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Presseschau 05.12. - 10.12.11 Neue Westfälische Der Kämmerer ...

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<strong>Presseschau</strong> <strong>05.12.</strong> - <strong>10.12.11</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

<strong>Der</strong> <strong>Kämmerer</strong> entdeckt die „nachhaltige Konsolidierung“<br />

<strong>Der</strong> Stadtrat hat jetzt Eckdaten, die den Weg zum Haushaltsausgleich ab 2020 zeigen – und segnet<br />

sie einstimmig ab<br />

Herford (hab). Wieder einmal hat der Stadtrat einen einstimmigen Beschluss mit symbolischer<br />

Bedeutung gefasst. Er beschloss am Freitag „Eckdaten für die Haushaltsplanungen“ im Zeitraum<br />

von 2012 bis 2020.<br />

Die Eckdaten stammen aus der Kämmerei und zeigen auf, was passieren muss, wenn Herford ab<br />

2020 nicht mehr Geld ausgeben will als da ist. <strong>Kämmerer</strong> Manfred Schürkamp hat ausrechnen<br />

lassen, dass dafür „Verbesserungen“ von nicht weniger als 14 Millionen Euro nötig sind – ein<br />

Zehntel des Volumens.<br />

Verbesserungen bedeutet entweder Einsparungen oder höhere Einnahmen. Über das „Wie“ äußerte<br />

sich Schürkamp indes nicht. Er beschränkt sich ein weiteres Mal auf Appelle – mit einer Ausnahme:<br />

2015 will er eine Million Euro durch eine weitere Erhöhung der Grundsteuer hereinkommen.<br />

Nach seinem Neun-Jahres-Plan müssten 2013 die erste Million, 2014 weitere 3,5 und dann jährlich<br />

zwischen einer und drei Millionen Euro erreicht werden.<br />

Für sein Zahlenspiel hat Schürkamp einen neuen Begriff kreiert: „Nachhaltige Konsolidierung“.<br />

Allgemeine Appelle vom <strong>Kämmerer</strong> sind für die Ratsmitglieder nichts <strong>Neue</strong>s. Die CDU zeigt sich<br />

daher zunehmend genervt: „Wir wollen endlich eine konkrete Konsolidierungs-Liste vorgelegt<br />

bekommen, auf deren Grundlage wir konkret entscheiden können“, sagt ihr Fraktionsvorsitzender<br />

Wolfgang Rußkamp. Keinesfalls werde seine Fraktion einer Vorab-Steuererhöhung zustimmen:<br />

„Für die CDU kommt zuerst das Sparen, dann erst Steuererhöhungen.“<br />

Schürkamp beeilte sich zu erklären, dass eine Zustimmung zu den Eckdaten nicht zwingend auch<br />

ein Ja zu den vorgeschlagenen höheren Steuersätzen sei – wichtig sei das „Spar-Ziel“, das ja auch<br />

durch andere Maßnahmen erreicht werden könne.<br />

Die CDU blieb reserviert, ließ sich am Ende aber doch noch überreden: <strong>Der</strong> <strong>Kämmerer</strong> konnte sich<br />

am ende der Debatte über ein hundertprozentiges Ja freuen.<br />

Was das bedeutet, muss sich erweisen. „Das wird eine Herkulus-Aufgabe“, meint Horst Heining<br />

(SPD) über die Realisierung der Eckdaten. „Es ist ein Instrument, um mittelfristig auf die richtige<br />

Spur zu kommen“, urteilt Ralf Pohlmann (FDP). Auch der Schürkamp-Kritiker Herbert Even<br />

(Grüne) sprach von einer „guten Vorlage“, weil sie einen längeren Zeitraum in den Blick nehme und<br />

so etwas wie eine „Herforder Schuldenbremse“ sein könne. Die Grünen wollen mitmachen;<br />

allerdings glauben sie nicht, dass die 14 Millionen aus eigener Kraft zu schaffen sind: „Wir werden<br />

weitere externe Hilfe brauchen“, meint Even, regt aber trotzdem den Schulterschluss an: In den<br />

nächsten Jahren solle der Rat gemeinsam getragene Haushaltspläne anstreben.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Montag 05. Dezember 2011


<strong>Der</strong> Klüngel mag weiter gehen<br />

Überaus kritisch setzt sich dieser Leser mit dem „Kirmeskompromiss (NW vom 3. Dezember:<br />

„Kirmesstreit ist beigelegt“) auseinander:<br />

Es trat also ein, was schon zu befürchten war. 17.000 Euro – welcher sozialen Einrichtung wird<br />

gerade diese Summe am Ende fehlen? 45.000 Euro für die Umstellung der Verkehrssignalanlagen –<br />

schon längst keine Kleinigkeit mehr – wo werden die schon längst bereitliegenden Bleistifte zur<br />

weiteren Kürzung angesetzt?<br />

Im Bereich Jugend, Kinder, Soziales? Im Bereich Kultur? Man darf gespannt sein.<br />

„Aber für den kommenden Hansetag ist das ohnehin nötig!“ ist zu lesen. Gegenfrage – wer braucht<br />

in diesen Zeiten klammer Kassen und drohender Haushaltssicherung einen Hansetag in Herford?<br />

Ein Marketinginstrument der Tourismusindustrie – nicht mehr, nicht weniger.<br />

Geschichtsreiche Hansestadt? Das Stück wird anderswo gegeben.<br />

Wie wäre es – nur beispielsweise – der Rat der Stadt Herford fasste einen weiteren Beschuß.<br />

Einstimmig würde er beschließen, sich der Aktion „Save Me“ („Rette micht“) wie bislang 45 andere<br />

Kommunen – von Aachen über Dresden, Rostock, Schwerin, Mannheim, Vlotho bis hin zu<br />

Waiblingen – anschließen unter gleichzeitigem Verzicht auf die Hansetage, unter Verzicht auf eine<br />

überdimensionierte Osterkirmes?<br />

300.000 Gäste in neun Kirmestagen. Macht ca. 33.000 Besucher pro Veranstaltungstag. Wo lebt der<br />

Mann, der diese Zahl nannte? Wie sehen die – nach Duisburg – verschärften Sicherheitspläne bei<br />

einer solchen Besucherprognose aus?<br />

Wo im übrigen sind die Umleitungsstrecken geplant – vielleicht einmal mehr mit den Linienbussen<br />

durch die Schillerstraße – über die teilgesperrte Brücke über die Aa?<br />

Fragezeichen, unbeantwortete Fragen und ein einstimmiger Beschluß. <strong>Der</strong> Herforder Klüngel mag<br />

weitergehen. <strong>Der</strong> Beobachter wendet sich mit Grausen. Alexander Kickert<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Montag 05. Dezember 2011


Pachtmodell auf dem Prüfstand<br />

Bürgermeister Wollbrink bringt sein Modell für den künftigen Betrieb des Stromnetzes im Rat ein<br />

VON HARTMUT BRAUN<br />

Herford. Am Freitag im Stadtrat wurde die „Stromnetz-Frage“ noch von der Aufregung um die<br />

Osterkirmes verdrängt. Doch jetzt beginnt die öffentliche Debatte darüber, wer in Herford die<br />

elektrische Energie in Haushalte und Industriegebiete bringt – und wer daran verdient.<br />

„Es ist die vielleicht wichtigste Entscheidung dieser Legislaturperiode“ führte Bürgermeister<br />

Wollbrink ins Thema ein. Tatsächlich geht es um viel – um viel Geld, um die Energiewende, um<br />

Einfluss, Arbeitsplätze und die Rolle der Konzerne in der Energieversorgung von morgen.<br />

„E.on schaut mit Sorge auf diese Region“, stellte der Berliner Rechtsanwalt Wolfram von<br />

