung und Selbststeuerung<br />

resultiert.<br />

In den Unterkapiteln 4.4 („Aktuelle Tendenzen:<br />

Sloganisierungen von Autonomie”) und 4.5<br />

(„Entzauberungen von Autonomie”) gelangt die<br />

Untersuchung schließlich zu den gegenwärtigen<br />

Tendenzen, wobei festgestellt wird, dass man<br />

im Zusammenhang von Autonomie heute mehr<br />

die Eigenverantwortung, die an ökonomische<br />

Handlungsmöglichkeiten gebunden ist, betont.<br />

Die Konsequenz dessen sei ein spezifisch<br />

(Radikal-)<br />

konstruktivistisch<br />

leugnet den Rückgriff<br />

der Lerner auf von<br />

außen vorgegebene<br />

Denk-, Verhaltens- und<br />

Entscheidungsmuster<br />

und kann daher weder<br />

Autonomiepotenziale<br />

noch heteronome<br />

Verstrickungen von<br />

Lernenden erkennen<br />

Entwicklungspsychologisch<br />

Selbstständigkeit allein alle lernspezifischenEntscheidungen<br />

treffen<br />

stellt unkenntlich gemachte<br />

Heteronomie<br />

dar, da sie die vollständige<br />

Internalisierung<br />

fremdbestimmter Vorgaben<br />

zu Verhalten,<br />

Wissen und Können<br />

verfolgt<br />

ökonomisch zugespitzter Autonomiebegriff,<br />

der „mit freiem Wirtschaften in deregulierten<br />

Kontexten, mit Manageraufgaben und Entrepreneurdenken<br />

(212)” assoziiert werde. Besonders<br />

steche die Kluft zwischen bundesdeutscher<br />

Bildungsphilosophie und neuer internationaler<br />

Curriculums- und Bildungsplanung ins Auge, da<br />

letztere innerhalb einer neoliberalen Rhetorik,<br />

Autonomie, Mündigkeit und Selbstbestimmung<br />

für ein auf Effizienz ausgerichtetes Lernkalkül<br />

instrumentalisiere. Die dadurch beabsichtigte<br />

Selbstdisziplinierung und freiwillige Unterwerfung<br />

unter neoliberale Machtmechanismen<br />

führen zu einer Ökonomisierung von Autonomie,<br />

die Schmenk daher zu recht als „Pseudo-<br />

Autonomie” enttarnt.<br />

Zur „Entzauberung” des Autonomiebegriffs<br />

trägt schließlich die Darlegung der Erkenntnis<br />

bei, dass die Erlangung reiner Autonomie als<br />

Ideal der Erziehungsphilosophie und Pädagogik<br />

nach heutigem Stand der Forschung als<br />

eine utopische Vorstellung akzeptiert werden<br />

solle. Außerdem stellt die Autorin in ihren Ausführungen<br />

den weithin vertretenen absoluten<br />

Dualismus von Autonomie und Heteronomie<br />

in Frage. Vielmehr stünden beide in einem dialektischen<br />

Verhältnis zueinander und müssten<br />

in einem Kontinuum angesiedelt werden. Ebenso<br />

problematisiert sie die kategorische positive<br />

Besetzung des Begriffes Autonomie, während<br />

Heteronomie immer emotional negativ besetzt<br />

ist und nicht als erstrebenswert gilt. Erst durch<br />

die Bewusstmachung eigener Grenzen, betont<br />

die Autorin, können Selbstbestimmungsspielräume<br />

erkannt und genutzt werden.<br />

Das 5. Kapitel („Fazit. Was tun mit alten Bildungsidealen”)<br />

wendet sich erneut den im dritten<br />

Kapitel erarbeiteten Versionen von Lernerautonomie<br />

zu um zu überprüfen, wie sich diese<br />

im Licht der außerhalb der Fremdsprachenforschung<br />

vorgefundene Autonomieversionen<br />

(Kap. 4) hinsichtlich ihrer Autonomiepotenziale<br />

und heteronome Vertrickungen darstellen, wie<br />

es die Zusammenfassung der Tabelle (257-<br />

259) im Folgenden zeigt:<br />

Handlungstheoretisch<br />

(HenriHolec)<br />

benutzt das Etikett<br />

A. irreführend, sogar<br />

kontraproduktiv, weil<br />

die Reflexion hilfreicher<br />

und hinderlicher<br />

heteronomer Verstrikckungen<br />

für erfolgreichesselbstveranwortliches<br />

Lernen notwendig<br />

sind<br />

pädagogischfächerübergreifend<br />

Autonomie und Mündigkeit<br />

miteinander<br />

verschaltet<br />

entstehen problematischeDualismenbildungen<br />

(Autonomie =<br />

Mündigkeit = gut; Heteronomie<br />

= Unmündigkeit<br />

= schlecht), die davon<br />

ablenken, dass die Auseinandersetzung<br />

mit heteronomen<br />

Bedingungen<br />

(Akzeptanz d. Anderen,<br />

d. Fremden etc.) gerade<br />

im Sprachlernkontext unablässlich<br />

sind.


In diesen Fällen liege also, so schlussfolgert<br />

die Verfasserin, ein „Autonomie-Paradoxon”<br />

vor, da selbstgesteuertes Lernen mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit oft eher heteronom als<br />

