URTEIL
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gegen<br />
des F_____ T_____,<br />
D_____, _____ I_____<br />
7 K 1410/07 We<br />
VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR<br />
<strong>URTEIL</strong><br />
IM NAMEN DES VOLKES<br />
In dem Verwaltungsstreitverfahren<br />
Prozessbevollm.:<br />
Rechtsanwälte Schlüter und Partner,<br />
Käthe-Kollwitz-Straße 1c, 99734 Nordhausen<br />
den Abwasserzweckverband _____<br />
vertreten durch den Verbandsvorsitzenden,<br />
_____, _____ N_____<br />
Prozessbevollm.:<br />
Rechtsanwalt Synofzik,<br />
Raiffeisenstraße 6, 37133 Friedland/Niedernjesa<br />
wegen<br />
Ausbaubeiträgen<br />
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar<br />
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Strätz,<br />
den Richter am Verwaltungsgericht Bratek,<br />
die Richterin am Verwaltungsgericht Stalbus<br />
sowie die ehrenamtlichen Richterinnen<br />
aufgrund der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2008<br />
- Kläger -<br />
- Beklagter -<br />
verkündet am 27.02.2008<br />
gez. Günther<br />
Justizangestellte<br />
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:<br />
7 K 1410/07 We<br />
1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.04.2007, Registriernum-<br />
mer 10/61471, Bescheid-Nr. 27015 in der Fassung des Widerspruchsbe-<br />
scheides vom 27.08.2007 wird aufgehoben.<br />
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der<br />
außergerichtlichen Kosten, die dem Landkreis Nordhausen durch die ge-<br />
gen ihn gerichtete Klageerhebung entstanden sind. Diese außergerichtli-<br />
chen Kosten hat der Kläger zu tragen.<br />
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger<br />
wird für notwendig erklärt.<br />
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweili-<br />
ge Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in<br />
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, falls der jeweilige Kosten-<br />
gläubiger nicht Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.<br />
T a t b e s t a n d<br />
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides über die Erhebung eines Herstellungs-<br />
beitrages.<br />
Mit Bescheid vom 19.04.2007 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Beitrag für das<br />
Grundstück D_____ , _____ S_____, Gemarkung I_____, Flur 16, Flurstück a für den Anla-<br />
genteil Kläranlage auf 798,27 € fest, wobei der fällige Teil des Beitrages nur 390,73 € betrage<br />
und der Restbetrag bis zum Wegfall der Privilegierungstatbestände gestundet werde.<br />
Mit Schriftsatz vom 03.05.2007, beim Beklagten eingegangen am 07.05.2007, legte der Klä-<br />
ger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung<br />
des Beitragsbescheides.<br />
Mit Schreiben vom 11.05.2007 wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.<br />
Daraufhin wurde mit Schriftsatz vom 05.07.2007 vorgetragen, dass ein "Gebührentatbestand"<br />
nicht vorliege, da ein Anschluss aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sowie der geographi-<br />
schen Lage unmöglich sei. Darüber hinaus bedeutet die "Vorauszahlung" eine unzumutbare<br />
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Härte für den Grundstückseigentümer. Auch sei die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden<br />
Globalkalkulation zu bezweifeln.<br />
Nach weiteren Darlegungen mit Schreiben vom 11.07.2007 teilte der Beklagte dem Kläger<br />
mit Schreiben vom 14.08.2007 mit, dass er dem Widerspruch nicht abhelfen könne und ihn<br />
deshalb der Widerspruchsbehörde vorlege.<br />
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2007, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zuge-<br />
stellt am 03.09.2007, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Es handele sich<br />
weder um eine "Abwassergebühr", noch um eine "Vorauszahlung". Die Satzungen des Be-<br />
klagten sowie die Kalkulation seien durch die Kommunalaufsicht geprüft und genehmigt. Für<br />
das Grundstück des Klägers bestehe die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Entwässe-<br />
rungseinrichtung Anlagenteil Kläranlage in Form der Fäkalschlammbeseitigung. Dadurch<br />
erhalte das Grundstück einen Vorteil bzw. eine Wertsteigerung. Unerheblich sei, ob das<br />
Grundstück direkt angeschlossen sei oder die Entsorgung in Form von Transportfahrzeugen in<br />
die Kläranlage erfolge.<br />
Mit am 24.09.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21.09.2007 hat der Kläger<br />
Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesent-<br />
lichen vor, eine Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Entwässerungseinrichtung lie-<br />
ge nicht vor. Ein Anschlusszwang bestehe dann nicht, wenn der Anschluss rechtlich oder tat-<br />
sächlich unmöglich sei. Die Gemeinde Sophienhof sei nicht an die Kläranlage Nordhausen<br />