Blumenthal (Kanzlei Becker, Büttner, Held, BBH) eingangs fest. Er begleitet die Herforder in<br />

diesem Entscheidungsverfahren, hatte zwei Stunden in nichtöffentlicher Sitzung berichtet und<br />

sprach nun – kürzer als er wollte – für die Allgemeinheit.<br />

Eigentlich arbeitet seine Kanzlei BBH für Stadtwerke, die das Stromnetz von großen Konzernen<br />

übernehmen und in eigener Regie betreiben wollen. In Herford findet die Kanzlei sich in einer<br />

anderen Rolle wieder: Ihre Mandantin will den Multi E.on gar nicht ausschalten – sondern als<br />

Minderheitspartnerin in einer Netz-Besitzgesellschaft und dann als alleinige Betreiberin auf der<br />

Grundlage eines Pachtmodells im Spiel halten. Blumenthal war das Ungewohnte dieser Rolle<br />

anzumerken. In Herford gehe es in Sachen Stromnetz darum, „ein Modell zu finden, dass genauso<br />

attraktiv ist, als wenn man es selbst betreibt“, formulierte er.<br />

Später spitzte er es noch klarer zu: Durch das in Herford vom Bürgermeister bevorzugte Modell<br />

würden nicht alle, aber „sehr, sehr viele“ (Blumenthal) sich aus dem Netzbetrieb ergebenen<br />

Chancen genutzt – ausdrücklich nicht alle.<br />

Über den Charakter dieser Chancen gab es in öffentlicher Sitzung wieder einmal nur Andeutungen:<br />

Es gehe um die von der Regulierungsbehörde erlaubte Kapitalverzinsung, aber auch um die<br />

Vermietung eines sonst leer stehenden Bürogebäudes, gemeint ist der Elsbach-Bau. Außerdem sei<br />

zu beachten, dass Herford Gesellschafter der E.on-Regionaltochter sei.<br />

Solche Argumente haben den Bürgermeister bewogen, früh auf die „Pacht-Lösung“<br />

einzuschwenken, die seit den Sommerferien von E.on-Vorstand Michael Heidkamp propagiert wird.<br />

Heidkamp genießt in Herford einen exzellenten Ruf, man vertraut ihm, auch wenn er die Interessen<br />

der anderen Seite vertritt. Damals schien es noch, als wolle Herford, wie viele andere deutsche<br />

Kommunen, die konsequente Rückführung der Stromverteilung in kommunale Trägerschaft. Doch<br />

es gelang Heidkamp, mit der Pacht-Konstruktion und weiteren – der Öffentlichkeit unbekannten –<br />

Zugeständnissen den Trend zu stoppen: <strong>Der</strong> Bürgermeister rückte von der „Rekommunalisierung“<br />

ab. Stadtwerke-Chef Detlef Jeretzky folgt ihm loyal. Auch in den großen Ratsparteien findet<br />

Heidkamps Modell zunächst Unterstützung. Ene Ratsdebatte gab es Freitag noch nicht. Erst einmal<br />

ist die kritische Öffentlichkeit am Zug: Noch in diesem Jahr will Wollbrink sich der Anti-Atom-<br />

Initiative stellen.<br />

¦Zwischenruf<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Dienstag 06. Dezember 2011


Warnschilder für Radler am Steintorwall<br />

Panoramaspiegel könnte Übersicht verbessern<br />

Herford (toha). Die Situation rund um die Unterführungen am Steintorwall und unter der<br />

Bahnhofstraße ist verzwickt. Nach der Umgestaltung des Walls müssen sich Fußgänger und<br />

Radfahrer die Verkehrsfläche teilen, lediglich an der Rampe gibt es Fahrbahnmarkierungen.<br />

NW-Leser Dr. Michael Baldzuhn hat die Stadtverwaltung auf die Gefahrenstelle aufmerksam<br />

gemacht, die NW hat nachgefragt.<br />

Rüdiger Christensen von der Abteilung Bürgerservice, Sicherheit und Ordnung, sagt dazu: „Es<br />

erscheint nicht sinnvoll, weitere Markierungen anzubringen, denn Radler und Fußgänger treffen aus<br />

drei Richtungen aufeinander. Sinnvoll hingegen ist das Aufstellen von Schildern, die Radler auf die<br />

Gefahr eines Zusammenstoßes hinweisen.“<br />

Die Schilder sind in Auftrag gegeben und sollen an allen vier Zufahrten aufgestellt werden. „Wir<br />

haben damit an der Unterführung Bergertor/Lübbertor gute Erfahrungen gemacht“, sagt<br />

Christensen.<br />

Dort hatten sich innerhalb der vergangenen drei Jahre sechs Unfälle mit vier schwer verletzten<br />

Radfahrern ereignet. Das sagt die Statistik der Kreispolizeibehörde aus. Polizeihauptkommissar<br />

Peter Korte ist dort zuständig für Verkehrssicherheit.<br />

Er hält die Idee für überlegenswert, am Steintorwall gegenüber der Unterführungs-Ausfahrt aus<br />

Richtung Bahnhofszeile, einen Panoramaspiegel aufzustellen. „Wir müssen das vor Ort noch<br />

überprüfen“, sagt er. Grundvoraussetzung für mehr Sicherheit sei jedoch, dass vor allem die<br />

Radfahrer den Bereich mit einer reduzierten Geschwindigkeit befahren. <strong>Der</strong> Bereich Steintorwall<br />

sei bislang nicht als Unfallschwerpunkt in Erscheinung getreten. „Wir haben innerhalb von sechs<br />

Jahren fünf Unfälle mit jeweils einem leicht Verletzten registriert.“<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Dienstag 06. Dezember 2011


Philharmonie: Bürgermeister hält Insolvenz für möglich<br />

In seinem Bericht an den Stadtrat setzt Bruno Wollbrink alle Hoffnung auf die ostwestfälischen<br />

Landräte<br />

Herford (hab). In einem Bericht an den Stadtrat hat Bürgermeister Bruno Wollbrink sich<br />

zuversichtlich gezeigt, dass im nächsten Jahr eine neue Trägerstruktur für die Nordwestdeutsche<br />

Philharmonie (NWD) gefunden wird. Doch sicher ist er sich nicht.<br />

Er setze auf die ostwestfälischen Landkreise, betonte Wollbrink, der auch Vorsitzender des<br />

Trägervereins ist. Dieser Verein, aus dem zuletzt mehrere Kommunen ausgetreten sind, soll durch<br />

eine gemeinnützige GmbH abgelöst werden.<br />

Für den Fall, dass die neue Struktur nicht gelingt, sieht der Herforder Bürgermeister allerdings<br />

schwarz. 2012 sei die Finanzierung des Orchesters noch gesichert. Ab 2013 gebe es jedoch in der<br />

alten Struktur keine gesicherte Finanzierung mehr. „Dann bliebe mir als Vorsitzendem nur die<br />

Möglichkeit, die Insolvenz anzumelden“, sagte er vor dem Stadtrat. Dies sei keine leere Drohung,<br />

sondern eine konkrete Option, fügte er auf Nachfrage eines Ratsmitglieds hinzu.<br />

Wollbrink bekräftigte die besondere Verantwortung Herfords als Trägerkommune. Die Stadt könne<br />

jedoch nicht allein und auch nicht überwiegend die finanzielle Last für das in ganz OWL auf hohem<br />

künstlerischen Niveau aktive Landesorchester übernehmen.<br />

Zuletzt hatten die Orchestermusiker sich zum Verzicht auf Teile ihres tariflichen Einkommens bereit<br />

gefunden. Kein deutsches Orchester erwirtschaftet einen so hohen Teil seiner Kosten wie das<br />

Herforder. Einsparungen bis zu 60.000 Euro sollen durch wechselseitige Inanspruchnahme von<br />

