MITTENDRINMit Leib und Seeleim LokführerstandPersonalmangel, Nachwuchsproblem: Der Lokführerberufsteht unter Druck. Zwei, die im Führerstandihre Passion gefunden haben, sind Nathalie Simplet undFelix Eggenschwiler. Wir haben mit ihnen gesprochen.Text: Karin Rechsteiner, Manuel Bühlmann Fotos: Niels Ackermann, Hans Schürmann20 SBB Cargo 1 | 2020
MITTENDRINFesterHändedruck, blondes, offenesHaar, strahlendes Lachen und einherzliches «Salut». So begrüsst NathalieSimplet, Lokführerin bei SBB Cargo, um9 Uhr ihre Besucher am GüterbahnhofDenges-Echandens bei Lausanne. Unddas, obwohl ihre Schicht an diesem Tagbereits um 3 Uhr morgens begonnen hat.Müde? Nein, müde ist sie nicht. «Jetztbeginnt mein Tag zum zweiten Mal»,witzelt sie. Die 40-Jährige ist gelernteDentalassistentin. 15 Jahre hatte sie inihrem Beruf gearbeitet und dann, mitMitte 30, kam die grosse Frage: Und jetzt?Per Zufall erfuhr sie, dass SBB CargoLokführer suchte. Sie zögerte nichtlange – und voilà, da fährt sie nun. Unddas zu jeder Tages- und Nachtzeit. «Amliebsten fahre ich in den Sonnenaufgang»,sagt sie lachend. Das sei jedes Malein besonderer Moment. Sie geniessedie Nähe zur Natur und das Unterwegsseinzu jeder Jahreszeit sehr. Ihre Lieblingsrouteführt dem Genfersee entlangvon Lausanne nach Villeneuve odervon Puidoux über Grandvaux nach Lausanne.«Das Highlight der Strecke istder Moment, wenn der Zug den Tunnelverlässt und den Blick über den See unddie Rebberge des Lavaux freigibt – dasist unvergleichbar.»Trotz den schönen Aussichten, NathalieSimplet muss im Führerstand jederzeitpräsent und konzentriert sein.«Wenn etwas passiert, muss ich schnellreagieren», sagt sie. Ihr Zug an diesemMorgen hatte 20 Wagen, war 273 Meterlang und wog 1805 Tonnen. «MeinBremsweg ist lang und das Streckennetzdicht befahren, ich kann nichteinfach schnell anhalten.» An dieseVerantwortung über die vielen Tonnenund über 10 000 PS hat sie sichrasch gewöhnt. Nicht zuletzt dank dergrossen Unterstützung ihrer Kollegen.Simplet ist in Lausanne aktuell nochdie einzige Lokführerin, Ende 2020wird sie voraussichtlich drei neue Kolleginnenerhalten. «Der Zusammenhaltim Team ist gross. Ich habe mich vonAnfang an integriert und willkommengefühlt», windet sie ihren Kollegen einKränzchen. «Vorher habe ich eher ineinem Frauenberuf gearbeitet, jetzt arbeiteich in einem Männerberuf – undLetzteres mag ich lieber.»Nathalie Simplet hat keine Kinderund sagt von sich, sie sei sehr flexibel, versteheaber, wenn gerade jüngere Leuteaus Rücksicht auf die Familie einen anderenBeruf wählten. Sie selbst geniesstNathalieSimplet,Lokführerin«Die Freiheit im Lokführerstandbedeutetmir viel.»die Freiheit, an einem Mittwochmorgenauf die Skipiste zu gehen oder einemMontagnachmittag Freunde zu treffen.«Nein, als Lokführer muss man kein Einzelgängersein», betont sie. «Aber klar,es macht mir nichts aus, alleine zu sein.Die Freiheit im Führerstand bedeutetmir viel.» Es ist inzwischen schon fastMittag, Zeit für Simplet, die Heimfahrtanzutreten, bevor die nächste Schichtbeginnt. Jetzt freut sie sich auf etwasBewegung an der frischen Luft, denn:«Sport ist für mich der perfekte Ausgleichzum Job.»SBB Cargo 1 | 202021