angeschlossen und verfüge auch über keine Einleitungseinrichtung. Sophienhof befinde sich<br />
ca. 18 km von Nordhausen entfernt und könne aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sowie<br />
der geographischen Lage zu keinem Zeitpunkt an die Kläranlage Nordhausen angeschlossen<br />
werden. Darüber hinaus sei die Globalkalkulation mangelhaft. Eine Sicherheitsreserve von 20<br />
% sei nicht nachvollziehbar. Auch bestehe eine Überkapazität der Kläranlage Nordhausen.<br />
Die Zugrundelegung einer Forderquote von 10% sei zu unbestimmt. Der höchstzulässige Bei-<br />
tragssatz sei falsch ermittelt.<br />
Der Kläger beantragt,<br />
den Bescheid des Beklagten vom 19.04.2007, Registriernummer 10/61471, Be-<br />
scheid-Nr. 27015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007<br />
aufzuheben.<br />
Der Beklagte beantragt,<br />
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die Klage abzuweisen.<br />
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Zur Begründung beruft er sich darauf, dass das Grundstück des Klägers tatsächlich an die<br />
Teileinrichtung Kläranlage angeschlossen sei. Der Einrichtungsbegriff sei in Thüringen auf-<br />
gabenbezogen zu verstehen. Auch bei Grundstücken, die nur die Fäkalschlammentsorgung in<br />
Anspruch nähmen, existiere ein Vorteil, der eine Beitragserhebung rechtfertige. Sie liege dar-<br />
in, dass der Aufgabenträger den Fäkalschlamm von den Grundstücken abnehme und beseiti-<br />
ge. Für einen Anschluss sei keine leitungsmäßige Verbindung erforderlich. Es genüge, dass<br />
die dem häuslichen Abwasser entstammenden Fäkalschlämme der zentralen Kläranlage<br />
Nordhausen über eine Abfuhr mit Entsorgungsfahrzeugen ("rollender Kanal") zugeführt wür-<br />
den. Der Begriff der "leitungsgebundenen Einrichtung" diene lediglich der Abgrenzung zu<br />
Verkehrsanlagen. Gründe, die eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang recht-<br />
fertigen würden, habe der Kläger nicht vorgetragen. Da er die Fäkalschlammentsorgung tat-<br />
sächlich in Anspruch nehme, dokumentiere er, dass er auf die Nutzung dieser Einrichtung<br />
angewiesen sei. Hinsichtlich der Kläranlage sei weder eine Überkapazität feststellbar, noch<br />
sei eine Sicherheitsreserve von 20% einkalkuliert. Ein Artzuschlag sei im Abwasserbeseiti-<br />
gungsrecht bundesrechtlich nicht geboten. Es bestünden sogar ernstliche Bedenken gegen die<br />
Zulässigkeit eines Artzuschlages, da der dem Grundstück vermittelte Vorteil nicht in der Stei-<br />
gerung des wirtschaftlichen Ertragswertes dieses Grundstückes, sondern in der Erhöhung des<br />
Gebrauchs- und Nutzungswertes liege. Die Förderquote für die Teileinrichtung Kläranlage<br />
habe wesentlich höher als 10% gelegen und sei auch entsprechend berücksichtigt worden.<br />
Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der künftigen Fördermittel habe der Kläger<br />
nicht vorgetragen. Seine Angriffe gegen die Berechnung des höchstzulässigen Beitragssatzes<br />
seien unsubstantiiert.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die<br />
Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die den Kläger betreffende Behördenakte der Be-<br />
klagten (2 Hefter), die vom Beklagten vorgelegten und im vorliegenden Verfahren beigezo-<br />
genen Satzungsunterlagen sowie die dazugehörige Globalkalkulation.<br />
E n t s c h e i dungsgründe<br />
Die Klage des Klägers ist zulässig und begründet.<br />
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Der Bescheid vom 19.04.2007, Registriernummer 10/61471, Bescheid-Nr. 27015 in der Fas-<br />
sung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in<br />
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).<br />
Dem angefochtenen Bescheid vom 19.04.2007, mit dem der Kläger im Wege der Kostenspal-<br />
tung zu einem Teilbeitrag für die "Kläranlage" herangezogen wird, fehlt es an einer materiell<br />
wirksamen Rechtsgrundlage.<br />
Die in § 7 Nr. 2 der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung des Beklagten (BS-EWS) in<br />
der Fassung der Bekanntmachung vom 31.08.2005 enthaltene Beitragsmaßstab hinsichtlich<br />
des Teilbeitrages für die Kläranlage ist wegen seiner fehlenden vorteilsgerechten Beitragsab-<br />
stufung nichtig, mit der Folge, dass die sachliche Beitragspflicht nach § 7 Abs. 7 Satz 1 Thür-<br />
KAG nicht entstanden ist.<br />
Der Kläger nimmt gegenwärtig unstreitig die Teileinrichtung "Kläranlage" über den sog. "rol-<br />
lenden Kanal" in Anspruch.<br />
Nach § 1 Abs. 1 der Entwässerungssatzung des Beklagten in der Fassung der Bekanntma-<br />
chung vom 08.10.2003 betreibt der Zweckverband zur Abwasserbeseitigung eine öffentliche<br />
Einrichtung. Nach dessen Abs. 2 umfasst die Entwässerungseinrichtung die leitungsgebunde-<br />
ne Entwässerungsanlage und die dezentrale, mobile Fäkalschlammentsorgung. Nach § 7 Abs.<br />
1 Satz 1 ThürKAG können die Gemeinden und Landkreise … zur Deckung des Aufwandes<br />