autonom ist.<br />

In den Unterkapiteln 5.2 und 5.3 diskutiert<br />

Barbara Schmenk, welche Gründe nach den<br />

bisherigen Untersuchungsergebnissen für<br />

die Abschaffung des Autonomiepostulats<br />

in Bildung, Erziehung und auch im Fremdsprachenunterrichts<br />

sprechen und welche<br />

dagegen. Das Postulat als obsolet zu erachten<br />

resultiert daraus, dass wir es heute<br />

„mit fremdsprachendidaktischen Adaptationen<br />

von ökonomischen Idealen zu tun [haben](277),<br />

die mit einer Enthistorisierung und<br />

Entpolitisierung der Begriffsdeutung einhergeht.<br />

Die Abschaffung des Konzepts als kontraproduktiv<br />

erachtend, betont die Forscherin<br />

dessen Nutzen als den einer „potentiell kritischen<br />

Folie (278)” zur Einschätzung realer<br />

Möglichkeiten von Erziehung, Bildung und<br />

Widerstandsfähigkeit. In diesem Zusammenhang<br />

bestimmt sie auch das Verhältnis von Autonomie<br />

und Mündigkeit genauer:<br />

„Mündigkeit bzw. Mündigwerden ist als<br />

fortwährender Versuch anzusehen, die eigenen<br />

Autonomiepotenziale in ihren jeweiligen<br />

heteronomen Grenzen zu begreifen,<br />

um eigene Handlungs- und Entscheidungsspielräume<br />

wie auch die von Anderen abschätzen,<br />

verstehen und nutzen zu können.”<br />

(286)<br />

In der abschließenden thesenartigen Zusammenfassung<br />

der Ergebnisse ihrer Untersuchung<br />

(Unterkapitel 5.4) zeigt die Verfasserin,<br />

dass die historische, pädagogische und<br />

politische Lektion darin besteht, dass keiner<br />

mehr behaupten könne, „autonom sei jemand,<br />

der innerhalb des Systems Fremdsprachenunterricht<br />

und Selbstlernen funktioniert,<br />

der mitmacht, der innerhalb der vorgegebenen<br />

Strukturen effizient und selbstverantwortlich<br />

das ausführt, was von ihm verlangt<br />

wird.”(290)<br />

Im zweiten Teil der Studie (Baustellen. Autonomie<br />

- Heteronomie - Fremdsprachenlernen)<br />

erkundet Barbara Schmenk Ansätze<br />

für zukünftige fremdsprachendidaktisch und<br />

pädagogisch reflektierte Autonomiediskussionen.<br />

Sie benutzt den Terminus der „didaktischen<br />

Baustelle” um auf die „work in<br />

progress” - Mentalität ihrer diesbezüglichen<br />

Überlegungen hinzuweisen. Sie versteht diese<br />

als Ansatzpunkte und Einladung zur Mithilfe<br />

beim Nachdenken über Autonomie in der<br />

Fachdidaktik.<br />

Hierfür greift sie im Kapitel 6 (Baustellen<br />

für eine Didaktik reflexiver Autonomie) das<br />

Bezugskonzept der kommunikativen Kompetenz,<br />

wie es schon einmal in der bundesdeutschen<br />

Autonomiediskussion der 70er<br />

Jahre problematisiert wurde, auf. Damals<br />

hatten Hans-Eberhard Piepho (1974) und<br />

Inge Dietrich (1974) eine Diskussion um die<br />

allgemeinpädagogischen, gesellschaftlichen<br />

und bildungspolitischen Implikationen eines<br />

emanzipatorisch ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts<br />

ausgelöst. Ihre Studien<br />

stellen Bindeglieder zu aktuellen Lernerautonomiedebatten<br />

in der Fremdsprachendidaktik<br />

dar. Die Autorin zieht aus ihnen den Schluss,<br />

dass die Möglichkeiten der freien Kommunikation,<br />

Herrschaftsfreiheit und Emanzipation,<br />

auf die Kommunikative Kompetenz im<br />

Habermas´schen Sinne abzielt, beim Fremdsprachenlernen<br />

begrenzt sind.<br />

Kapitel 7 beschäftigt sich dementsprechend<br />

mit der Aufgabe mit Hilfe eines reflektierten<br />

Autonomiebegriffs in der Fremdsprachendidaktik<br />

neue Impulse zu setzen und gleichzeitig<br />

die Diskussion um kommunikative Kompetenz<br />

voranzutreiben. Hierbei zeigt sich,<br />

dass Autonomie eine kritische Reflexionsfolie<br />

für das Nachdenken über kommunikativen<br />

Fremdsprachenunterricht, interkulturelles<br />

Lernen und den Umgang mit den Medien<br />

darstellen kann. In diesem Zusammenhang<br />

hebt die Verfasserin die Notwendigkeit der<br />

„Modifikation, Differenzierung, Relativierung<br />

und Ergänzung”(402) des Konzepts der<br />

kommunikativen Kompetenz hervor, wobei<br />

die aktuellen Reflexionen über Autonomie<br />

und Heteronomie darin einbezogen werden<br />

sollten. Für Barbara Schmenk scheint ein<br />

sozialer Autonomiebegriff im Gegensatz zur<br />

Autonomie der Einzelperson besser geeignet,<br />

um kommunikative Kompetenz als<br />

sprachliche und soziale Größe im Sinne einer<br />

„Fähigkeit zur Teilnahme am Dialog, die eine<br />

kritisch-reflexive Dimension mit einschließt”<br />

(403) zu erfassen.<br />

Im 8. Kapitel („Ausblick: Nachdenken über<br />

Autonomie und Kommunikative Kompetenz.<br />

Bruchstellen und Brachflächen”) des Buches<br />

diskutiert die Autorin abschließend mögliche<br />

Implikationen ihrer Studie für das Fremdsprachenlernen<br />

und -lehren. Als Fazit zeigt<br />

sich, dass tragfähige Bildungskonzeptionen<br />

jenseits des populären Lernerautonomieverständnisses<br />

nur zu schaffen sind, wenn vor<br />

allem in der Lehreraus- und -fortbildung die<br />

„Planung, Gestaltung und Reflexion von Unterricht<br />

und Lernen in Hinblick auf die Rolle<br />

und Bedeutung von Autonomie und Heteronomie”(406)<br />

vorgenommen wird.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Ihr Ziel, eine Reflexionsbasis für eine generalüberholte<br />

interdisziplinär ausgerichtete<br />

Autonomiediskussion zu schaffen, hat diese<br />

Arbeit somit zufriedenstellend erreicht.<br />

Es wurde einmal mehr klargemacht, dass<br />

terminologische Präzision und Bedeutungsklarheit<br />

fundamental für einen sinnhaften<br />

Fachdiskurs sind und welche Risiken der<br />

Manipulation und Verzerrung die Akzeptanz<br />

und kritiklose Übernahme von verwässerten<br />

Konzepten mit sich bringt. Ausbaufähig<br />

ist sicher das Nachdenken über Praxisimplikationen<br />

eines so überarbeiteten Autonomiekonzepts.<br />

Wünschenswert wären auch<br />

empirische Studien in der Fremdsprachenforschung,<br />

die diese Gedanken aufgreifen<br />

und in Forschungsfragen einbeziehen.<br />

Zu bemängeln bleibt lediglich die Qualität<br />

der Herausgabe, die den Einsatz einer professionellen<br />

Lektorierung und Drucksetzung<br />

anzweifeln lässt. Die extreme Fehlerhaftigkeit<br />

des Textes erschwert das Lesen und macht es<br />

an Stellen, wo ganze Wort- und Satzteile vertauscht<br />

oder ausgelassen wurden, schlichtweg<br />

unmöglich.<br />

Dieses Buch sollte als Standardwerk in den<br />

Literaturbestand eines jeden Fachdidaktikers<br />

und Autonomieinteressierten Einzug halten.<br />

Schmenk, Barbara (2008): Lernerautonomie.<br />

Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs<br />

Tübingen: Narr. ISBN: 978-3-8233-<br />

6454-2, 448 S.<br />

Diana Feick<br />

Magisterstudium an der Universität Leipzig,<br />

Hauptfach „Deutsch als Fremdsprache”.<br />

Seit 2005 Dozentin für DaF, Deutsche Literatur,<br />

Didaktik/Methodik. Landeskunde, Sprachgeschichte<br />

und Praktikantenbetreuung an der<br />

Univeridad Nacional de Colombia, Bogotá.<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

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D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

46<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Ramón Reyes<br />

Technologisches Pro<br />

Ursulinen Schule<br />

Ohne Hefte in die Schule<br />

Seit März 2009 gehen die Schülerinnen der<br />

10. Klasse der Ursulinenschule Santiago<br />

ohne Hefte in die Schule, sie tragen stattdessen<br />

einen Tablet PC, womit sie ihre Notizen<br />

von jeder Unterrichtstunde machen können.<br />

Bestimmt tauchen bei Ihnen folgende Fragen<br />

auf:<br />

1. Was ist ein Tablet PC ?<br />

Das ist ein tragbarer Computer, der unter anderem<br />

wie ein Notizbuch verwendet werden<br />

kann. Man kann den Monitor umdrehen, ihn<br />

auf die Tastatur legen und dann darauf wie in<br />

einem normalen Heft mit einem digitalisierten<br />

Stift schreiben. Der Benutzer kann Eingaben<br />

per Stift oder Finger direkt auf dem Sensorbildschirm<br />

tätigen. Das ist möglich durch<br />

eine bestimmte Software, die die Handschrift<br />

erkennt. So können die Schülerinnen ihre<br />

Notizen digital speichern und sehr einfach<br />

digitale Hefte organisieren.<br />

2. Aber warum führt die Ursulinenschule<br />

diese neue Technologie ein?<br />

Wir merken jeden Tag, dass diese neuen Medien<br />

und das Internet unsere Lebensweise<br />

beeinflussen. Wir leben in einer vernetzten<br />

Welt, wo es keine Entfernungen mehr gibt.<br />

Man kann die heutige Gesellschaft ohne den<br />

Einfluss der Medien und der Technologie<br />

nicht verstehen.<br />

Als Lehrer merken wir auch, dass diese<br />

Veränderungen sich in der Form wiederspiegeln,<br />

in der wir unsere Schüler und<br />

Schülerinnen lehren. Viele von uns setzen<br />

schrittweise Technologie im Lehrprozess<br />

ein, weil wir sicher sind, dass auf diese Weise<br />

das Lernen effektiver und nachhältiger ist.<br />

Außerdem sind diese neuen Medien für alle<br />

Schüler selbstverständlich und gehören zu<br />

ihrem Alltag.


