295. Ausgabe, ET 24.10.2020
Kleines Schlupfloch gesucht: Angela Merkel hat wenige Stunden nach dem Treffen mit den Ministerpräsident/innen der Länder ihren Kanzleramtschef Helge Braun ins Fernsehen geschickt, um der Bevölkerung mitzuteilen, dass diese es selbst richten muss. Von Michael Zäh
Kleines Schlupfloch gesucht: Angela Merkel hat wenige Stunden nach dem Treffen mit den Ministerpräsident/innen der Länder ihren Kanzleramtschef Helge Braun ins Fernsehen geschickt, um der Bevölkerung mitzuteilen, dass diese es selbst richten muss. Von Michael Zäh
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Samstag, 24. Oktober 2020
ktober 2020
DEUTSCHLAND
GESELLSCHAFT
9
Oktober 2020
Samstag, 24. Oktober 2020
Covid-19 Fallzahlen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald pro Gemeinde:
bisher gesamt / geschätzte aktive Fälle
ZUR SACHE
(speziell ja auch der Gastronomen,
die tatsächlich die weniger Stunden
dann auch finanziell spüren) nicht
verhältnismäßig. Das Gericht in Berlin
entschied hier im Eilverfahren –
das Hauptsacheverfahren steht noch
aus (sprich: das Urteil ist noch nicht
endgültig rechtskräftig).
Aber die Tendenz ist klar. Und
sie ist ungut. Wenn die Politik und
die Behörden der Bevölkerung solch
schwammige Maßnahmen verordnen,
die dann nicht einmal vor Gericht
Bestand haben, wird das eher
Chaos stiften als den Zusammenhalt
fördern. Mal ganz zu schweigen
davon, dass kein Mensch weiß, was
eigentlich genau für ihn in seinem
Kreis oder seiner Stadt gilt.
Nehmen wir da mal die vereinbarte
„erweiterte“ Maskenpflicht im
öffentlichen Raum. Da heißt es im
Beschlusspapier, dass Maskenpflicht
dort gelte, „wo Menschen dichter
oder länger zusammen kommen.“
Hallo? Ungenauer geht es nicht!
Man kann sich ja noch vorstellen,
dass dies in der Altstadt von München
so beschlossen wurde und
0*/5*: Diese Zahl kann 0 bis 5 Fälle umfassen. Fallzahlen unter 5 werden
nicht detailliert ausgewiesen, damit eine Nachverfolgung auf Einzelpersonen
ausgeschlossen werden kann. Als geheilt gelten Personen, deren Meldung
bis zum 08.10.2020 aufgenommen und nicht hospitalisiert wurden.
Stand: 22.10.2020, 10:00 Uhr
auch, dass dies im Ernstfall für den
Besuch diverser Weihnachtsmärkte
(so diese denn überhaupt stattfinden
dürfen) Pflicht werden dürfte.
Aber ansonsten triumphiert die Ungenauigkeit.
Selbst Menschen, die
gerne pflichtbewusst mit den Anordnungen
umgehen wollen, müssen
ja zumindest wissen, wo welche
Anordnungen jetzt für sie gelten.
Welche Plätze, welche Straßen, welche
Wiesen sind es genau, sagen
wir in einer Kleinstadt oder gar auf
dem Dorf, wo man die erweiterte
Maskenpflicht hat? Und wenn da
im einen Moment Menschen „dichter
oder länger“ zusammen kamen,
dann aber dieser Ort von allen eher
gemieden wird, also nix mehr dicht
und so, was gilt denn dann? Und
wer teilt es wie mit? Stellen dann die
lokalen Behörden Schilder auf, oder
fahren sie mit Megaphonfahrzeugen
übers Land, um entsprechende
Durchsagen erscheppern zu lassen?
Es ist ein Wirrwarr. Dies lässt
sich auch am Verbot von Alkohol-Ausschank
(oder Verkauf) gut
zeigen. Denn hier ist der Gedanke
ja der, dass jede Vorsicht, Umsicht
und Rücksicht auf der Strecke bleibt,
wenn der Alkohol-Pegel steigt. Na
schön, aber das ist ein bisschen
hemdsärmelig. Ist das tatsächlich
auf die einzelne Person bezogen
zutreffend? Wie soll das denn bewiesen
werden? Auch hier gab es
bereits Gerichtsurteile (in München),
die pauschales Alkoholverbot zu
bestimmten Zeiten in der ganzen
Stadt gekippt haben. Zu ungefähr,
zu ungenau, zu wenig sachlich. Vor
allem aber: unsäglich.
Es ist ja gar keine Frage, dass
die Bedrohung durch Corona zuletzt
und wahrscheinlich demnächst noch
mehr eine ernste Gefahr darstellt. Eine
Gefahr, die gar nicht unterschätzt
werden sollte. Teil dieser Gefahr ist
aber leider auch, dass die Politik sich
diesbezüglich zerstritten (siehe auch
Seite 5), uneinig und vor allem wenig
überzeugend präsentiert. Genau dies
könnte zum Einfallstor des Virus
werden, weil umgekehrt nur größtmögliche
Transparenz und Einigkeit
in der Gesellschaft die Kraft haben,
Corona zu bezwingen.
Freiheit im privaten
Raum ist hohes Gut
Bund und Länder wollen angesichts
anhaltend hoher Corona-Infektionszahlen
Feiern in öffentlichen oder angemieteten
Räumen beschränken. Eine
Obergrenze von 50 Personen gelte,
wenn in einem Landkreis innerhalb von
sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen
auf 100.000 Einwohner auftreten.
Wenn es in einem Landkreis innerhalb
von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen
pro 100.000 Einwohner gibt,
soll die Teilnehmerzahl auf höchstens
25 in öffentlichen und maximal 10 in
privaten Räumen beschränkt werden.
Private Feiern seien „eine der großen
Ursachen für Infektionsausbrüche“,
sagte Kanzlerin Angela Merkel. Aber
die Frage, die sich hier anschließt,
lautet: Wie bitte soll das kontrolliert
werden? Soll Denunziantentum in der
Bevölkerung gefördert werden, damit
dann die Polizei an der Haustür der
Privatfeiern klopft? Es ist außerdem
noch nicht einmal sicher, ob es juristisch
haltbar ist, solche Vorschriften
in privaten Räumen überhaupt zu
erlassen. Es wird hierzu bestimmt
ebenfalls erste Urteile geben, die die
Verhältnismäßigkeit zu überprüfen
haben. Freiheit im privaten Raum ist
ein hohes Gut.
miz
Herausgeber Infografik: Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald; Grundlage: ALKIS, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung;
Baden-Württemberg (www.lgl-bw.de). Az.: 2851.9- 1/19