für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentli-<br />
chen Einrichtungen Beiträge von denjenigen Grundstückseigentümern … erheben, denen die<br />
Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet.<br />
Bei öffentlichen Entwässerungseinrichtungen wird in der Rechtsprechung unterschiedlich<br />
beurteilt, ob die nicht über das Kanalnetz durchgeführte Entsorgung von Fäkalschlamm aus<br />
Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben (dezentrale Abwasserbeseitigung) als Teil der öf-<br />
fentlichen Einrichtung - wie dies die Entwässerungssatzung des Beklagten hier festlegt - an-<br />
gesehen werden kann. Nach der Rechtsprechung des ThürOVG ist der in § 7 Abs. 1 Satz 1<br />
ThürKAG verwendete Begriff der "öffentlichen Einrichtung" allerdings nicht anlagenbezo-<br />
gen, sondern rechtlich und aufgabenbezogen zu verstehen (so grundlegend ThürOVG, Urteil<br />
vom 12.12.2001 - 4 N 595/94).<br />
Zur Aufgabenwahrnehmung in diesem Sinn gehört im Bereich der Abwasserbeseitigung nach<br />
Thüringer Landesrecht die Beseitigung von Schmutz- und Niederschlagswasser einschließlich<br />
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der Fäkalschlammentsorgung, die ebenfalls Teil der Gesamtaufgabe "Abwasserbeseitigung"<br />
gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Thüringer Wassergesetzes in der hier maßgeblichen Fas-<br />
sung der Neubekanntmachung vom 04.02.1999 (GVBl. S. 114) - ThürWG - ist. Nach dieser<br />
Vorschrift obliegt den kommunalen Einrichtungsträgern die Beseitigung des in ihrem Gebiet<br />
anfallenden Abwassers. Abwasser im Sinne des ThürWG ist gemäß § 57 Abs. 1 ThürWG das<br />
durch Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser (Schmutzwasser), das von Nie-<br />
derschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesam-<br />
melte Wasser (Niederschlagswasser) sowie das sonstige zusammen mit Schmutz- oder Nie-<br />
derschlagswasser in Abwasseranlagen abfließende Wasser. Als Abwasser gilt auch das aus<br />
Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretende und gesammelte<br />
Wasser sowie der in Kleinkläranlagen anfallende Schlamm, soweit er aus häuslichem Abwas-<br />
ser stammt. Dementsprechend umfasst nach § 58 Abs. 1 Satz 3 ThürWG die kommunale Ab-<br />
wasserbeseitigungspflicht bei Kleinkläranlagen auch das Transportieren des anfallenden<br />
Schlamms und bei Gruben auch das Entleeren und Transportieren des Grubeninhalts.<br />
Bei einem aufgabenbezogenen Verständnis des Einrichtungsbegriffs ist die Fäkalschlamment-<br />
sorgung Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung.<br />
"Unterschiede zwischen dem leitungsgebundenen Anschluss an die Kläranlage und der<br />
Verbringung der Abwässer aus abflusslosen Gruben durch Abfuhr zum Klärwerk treten hinter<br />
dem gemeinsamen Zweck der unschädlichen Abwasserbeseitigung zurück. Letztlich werden<br />
alle Abwässer dem Klärwerk zugeführt, vermischt und gemeinsam aufbereitet. Unterschiede<br />
in der Arbeitsweise bestehen insoweit nur hinsichtlich der unterschiedlichen Zuführungen der<br />
Abwässer, nicht in der unterschiedlichen Klärung" (Blomenkamp in Driehaus, Kommunalab-<br />
gabenrecht, § 8, Rdnr. 1444 unter Bezugnahme auf ThürOVG, Urteil vom 21.06.2006, Ak-<br />
tenzeichen 4 N 574/98).<br />
Aspekte der Kostenverursachung oder der unterschiedlichen Leistungs- oder Vorteilsgewäh-<br />
rung durch die Benutzung oder Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung<br />
stehen der zulässigen Zusammenfassung technisch getrennter Anlagensysteme zu einer ein-<br />
heitlichen öffentlichen Einrichtung nach der Thüringer Rechtslage regelmäßig nicht entgegen.<br />
Vielmehr besteht der besondere Vorteil, den die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft<br />
den angeschlossenen oder anschließbaren Grundstücken durch die Inanspruchnahmemöglich-<br />
keit bzw. die tatsächliche Benutzung der Abwasserbeseitigungseinrichtung bietet und der<br />
Voraussetzung für eine Beitragserhebung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG ist, in der Ab-<br />
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nahme und Beseitigung des auf den Grundstücken anfallenden Abwasser, also des Schmutz-<br />
und/oder Niederschlagswassers bzw. des Fäkalschlamms aus Kleinkläranlagen und des Gru-<br />
beninhalts aus abflusslosen Gruben. Der Aspekt des Reinigungsgrades des abgenommenen<br />
Abwassers oder der Arbeitsweise der Abwasserbehandlungsanlagen betrifft nicht den Umfang<br />
des den Grundstücksinhabern gegenüber erbrachten Vorteils der Abwasserbeseitigung.<br />
Eine andere rechtliche Beurteilung ist nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwal-<br />
tungsgerichts auch nicht deshalb geboten, weil der Landesgesetzgeber in § 7 ThürKAG den<br />
Begriff der "leitungsgebundenen Einrichtungen" gebraucht. Der Begriff der "leitungsgebun-<br />