jekt der<br />

in Santiago de Chile<br />

In den letzten Jahren ist der Internet- und<br />

Computergerbrauch in Chile erstaunlich gestiegen.<br />

Das Internet ist eine unendliche Informationsquelle<br />

und die Computer sind die<br />

geeigneten Medien, um diese Informationen<br />

zu bearbeiten, zu analysieren und sich damit<br />

Kenntnisse anzueignen.<br />

3. Welche sind die Hauptziele dieses<br />

Projektes?<br />

Hauptziele des Projektes sind erstens schrittweise<br />

das Papierheft durch das digitale Heft<br />

zu ersetzen, zweitens die Schülerinnen besser<br />

auf die immer wechselnde technologische<br />

Welt vorzubereiten und letztendlich den<br />

Lernprozess innerhalb des Klassenzimmers<br />

zu verbessern.<br />

Die Einstiegsphase dieses Projektes begann<br />

in der zweiten Hälfte des Jahres 2007. Damals<br />

befassten wir uns mit den notwendigen<br />

technischen Ausstattungen, d.h. W-LAN im<br />

gesamten Schulgebäude und der Kauf von<br />

17 Tablet PCs für das Pilotprojekt des Jahres<br />

2008. Die ausgewählten Gruppen waren die<br />

Schülerinnen der Wahlfächer der Klassenstufen<br />

11. und 12.<br />

Während dieses Jahres haben wir beobachtet,<br />

dass die Schülerinnen, die Tablets<br />

mit W-LAN in ihren Unterrichtsstunden benutzten,<br />

autonomer und neugieriger wurden.<br />

Die Form des Unterrichts wurde dynamischer<br />

und aktiver. Die Schülerinnen übernahmen<br />

eine aktive und kooperative Rolle im<br />

Lernprozess. Wir merkten auch, dass dieser<br />

Einsatz von Technologie im Klassenzimmer<br />

bei einigen Lehrern die Arbeit erleichterte,<br />

aber im Gegensatz dazu bei anderen viele<br />

Schwierigkeiten bereitete. Es ist von Bedeutung,<br />

wie der Lehrer sich auf die neue Technologie<br />

einstellt und wie er damit die Mitarbeit<br />

seiner Schülerinnen erreicht.<br />

Nach den Erfahrungen des letzten Jahres<br />

und nach der Auswertung des Pilotprojekts,<br />

sind wir der Meinung, dass mit den<br />

neuen Technologien bessere Resultate<br />

im Lernprozess erreicht werden können,<br />

dass die Schüler motivierter, selbständiger<br />

und effektiver arbeiten. Wir wissen<br />

aber auch, dass die Technologien alleine nicht<br />

den Lernprozess verbessern. Sie können<br />

sogar zu einem Misserfolg führen. Wenn die<br />

Methoden und Strategien des Unterrichts<br />

sich nicht ändern, können auch die neuen<br />

Technologien keinen Erfolg haben.<br />

4. Was ist unsere jetzige<br />

Herausforderung?<br />

Zu Beginn dieses Jahres bekamen 58<br />

Schülerinnen der 10. Klasse ihre Tablets PC<br />

leihweise, sie werden sie bis zum Ende der<br />

12. Klasse behalten, dann entscheiden sie, ob<br />

sie den gebrauchten Computer kaufen oder<br />

ihn in der Schule zurücklassen. Während<br />

dieser drei Jahre können sie ihn als Privatcomputer<br />

benutzen, sie können ihn auch<br />

nach Hause mitnehmen. Sie haben W-LAN<br />

in der ganzen Schule und im Klassenzimmer<br />

hängt ein Beamer, der immer benutzt werden<br />

kann, d.h alle technischen Ausrüstungen<br />

sind vorhanden. Die Herausforderung ist es,<br />

dass die Lehrer ihren Unterrichtstil immer<br />

mehr den neuen Medien anpassen.<br />

An einem Beispiel möchte ich verdeutlichen,<br />

dass der Einsatz von Technologie im Klassenzimmer<br />

heute notwendig ist.<br />

Was würde passieren, wenn ein Arzt des vergangenen<br />

Jahrhunderts in einem heutigen<br />

technologisch ausgerüsteten Operationssaal<br />

operierte?<br />

Was würde passieren, wenn ein Lehrer des<br />

vergangenen Jahrhunderts in einem heutigen<br />

Klassenzimmer unterrichten sollte?<br />

Geben Sie selber darauf die Antwort, meine<br />

Absicht ist es nur, dass Sie sich selber darüber<br />

Gedanken machen und dass dieser kurze<br />

Artikel Ihnen den Anstoß gibt, neue Medien<br />

in Ihrer Unterrichtsstunde einzusetzen.<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Ramón Reyes<br />

Deutschlehrer und Informatikbeauftragter an<br />

der Deutschen Ursulinenschule in Santiago de<br />

Chile.<br />

Germanistikstudium an der Universität Freiburg.<br />

Aufbaustudium an der Universidad de Chile in<br />

der Fachrichtung Informatik.<br />

Technische und pädagogische Koordination des<br />

Projektes: ramon.reyes@csuv.cl<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

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48<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Der Fremdsprachenunterricht<br />