Aushilfsmusikern mit dem Orchester des Landestheaters Detmold erzielt werden. Doch das alles<br />

wird nicht ausreichen. Die Hoffnung liegt nun auf den Landräten um den Lipper Friedel Heuwinkel:<br />

Er gilt als energischer Vorkämpfer für die „Nordwestdeutsche“.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Dienstag 06. Dezember 2011


Kandidat aus dem Kreis fürs Präsidenten-Amt<br />

Wilhelm Brüggemeier will 43.000 Landwirte vertreten<br />

Kreis Herford (jwl). Ein Landwirt aus dem Kreis Herford könnte zukünftig als Präsident dem<br />

Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) vorstehen, der die Interessen von rund<br />

43.000 Landwirten in Westfalen-Lippe vertritt.<br />

Wie jetzt bekannt wurde kandidiert Wilhelm Brüggemeier, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen<br />

Kreisverbandes Herford, gegen den Borkener CDU-Bundestagsabgeordneten Johannes Röring um<br />

die Nachfolge von WLV-Präsident Franz-Josef Möllers.<br />

Möllers legt sein Amt im Mai 2012 aus Altersgründen nieder. <strong>Der</strong> CDU-Bundestagsabgeordnete<br />

Röring ist Landwirt in Borken, einem Gebiet mit einem hohen Viehbestand.<br />

Ähnlich wie die Region Weser-Ems in Niedersachsen gilt Borken als besonders starke<br />

Veredlungsregion innerhalb des Münsterlandes. Es wird damit gerechnet, dass sich die<br />

Kreisverbände aus dem Münsterland für Röring aussprechen, während die Ostwestfalen und Lipper<br />

für Brüggemeier votieren werden.<br />

Als unklar gilt die Positionierung der Landwirtschaftlichen Kreisverbände aus dem südlichen<br />

Westfalen, deren Votum als entscheidend gilt.<br />

Als wichtiger Faktor in der Kandidaten-Frage gilt das Bestreben vieler Landwirte, die<br />

parteipolitische Unabhängigkeit des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes zu erhalten.<br />

Über die Nachfolge wird im Mai entschieden.<br />

Wilhelm Brüggemeier ist 57 Jahre alt, und bewirtschaftet einen Hof mit Ackerbau,<br />

Milchviehhaltung und Schweinemast in Enger.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


Städte kooperieren bei Beihilfe und Bußgeld<br />

Kandidatenliste für kommunale Kooperation<br />

Herford (hab). Bürgermeister Bruno Wollbrink bekennt sich zu mehr interkommunaler<br />

Zusammenarbeit – über Kreisgrenzen hinweg. Schon bald könnten die Herforder Aufgaben wie<br />

Bußgeldstelle-Innendienst und Beihilfe an die Stadt Bielefeld delegieren.<br />

Auch bei der Erfüllung anderer Verwaltungsaufgaben suchen die Herforder Partner, mit deren Hilfe<br />

sich die Kosten senken oder die Wirtschaftlichkeit erhöhen lassen. Außerdem droht den Kommunen<br />

mittelfristig Fachkräftemangel, wie die im Bürgermeisterbüro mit dem Thema befasste Petra<br />

Stender betont.<br />

In einem Bericht an den Rat nennt Wollbrink als weitere Kandidaten für interkommunale<br />

Zusammenarbeit „Buchhaltung, Vollstreckung, Forderungsmanagement, Rechnungsprüfung,<br />

Außendienste, Rechnungs- und Vergabestellen“.<br />

Konkrete Ergebnisse hat er allerdings noch nicht vorzuweisen. Wollbrink versicherte, dass der<br />

Personalrat über jeden Schritt informiert werde. Auch die Bezirksregierung ist in die Verhandlungen<br />

eingebunden.<br />

Offenbar haben die Herforder die Hoffnung aufgegeben, innerhalb des Kreises Herford<br />

voranzukommen. Jetzt konzentriert man sich auf die größeren Städte.<br />

Spätestens ab 2013 sollen die ersten Verträge unter Dach un d Fach sein.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


Blumen, Tränen und ein Vergleich mit Gold<br />

Am Montagabend ehrte die Stadt im Haus unter den Linden neun Einzelpersonen und drei Gruppen<br />

für ihr ehrenamtliches Engagement<br />

VON MEIKO HASELHORST<br />

Herford. Bürgermeister Bruno Wollbrink machte einen interessanten Vorschlag: „Gehen Sie mal<br />

über den Markt und suchen Sie fünf Leute, die etwas zu meckern haben – das wird ganz leicht<br />

sein“, sagte er in seinem Grußwort ans Publikum. „Und dann gehen Sie mal über den Markt und<br />

suchen Sie fünf Leute, die sich für eine gute Sache engagieren – das wird ungleich schwerer.“ Am<br />

Montagabend im Haus unter den Linden (HudL) gab es von dieser nicht allzu häufigen Sorte<br />

Mensch allerdings reichlich.<br />

Drei Gruppen und neun Einzelpersonen wurden von Einrichtungsleitern, Vereinsvorsitzenden und<br />

von der Stadt Herford für ihr Ehrenamt ausgezeichnet – als „Vorbilder im Ehrenamt für das Jahr<br />

2012“.<br />

Sehr emotional war die Auszeichnung von Franz Gindera durch Gabriela Hofmann,<br />

Einrichtungsleiterin des Heinrich-Windhorst-Hauses. „Wir haben Herrn Gindera kennengelernt, als<br />

seine Ehefrau zu uns in die Pflege kam“, erzählte Hofmann. „Es dauerte nicht lange, da war er aus<br />

der Wohngruppe nicht mehr wegzudenken – er half einfach überall, wo Hilfe nötig war.“ Als Frau<br />

Gindera starb, so Hofmann, sei man auch traurig gewesen, weil man glaubte, den liebgewonnenen<br />

Franz Gindera als gute Seele der Wohngruppe zu verlieren. Doch Gindera machte weiter – bis heute<br />

stellt er sich ehrenamtlich in den Dienst der hilfsbedürftigen, größtenteils dementiellen Senioren.<br />

Gindera selbst war nicht der einzige unter den Anwesenden, der angesichts dieser Geschichte<br />

glasige Augen bekam.<br />

Weitere geehrte Einzelpersonen waren Rita und Armin Müller für ihr Engagement im Deutschen<br />

Kinderschutzbund, Marita Kleigrewe für ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Jugendzentrum Tott, Hans<br />

Köhler vom Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt Elverdissen, Brigitte Fischer für ihr Engagement in<br />

der Herforder Selbsthilfe, Irmgard Engel, die jugendliche Strafgefangene betreut, und Klaus<br />

Umbeck und Ann-Sophie Schormann, die sich mit ihren über 80 Jahren in den Dienst der Herforder<br />

Tafel stellen.<br />

Die geehrten Gruppen waren die HudL-Senioren „Wir für uns“, der Verein „Karlsson“ und die<br />

allseits bekannten Lesepaten. „Wir für uns“ – das waren einige Senioren, die im Jahr 1998 für<br />

Ältere da sein und ihnen bei individuellen Sorgen unterschiedlicher Art zur Seite stehen wollten.<br />

<strong>Der</strong> Verein Karlsson hat sich auf die Fahnenstangen geschrieben, etwas gegen Kinderarmut zu tun<br />

und dafür Familien mit geringem Einkommen zu unterstützen. Die Lesepaten sind so etwas wie die<br />

Märchenonkel und -tanten der Herforder Stadtbibliothek, lesen ab und an aber auch in anderen<br />

Einrichtungen aus Büchern vor, um Kindern Lust aufs Lesen zu machen.<br />

Bürgermeister Wollbrink bedankte sich auch bei Dankwart Bredt und seiner Gruppe Emma<br />

(„Ehrenamt macht Menschen aktiv“), die seit fünf Jahren die Auswahl und Ehrung der Vorbilder im<br />