denen Einrichtungen" im ThürKAG ist nicht technisch als Rohrleitungs- oder Kanalsystem zu<br />
verstehen, sondern nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dem Sinn und Zweck so-<br />
wie dem systematischen Zusammenhang mit anderen Vorschriften als rechtlicher Begriff der<br />
Abgrenzung zu nicht leitungsgebundenen Einrichtungen (vgl. Blomenkamp in Driehaus, § 8,<br />
Rdnr. 1445). In der Ausgangsfassung des ThürKAG vom 07.08.1991 (GVBl. S. 329) wurde<br />
zunächst nur der Begriff der nicht leitungsgebundenen Einrichtungen im Zusammenhang mit<br />
den in § 7 Abs. 1 Satz 3 ThürKAG a.F. genannten Verkehrsanlagen verwendet (vgl. § 7 Abs.<br />
1 Satz 4 und 5 ThürKAG a.F.). Erst mit der Neufassung des § 7 ThürKAG durch das 2. KAG-<br />
ÄndG vom 10.11.1995 (GVBl. S. 342) gebrauchte der Gesetzgeber erstmals den Begriff der<br />
leitungsgebundenen Einrichtungen (z.B. in § 7 Abs. 1 S. 6 und Abs. 5 Satz 2 ThürKAG), um<br />
nunmehr u.a. ausdrücklich die Möglichkeit der Kostenspaltung auf den Bereich der Wasser-<br />
versorgung und Abwasserbeseitigung auszudehnen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf<br />
der Landesregierung, LT-Drucks. 2/469, S. 7). In diesem Zusammenhang wird in der Begrün-<br />
dung zum Gesetzentwurf der Landesregierung ausgeführt, dass die Kostenspaltung auch die<br />
Heranziehung von Grundstücken zu Teilbeiträgen für eine Kläranlage ermöglichen solle, die<br />
zwar noch nicht an das Kanalnetz angeschlossen sind, aber deren Abwässer (über Abfuhr)<br />
durch die Kläranlage entsorgt werden. Bei der Aufwandsverteilung und Beitragserhebung für<br />
die Teileinrichtung Kläranlage einer einheitlichen öffentlichen Entwässerungseinrichtung<br />
sollen demnach auch die Grundstücke berücksichtigt werden, deren Abwässer durch Abfuhr<br />
beseitigt und der Kläranlage zugeführt werden. Dies macht jedoch nur Sinn, wenn die Fäkal-<br />
schlammentsorgung keine eigene öffentliche Einrichtung, sondern Teil einer einheitlichen<br />
Entwässerungseinrichtung ist (vgl. hierzu ThürOVG, Urteil vom 21.06.2006 - 4 N 574/98).<br />
Nach dem - wie dargestellt - in Thüringen gegebenen aufgabenbezogenen Verständnis des<br />
Einrichtungsbegriffs in § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG hat der Beklagte berechtigterweise in § 1<br />
Abs. 1 Satz 1 EWS festgelegt, dass er zur Abwasserbeseitigung eine öffentliche Einrichtung<br />
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betreibt und in Satz 2 bestimmt, dass die Entwässerungseinrichtung die leitungsgebundene<br />
Entwässerungsanlage und die Fäkalschlammentsorgung umfasst.<br />
Dementsprechend regelt der Beklagte in § 4 Abs. 2 EWS weiter, dass die Grundstückseigen-<br />
tümer, auf deren Grundstück das dort anfallende Abwasser nicht in eine Entwässerungsanlage<br />
mit Sammelkläranlage eingeleitet werden kann, zum Anschluss und zur Benutzung der öffent-<br />
lichen Fäkalschlammentsorgung berechtigt sind. Damit korrespondiert zugleich der in § 5<br />
Abs. 2 und 3 EWS für die zur Benutzung der öffentlichen Fäkalschlammentsorgung Berech-<br />
tigten festgelegte Benutzungszwang. Nur ausnahmsweise, nämlich wenn der Anschluss oder<br />
die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des<br />
Gemeinwohls nicht zumutbar ist, besteht nach § 6 Abs. 1 EWS die Möglichkeit einer Befrei-<br />
ung von dem in § 5 EWS grundsätzlich bestimmten Anschluss- und Benutzungszwanges.<br />
Der Beklagte hat sich weiterhin für eine Kostenspaltung entschieden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 5<br />
ThürKAG kann der Beitrag für Teile der Einrichtung selbständig erhoben werden (Kosten-<br />
spaltung). Dementsprechend bestimmt er in § 6 BS-EWS, dass der Beitrag für das Kanalnetz,<br />
die Kläranlage und die Haupt- und Verbindungssammler gesondert und in beliebiger Reihen-<br />
folge erhoben wird. Die in der BS-EWS angeordnete Kostenspaltung und die Regelung in § 2<br />
Satz 1 BS-EWS, wonach der Beitrag auch für solche Grundstücke erhoben wird, wenn für sie<br />
nach § 4 EWS ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht, zeigen,<br />
dass der Beklagte bereits vor abschließender Herstellung des Kanalnetzes vom Beitragspflich-<br />
tigen einen Teilbetrag für die Kläranlage einfordern will. Wäre über das Kanalnetz bereits<br />
eine Vollanschlussmöglichkeit für bebaute Grundstücke vorhanden, so könnte der Beklagte<br />
auch den vollen Herstellungsbeitrag einfordern, ein Rückgriff auf die Kostenspaltung, d.h. die<br />
Einforderung von lediglich Teilbeiträgen, wäre nicht notwendig und aus wirtschaftlichen<br />
Gründen auch nicht nachvollziehbar. Für die Erstellung von Teilbeitragsbescheiden bei Voll-<br />
einleitern besteht rechtlich und wirtschaftlich keine Notwendigkeit. Ist ein Beitragspflichtiger<br />
allerdings noch nicht an das Kanalnetz angeschlossen, die Kläranlage jedoch fertig gestellt, so<br />
