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Achterbahn Weltwirtschaft Stand-05-09-20

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Die Technokraten kommen – oder doch nicht? | Kapitel 7

habend wie sie selber. Das war kein Vorurteil und schon gar nicht Elitebewusstsein,

wie wir es heute verstehen; vielmehr war es eine von der

Aufklärung inspirierte Überzeugung, nur Menschen mit solchem Status

seien angemessen ausgestattet, um ein Land zu regieren.

Für den Großteil der Menschheitsgeschichte konnte die überwältigende

Mehrheit nicht lesen und schreiben. In den auf Landwirtschaft gegründeten

Ökonomien der Frühzeit wurde die Alphabetisierung des gemeinen

Volkes nicht für nötig erachtet: Bauern mussten nicht lesen und schreiben

können, um ihre Felder zu bestellen. Bildung war auch deshalb rar,

weil sie teuer war und damit für den Durchschnittsbürger unerschwinglich.

Wer begünstigt war und deshalb gebildet, hatte einen Vorsprung,

dem einfache Leute wie wir nichts entgegenzusetzen hatten. Kein Wunder,

dass gut gebildete Menschen ganz leicht in die Reihen der herrschenden

Elite aufstiegen – wenn nicht direkt zum Herrscher, dann doch zum

vertrauten Ratgeber des Herrschenden, was oft auf dasselbe hinauslief.

Karl der Große, der Frankenkönig und „römische Kaiser“, der über

den Großteil Mittel- und Westeuropas herrschte, war in seiner Jugend

Analphabet; erst als Erwachsener lernte er lesen. Das war schon eine

ziemliche Leistung, denn zu seiner Zeit waren sogar Könige in der Regel

Analphabeten. Und obwohl Karl nur sehr rudimentär schreiben lernte,

legte er auf Gelehrsamkeit doch großen Wert und umgab sich mit gebildeten

Menschen. Er förderte die Alphabetisierung in seinem gesamten

Herrschaftsgebiet, hauptsächlich durch die Kloster- und Domschulen.

Deshalb sieht man die Herrschaft Karls des Großen eng verknüpft mit

der karolingischen Renaissance, einer Neubelebung von Kunst, Religion

und Kultur. 165 In einer Zeit, in der selbst Könige kaum Zugang hatten zu

formaler Bildung, bestand die eigentliche Elite aus den gut Gebildeten.

Jahrhundertelang galt Wissen als der Weg zu wahrer Macht. Die „Wissenden“

waren klar im Vorteil gegenüber „den anderen“. Menschen mit

„Insiderwissen“ werden oft von anderen Menschen gegeißelt und verachtet,

von denen, die nicht so privilegiert sind; das geschieht nicht deshalb,

weil die Kritiker gegen Insiderwissen wären, sondern weil sie selber

nicht auf der Gästeliste stehen. Dieser Vorzug von Wissen und Bildung,

wenn es darum geht, jemanden in eine Machtposition zu bringen, wurde

von den Anfängen der Zivilisation an stillschweigend akzeptiert, auch

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