Auftrag der Stadt organisiert. Auch auf die Gruppe Emma trifft zu, was der Bürgermeister so<br />

formulierte: „Ihr Engagement für andere Menschen ist ein einzigartiger Reichtum unserer Stadt, der<br />

nicht mit Gold aufgewogen werden kann.“ Ein Reichtum, der auf jedem Markt schwer zu finden ist.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


<strong>Der</strong> Winter kann kommen<br />

Kreisbauhof zeigt sich bei FDP-Besuch gut gerüstet<br />

Kreis Herford (ls). Beim Besuch der FDP-Kreisfraktion im Bauhof zeigte sich der Leiter der<br />

Kreisbauhöfe, Andreas Kleineberg, zufrieden mit seiner Ausrüstung. <strong>Der</strong> Fuhrpark sei gut<br />

ausgestattet und Streusalz sei genug vorhanden.<br />

Die Einrichtung in Dünne ist zusammen mit Vlotho und Enger für Kreisstraßen mit einer<br />

Gesamtlänge von 750 Kilometern im Kreis Herford zuständig. Einzelne Städte und Gemeinden<br />

haben zudem eigene Bauhöfe. Seit Jahren sei interkommunale Zusammenarbeit Praxis. Das heißt,<br />

dass der Kreisbauhof sich im Winter nicht nur für Kreisstraßen verantwortlich sehe, sondern auch<br />

städtisch betriebene Fahrbahnen von Schnee und Eis befreie.<br />

1.100 Tonnen Streusalz stünden dem Kreisbauhof dafür zur Verfügung. Bis zu 400 Tonnen könnten<br />

dazu auf einmal in den Hallen in Dünne einlagern.<br />

Werden die Vorräte knapp, sei der Salzlieferant dazu verpflichtet, innerhalb von 24 bis 72 Stunden<br />

den Bestand wieder aufzustocken. Auch Gemeinden könnten davon profitieren, denn prinzipiell sei<br />

es möglich, auch ihnen Streusalz abzugeben. Nur hätten Kreis- und Landstraßen Priorität.<br />

Auch die Wartung des Fuhrparks laufe gut. Es stünden genug Gelder zur Verfügung, um Fahrzeuge<br />

zu reparieren und Baumittel kaufen zu können. „Das ist wichtig“ sind sich Kleineberg und Adalbert<br />

Janzen, Leiter der Bünder Kreisbauhofstelle einig, „denn Sicherheit im Verkehr, sowie für unsere<br />

Mitarbeiter hat Priorität.“ Zwar sei nicht in jedem der Bauhöfe die gesamte Flotte an Streuern und<br />

Baumaschinen vorhanden, der Austausch untereinander funktioniere aber gut.<br />

Regelmäßig prüften die Straßenbauer die Fahrbahnen auf Griffigkeit. Haarrisse könnten mit<br />

„U60K“ repariert werden, einem Klebstoff, der die kaputten Asphaltstellen zusammenkittet. Um das<br />

Mittel vor dem Verkehr zu schützen, werde Rollsplitt darüber gelegt. „Das ist zwar für Auto- und<br />

Motorradfahrer unangenehm, aber eine gute Alternative zu aufwendigen Reparaturarbeiten“, so<br />

Kleineberg.<br />

Löcher könnten nach einer Meldung innerhalb von 24 Stunden mit einem Kaltmischgut gestopft<br />

werden. Je früher man sie repariere, desto geringer sei der Aufwand.<br />

„Das ist wie beim Zahnarzt“, schmunzelt Kleineberg. Die Oberschicht werde abgefräst,<br />

Schlaglöcher mit Kies gestopft und anschließend mit einer neuen Oberschicht versehen. Diesen<br />

Vorgang könne man bis zu drei Mal wiederholen, bevor die Fahrbahn kostenintensiv und mit<br />

Anliegerbeteiligung vollsaniert werden müsste.<br />

Die FDP-Kreisfraktion zeigte sich zufrieden. Fraktionsvorsitzender Stephen Paul möchte sich auch<br />

in Zukunft für den Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit der Bauhöfe einsetzen. <strong>Der</strong><br />

Fraktion sei es wichtig gewesen, sich vor Einbruch der Winterzeit über die Lage beim Bauhof zu<br />

informieren.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


Das vergessene Bündnis<br />

Ulrike Warnecke drängt mit einer Ratsanfrage auf Belebung einer Familien-Initiative<br />

VON HARTMUT BRAUN<br />

Herford. Die Erwartungen waren hoch, als Bürgermeister und Sozialdezernentin sich vor drei<br />

Jahren in Herford anschickten, ein „Bündnis für Familien“ zu schmieden. Doch seither hat man<br />

nicht viel über diese Initiative gehört, klagt die Herforderin Ulrike Warnecke. In einer Ratsanfrage<br />

wollte sie jetzt wissen, woran das liegt.<br />

Erste Ansprechpartnerin wäre die Sozialdezernentin gewesen. Doch diese Position im Herforder<br />

Rathaus ist seit einem dreiviertel Jahr unbesetzt. So musste Allzweckwaffe Dieter Wulfmeyer,<br />

Leiter der Wirtschaftsförderung, in der letzten Ratssitzung auf Warneckes unbequemen Fragen<br />

antworten.<br />

Wulfmeyer erinnerte sich an die Auftaktveranstaltung für ein „lokales Bündnis für Familie in<br />

Herford“ bei Poggenpohl im Mai 2008 – und dann an keine spezifischen Bündnis-Aktivitäten mehr.<br />

Es gebe kein „festes Modell“ für solcherlei Bündnisarbeit, sagte er und die Stadtverwaltung habe es<br />

nie als ihre Aufgabe angesehen, als Erster unter Gleichen zu steuern. Sie verstehe sich hier nur<br />

„Dienstleister im Rahmen ihrer bestehenden Arbeitsbereiche“ wie etwa der Wirtschaftsförderung,<br />

die sich für Kinderbetreuung in Unternehmen stark gemacht habe.<br />

Einen Ansprechpartner für Bündnisfragen im Rathaus gebe es nicht – wegen Personalknappheit sei<br />

eine Koordinierungsrolle nicht angezeigt gewesen, berichtete der Wirtschaftsförderer.<br />

Das wusste die Fragerin allerdings besser: Auf der städtischen Homepage sei lange Zeit eine<br />

Kontaktperson angegeben gewesen; auch dem überregionalen Bündnis sei ein Ansprechpartner<br />

genannt worden, sagte Frau Warnecke.<br />

Sie verweist auch darauf, dass in anderen Kommunen das Thema „Bündnis für Familien“ ernster<br />

genommen worden sei – und wünscht sich diese Ernsthaftigkeit auch in Herford. Damit steht sie<br />

nicht allein: Auch an der Gründung beteiligte Firmen wunderten sich darüber, dass die Idee in<br />

Herford nicht mit Leben gefüllt wurde.<br />

Zumindest der Bürgermeister hat Verständnis dafür: <strong>Der</strong> neue Sozialdezernent werde sich mit<br />

diesem Thema befassen, künftige Bruno Wollbrink an.<br />

<strong>Der</strong> heißt Georg Robra, kommt im Januar – und es zeichnet sich ab, dass von Anfang an richtig viel<br />

Arbeit auf ihn zu kommt.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


JUSA nimmt Abschied von „Die 9“<br />

<strong>Der</strong> 16. Dezember ist der letzte vom Verein gestaltete Öffnungstag / Einladung auch an Ehemalige<br />

Herford (hab). Ein Verein verabschiedet sich. 13 Jahre lang hat der Verein für Jugend- und<br />

Sozialarbeit JUSA e.V. Auf der Freiheit offene Jugendarbeit geleistet – mit vielen Ideen und<br />

Überstunden, viel Herzblut und ehrenamtlichen Schwung. Jetzt zieht er sich zurück. Doch der<br />