kann der Beitragspflichtige die Kläranlage nur in Form des rollenden Kanals, also für die Fä-<br />
kalschlammentsorgung oder für die Entleerung seiner abflusslosen Grube in Anspruch neh-<br />
men. Gerade um aber auch in diesen Fällen der Inanspruchnahmemöglichkeit der Teileinrich-<br />
tung "Kläranlage" eine Möglichkeit der (Teil-) Beitragserhebung zu haben, hat der Landesge-<br />
setzgeber das Rechtsinstitut der "Kostenspaltung" eingeführt. Hiervon hat der Beklagte<br />
Gebrauch gemacht und in seiner EWS - wie oben dargelegt - die Fäkalschlammentsorgung<br />
zum Inhalt seiner einheitlichen öffentlichen Einrichtung gemacht und die Beitragspflichtigen<br />
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zur Nutzung der Fäkalschlammentsorgung berechtig und verpflichtet und in § 2 Satz 1 BS-<br />
EWS zudem ausdrücklich bestimmt, dass der Beitrag auch für solche Grundstücke erhoben<br />
wird, auf denen Abwasser anfällt, wenn für sie nach § 4 EWS ein Recht zum Anschluss an die<br />
Entwässerungseinrichtung besteht.<br />
Es kann auch dahinstehen, ob der Beklagte als Endziel seiner Ausbauplanung einen vollstän-<br />
digen oder weitgehenden Anschluss aller Grundstücke in seinem Verbandsgebiet an ein Ka-<br />
nalnetz vorgesehen hat. Seine Entscheidung, eine Kostenspaltung in Form eines Teilbeitrages<br />
für die Kläranlage einzuführen und seine Regelung in § 2 Satz 1 BS-EWS zeigen, dass er un-<br />
abhängig vom Endzustand seiner öffentlichen Einrichtung Teilbeiträge für die Entsorgung<br />
von Fäkalschlamm in der Kläranlage geltend machen will. Dies wird bestätigt durch die<br />
Versendung eines Teilbeitragsbescheides Kläranlage an die Klägerin, die nur die Fäkal-<br />
schlammentsorgungsmöglichkeit nutzt.<br />
Zwar stehen Aspekte der Kostenverursachung oder der unterschiedlichen Leistungs- oder<br />
Vorteilsgewährung durch die Benutzung oder Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen<br />
Einrichtung der zulässigen Zusammenfassung technisch getrennter Anlagensysteme zu einer<br />
einheitlichen öffentlichen Einrichtung nach der Thüringer Rechtslage regelmäßig nicht entge-<br />
gen.<br />
Hat der Beklagte sich in seiner BS-EWS jedoch für eine Kostenspaltung mit einem Teilbei-<br />
trag Kläranlage entschieden und bestimmt er in § 2 Satz 1 BS-EWS letztendlich, dass der Bei-<br />
trag sowohl von Teileinleitern (Fäkalschlammentsorgung oder Entleerung abflussloser Gru-<br />
ben) als auch Volleinleitern (Einleitungsmöglichkeit sowohl von Schmutz- als auch Nieder-<br />
schlagswasser in ein Kanalnetz, dass die Fracht zur zentralen Kläranlage verbringt) erhoben<br />
wird, dann muss er den unterschiedlichen Vorteil für den Beitragspflichtigen auch durch ei-<br />
nen vorteilsgerechten Beitragsmaßstab in seiner BGS-EWS berücksichtigen.<br />
Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 ThürKAG 2005 sind die Beiträge jedoch entsprechend abzustufen,<br />
wenn die Vorteile der Beitragspflichtigen verschieden hoch sind. Der Beklagte hat den Teil-<br />
beitrag für die Teileinrichtung "Kläranlage" in seiner BS-EWS jedoch nicht abgestuft. Er er-<br />
hebt insoweit einen einheitlichen Teilbeitrag, obwohl die Vorteile, die den einzelnen Nutzer-<br />
gruppen gewährt werden, durchaus unterschiedlich sind.<br />
Unterschiedliche Vorteile durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Entwässerungs-<br />
einrichtung können sich insbesondere daraus ergeben, dass die Einrichtung nicht allen<br />
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Grundstücken im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung eine vergleichbare Leistung<br />
bietet, z.B. weil teilweise das gesamte Schmutz- und Niederschlagswasser, teilweise aber nur<br />
das Schmutzwasser oder nur das Niederschlagswasser abgeleitet oder weil die Entwässe-<br />
rungseinrichtung teilweise ohne, teilweise mit Vorklärung in Anspruch genommen werden<br />
kann bzw. weil eine Nutzung der Entwässerungseinrichtung teilweise nur über eine Abfuhr<br />
aus Kleinkläranlagen oder abflusslosen Gruben ermöglicht wird (vgl. ThürOVG, Urteil vom<br />
21.06.2006, a.a.O, ebenso BayVGH, Urteil vom 18.11.1999 - 23 N 98.3160 - BayVBl. 2000,<br />
208).<br />
Derartige Unterschiede sind bei der Beitragsbemessung durch eine vorteilsgerechte Beitrags-<br />
abstufung zu berücksichtigen.<br />
Soweit der Beklagte meint, er könne auf eine solche Abstufung verzichten, weil er die Teil-<br />
beiträge für das Kanalnetz und die Sammler separat erhebe und sich bei der Teileinrichtung<br />
"Kläranlage" eine Abstufung erübrige, geht dies fehl. Diese Argumentation vermischt unzu-<br />
lässigerweise das Instrument der Kostenspaltung mit dem Gebot der Beitragsabstufung.<br />
Der in § 5 Abs. 1 BS-EWS enthaltene Beitragsmaßstab für den Teilbeitrag "Kläranlage" ent-<br />
spricht jedoch nicht der zu fordernden vorteilsgerechten Beitragsabstufung und ist daher nich-<br />
tig.<br />