als alkoholfreie Kneipe<br />

Aldo Medeiros<br />

Seit fast drei Jahrzehnten lerne ich Deutsch.<br />

Ich habe mit 18 angefangen, jetzt bin ich 47.<br />

Das heißt, mehr als die Hälfte meines Lebens<br />

bewohnt die deutsche Sprache meine<br />

Gedanken. Ein fernes Gebiet voll mit Deklinationen,<br />

Verben am Ende und der ewigen<br />

Frage „der, die oder das” lässt mein Neuronennetz<br />

im ständigen Betrieb. Seit fast<br />

drei Jahrzehnten lerne ich Deutsch, und es<br />

sieht so aus, als würde ich es nie aufgeben.<br />

Von einem alten Herrn habe ich einmal gehört:<br />

„Eine Fremdsprache ist wie eine Frau<br />

- man kann sie nur lieben, aber nie beherrschen.”<br />

2<br />

4<br />

und dem englischen, das nur kurzlebig war,<br />

Nach einem ungarischen Spruch - den<br />

ich nämlich in einem Lehrwerk gefunden<br />

habe - heißt es: „Mit jeder Sprache, die man<br />

lernt, so wird man ein Mensch mehr”. Englisch<br />

hatte ich als Teenager gelernt und<br />

aus verschiedenen Gründen langsam verlernt<br />

- unter anderem vielleicht ein gewisser und<br />

in Lateinamerika weit verbreiteter Antiamerikanismus.<br />

Und dann ist, neben dem brasilianischen<br />

Ich, das in Rio geboren wurde,<br />

ein deutsches entstanden und im Lauf der<br />

Zeit immer präsenter geworden.<br />

Klischees sind die schnellste Form der interkulturellen<br />

Kommunikation, und Deutsch<br />

stellt hier sicher keine Ausnahme dar.<br />

„Deutschlehrer? Oh, as aftas ardem e doem,<br />

hemorróidas idem!” Wie oft habe ich das<br />

hören müssen, von Leuten jeden Alters und<br />

aus allen sozialen Schichten. Der uralte Witz<br />

weist einfach darauf hin, dass die deutsche<br />

Sprache für uns Brasilianer vielleicht zu viele<br />

Konsonanten in einem Wort zu haben scheint -<br />

was auch visuell festzustellen wäre. (Wobei<br />

im Gegensatz der große Übersetzer Paulo<br />

Rónai über das Portugiesische gesagt hat,<br />

kurz nachdem er in Brasilien angekommen<br />

war, er hätte den Eindruck, „die Sprache<br />

würde von Babys und zahnlosen älteren<br />

Menschen gesprochen, so viele Vokale hat<br />

sie.” Und ein Wort wie „piauiense” oder ein<br />

Satz wie „ei, ó o auê aí, ô!” kann seine Meinung<br />

nur bestätigen.)<br />

„Deutsch!?” - staunen die meisten Leute.<br />

„Hast du Verwandte oder...?” - „Nein, nein”,<br />

sage ich, „mein Vater ist aus Rio, meine<br />

Mutter aus Amazonien” - „Aber warum denn<br />

Deutsch!?” Früher konnte ich eigentlich<br />

keine richtige Anwort finden. Interesse für<br />

die Kultur, mögliche bessere Arbeitschancen<br />

- so pflegte ich zu sagen. Später - nach<br />

jahrelanger Praxis und unregelmässiger<br />

Überlegung - ist es mir eingefallen: Dadurch<br />

kann ich immer neue Leute kennenlernen<br />

und ständig über das Leben lernen. Wie ich<br />

darauf gekommen bin, das möchte ich Ihnen<br />

jetzt vorstellen.<br />

Lernt man eine Fremdsprache, so lernt man<br />

automatisch, andere Fremdsprachen zu lernen<br />

- so wird es gesagt. Deutsch war und ist<br />

immer noch für mich eine Brückensprache<br />

zu anderen Fremdsprachen.<br />

Erstens - und ich bin sicher, es ist durch das<br />

Unterrichten geschehen - zurück zum Englischen.<br />

Die unvermeidliche Brüderschaft<br />

erweist sich als nützlich, wenn man bestimmte<br />

Wörter den Schüler näher bringen will - father,<br />

mother, bread u.s.w. Und auch mit den<br />

falschen Koinzidenzen lässt sich gut spielen,<br />

z.B. „Glückwünsche zum Geburtstag, hier ist<br />

ein Gift für Sie.”<br />

Danach in Richtung Spanisch, meine unvermeidliche<br />

Brudersprache. Es gefällt mir - me<br />

gusta. Oh, mein Schatz - tesoro! Und dann<br />

vielleicht Französisch, denn das passé composé<br />

ist z.B. sehr ähnlich mit dem Partizip<br />

Perfekt.<br />

Und dann in letzter Zeit Hebräisch, denn man<br />

kann nicht über eine deutsche Kultur ohne<br />

die jüdische Kultur sprechen und umgekehrt.<br />

Denken wir einfach an Marx, Freud und Einstein,<br />

die durch die deutsche Sprache den<br />

universellen Geist des Judentums so schön<br />

zum Ausdruck bringen konnten. 3<br />

Und auch weil ich oft im Kontakt mit Leuten<br />

bin, die Portugiesisch als Fremdsprache<br />

erleben, hat Deutsch mich schließlich<br />

auf meine eigene überraschende, schöne und<br />

reiche Muttersprache aufmerksamer gemacht.<br />

Ein besonders netter Deutschlehrer hat sich<br />

z.B. einmal beklagt: „Auf Portugiesisch você<br />

bota a calça e calça a bota!” 4 . Oder was ist<br />

über die doppelte Negation zu sagen? „Eu<br />

não conheço ninguém ali - Ich kenne nicht<br />

niemanden da” - Für einen Deutschen heißt<br />

es, du kennst alle da! „Eu não sei nada -<br />

Ich weiss nicht nichts”, das heißt, du weißt<br />

alles!<br />

Sei es wegen ihrer zentralen geographischen<br />

Lage und der immer überraschenden Wege<br />

der Welteschichte (und sei es vielleicht<br />

auch wegen meiner eigenen brasilianischen<br />

Menschengeschichte), ist es der deutschen<br />

Sprache gelungen, mich auf immer neue<br />

Sprachen bzw. Kulturen aufmerksam und<br />

neugierig zu machen. Und vielleicht ähnlich<br />

wie bei den Seemännern und Bergwanderern<br />

ist jetzt meine Lieblingssprache immer die<br />

nächste.<br />

1. Ich erinnere mich an eine Sendung der Simpsons, wo die Lisa verloren durch die Straße in Deutschland geht. Ein Deutscher spricht<br />

sie an - aber „brüllend”, oder vielleicht besser gesagt „bellend”. Dann liest man im Untertitel etwas wie: „Liebes Mädchen, wie kann<br />

ich dir helfen?”<br />

2. Auf Deutsch etwa wie „Hör mit dem Zirkus auf!”<br />

3. Wahrscheinlich aus deutschsprachigem Raum stammt ein alter Witz: „Es kam einmal ein Jude und sagte, alles ist Gesetz. Später<br />

kam ein zweiter und sagte, alles ist Liebe, die Nächstenliebe. Später kam ein dritter und sagte, alles ist das Proletariat und die Revolution.<br />

Ein vierter Jude kam und sagte, alles ist Sex und Libido. Ein fünfter Jude kam und sagte „Ok, Leute, alles ist relativ.”


Deutsch hat sich mir im Lauf der Zeit auch<br />

immer häufiger als poetische Sprache vorgestellt.<br />

Die Wortschatzliste ist hier nicht<br />

bescheiden, und das teile ich sehr gerne mit<br />

den Schülern, indem ich ihnen die getrennten<br />

Wörter zuerst vorstelle, die zusammen das<br />

Komposita bilden, und dann frage: „Was soll<br />

das auf Portugiesisch heißen?” - Eifer-sucht,<br />

Fried-hof, Ehr-geiz, Ameisen-bär, Glüh-birne<br />

und vielleicht mein allerliebstes scheinheilig.<br />

Ein lustiges Spiel und schöner Exkurs<br />

im Unterricht, die zum Spazieren durch das<br />

Wörterbuch motivieren können.<br />

Und damit im Zusammenhang: Deutsch ist<br />

auch Lego, heißt meine Theorie. Man kann<br />

die Wörter aufbauen, abbauen, einbauen,<br />

umbauen oder einfach erfinden.<br />

Deutsch ist auch eine Art Pokemon, heißt<br />

ein neuer Punkt meiner Theorie. Der wird zu<br />

dem, die wird zu der, der auch zu den wird,<br />

der eigentlich die war. Schön, nicht wahr?<br />

Aber mit 6so vielen Besonderheiten, Schwierigkeiten<br />

und Attraktionen - warum lernen die<br />

Leute Deutsch? Die Frage mag ich meinen<br />

Schülern stellen und bin immer auf ihre Antworten<br />

gespannt.<br />

Neben den oft erwähnten Arbeits- und Studienzielen<br />

habe ich einmal von einer Dame<br />

etwas sehr Interessantes gehört: „Mein Arzt<br />

hat mir dazu geraten, eine Fremdsprache zu<br />

lernen, um den Kopf immer in Gang zu setzen.”<br />

Tatsächlich habe ich in der letzten Zeit immer<br />

öfters gehört oder gelesen, dass das<br />

8<br />

Fremdsprachenlernen eine wissenschaftlich<br />

bewiesene therapeutische Funktion hat.<br />

Ich riskiere weitere und tiefere Gründe vorzustellen.<br />

Manche suchen vielleicht den<br />

Sinn der Ordnung, der oft mit der deutschen<br />

Sprache bzw. Kultur verbunden ist. Andere<br />

denken, sie könnten sogar eine Logik in der<br />

Welt finden - nämlich durch die Sprache der<br />

großen Philosophen. Ist die Welt so ungenau,<br />

chaotisch und unlogisch, dann soll<br />

mindestens die Sprache als sicherer Hafen<br />

dienen. Oder nicht.<br />

Meine Klassen bestehen aus einer Konstellation<br />

der unterschiedlichsten Menschen!<br />

Ich versuche, sie kurz in alphabetischer<br />

Ordnung vorzustellen: Anwälte, Architekten,<br />

Ärzte, Beamte, Designer, Dozenten, (junge<br />

künftige) Fussballspieler, Informatiker, Ingenieure,<br />

Künstler, Lehrer, Musiker, Philosophen,<br />

Physiker, Reiseleiter, Rentner, allerart<br />

Studenten und Schüler - die, die ich vergessen<br />

habe, sollen mir verzeihen. Das führt<br />

einfach dazu, dass ich wahnsinnig viel über<br />

das Leben lernen kann. Verfassungsrecht,<br />

Medizin, Computerprogramme, akademisches<br />

Leben, Kinotipps, klassische Komponisten<br />

und neue Popgruppen, schöne Literatur,<br />

ferne Städte und Länder und so weiter.<br />

Das bringt uns zu meinem Kernkonzept -<br />

nämlich dem Fremdsprachenunterricht als<br />

alkoholfreie Kneipe.<br />

Der einzige grundsätzliche Unterschied zwischen<br />

mir und meinen Schülern liegt in der<br />

Tatsache, dass ich ein bisschen früher angefangen<br />

habe. Ich kann, darf und soll einfach<br />

mit ihnen meine Erfahrung als Fremdsprachlerner<br />

teilen. 5 Lehren heißt es daher vor<br />

allem, ständig lernen zu lernen, Fragen und<br />

Zweifel zu teilen und zusammen zu erleben<br />

- wobei die Sprache eine Art Werkzeug-Spielzeug<br />

darstellen sollte. Oder, wenn Sie mir<br />

ein Wortspiel erlauben, ein Werk-Spiel-Zeug.<br />

Ein Mittel zum Meinungsaustausch, zur<br />

Horizonterweiterung und schließlich zur<br />

Lebensbereicherung.<br />

Jeder Unterricht sollte/könnte auf diese Weise<br />

immer eine Art Konversationsunterricht<br />

sein. Sprechen zieht und aktiviert Wortschatz<br />

und Grammatik - es ist sicher keine neue<br />

Idee. Man sollte/könnte etwas hören, lesen,<br />

kurz schreiben oder ein Wiederholungsblatt<br />

in Gruppenarbeit ergänzen. Aber dann wie-<br />

der sprechen und nochmals sprechen!<br />

So oft wie möglich versuche ich auch, im<br />

Unterricht zu quatschen. Meine blöden Witze<br />

und Kommentare sind selbstverständlich<br />

nicht die besten in der Welt, aber - ich weiß<br />

nicht warum - auf Deutsch funktionieren sie<br />

4. Auf Portugiesisch botar a calça ( = die Hose anziehen) und calçar a bota ( = die Stiefeln anziehen)!<br />

5. Ich verzichte nicht auf meine Ignoranz und erlaube es mir, nicht genau zu wissen, welche die nächste Aufgabe im Unterricht sein<br />

soll. Nicht selten frage ich die Klasse: „Möchten Sie jetzt einen Dialog hören, einen Text lesen, oder, oder...?” - Und auch mich selbst:<br />