Abschied soll nicht sang- und klanglos sein.<br />

<strong>Der</strong> 16. Dezember ist der letzte Öffnungstag, den JUSA in dem Jugendzentrum gestaltet. An diesem<br />

Tag laden Geschäftsführung und Vorstand ab 16 Uhr zu einer Fete. „Wir freuen uns auf alle – auch<br />

die, die schon vor der Jusa-Ära das städtische Jugendzentrum besucht haben“, sagt Dieter Schnelle.<br />

Für die gibt es einen zweiten Anlass: Schnelle übernimmt eine neue Aufgabe – und mit ihm<br />

verabschiedet sich der letzte Mitarbeiter aus den Anfangszeiten <strong>Der</strong> 9.<br />

Es ist ein Abschied nicht ohne Zorn. Ausgelöst wurde er durch Vorwürfe gegen den Verein, dessen<br />

Akteuren nach internem Streit Unregelmäßigkeiten und Kompetenzmangel vorgeworfen wurde –<br />

ohne jede ernsthafte Grundlage, wie seine Akteure unter Berufung auch auf die kürzlich dem<br />

Rechnungsprüfungsamt vorgelegten Berichte betonen.<br />

Die Vorwürfe werde man nicht auf sich sitzen lassen, heißt es in dem Schreiben. Doch am letzten<br />

Tag soll die Freude über schöne Stunden und erfolgreiche Aktivitäten im Vordergrund stehen.<br />

Schnelle und seine Mitstreiter erwarten ein richtiges Familienfest – mit ehemaligen und aktuellen<br />

Besuchern, mit Eltern, Großeltern, Freunden – und auch den Kindern früherer Besucher. Man soll<br />

alte Fotos und Videos mitbringen, alte Bekannte treffen und in Erinnerungen schwelgen – an die<br />

guten Zeiten des städtischen Jugendzentrums mitten im Zentrum. In der Einladung ist auch der<br />

Hinweis enthalten, wie es weiter geht in Die 9: Ab dem 2. Januar übernimmt die Arbeiterwohlfahrt<br />

das Haus·<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Mittwoch 07. Dezember 2011


Ruhe an der Gebührenfront<br />

Trotz Alt-Schulden beschließt der Stadtrat stabile Entgelte für Straßenreinigung<br />

Herford (hab). Nach zwei Erhöhungen 2010 und 2011 bleiben die Straßenreinigungsgebühren im<br />

nächsten Jahr in Herford stabil – anders als in vielen Nachbarkommunen.<br />

<strong>Der</strong> Stadtrat hat jetzt einstimmig eine Neufassung der Satzung für 2012 mit den alten<br />

Gebührensätzen beschlossen. Er folgte damit einem Vorschlag der Bauverwaltung.<br />

Herforder Grundstückseigner zahlen danach für den Winterdienst je Frontmeter unverändert<br />

zwischen 2,27 und 3,88 Euro. Fürs wöchentliche Fegen normaler Straßen wird eine Gebühr<br />

zwischen 1,82 und 1,92 Euro je Frontmeter erhoben.<br />

Allerdings schiebt die städtische Straßenreinigung einen Schuldenberg von rund 600.000 Euro vor<br />

sich her. <strong>Der</strong> ist in dem extremen Winter 2010 aufgehäuft worden, als mit 68 fast doppelt so viele<br />

Winterdiensteinsätze wie geplant zu finanzieren waren.<br />

Nach einer neu geplanten NRW-Regelung haben die Kommunen allerdings vier Jahre Zeit, Defizite<br />

in den Gebührensatzungen abzutragen. So entschied man sich nach zwei Erhöhungen für ein Jahr<br />

Stabilität – auch in der Hoffnung, dass milde Winter den Gebührenhaushalt entlasten. Zur<br />

Erläuterung: Die Kosten für Straßenreinigung und Winterdienst werden zu hundert Prozent über<br />

Gebühren von den Grundstückseigentümern getragen.<br />

Für das Jahr 2011 scheint die Rechnung der Gebührenplaner aufzugehen: Sie hatten mit 38<br />

Winterdiensteinsätzen geplant, von denen jedoch bis Ende März erst sieben erforderlich waren.<br />

Auch der neue Winter verläuft bislang ungewohnt mild. Dazu kommt, dass die städtische<br />

Servicegesellschaft SWK GmbH ihre Preise gesenkt hat, nachdem sie ihre Kapazitäten mit<br />

Privataufträgen besser auslasten konnte.<br />

Mit jedem schnee- und frostfreien Tag verbessert sich jetzt die Aussicht auf einen Überschuss, mit<br />

dem die Alt-Schulden getilgt werden können.<br />

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09 - Herford, Donnerstag 08. Dezember 2011


Grundsatzpapier zum Kreishaushalt<br />

CDU und SPD schieben Spardebatte an<br />

VON THOMAS HAGEN<br />

Kreis Herford. Sparzwang und Verlässlichkeit: Überraschend haben gestern die beiden größten<br />

Fraktionen im Kreistag ein mit der Kreisverwaltung abgestimmtes Grundsatzpapier über die<br />

Leitlinien beim nächsten (Doppel-)Haushalt 2013/14 im Kreisausschuss vorgelegt.<br />

„Das soll ein Impuls für eine offene Diskussion sein – und ein klares politisches Signal an die<br />

Kommunen“, sagten SPD-Fraktionschef Hans Stüwe und sein christdemokratischer Kollege<br />

Christoph Roefs unisono. Ein wichtiger finanzpolitischer Eckpunkt ist die Kreisumlage.<br />

Nach dem Willen von SPD und CDU soll sie bis Ende 2014 stabil bleiben – nicht steigen. Daran<br />

äußerten Ingeborg Balz (Grüne) und Eckard Gläsker (Freie Wähler) postwendend Zweifel.<br />

Überhaupt stecke im Papier „eine Menge Sprengstoff“, sagte Gläsker. Den machte er speziell in<br />

Sachen mögliche Insolvenz der Nordwestdeutschen Philharmonie aus. Für Hans Stüwe Anlass zur<br />

Aussage: „<strong>Der</strong> Kreis Herford wird weiterhin seinen Verpflichtungen nachkommen. Wir sind<br />

verlässlich.“<br />

Bessere Planbarkeit will der Kreistag für die Empfänger freiwilliger Leistungen schaffen. Hier sagt<br />

das Papier, dass die vertraglichen Leistungen fortgesetzt werden, wenn diese auch erbracht wurden.<br />

Nur wenn weniger gezahlt werden müsse, könnten andere Empfänger in den Genuss von Geld<br />

kommen. „Je eher wir zu sparen beginnen, desto besser“, mahnte Stüwe.<br />

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09 - Herford, Donnerstag 08. Dezember 2011


Netzgesellschaft: Infos nur an den Rat<br />

Vertrag mit Eon ist so gut wie ausverhandelt<br />

VON HARTMUT BRAUN<br />

Herford. Auf einem „Bürgerforum“ im Januar will Bürgermeister Bruno Wollbrink die<br />

Öffentlichkeit über die geplante Gründung einer Stromnetzgesellschaft durch Stadtwerke und Eon<br />

informieren. Konkrete Informationen über Konditionen, Hintergründe oder Alternativen werde er<br />

der Öffentlichkeit jedoch nicht geben können.<br />

Wollbrink begründete das mit unternehmerischen und juristischen Zwängen. Nur die Mitglieder des<br />

Stadtrats würden über die Details der mit Eon verhandelten Vereinbarungen informiert, zugleich<br />

jedoch in strengster Form auf ihre Verschwiegenheitspflicht hingewiesen.<br />

Gestern hatte er mit Stadtwerke-Geschäftsführer Detlef Jeretzky die Presse zum Gespräch über die<br />

geplante Gründung einer Netzgesellschaft informiert. Er ließ dabei anklingen, dass die Akteure im<br />