"Die Abstufung von Beitragssätzen für Voll- und Teileinleiter der öffentlichen Entwässe-<br />
rungseinrichtung bzw. für die Abfuhr aus abflusslosen Gruben und Kleinkläranlagen ist eben-<br />
so wie die Festlegung gestaffelter Gebührensätze kein variabler Berechnungsfaktor bei der<br />
Kalkulation der Beitragssätze, sondern Teil der Maßstabsregelung, die der Bemessung unter-<br />
schiedlicher Vorteile durch die Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungseinrichtung<br />
dient. Wie jede Maßstabsregelung muss daher auch die Regelung über die Beitragssatzabstu-<br />
fung geeignet sein, die den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme<br />
der öffentlichen Einrichtung gebotenen, grundstücksbezogenen Vorteile angemessen zu ge-<br />
wichten" (ThürOVG, Urteil vom 21.06.2006 4 N 574/98).<br />
"Nach dem in Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatz der konkreten Vollständigkeit<br />
muss der gewählte Verteilungsmaßstab für alle Veranlagungsfälle im Gebiet des Einrich-<br />
tungsträgers die Berechnung der beitragspflichtigen Flächen ermöglichen. Eine unvollständi-<br />
ge oder fehlerhafte Maßstabsregelung hindert als Voraussetzung für die Verteilung des umla-<br />
gefähigen Aufwandes nicht nur die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, sondern führt<br />
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grundsätzlich zur Nichtigkeit der Beitragssatzung bzw. des Beitragsteiles einer Beitrags- und<br />
Gebührensatzung, weil ein unverzichtbarer Mindestbestandteil der Satzung fehlt. Wird der<br />
Verteilungsmaßstab für die Zukunft oder zur Ersetzung einer fehlerhaften Maßstabsregelung<br />
geändert, hat dies regelmäßig Auswirkungen auf die Summe der Maßstabseinheiten und damit<br />
auf die Berechnung und die Höhe des Beitragssatzes, die in der Beitragskalkulation zu be-<br />
rücksichtigen sind" (Blomenkamp in Driehaus, § 8, Rdnr. 1490).<br />
Bei einer inhaltlichen Ausgestaltung der Beitragsabstufung als Maßstabsregelung hat der Sat-<br />
zungsgeber unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes, dem Äquivalenzprinzip, dem<br />
Vorteilprinzips und dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit sowie dem Prinzip der Be-<br />
stimmtheit und Normenklarheit ein normatives Gestaltungsermessen. Er hat einen weiten Er-<br />
messensspielraum und muss nicht den zweckmäßigsten, vernünftigsten, wahrscheinlichsten<br />
oder gerechtesten Maßstab wählen (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.01.2000 und Urteil vom<br />
26.10.2000 in BayVBl. 2001, 498 ff.). Weiter wird vom BayVGH ausgeführt: "Die den ein-<br />
zelnen Grundstücken in unterschiedlichem Maße zukommenden Vorteile müssen den gege-<br />
benen Unterschieden entsprechend zutreffend bewertet werden. Ausgangspunkt aller diesbe-<br />
züglichen Überlegungen ist die Grundstücksbezogenheit des Vorteils, nach dessen Ausmaß<br />
sich wiederum die jeweilige Beitraghöhe zu bemessen hat. Denn sowohl das Äquivalenzprin-<br />
zip und der Gleichheitssatz als auch der im Beitragsrecht besonders bedeutsame Grundsatz<br />
des Vorteilsausgleichs finden im Beitragsmaßstab ihren Niederschlag" (BayVGH, Urteil vom<br />
26.10.2000, in BayVBl, 2001, 498; ebenso Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rdnr.<br />
739). "Weil sich dieser Vorteil aber nicht der Wahrscheinlichkeit entsprechend messen lässt,<br />
muss ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab nur gewährleisten, dass die geschuldeten Beiträge den<br />
aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen annähernd entsprechen. Wahrschein-<br />
lichkeitsmaßstäbe sind deshalb nur darauf überprüfbar, ob sie offenbar ungeeignet sind, den<br />
Vorteil zu bestimmen. Dagegen ist es dem Satzungsgeber nach seinem Ermessen überlassen,<br />
welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den zulässigen auswählt. Grundsätzlich beste-<br />
hen auch keine Bedenken, mehrere zulässige Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zu kombinieren,<br />
wobei jedoch zu beachten ist, dass stets nur solche Maßstäbe gewählt werden dürfen, die ei-<br />
nen einigermaßen sicheren Schluss auf das Ausmaß des Vorteils zulassen" (BayVGH, Urteil<br />
vom 26.10.2000, a.a.O.).<br />
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Wahrscheinlich-<br />
keitsmaßstäbe von Grundstücksfläche und Geschossfläche immer als geeignet für die Abgel-<br />
11
7 K 1410/07 We<br />
tung des grundstücksbezogenen Vorteils der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentli-<br />
chen leitungsgebundenen Versorgungseinrichtung anerkannt.<br />
Der bloße Grundstücksflächenmaßstab allein ist allerdings ungeeignet, die Vorteile sachge-<br />
recht zu erfassen, die ein Grundstück aus einer öffentlichen leitungsgebundenen Versor-<br />
gungseinrichtung erfährt, ausgenommen der Beitragsmaßstab der befestigten Grundstücksflä-<br />