„Was machen wir jetzt?”<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

relativ gut. Quatschen ist gesund! Es schafft<br />

irgenwie eine lockere Atmosphäre, in der die<br />

Schüler freier, öfter und - das wichtigste -<br />

ohne Angst sprechen... und quatschen können.<br />

Und wenn man lacht, kann man sicher<br />

besser lernen.<br />

Ich stelle mir manchmal den perfekten<br />

Unterricht vor: ich gehe ins Zimmer, setze<br />

mich und begrüße die Schüler, „Ei, Leute,<br />

wie geht’s...schön...toll...erhlich?..hum-hum...<br />

hum-hum...na ja, es war sehr schön, kommt<br />

gut nach Haus und bis zum nächsten Mal.”<br />

Von einem deutschen Philosophen - wenn<br />

ich mich nicht irre, Immanuel Kant - stammt<br />

nämlich der Gedanke, Gott hätte die Erde<br />

rund geschaffen, damit die Menschen sich<br />

treffen können. Fremdsprachen - und in meinem<br />

Fall die deutsche Sprache - sind auf<br />

dieser Reise gleichzeitig ein günstiges<br />

Verkehrsmittel und angenehmer Treffpunkt.<br />

Und so soll es weiter bleiben, hoffe ich<br />

ehrlich.<br />

Aldo Medeiros<br />

Aldo Medeiros ist Deutschlehrer am Goethe- Institut<br />

Rio, Übersetzer, Musiker, Lyriker und Dramaturg.<br />

Nach seinem Studium der brasilianischen und<br />

portugiesischen Literatur hat er einen Magister im Bereich<br />

Philosophie der Wissenschaft abgeschlossen mit<br />

einer Dissertation über „Das Prinzip Verantwortung”,<br />

von Hans Jonas begonnen.<br />

Zur Zeit entwickelt er das Projekt MusiLyrik, durch<br />

das er deutsche Lyriker wie Hesse, Heine und Rilke<br />

vertont hat.<br />

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<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

„Deutsch” auf chilenisch<br />

Was hat der chilenische<br />

mit der deutschen<br />

Die Migration ist ein Phänomen, das die Menschheitsgeschichte<br />

in den letzten Jahrhunderten zunehmend geprägt hat. Zusammen<br />

mit den Bevölkerungsgruppen haben sich auch Kultur<br />

und Wortschatz auf die Reise begeben und sind teils verblüffende<br />

Symbiosen mit der Linguistik der neuen Heimat eingegangen.<br />

Alle informellen Smalltalks beginnen ähnlich,<br />

wenn einem anzusehen ist, dass man nicht<br />

aus dem gleichen Land kommt wie das Gegenüber.<br />

Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit<br />

wird man ziemlich bald gefragt: „Y tú, ¿de<br />

dónde eres?” In der Regel antworte ich dann<br />

wahrheitsgemäß mit „Aus Deutschland”,<br />

woraufhin die möglichen Reaktionen meines<br />

chilenischen Gesprächspartners an einer<br />

Hand abzählbar sind: „Ah, Deutschland -<br />

gutes Bier”; oder „Ah, schön, mein Opa kommt<br />

daher.” Manchmal auch einsilbig: „Schumacher”,<br />

„Mercedes Benz” oder „Rammstein”.<br />

Selten wird man auch direkt auf die dunklen<br />

Kapitel der deutschen Vergangenheit angesprochen<br />

- ein sehr viel typischeres Phänomen<br />

hingegen ist das Aufzählen bekannter<br />

deutscher Begriffe wie „Achtung”, „Das gute<br />

Bier” oder „Kuchen”.<br />

Erstgenanntes ist ja leider ein international<br />

bekannter Begriff, der mit der globalen<br />

Verbreitung derjenigen Kriegsfilme in Zusammenhang<br />

steht, in denen die meist fettleibigen<br />

und dominanten Offiziere derartige<br />

Kommandorufe von sich geben. Weit verbreitet<br />

scheint übrigens auch die Annahme,<br />

dass das Deutsche, aufgrund seiner knappen<br />

und harten Befehlsformen, die geeignetste<br />

Sprache zur Hundedressur sei.<br />

„Das gute Bier” hingegen ist der Slogan einer<br />

äußerst bekannten chilenischen Biermarke,<br />

die von einem deutschen Bierbrauer im<br />

Süden Chiles hergestellt wird und die sich in<br />

nahezu allen Supermarktketten des Landes<br />

einen festen Platz gesichert hat. Die zahlreichen<br />

Nachahmer dieses Konzepts hatten bis<br />

jetzt eher mäßigen Erfolg. Sie kann man in<br />

aller Vielfalt auf dem alljährlichen „Oktoberfest”<br />

antreffen, seltener jedoch in den Kneipen<br />

oder Kühlschränken des Landes.<br />

Das Wort „Kuchen” wiederum hat sich sogar<br />

einen festen Platz im gastronomischen<br />

Vokabular der Chilenen gesichert. In unterschiedlichsten<br />

orthographischen Varianten -<br />

von „Cuchen” über „Kucken” bis hin zu „Kujen”<br />

- ist es auf Speisekarten von Cafés und<br />

Restaurants im ganzen Land zu finden und<br />

bedeutet ziemlich genau das Gleiche wie sein<br />

deutsches Pendant. Ähnlich steht es mit dem<br />

„Strudel”, der zwar eigentlich österreichischen<br />

Ursprungs ist, dem jedoch pauschal<br />

das Etikett „deutsch” aufgestempelt wurde<br />

...<br />

Die Verbreitung des deutschen Kultur- und<br />

Sprachguts in Chile hängt mit den Einwanderungswellen<br />

im 19. und 20. Jahrhundert<br />

zusammen, in denen sich mehr als 6.000<br />

deutsche Familien im Süden des Landes<br />

niedergelassen und die Region im architektonischen,<br />

linguistischen und kulinarischen<br />

Sinne geprägt haben. Heute leben mehr als<br />

300.000 Nachkommen deutschsprachiger<br />

Einwanderer im ganzen Land verteilt. Ihr Einfluss<br />

macht sich besonders in der Gastronomie<br />

bemerkbar.


oder:<br />

Hanswurst<br />

Kleinanzeige zu tun?<br />

Während „Strudel”, „Vollkornbrot” und<br />

„Kassler” sich noch in ihrer ursprünglichen<br />

Form erhalten haben, kann man im Bereich<br />

der chilenischen Fast-Food-Industrie auch<br />

interessante Symbiosen beobachten, wie<br />

beispielsweise überdimensionale Fleischburger<br />

mit Weißkohlsalat (Chucrut) und<br />

bayrisch anmutende Würste zusammen mit<br />

einem Halbliter “Schop” frisch gezapften<br />

Bieres (vom deutschen Schoppen), die in<br />

der „Fuente Alemana” als typisch deutsch<br />

angepriesen werden.<br />

Mit den Deutschen sind jedoch nicht nur kulinarische<br />

Traditionen und Begriffe eingewandert.<br />

Ein wundersames Beispiel ist das Wort<br />

„Suche”, das sich nach einer recht frei assoziierten<br />

Neuinterpretation ins Vokabular des<br />

chilenischen Spanisch eingeschlichen hat.<br />

„Suche” („Sutsche” ausgesprochen) heißt<br />

hier der Hanswurst, der für niedere und<br />

schlecht bezahlte Arbeiten herhalten muss.<br />

Auf den ersten Blick scheint kaum ein näherer<br />

Zusammenhang mit der deutschen Version<br />

des Begriffs zu bestehen. Erkennbar<br />

wird er jedoch im historischen Kontext.<br />

Als die deutschen Einwanderer im 19. Jahrhundert<br />

den Süden besiedelten und die<br />

Grundfesten ihrer neuen Existenz errichten<br />

wollten, fehlten ihnen Arbeitskräfte für Rodungs-<br />

und Feldarbeit, sowie beim Häuserbau.<br />

Folglich hängten sie - in Ermangelung<br />

spanischer Sprachkenntnisse - deutschsprachige<br />

„Kleinanzeigen” in den Straßen und<br />

Geschäften aus, in denen es beispielsweise<br />

hieß: „SUCHE Arbeiter für Feldarbeit ...”<br />

Diese Arbeitsgesuche, in denen das erste<br />

Wort zumeist visuell hervorgehoben wurde,<br />

schien sich bei den Chilenen - die wiederum<br />

das Deutsche nicht verstanden - derart eingeprägt<br />

zu haben, dass für sie das Wort „Suche”<br />

direkt zum Synonym für die angebotene<br />

Arbeit wurde.<br />

Noch heute findet das Wort Verwendung,<br />

doch kaum einer weiß um seinen Ursprung.<br />

So haben sich in Chile ganz eigentümliche<br />

linguistische Hinterlassenschaften der<br />

deutschen Sprache festgesetzt, die weltweit<br />

einmalig und „typisch chilenisch” sind.<br />

Sophia Palmes<br />

Geboren 1984 in Greven, Deutschland. Studium<br />

European Studies ( Sozial- und Kulturwissenschaf-<br />

ten) an der Universität Osnabrück 2004 – 2008.<br />

Anschließend journalistische Arbeit in Presse und<br />

Radio. Praktika in verschiedenen entwicklungs-,<br />

sozial- und bildungspolitischen Bereichen in Sim-<br />

babwe, Kambodscha und Chile. Seit August 2008:<br />

Arbeit als Sachbearbeiterin in der Sprachabteilung<br />

des Goethe-Instituts Chile.<br />

Sophia Palmes<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

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<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