Rathaus unter erheblichem Druck stehen. Juristische Fehler im Verfahren könnten langwierige<br />

Rechtsstreitigkeiten zur Folge haben.<br />

Jeretzky hat außerdem die Sorge, dass durch das Bekanntwerden von Details seinem Unternehmen<br />

Schaden zugefügt werden können.<br />

So beließen beide es bei einer allgemeinen Botschaft: Das mit Eon ausgehandelte Konzept einer<br />

gemeinsamen Netzgesellschaft sei für die Stadt wirtschaftlicher als es die ursprünglich vorgesehene<br />

Rekommunalisierung wäre. Die Grundlage dafür habe der einstimmige Ratsbeschluss für die<br />

Übernahme in städtische Regie gelegt; seither habe Eon sich erheblich bewegt.<br />

Den Nachweis für diese Feststellung wollen sie der Öffentlichkeit jedoch schuldig bleiben – „wir<br />

können nicht anders“, sagt Wollbrink. <strong>Der</strong> Vertrag mit Eon sei inzwischen bis auf ein Detail<br />

ausverhandelt. Detaillierte Informationen über den Netzbetrieb habe Eon bislang nicht offengelegt,<br />

sagte er auf Nachfrage – „das würden Sie auch von anderen Netzbetreibern nicht bekommen.“<br />

Einen politischen Ratsbeschluss zu den Verhandlungen mit Eon habe es nie gegeben. Jeretzky pocht<br />

jedoch darauf, dass er als Geschäftsführer auf der Grundlage eines Beschlusses des Aufsichtsrats<br />

der Holding HVV tätig geworden sei. Jeretzky äußerte sich auf Befragen zu seinen Gründen für das<br />

Umschwenken auf die Eon-Pachtlösung so: „1. Es ist eine mindestens gleich gute wirtschaftliche<br />

Lösung unter Minimierung der eigenen Risiken, 2. große politische Bereitschaft zur<br />

Rekommunalisierung ist für mich zur Zeit außerhalb Herfords nicht zu erkennen.“<br />

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09 - Herford, Freitag 09. Dezember 2011


Skeptiker und Berufs-Optimisten<br />

Sachstand zum Kaufhof-Areal wird Mittwoch Thema einer Elefanten-Runde<br />

VON CORINA LASS<br />

UND THOMAS HAGEN<br />

Herford. Das Hannoveraner Bau- und Immobilienunternehmen Gundlach hat bis zum 31. Dezember<br />

Zeit, den Bauantrag für das neue Hanse-Carrée auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhofs bei der<br />

Stadt einzureichen. In dieser Woche – erst nach der Ratssitzung – waren Vertreter des<br />

Unternehmens beim Bürgermeister, um über den Sachstand zu informieren.<br />

„Das Unternehmen hat den Wunsch geäußert, am Mittwoch die Fraktionsspitzen informieren zu<br />

wollen. Im Anschluss soll darüber beraten werden“, sagt Pressesprecher René Schilling. Für viele<br />

Politiker klingt das nach Schwierigkeiten. Nicht amüsiert ist CDU-Fraktionschef Wolfgang<br />

Rußkamp: „Nachdem in der Ratssitzung keine Aufklärung vom Bürgermeister erfolgte – auch nicht<br />

im nichtöffentlichen Teil – mussten wir zum Schluss kommen, dass nichts aus dem Projekt wird.“<br />

Rußkamp bemängelt Wollbrinks Art der Kommunikation: „Das stützt nicht das Vertrauen zwischen<br />

Rat und Politik.“ Die CDU-Fraktion wolle die Entwicklung fördern – aber nicht um jeden Preis.<br />

„Ich persönlich bin skeptisch, dass der Abschluss des Projektes unmittelbar bevorsteht.“<br />

Ähnlich äußert sich FDP-Fraktionschef Lothar Wienböker: „Das war kein Musterbeispiel für<br />

Transparenz. Mit Geheimniskrämerei schadet man dem Projekt.“ Die Freidemokraten hätten eine<br />

klare Haltung: „Entweder ist das Projekt am 31. Dezember in trockenen Tüchern – oder wir<br />

verlangen einen neuen Anlauf mit anderen Partnern.“ Was einer Neu-Ausschreibung gleichkomme.<br />

SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Heining gibt sich gelassener, versteht aber die Stimmungslage bei<br />

den Fraktionen. „Es ist eine heikle Angelegenheit, aber wir sollten Gundlach noch zumindest bis<br />

zum Jahresende Zeit lassen.“ Es gebe einen Ratsbeschluss, an den man sich halten werde. „Die<br />

Arbeitsgrundlage bleibt unangetastet, ob Änderungen erfolgen, muss die Elefantenrunde ergeben.“<br />

Angela Schmalhorst, Fraktionssprecherin der Grünen: „Wir sind irritiert, dass der Bürgermeister<br />

weder bei der HVV-Aufsichtsratsitzung noch im Rat Mitteilungen über Probleme oder eine<br />

notwendige Fristverlängerung gegeben hat.“ Solche Notwendigkeiten deuteten sich in der Regel<br />

rechtzeitig an. „Wir verfügen über wenig umfassende Informationen. Nun lassen wir uns am<br />

Mittwoch den Sachstand erklären, werden uns dann positionieren.“<br />

Durch die Gemeindeordnung ausgeschlossen von der Elefantenrunde ist Daniel Brumberg,<br />

Vorsitzender der Bürger für Herford. Seine Botschaft: „Es stellt sich die Frage, warum ein Gespräch<br />

abermals unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen muss.“ Bei einem so simplen<br />

Sachstandsbericht werde ein Großteil der Bürgervertreter ausgeschlossen. Es gelte Fakten zu<br />

präsentieren und mit der Umsetzung zu beginnen.<br />

Herfords Bürger munkeln schon länger, dass es mit dem geplanten Um- und Neubau, für den die<br />

Schlattmeier-Architekten den Entwurf gemacht haben, nun doch nichts werden könnte. Doch Dr.<br />

Markus Böger, Leiter der Abteilung Gewerbebau bei Gundlach, sagt: „Wir geben das Vorhaben<br />

nicht auf.“ Und auch der städtische Wirtschaftsförderer Dieter Wulfmeyer sagt: „Ich glaube nach<br />

wie vor an das Projekt, das ist meine persönliche Meinung.“<br />

Genaueres wollen beide nicht preisgeben, solange die Fraktionsspitzen nicht informiert sind und<br />

beraten haben. Die Politik müsse entscheiden, wie mit den neuen Informationen umgegangen<br />

werde, sagt Wulfmeyer. Offenbar will Gundlach Zugeständnisse. Die könnten beispielsweise in


einer Verlängerung der Frist liegen, die von der Stadt für das Einreichen des Bauantrags gesetzt<br />

wurde. Aber auch weiter gehende Zugeständnisse sind denkbar, eine Kaufpreisminderung als<br />

Kompensation für noch nicht vermietete Ladenflächen beispielsweise.<br />

Böger sieht es jedenfalls als Verdienst seines Unternehmens an, den „Markt aufgewirbelt zu haben“.<br />

<strong>Der</strong> Fokus sei jetzt auf Herford gerichtet, sagt er. Und auch Wulfmeyer verweist auf<br />

Geschäftsneuansiedlungen im Bereich des Gehrenbergs.<br />

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09 - Herford, Samstag 10. Dezember 2011


Das Millionen-Geschäft mit dem Stromnetz<br />

Häufig gestellte Fragen zur geplanten Gründung einer Netzgesellschaft – und zur<br />

Rekommunalisierung<br />

´ Was macht das Thema so<br />

interessant?<br />

Vor allem die finanzielle Seite. Städte von der Größe und Wirtschaftskraft Herfords verdienen mit<br />