che für eine bloße Regenwasserkanalisation (vgl. BayVGH, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O.).<br />
Dem Grundsatz des Vorteilsausgleichs würde auch nicht ausreichend Rechnung getragen,<br />
wenn ein Abwasserzweckverband für eine Mischwasserkanalisation, in die sowohl das<br />
Schmutz- als auch das Niederschlagswasser von den Grundstücken abgeleitet werden kann,<br />
einen reinen Geschossflächenmaßstab wählen würde. Andererseits ist bei einer ausschließli-<br />
chen Schmutzwasserkanalisation ein "reiner" Geschossflächenmaßstab ohne Grundstücksflä-<br />
chenkomponente sachgerecht und in der Regel sogar geboten. Dieser Maßstab ist bei einer<br />
reinen Schmutzwasserkanalisation zulässig, weil sich dort der Grad des Vorteils aus der Mög-<br />
lichkeit der Ableitung des Abwassers aus der vorhandenen oder zulässigen Bebauung be-<br />
stimmt (vgl. BayVGH, Urteil vom 26.10.2000 a.a.O.).<br />
Bei einer reinen Schmutzwasserentwässerung bestehen somit Bedenken hinsichtlich eines aus<br />
Grundstücks- und Geschossfläche gemischten Maßstabes (vgl. ThürOVG, Urteil vom<br />
21.06.2006, Aktenzeichen 4 N 574/98). Die Geeignetheit eines kombinierten Geschossflä-<br />
chenmaßstabes bei einer bloßen Fäkalschlammentsorgung aus abflusslosen Gruben und<br />
Kleinkläranlagen fehlt, weil es sich bei der Abwasserentsorgung aus Kleinkläranlagen und<br />
abflusslosen Gruben regelmäßig um eine reine Schmutzwasserentsorgung handelt, bei der<br />
kein Niederschlagswasser entsorgt wird. "Für eine reine Schmutzwasserbeseitigung wird<br />
(deshalb) … grundsätzlich nur ein reiner Geschossflächen- oder Vollgeschossmaßstab als<br />
geeignet angesehen, weil der wahrscheinliche Umfang der Inanspruchnahme der Schmutz-<br />
wasserentsorgung nicht in Relation zur Grundstücksgröße steht, sondern nur zum Umfang der<br />
baulichen Nutzung, die Ursache für die Entstehung des Schmutzwassers als häuslichem Ab-<br />
wasser ist" (ThürOVG, Urteil vom 21.06.2006, Aktenzeichen 4 N 574/98). Die für die Misch-<br />
wasserkalkulation (Ableitung von Schmutz- und Oberflächenwasser) als sachgerecht aner-<br />
kannte und gebotene Kombination führt bei einer reinen Schmutzwasserentsorgung aus ab-<br />
flusslosen Gruben und Kleinkläranlagen dazu, Eigentümer großer Grundstücke bei gleicher<br />
Bebauung, also gleichem Vorteil, stärker zu belasten als die Eigentümer kleiner Grundstücke.<br />
Daher kann bei einer "reinen" Schmutzwasserkanalisation ein solcher Maßstab nur zulässig<br />
sein, wenn durch die Verteilung des Aufwandes auf die jeweiligen Bezugsflächen diese Un-<br />
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gleichbehandlung weitgehend ausgeschlossen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 26.10.2000,<br />
a.a.O.). Sachgerechte Gründe, die Beitragsbemessung bei der Fäkalschlammentsorgung - wie<br />
sie hier in der Entwässerungssatzung des Beklagten als Teil der Entwässerungseinrichtung<br />
festgelegt ist - durch einen kombinierten Beitragsmaßstab unter Einbeziehung eines Beitrags-<br />
satzes auch für die Grundstücksfläche zu bemessen, konnte das Thüringer Oberverwaltungs-<br />
gericht im Urteil vom 21.06.2006, Aktenzeichen 4 N 574/98 nicht erkennen. Ein gerechter<br />
Vorteilsausgleich bei abflusslosen Gruben und Kleinkläranlagen, bei denen nur die Fäkal-<br />
schlammentsorgung erfolgt, ist somit nur bei einem reinen Geschossflächen- oder Vollge-<br />
schossmaßstab möglich (so ThürOVG, Urteil vom 21.06.2006 Aktenzeichen 4 N 574/98).<br />
Ob die Ungleichbehandlung auch dadurch ausgeschlossen werden kann, dass neben dem Ge-<br />
schossflächen- oder Vollgeschossmaßstab auch ein entsprechend geringer Teil der Grund-<br />
stücksfläche, der 10 Prozent nicht übersteigen darf, Berücksichtigung finden kann (so<br />
BayVGH, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O.), kann vorliegend offenbleiben, da der Beklagte oh-<br />
ne Differenzierung einen kombinierten Geschoßflächenmaßstab anwendet, in den die gesamte<br />
Grundstücksfläche grundsätzlich Eingang findet.<br />
Nach §§ 5 Abs. 1, 7 Nr. 2 der BS-EWS des Beklagten wird der Beitrag nach der gewichteten<br />
Grundstücksfläche (Produkt aus Grundstücksfläche und dem Nutzungsfaktor) berechnet. § 5<br />
BS-EWS, der den Beitragsmaßstab für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklag-<br />
ten normiert, enthält ebenso wenig wie § 7 Nr. 2 BS-EWS eine Regelung, die dem einge-<br />
schränkten Vorteil bei einer bloßen Fäkalschlammentsorgung aus abflusslosen Gruben oder<br />
Kleinkläranlagen gerecht werden würde.<br />
Ein tauglicher Beitragsmaßstab ist jedoch nach § 2 Abs. 2 ThürKAG zwingender Mindestin-<br />
halt einer Beitragssatzung. Fehlt ein solcher bzw. ist dieser - wie hier - unvollständig, ist eine<br />
Berechnung des Beitrages nicht möglich. Dies führt zur Nichtigkeit der entsprechenden Sat-<br />
zungsregelung für die Geltendmachung des Teilbeitrages Kläranlage.<br />