,<br />

Dank dieser Reise haben<br />

wir endlich viele Sachen<br />

und Orte gesehen, die wir<br />

nur auf Fotos und durch<br />

Bücher kannten.<br />

,<br />

Auf dem Weihnachtsmarkt<br />

Die bedeutendste Erfahrung für eine(n) DaF-Lehrer(in)<br />

Wir, Diego Alberto Torres Ayala und Carol<br />

Sánchez, Hochschulabsolventen der National<br />

Universität Kolumbiens haben dank<br />

der Mitgliedschaft im Deutschlehrerverband<br />

Kolumbiens APAC ein Stipendium des<br />

Goethe-Instituts für einen Deutschkurs in<br />

Deutschland bekommen. Das Stipendium<br />

war für uns sowohl eine Überraschung als<br />

auch die Verwirklichung eines Traums, denn<br />

das war unser erstes Mal in diesem wunderschönen<br />

Land. Dank dieser Reise haben wir<br />

endlich viele Sachen und Orte gesehen, die<br />

wir nur auf Fotos und durch Bücher kannten.<br />

Vor der Reise haben wir hier in Bogotá eine<br />

sehr gute Beratung seitens des Instituts bekommen.<br />

Dort haben uns Frau Eva Fiedler-<br />

Carvalho und Ivonne Rodríguez über die<br />

verschiedene Möglichkeiten informiert (auf<br />

Städte, Visum, Reise u.a. bezogen), damit<br />

wir die beste Entscheidung treffen konnten.<br />

Man hört, im Unterschied zu unserem Verhalten<br />

mit den Ausländern, seien die Deutschen<br />

sehr kalte und böse Leute, aber was wir dort<br />

erlebt haben, war das komplette Gegenteil.<br />

Als wir dort angekommen sind, haben wir<br />

überall freundliche und hilfsbereite Leute<br />

kennen gelernt, die uns wichtige Hinweise<br />

gegeben haben. Wir wussten nicht genau,<br />

wie man sich in einem fremden Land benehmen<br />

muss (im Sinne des Umgangs mit<br />

Menschen), da die Gewohnheiten und die<br />

Kultur im Allgemeinen sehr unterschiedlich<br />

sind.<br />

Unsere Bekannten hier in Kolumbien haben<br />

uns vor der Reise gesagt, der Winter sei keine<br />

gute Jahreszeit zum Reisen, aber wir ha-<br />

Das erste mal<br />

ben viel Spaß mit dem Schnee und der Kälte<br />

gehabt; außerdem haben wir Glühwein und<br />

Kinderpunsch probiert, Getränke, die man<br />

nur im Winter genießen kann.<br />

Als erste Erfahrung in diesem Land hat sich<br />

unser Entschluss nach Mannheim zu gehen<br />

als richtig erwiesen. Man lernt zum Beispiel,<br />

wie der Verkehr und die Verkehrsmittel<br />

funktionieren - so kennt man sich auch mehr<br />

oder weniger in den anderen Städten aus-,<br />

alles ist nah, organisiert, sauber, usw. Dort<br />

gewöhnt man sich einfach an Deutschland.<br />

Wir haben in einem Studentenwohnheim<br />

gewohnt, was eine sehr gute Gelegenheit war<br />

andere Leute kennen zu lernen. Wir haben<br />

uns sogar mit Kollegen aus vielen verschiedenen<br />

Ländern getroffen, um zusammen zu<br />

kochen und zu essen, was sehr interessant<br />

und auch lecker war.<br />

Im Institut funktionierte auch alles hervorragend.<br />

Die Studenten aus der ganzen Welt, die<br />

strenge Betrachtung des Referenzrahmens,<br />

die Materialien und die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten<br />

machten die Lernatmosphäre<br />

geeigneter für die Zwecke der Teilnehmer.<br />

(Zur Vermeidung des Kulturschocks müssen<br />

alle Leute respektvoll und rücksichtsvoll<br />

sein.) Außerdem wurde uns die Möglichkeit<br />

angeboten, an einem Kulturprogramm teilzunehmen,<br />

eine Tatsache, die eine große Hilfe<br />

dabei war, gute und dauerhafte Freundschaften<br />

zwischen den Studenten verschiedener<br />

Länder, Kulturen und natürlich auch Religionen<br />

zu schließen. Das hat sehr viel Spaß<br />

gemacht.


in Deutschland<br />

Im Laufe des Kurses haben wir viele kulturelle<br />

Aktivitäten gemacht, die uns viel über das<br />

Leben in Deutschland beigebracht haben. Am<br />

Anfang hatten wir eine Stadtführung durch<br />

Mannheim, dann haben wir wichtige Städte<br />

wie Frankfurt und Heidelberg besucht. Es war<br />

schön, die Weihnachtsmärkte und andere<br />

Sehenswürdigkeiten (Museen, Schlösser,<br />

Denkmäler u.a.) zu besichtigen. Stammtische,<br />

Eishockey, Fußball und Konzerte waren<br />

auch ein Schwerpunkt im Programm und die<br />

Studenten hatten bei diesen Erlebnissen sehr<br />

verschiedene Eindrücke.<br />

Von diesem Kurs haben wir viele Sachen<br />

gelernt. Wir nutzten diese Gelegenheit auch<br />

dazu, eine Hospitation zu machen. Wir haben<br />

nicht nur unsere Sprachkenntnisse vertieft,<br />

<strong>sondern</strong> auch als Deutschlehrer viele<br />

Strategien und Aktivitäten gelernt und die<br />

Methoden aktualisiert, weil unser Lehrer<br />

besonders kreativ war, sodass jeder Unterricht<br />

gründlich vorbereitet war. Ein Beispiel<br />

dazu ist, dass wir wichtige Begriffe (von uns<br />

selbst gesammelt) und Wortschatz zu jeder<br />

Lektion auf farbige Zettel geschrieben und<br />

an die Wände geklebt haben, damit sie nicht<br />

vergessen wurden. Auch die Gruppenarbeit<br />

war oft hilfreich. Durch solche Übungen hat<br />

unser Lehrer, Herr Dr. Niels Cartus, die Argumentation,<br />

den mündlichen Ausdruck und<br />

sogar die Sicherheit beim Sprechen gefördert,<br />

z.B. indem wir manchmal bei Rollenspielen<br />

unsere Meinungen und Standpunkte<br />

verteidigen mussten.<br />

Außerdem war das Internet ein wichtiges<br />

Werkzeug für den Unterricht: Unser Lehrer<br />

hat ein virtuelles Klassenzimmer für die Klasse<br />

geschaffen, damit wir immer in Kontakt<br />

bleiben und über verschiedene Themen diskutieren<br />

konnten. In einem Diskussionsforum<br />

haben wir Informationen über die politische<br />

Lage unserer Länder ausgetauscht, über<br />

unsere Erfahrungen in Deutschland erzählt<br />

und einen regen Briefverkehr mit Deutschstudenten<br />

in Teheran begonnen. Außerdem<br />

kommunizierten wir mit Deutschstudenten in<br />

Teheran, indem wir Briefe über das virtuelle<br />

Klassenzimmer ausgetauscht.<br />

Solche Aktivitäten haben den Kurs sehr gemütlich<br />

und interessant gemacht. Wir haben<br />

viel Gutes erfahren, genau so wie manchmal<br />

schwierige Situationen, wegen des „Kulturschocks”.<br />

Es ist nicht einfach, sich daran zu<br />

gewöhnen, immer auf das grüne Licht der<br />

Ampel zu warten, die Mülltrennung zu befolgen,<br />

im Stehen zu essen, die Ungeduld und<br />

die Eile der Leute beim Einkaufen mitzuerleben<br />

usw. Als Zusammenfassung denken wir,<br />

eine Reise nach Deutschland ist so fruchtbar,<br />

wie man es sich nur vorstellen kann.<br />

Im Goethe-Institut<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Diego Alberto Torres / Carol Sánchez Torres<br />