Stromnetzen jährlich Millionen. Die Stadtwerke Lemgo weisen für ihr, kleineres und weniger<br />

genutztes, Stromnetz jährliche Gewinne bis zu 2,4 Millionen Euro aus – übrigens in aller<br />

Öffentlichkeit und ohne Geheimniskrämerei. Auch in Herford soll nach dem Willen des Rates die<br />

im Netz erzielte Wertschöpfung möglichst vor Ort bleiben.<br />

´ Warum geschieht das nicht längst ?<br />

Alle 20 Jahre vergeben Städte und Gemeinden Stromnetzkonzessionen, in Herford zuletzt 1997.<br />

Nach dem Verkauf des regionalen Energieversorgers EMR an Eon übernahm deren neu gebildete<br />

Regionaltochter Eon Westfalen-Weser deren Rechte; die Konzession für Herford gilt bis 2017, die<br />

für die Umlandkommunen laufen 2013 aus.<br />

´ Was ist das Herforder Stromnetz wert?<br />

Das gehört zu den vielen Geheimnissen dieses Themas. Es gibt verschiedene Bewertungsmethoden.<br />

Wir können nur schätzen. Maßgeblich sind die Vorgaben der Regulierungsbehörde. <strong>Der</strong> Wert dürfte,<br />

mit aller Vorsicht, im Bereich von 30 Millionen Euro liegen.<br />

´ Und was wird mit dem Netz verdient?<br />

Das nächste Geheimnis. Vielleicht kennt nicht einmal der Bürgermeister die Zahlen. Eon Westfalen-<br />

Weser weist für ihr Gesamtgebiet ein Vorsteuer-Ergebnis von 70 Millionen aus, das überwiegend<br />

mit dem Netz verdient wird. Siedlungsdichte und Industrieanteil machen Herford zu einem<br />

besonders lukrativen Netzbereich. Von dem Eon-Gewinn dürften, sehr vorsichtig geschätzt, deutlich<br />

mehr als drei Millionen Euro in Herford erzielt werden.<br />

´ Gibt es einen Zusammenhang von Stromnetz-Betrieb und Energiewende?<br />

Streng genommen sind Verteilung und Erzeugung getrennte Bereiche. Doch bei den Kunden<br />

werden Verteilung und Vertrieb von Strom vielfach noch als Einheit wahrgenommen. Viele<br />

Stadtwerke, die sich für die Energiewende stark machen, sehen für sich einen erheblichen Vorteil<br />

darin, dass sie das Netz selbst betreiben.<br />

´ Wären die Herforder Stadtwerke überhaupt in der Lage, aus eigener Kraft ein Stromnetz zu<br />

betreiben ?<br />

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass kleine Stadtwerke eine sichere und effiziente<br />

Stromverteilung im Nieder- und Mittelspannungsnetz hinbekommen. In der Nachbarschaft sind das<br />

zum Beispiel Lemgo und Detmold.<br />

´ Warum will der Bürgermeister auf die vom Stadtrat einstimmig befürwortete Rekommunalisierung<br />

verzichten und jetzt doch weiter mit Eon zusammen bleiben?


Er begründet das mit der besonderen Verantwortung seiner Stadt als Mit-Gesellschafter der Eon<br />

Westfalen-Weser und als Standortgemeinde, in der Eon mehrere hundert, allerdings bis 2022<br />

vertraglich gesicherte, Arbeitsplätze bereit hält.<br />

Sein Haupt-Argument ist, dass Herford von dem „Pacht-Modell“ mit einer gemeinsamen<br />

Netzgesellschaft Stadtwerke/Eon finanziell genauso profitiere wie von einem alleinigen Betrieb,<br />

wobei zugleich die mit einer Komplettübernahme verbundenen Risiken fortfielen. Die<br />

Öffentlichkeit kann das allerdings nicht überprüfen, weil ihr die Fakten vorenthalten werden.<br />

´ Welche Risiken sind das?<br />

Die Stadtwerke müssten Netz-knowhow allein aufbauen. Gerichtliche Auseinandersetzungen um<br />

Kaufpreis und Entflechtungskosten drohen. Es müsste möglichst ein tragfähiges<br />

Kooperationsmodell mit den Nachbarkommunen aufgebaut werden.<br />

´ Und welche Risiken liegen in der Kooperation mit Eon?<br />

Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn man Details kennt. Schon jetzt ist allerdings zu erkennen,<br />

dass der Herforder Alleingang bei einigen Nachbarn keine Freude ausgelöst hat.<br />

´ Was bedeutet das von Eon ins Spiel gebrachte Pacht-Modell konkret?<br />

Stadtwerke (74,9) und Eon (25,1) sollen gemeinsam eine Netzgesellschaft gründen, die sich bei der<br />

nächsten Ausschreibung um die Herforder Strom-Konzession bemüht, bei Zuschlag das Netz kauft<br />

und es dann an Eon verpachtet. Die Pachtgebühr kommt dabei mehrheitlich der Stadt zu Gute. <strong>Der</strong><br />

aus dem effizienten Betrieb des Netzes zu erzielende Überschuss dürfte allerdings bei Eon bleiben.<br />

´ Wie dringlich ist die Entscheidung?<br />

In Herford läuft die Konzession bis 2017. Die Partner wollen sich allerdings bereits 2013 um die<br />

Konzessionen in den Nachbarkommunen – mindestens in Enger, Spenge und Hiddenhausen –<br />

bemühen. Nach Gründung der Gesellschaft soll Eon bereit sein, einer frühzeitigen<br />

Neuausschreibung auch des Herforder Netzes zuzustimmen. <strong>Der</strong> Bürgermeister strebt daher eine<br />

Entscheidung im 1. Quartal 2012 an.<br />

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09 - Herford, Samstag 10. Dezember 2011


„Ich bin halt so wie ich bin“<br />

DAS INTERVIEW: Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter<br />

Kreis Herford. Frank Schäffler ist stur. <strong>Der</strong> Bünder FDP-Bundestagsabgeordnete lehnte den<br />

erweiterten Euro-Rettungsschirm ab, so wie schon den ersten Schirm samt Griechenland-Hilfe im<br />

Mai 2010. Weil er damit eine andere Meinung vertritt als seine Fraktion, hat der 42-Jährige jenen<br />

Antrag gestellt, der den Euro-Kurs der Kanzlerin stoppen soll. Dazu läuft derzeit ein<br />

Mitgliederentscheid. Nächste Woche steht das Ergebnis fest. Ein Nein zum Rettungsschirm könnte<br />

einen Koalitionsbruch zur Folge haben. Andrea Rolfes sprach mit dem Widerständler.<br />

Herr Schäffler, Ihnen bläst starker Wind entgegen. Sie haben sich mit Genscher, Rössler, Brüderle<br />

und Westerwelle angelegt. Eine Liste prominenter FDP-Mitglieder. Stresst Sie das?<br />

FRANK SCHÄFFLER: Momentan bin ich sehr gestresst, weil ich im Rahmen des<br />

Mitgliederentscheids bundesweit viel unterwegs bin. In den vergangenen zwei Monaten habe ich<br />

bestimmt auf 50 Veranstaltungen gesprochen. Ich bin froh, wenn es vorbei ist. Das zehrt ein wenig<br />

an den Kräften.<br />

Ist nicht abgesehen vom Terminstress auch der Druck sehr stark?<br />

SCHÄFFLER: Na ja. Ich erfahre an der Basis sehr viel Zustimmung. In der Fraktion ist es natürlich<br />

umgekehrt. Da erfahre ich sehr viel Ablehnung. Aber das ist so in einer Partei. Da ist man mal<br />

beliebter, mal weniger beliebt. Das macht mir nichts aus. Aber der innerparteiliche Wahlkampf –<br />

man weiß ja nicht, wie er ausgeht – der bewegt einen schon.<br />

Machen Sie sich auch Sorgen um Ihre politische Karriere?<br />

SCHÄFFLER: Ja, klar. Aber wie gesagt, die Basis wählt mich ja. Da erfahre ich überwiegend breite<br />