Mangels materiell wirksamer Rechtsgrundlage ist der angefochtene Bescheid zur Erhebung<br />
eines Herstellungsbeitrages für die Teileinrichtung Kläranlage in Gestalt des Widerspruchsbe-<br />
scheides rechtswidrig. Einer Auseinandersetzung mit den sonstigen von Klägerseite aufge-<br />
worfenen Fragen etwa zu Einwänden in Bezug auf die Globalkalkulation bedurfte es mithin<br />
nicht.<br />
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich der außerge-<br />
richtlichen Kosten (§ 162 Abs. 1 VwGO) des ursprünglichen Beklagten (Landkreis Nordhau-<br />
sen) aus § 155 Abs. 4 VwGO (vgl. VGH München, Beschluss vom 11.02.1999, NVwZ-RR<br />
1999, 695).<br />
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf §<br />
167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.<br />
Dem Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig<br />
zu erklären, war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO stattzugeben.<br />
Welcher Maßstab bei der Beantwortung der Frage anzulegen ist, unter welchen Vorausset-<br />
zungen die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren als notwendig anzusehen<br />
ist, wird in Rechtssprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt. Während zum Teil genera-<br />
lisierend darauf abgestellt wird, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmäch-<br />
tigten im Vorverfahren nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren, sondern zur<br />
Erzielung annähernder ,,Waffengleichheit" zwischen Bürger und Behörde im Regelfall zu<br />
bejahen sei, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage sei, selbst seine Rechte gegen-<br />
über der Verwaltung ausreichend zu wahren, ist nach der Rechtsprechung vor allem des 6.<br />
Senats des Bundesverwaltungsgerichtes die Notwendigkeit enger zu beurteilen und nur nach<br />
Lage der Dinge im konkreten Einzelfall anzuerkennen.<br />
Hier ist davon auszugehen, dass selbst nach der engen Betrachtungsweise die Voraussetzun-<br />
gen des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten<br />
eines Rechtsanwalts im Vorverfahren vorliegen. Danach ist die Notwendigkeit der Hinzuzie-<br />
hung zumindest dann zu bejahen, wenn sich im konkreten Fall ein vernünftiger Bürger mit<br />
gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwaltes<br />
oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Maßgebend ist die Sicht einer verständigen,<br />
aber nicht rechtskundigen Partei. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes je-<br />
denfalls dann, wenn es der Partei im Zeitpunkt der Bevollmächtigung nach ihren persönlichen<br />
Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfah-<br />
ren selbst zu führen. Im kommunalabgabenrechtlichen Verfahren liegen diese Voraussetzun-<br />
gen nach Auffassung des Thür. OVG (Beschluss vom 9.1.2003 - 4 VO 24/02), der sich das<br />
Gericht anschließt, regelmäßig vor. In Streitigkeiten über gemeindliche Abgaben treten typi-<br />
scherweise schwierige Sach- und Rechtsfragen auf, die nur eine mit dieser Materie vertraute<br />
rechtskundige Person übersehen und (zuverlässig) beantworten kann.<br />
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7 K 1410/07 We<br />
So liegt der Fall auch hier. Im Hinblick auf die aufgeworfenen Rechtsfragen war es dem Klä-<br />
ger nicht zumutbar, das Widerspruchsverfahren ohne die Zuziehung eines Rechtsanwalts zu<br />
führen.<br />
R e c h t s m i t t e l b e l e h r ung<br />
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Thüringer Oberverwaltungsgericht<br />
zu, wenn sie von diesem zugelassen wird.<br />
Die Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beantragt<br />
werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstraße 12 b,<br />
99427 Weimar, zu stellen.<br />
Der Zulassungsantrag ist innerhalb zweier Monate nach Zustellung des Urteils zu begründen.<br />
Die Begründung ist - wenn sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag erfolgt - beim Thüringer<br />
Oberverwaltungsgericht, Kaufstraße 2 - 4, 99423 Weimar einzureichen.<br />
Hinweis: Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang nach Maßgabe des § 67<br />
Abs. 1 VwGO; dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.<br />
Strätz Bratek Stalbus<br />
B e s c h l u s s<br />
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 798,27 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).<br />
R e c h t s m i t t e l b e l e h r ung<br />
Gegen den Streitwertbeschluss steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen<br />
die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu.<br />
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstraße 12 b,<br />
99427 Weimar, einzulegen.<br />
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird,<br />
nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich<br />
anderweitig erledigt hat.<br />
Strätz Bratek Stalbus<br />
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