Diego Alberto Torres Ayala (25) und Carol<br />

Sánchez Torres (24) haben am 12. März<br />

2008 ihr Diplom als Hochschulabsolventen<br />

der Deutschen Filologie an der Universidad<br />

Nacional de Colombia bekommen. Seitdem<br />

arbeiten beide als Deutschlehrer. Diego als<br />

einziger Deutschlehrer einer Schule namens<br />

SCALAS, die zu einer deutschen Sozialstiftung<br />

gehört; und Carol als Privatlehrerin für<br />

Erwachsene und Kinder.<br />

Ihre Fortbildungspläne gehen in die Richtung<br />

Literatur, Landeskunde und DaF-Unterricht.<br />

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<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Lehrerfortbildung des<br />

Argentinischen Lehrerverbandes<br />

in Veronica, 2009<br />

MOTIVATION<br />

Rosa M. Diesel<br />

„Motivation” ist unsere innere Energiequelle,<br />

die uns Ziele erreichen lässt. Diese Energie<br />

muss täglich aufgetankt werden. Als Lehrer/In<br />

ist dies ein schwieriges Unternehmen,<br />

denn von einem Lehrer wird sehr viel erwartet<br />

... ein Lehrer soll/muss „motiviert sein”,<br />

einen interessanten Unterricht halten, moderne<br />

Materialien und Medien benutzen, Spiele<br />

im Unterricht einsetzen, Gruppenarbeit fördern,<br />

eine gute Lern- und Arbeitsatmosphäre<br />

schaffen, und ... und ... und ... Was wir alles<br />

tun sollen und müssen, um unsere Schüler<br />

zu motivieren, darüber wird viel gesprochen<br />

und geschrieben. Aber ..., was ist mit der<br />

Motivation des Lehrers ???<br />

Der Lehrer, als Mensch, ist wie eine Schnekke,<br />

er trägt immer sein Häuschen auf dem<br />

Rücken mit; darin befinden sich seine persönlichen<br />

Probleme, die Lustlosigkeit der<br />

Schüler, nörgelnde Eltern, Kollegen und<br />

Vorgesetzte, mit denen man auch Meinungsverschiedenheiten<br />

haben kann, Arbeitsmaterialien,<br />

die einen nicht ansprechen, usw.<br />

Aber, wie schon gesagt, der Lehrer „muss”<br />

motiviert sein. Das ist unerlässlich.<br />

Das Ziel meines Vortrags ist, dass wir untereinander<br />

und miteinander über unsere Probleme<br />

sprechen ... denn es ist immer gut, mit<br />

Kollegen und Kolleginnen zu reden; nur dann<br />

erfahren wir, dass alle eigentlich dieselben<br />

Schwierigkeiten haben: ein paar Tips mitnehmen,<br />

um Energie aufzutanken oder hören,<br />

was andere tun, um „motiviert” zu sein.<br />

Zuerst haben wir einen Kreis gebildet, dann<br />

haben wir uns gegenseitig einen Ball zugeworfen<br />

und dabei den Kollegen/Innen Fragen<br />

gestellt, z.B.:<br />

Es handelt sich hierbei um einen regen Erfahrungsaustausch,<br />

wobei einige sehr erfahrene Lehrer Workshops und Vorträge anbieten.<br />

• „Können Lehrer von Schülern motiviert<br />

werden?”<br />

• „Ist Gruppenarbeit ungeeignet, weil<br />

Schüler das nicht gewöhnt sind?”<br />

• „Finden Sie, dass Spiele vom Unterrichts-<br />

stoff ablenken?”<br />

• „Wie motivieren Sie sich jeden Tag?”<br />

• „Grammatik und Motivation: ist das<br />

möglich?”<br />

Natürlich kam es zu einem regen Erfahrungsaustausch.<br />

Vision - Anspruch - Ziel: Dies<br />

sollten Impulse zur „Motivation” sein ...<br />

aber aufgepasst!!<br />

Visionen sind immer gut, sie regen uns an,<br />

aber wir dürfen keine Luftschlösser bauen,<br />

sonst velieren wir den Bezug zur Realität.<br />

Ansprüche spornen auch an, sie fordern uns<br />

heraus, aber sie können auch Stress entwikkeln<br />

und uns an unserem eigenen Wert<br />

zweifeln lassen.<br />

Ziele sollen erreichbar sein, wenn möglich<br />

basiert auf kleine Schritte, die aufeinander<br />

folgen.<br />

Also, Kollegen/Innen:<br />

• Achtet auf freudvolle Visionen<br />

• legt ein Vorbild für Ansprüche an<br />

• sucht realistische Ziele aus, so erhaltet ihr<br />

Impulse, um „motiviert” zu sein<br />

Die Kollegen/Innen haben auch über verschiedene,<br />

eigene Möglichkeiten berichtet,<br />

wie sie Energie auftanken. Man hörte:<br />

- „Ich stelle mir erfüllbare Aufgaben.”<br />

- „Ich denke positiv.”<br />

- „Durch Meditation.”<br />

- „Nach einem erreichten Ziel belohne<br />

ich mich.”<br />

- „Ich gönne mir etwas Schönes”, usw.<br />

Und „belohnen” war das Wort, denn jetzt<br />

stellten wir uns wieder im Kreis, aber hintereinander,<br />

und es begann die „Wettermassage”:<br />

man streichelt und trommelt leicht mit<br />

Händen und Fingern auf dem Rücken eines<br />

Kollegen/einer Kollegin. Zuerst wie strahlender<br />

Sonnenschein, dann kommen Wolken,<br />

dann tröpfelt es und zuletzt regnet es in Strömen.<br />

Gut tat das !!<br />

Oft erledigen wir unsere Aufgaben sehr gut,<br />

aber niemand beachtet dies, also üben wir<br />

Selbstbelohnung: wir klopfen uns selbst mit<br />

der rechten Hand auf der linken Schulter und<br />

sagen: „Das hast du gut gemacht.”<br />

Ich hoffe, dass diese Übungen die Kollegen/<br />

Innen zum Nachdenken gebracht haben und<br />

sie motiviert nach Hause zuruckgekommen<br />

sind.


<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

Der argentinische Deutschlehrerverband organisiert regelmäßig für<br />

seine Mitglieder und Mitglieder aus anderen Deutschlehrerverbänden<br />

im Ausland eine Fortbildung. Der Tagungsort ist das von der Arbeitsgemeinschaft<br />