Zustimmung. Ich glaube, es ist eine sehr kritische Phase für die FDP insgesamt. Wenn wir so<br />

weitermachen, geht es um die parlamentarische Existenz der FDP. Deshalb meine ich, muss man<br />

jetzt die Auseinandersetzung suchen und nicht erst in einem Jahr kurz vor der Bundestagswahl. Ich<br />

glaube, dann ist es zu spät.<br />

Sie orientieren sich an den alten Werten der FDP, verstehen sich als Neoliberalisten. Glauben Sie,<br />

dass diese Sicht auf die Welt Zukunft hat?<br />

SCHÄFFLER: Ja, ich glaube schon. Ich bin halt so wie ich bin. Es gibt genügend Parteien, die mehr<br />

oder weniger sozialdemokratisiert sind. Aber es gibt keine Partei, die sich offen zur sozialen<br />

Marktwirtschaft bekennt. Und da gibt es schon Potenziale. Die schöpfen wir bloß nicht aus, weil<br />

wir unseren Kurs verunklaren. Auch in der Euro-Krise.<br />

Sind Sie unzufrieden mit der neuen Spitze der FDP?<br />

SCHÄFFLER: Na ja, die Führung hat es natürlich jetzt schwer. Wenn man bei drei Prozent steht, ist<br />

es schwieriger wieder aufzustehen. Deshalb will ich ja gerne helfen, diesen Kurs zu klaren.<br />

Wie läuft es denn für Sie beim Mitgliederentscheid.<br />

SCHÄFFLER: Die Parteiführung hat ein Wahlverfahren in Gang gesetzt, bei dem es aufgrund von<br />

Unklarheiten viele ungültige Stimmen geben könnte. Ich schätze, das betrifft 10 bis 15 Prozent der<br />

Stimmen, die aus formalen Gründen als nicht abgegeben gelten, obwohl sie abgegeben wurden. Das<br />

Wahlverfahren ist also nicht besonders gut gemacht.


Unterstellen Sie der Parteispitze Absicht?<br />

SCHÄFFLER: Das würde ich nie wagen.<br />

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?<br />

SCHÄFFLER: Ein Drittel der Mitglieder müssen teilnehmen. Aber wenn jetzt 15 Prozent gar nicht<br />

mitgezählt werden, braucht man am Ende 40 Prozent. Das ist schon ambitioniert. Deshalb ist das<br />

mit den Stimmzetteln natürlich ärgerlich. Trotzdem glaube ich, dass wir gewinnen. So 60:40 ist<br />

meine Prognose.<br />

Woran machen Sie das fest?<br />

SCHÄFFLER: Die Veranstaltungen in den vergangenen Wochen spiegeln das. Dass die<br />

Parteiführung den Ehrenvorsitzenden Genscher vorschickt, zeigt, dass man nervös geworden ist.<br />

Das läuft für uns eigentlich sehr gut. <strong>Der</strong> Bundesvorstand und die Parteiführung versuchen jetzt, an<br />

die Vernunft zu appellieren . Etwa mit Solidaritätsbeku ndungen wie »wir können jetzt nicht den<br />

Rösler oder Lindner im Regen stehen lassen« oder »Die Euro-Zone wird brechen« Ich glaube, das<br />

verfängt nicht so richtig.<br />

Aber Sie steuern schon direkt in die Opposition.<br />

SCHÄFFLER: Ja, das ist auch ein beliebtes Argument. Ich sehe das nicht so. Denn Frau Merkel<br />

will ja Kanzlerin bleiben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einer Neuwahl Kanzlerin bliebe,<br />

ist ja nicht ohne Weiteres gegeben. Die Gefahr aus Sicht von Frau Merkel, dass wir Rot-Grün<br />

bekommen, ist ja sehr, sehr groß. Insofern wird sie pragmatisch genug sein, um auf uns zuzugehen.<br />

Wie würde es weitergehen, wenn Sie den Mitgliederentscheid wirklich gewinnen würden?<br />

SCHÄFFLER: Im Idealfall geht Philipp Rösler damit in den Koalitionsausschuss. Im Parlament ist<br />

es ja so, dass unter den Regierungsfraktionen nur ein Gesetz ins Parlament kommt, dem alle<br />

zustimmen. Es gibt viele Beispiele, bei denen sich die Regierungsparteien gegenseitig blockieren.<br />

Dann gibt es halt keinen Gesetzentwurf. Das ist meine Idealvorstellung. Oder man schiebt es<br />

erstmal hinaus. Wir müssen in Europa ja nicht die Ersten sein, die das ratifizieren.<br />

Und die Europa-Krise?<br />

Ich glaube, dass die Krise sich beschleunigen wird. Ich denke ohnehin, das der ESM nicht kommen<br />

wird. Das Rating von Deutschland wird jetzt überprüft. Ich glaube, dass Frankreich sein AAA-<br />

Rating verlieren wird. <strong>Der</strong> jetzige Rettungsschirm wird ja nicht von den 17 Euro-Staaten, sondern<br />

von den 6 AAA-Staaten gehalten. Und davon haben Frankreich und Deutschland die größten<br />

Anteile. Und wenn Frankreich sein AAA-Rating verliert, wird die Belastung für Deutschland<br />

einfach zu groß.<br />

Sie werden als Euro-Rebell bezeichnet. Können Sie mit dem Begriff gut leben?<br />

SCHÄFFLER: Ich bin kein Rebell. Ich hab ja nichts rebellisches an mir. Aber ich finde den Begriff<br />

besser als die Bezeichnung Europaskeptiker. Weil ich das nicht bin.<br />

Es scheint aber so, als wollten Sie nicht sehr viel dafür tun, Europa zusammenzuhalten.


SCHÄFFLER: Doch ganz im Gegenteil. Das ist ein falscher Eindruck. Ich bin ein großer Anhänger<br />

von Europa. Aber ich meine, es müssen gleiche Regeln gelten. Europa hat nur eine Chance, wenn es<br />

sich als Rechtsgemeinschaft bewährt und sich alle an die Regeln halten und es jemanden gibt, der<br />

Regeln durchsetzt.<br />

Wer sollte das tun?<br />

S CHÄFFLER: Zum Beispiel der Europäische Gerichtshof. <strong>Der</strong> macht es aber nicht. Wir haben in<br />

Europa ein Instrumentarium der kollektiven Verantwortungslosigkeit geschaffen. Die Griechen<br />

sparen nicht unterm Strich, sondern geben mehr aus. Zahlen aber nur dreieinhalb Prozent Zinsen an<br />

den Rettungsfonds. Die Iren, die besser sparen, die ihre Auflagen einhalten, zahlen fünf Prozent und<br />

bekommen keinen Schuldenschnitt. Europa entwickelt sich dadurch auseinander, weil<br />

unterschiedliches Recht gilt. Das kann nicht funktionieren.<br />

Was machen Sie, wenn Sie die Mehrheit beim Mitgliederentscheid nicht schaffen?<br />

SCHÄFFLER: Dann geht das Leben auch weiter. Ich habe eigentlich schon gewonnen. Denn als ich<br />

im vergangenen Jahr als einziger in meiner Fraktion gegen die Griechenland-Hilfe gestimmt habe,<br />

war ich ganz alleine. Im Mai auf dem Bundesparteitag waren es schon ein Drittel. Und jetzt werden<br />

wir erneut deutlich zulegen. Also: die Bewegung wächst.<br />

© 2011 <strong>Neue</strong> <strong>Westfälische</strong><br />

09 - Herford, Samstag 10. Dezember 2011

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