deutscher Schulen getragene Schullandheim in der Ortschaft<br />

Verónica ca. 160 km von der Stadt Buenos Aires entfernt.<br />

KOOPERATIVES LERNEN<br />

Rudolf Kemmer<br />

„Immer wieder werden heute in den verschiedensten<br />

Arbeitszusammenhängen Kompetenzen<br />

verlangt, die den erfolgreichen<br />

Umgang in sozialen Kleingruppen betonen.<br />

Team- oder Gruppenfähigkeit ist zu einer<br />

vielzitierten Schlüsselqualifikation geworden,<br />

die die Wirtschaft unmissverständlich<br />

einfordert.” (Margit Weidner 2006, 8)<br />

Die Aufforderung des Lehrers „diese Aufgabe<br />

löst ihr in Gruppenarbeit”, reicht sicher<br />

nicht aus, dass Schüler die oben geforderte<br />

Schlüsselkompetenz erlangen. Norm Green,<br />

der Gründer des „Kooperativen Lernens”<br />

entwickelte diese Methode in Kanada als<br />

Praktiker. Er erkannte, dass Schüler das Zusammenarbeiten<br />

erlernen müssen, um im<br />

Team erfolgreich arbeiten und lernen zu können.<br />

So werden die sozialen Prozesse beim<br />

kooperativen Lernen besonders geachtet<br />

und gefördert.<br />

„Der Entwicklung von der losen Gruppe<br />

zum ‘echten Team’ mit erkennbarer Identität<br />

kommt hohe Bedeutung zu. Durch vielfältige<br />

Maßnahmen und Aktivitäten wird die Eigenverantwortlichkeit<br />

für die Gruppenprozesse<br />

angebahnt und ausgebaut.” (Margit Weidner<br />

2006, 29) Norm Green entwickelte fünf<br />

Basiselemente des kooperativen Lernens:<br />

Face to face Interaktion<br />

„Die Gruppenmitglieder sind sich räumlich<br />

nahe und kommunizieren auf eine Weise, die<br />

kontinuierlichen Fortschritt fördert.” (Norm<br />

Green, Kathy Green 2007, 76)<br />

Erlernen grundlegender sozialer<br />

Fertigkeiten für die Zusammenarbeit<br />

im Team (social skills)<br />

„Interaktionsformen, die dazu beitragen,<br />

dass die Gruppenprozesse gedeihlich verlaufen<br />

(z.B. sich melden, sich gegenseitig ermutigen,<br />

einander zuhören, Hilfe anbieten, sich<br />

gegenseitig loben).” (Margit Weidner, 35)<br />

Persönliche Verantwortung<br />

„Jedes Gruppenmitglied fühlt sich sowohl<br />

für die eigenen als auch die Gruppen-Lernprozesse<br />

verantwortlich und trägt tatkräftig<br />

zur Vollendung dieser Aufgabe bei.” (Margit<br />

Weidner, 35)<br />

Positive gegenseitige Abhängigkeit<br />

„Alle Mitglieder einer Gruppe fühlen sich<br />

verbunden durch das Hinarbeiten auf ein<br />

gemeinsames Ziel. Die Gruppe insgesamt<br />

ist nur erfolgreich, wenn jeder einzelne dazu<br />

beiträgt.” (Margit Weidner, 35)<br />

Bewertung (processing)<br />

„Die Gruppenmitglieder reflektieren und<br />

bewerten ihre gemeinsamen Anstrengungen,<br />

um ihre kooperativen Kompetenzen und ihre<br />

Arbeitsstrategien stetig zu vebessern.” (Margit<br />

Weidner 2006, 35)<br />

Anhand praktischer Aufgaben und Übungen<br />

lernten die Teilnehmer/Innen diese 5<br />

Basiselemente kennen und erlebten, wie<br />

Gruppenprozesse gezielt geübt werden<br />

können. Sie erkannten, dass dieser Lernform<br />

ein Verständnis zu Grunde liegt, das<br />

darauf abzielt „Schülern zu helfen, ihr eige-<br />

nes Wissen und Können aktiv zu erwerben,<br />

während sie kooperativ mit Klassenkameraden<br />

arbeiten.” (Norm Green, Kathy Green<br />

2007, 98) Die Lehrkraft übernimmt verstärkt<br />

die Rolle des Organisators und Moderators<br />

sozialer Prozesse. Sie achtet darauf, dass<br />

anhand exemplarischer und bedeutsamer<br />

Unterrichtsinhalte gelernt wird. Sie ist sich<br />

bewusst, dass sich nicht alle Lerninhalte<br />

für eine Bearbeitung im kooperativen Gruppenzusammenhang<br />

eignen, <strong>sondern</strong> dass<br />

nur eine richtige Mischung (aus Einzelarbeit,<br />

Klassenunterricht und kooperativen Gruppenunterricht)<br />

zum Erfolg führen kann. (vgl.<br />

Margit Weidner 2006, 95)<br />

Literatur<br />

Norm Green, Kathy Green: Kooperative<br />

Lernen mi Klassenraum und mi Kollegium.<br />

Das Trainingsbuch, Seelze-Velber 2007 3.<br />

Auflage<br />

Margit Weidner: Kooperatives Lernen mi<br />

Unterricht. Das Arbeitsbuch, Seelze-Velber<br />

2006 3. Auflage<br />

D a f B r u c k e D a F B r u c k e<br />

55


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56<br />

<strong>AGPA</strong> - Chile<br />

BASTELEI:<br />

KLAPPBUCH UND LATERNE<br />

Kristl Nowald<br />

Anlässlich der Lehrertagung habe ich mir<br />

vorgenommen, mit den Kollegen etwas zu<br />

basteln.<br />

Ich bastele sehr gerne und mein Vorschlag<br />

hat viel Anklang gefunden: ein Klappbuch<br />

und eine kleine Laterne.<br />

Ein Klappbuch ist ganz einfach herzustellen.<br />

Auf den verschiedenen Streifen stehen<br />

einzelne Wörter, wie z.B. Substantive, Verben,<br />

Akkusativobjekte, und dann kann man<br />

witzige Sätze lesen.<br />

Die Laternen werden hergestellt, indem man<br />

zwei Fünfecke ausschneidet und einen langen<br />

Streifen dazwischen klebt. Dann werden<br />

zwei „Fenster” ausgeschnitten und mit Seidenpapier<br />

geschmückt, damit das Licht durchscheinen<br />

kann.<br />

PARTNERSCHULNETZ „PASCH” - WIR ARBEITEN WEITER!<br />

ADELINA IN MAINZ - MAINZ IN ADELINA<br />

Marta Heck (Fachleiterin Deutsch),<br />

Laura Ragucci (Computerbeauftragte)<br />

Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften<br />

im In- und Ausland wurden im<br />

Herbst 2008 vom Auswärtigen Amt aufgefordert,<br />

ihre internationalen Partnerschaftsprojekte<br />

in einem selbst gedrehten Video unter<br />

dem Motto „Schulen, Partner der Zukunft”<br />

zu präsentieren. Die Filme sollten nicht länger<br />

als drei Minuten dauern und wurden im<br />

Internet vorgestellt. Mit großer Begeisterung<br />

und überhaupt keiner Erfahrung in diesem<br />

Bereich haben wir uns in der Primaria-Abteilung<br />

der Adelina-Schule an die Arbeit gemacht.<br />

Es war nicht einfach, eine Partnerschule in<br />

Deutschland zu finden. Zum Glück hatten<br />

wir gerade eine Kollegin in Deutschland, die<br />

bereit war, uns bei diesem abenteuerlichen<br />

Projekt zu helfen.<br />

Nach langem Überlegen fiel uns ein, ein Videoclip<br />

über die Suche einer Partnerschule<br />

in Deutschland zu drehen, da wir gerade in<br />

diesem Prozess verwickelt waren und ihn<br />

dokumentieren konnten.<br />

Die drei-Minuten Grenze wurde zu einem<br />

Hindernis, das nicht leicht zu überbrücken<br />

war, da wir die Zeit mit unserer Partnerschule<br />

in Mainz teilen mussten und viele tolle<br />

Ideen auftauchten.<br />

Insgesamt wurden 53 Beiträge aus 48 Ländern<br />

eingereicht. Nur eine dieser Schulen<br />

befindet sich in Südamerika. Nur fünf der<br />

Videofilme wurden von Schülern aus der<br />

Primaria vorgestellt. Wenn man das alles betrachtet,<br />

ist der 4. Platz für Villa Adelina hoch<br />

anzurechnen!<br />

Es war eine große Freude für unsere Schüler<br />

mit den Schülern der Integrierten Gesamtschule<br />

Mainz-Bretzenheim Kontakt aufzunehmen,<br />

sogar mehr als das Ergebnis des<br />

Wettbewerbs. Sie haben Fotos, Videos und<br />

Information ausgetauscht. Das war aber nur<br />

der Anfang, da wir in diesem Jahr weiterhin<br />

mit unserer Partnerschule zusammenarbeiten<br />

werden, um neue Möglichkeiten der<br />

Partnerarbeit zu erforschen.<br />

Tipps zur Erstellung eines Videoclips<br />

Erfahrungen aus der Praxis, um Fehler zu<br />

vermeiden:<br />

* Man muss festlegen, wo man das Videoclip<br />

zeigen will (Internet - Kongress - Schulseite<br />

- usw.), damit man die nötige Erlaubnis der<br />

Eltern in schriftlicher Form rechtzeitig besorgen<br />

kann.<br />

Die Genehmigung der Eltern ist wichtig!<br />

* Man muss den Vorgang schriftlich registrieren:<br />

die Szenen beschreiben und die Dialoge<br />

erfinden, Gestik und Hintergrund nicht<br />

vergessen - je detaillierter diese Vorbereitung<br />

wird, desto besser.<br />

* Man soll alle nötigen Materialien vorbereiten,<br />

bevor man mit dem Aufnehmen anfängt<br />

(Schilder, Gegenstände besorgen, Hintergrund<br />

bestimmen).<br />

* Wenn es windig ist, nicht draußen aufnehmen!<br />

* Es ist leichter, eine Szene ein paar Mal aufzunehmen,<br />

als sie später mit der Software<br />

verändern zu müssen.<br />

* „Man soll Spaß daran haben. Einen Videoclip<br />

zu drehen soll keine Belastung sein.”<br />

Diese Einstellung hat uns geholfen, als wir in<br />

Schwierigkeiten geraten sind.<br />

* Die Erfahrung, die wir damit gemacht haben,<br />

war toll, und wir können nur empfehlen,<br />

es selbst mal auszuprobieren. Die Mühe<br />

lohnt sich wirklich!


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Tel./Fax +55 (11) 41 23 24 27<br />

E-Mail: berloff a@hueber.de<br />

Alle anderen Länder<br />

Claudia Harbauer<br />

Tel. +49 (0)89 96 02 231<br />

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