sporting hamburg Dezember 2020 / Januar 2021
Stadtsportmagazin
Stadtsportmagazin
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Motorsport<br />
© Fotos: Tramnitz<br />
Hamburgs<br />
Schnellster!<br />
Tim ist im November nämlich gerade erst 16 geworden, also heißt es<br />
warten, mit der Fahrerlaubnis. Dabei gilt der Bergedorfer als eines<br />
der größten Motorsporttalente Deutschlands. Seine erste Saison in<br />
der Nachwuchsklasse Formel 4 hat er mit einem Rennsieg und vier<br />
zweiten Plätzen als Rookie of the Year abgeschlossen, als allerbester<br />
Neuling. In der Gesamtwertung belegte er Platz vier. „Ich bin echt<br />
happy. Das ist mehr, als ich mir von meiner ersten Saison erhofft<br />
hatte“, strahlte er. Da bleibt uns nur zu sagen: Glückwunsch, Hut ab<br />
und fetter Respekt, Tim. Der Junge hat es offensichtlich drauf. Schon<br />
mit fünf Jahren hat er ein Quad geschenkt bekommen, mit sechs im<br />
ADAC Ortsklub Bergedorf seine ersten Runden im Slalomkart gedreht,<br />
das Feuer war entzündet. „Ich bin dann begeistert um Hütchen<br />
Slalom gefahren“, erzählt Tim von seinen Anfängen, „da war mir<br />
echt schon klar, dass ich das machen will.“ Seinen ersten eigenen<br />
Rundstreckenkart hat er mit acht bekommen und ist damit begeistert<br />
über die Kartstrecke bei Lüneburg gekurvt. „Ich glaube, das ist wie in<br />
jedem Sport: Je eher man anfängt, desto besser ist das“, meint Tim.<br />
Er hatte natürlich das Glück, dass sein Vater Jürgen auch ein Faible<br />
für Autos und Motoren hat. Der Bergedorfer Unternehmer hat sich<br />
mit einer Werkstatt für „Oldies“ im Sommer einen eigenen Traum<br />
verwirklicht, er sammelt selbst besonders schöne, alte Autos. Und<br />
er fördert seinen Sohn, ohne das wäre eine Karriere im Rennsport<br />
wohl, sagen wir: schwierig.<br />
Karts sind ja der klassische Einstieg in das Rennsportgeschäft. Praktisch<br />
alle erfolgreichen Formel-1-Fahrer haben im Kart begonnen. Ob<br />
das Lewis Hamilton ist, Sebastian Vettel oder, klar: Michael und Ralf<br />
Schumacher auf der berühmten Kartbahn in Kerpen. Apropos Ralf<br />
Schumacher: Den kennt Tim schon aus dem Kartsport. Vor dieser Saison<br />
stieg er für dessen Team „US<br />
Racing“ in die Formel 4 ein,<br />
die Nachwuchsrennklasse.<br />
„Ich habe mich immer wohl<br />
gefühlt, super professionell<br />
ist es da“, schwärmt er, „ich<br />
habe wahnsinnig viel gelernt.“<br />
Ralf gibt das Kompliment zurück:<br />
„Er ist sehr motiviert<br />
und hat einen guten Speed.“<br />
Tim feierte im November seinen ersten Sieg in der ADAC Formel 4, Happy End im letzten Saisonrennen.<br />
Glaubt man nicht, ist aber so – Hamburgs wohl schnellster Autofahrer<br />
hat keinen Führerschein. Krass: Mit bis zu 240 Sachen rast Tim Tramnitz<br />
über die Rennstrecken dieser Welt, aber auf die Stresemann- oder die<br />
Ost-West-Straße darf er noch nicht.<br />
Nun ist es in diesen Nachwuchsklassen nicht<br />
so, dass die Fahrer schon wer weiß wie viel<br />
Kohle einfahren. Eher das Gegenteil ist der<br />
Fall: Du musst Dich für die Leistungen bei<br />
einem Rennteam quasi einkaufen. So ein<br />
Formel-4-Auto kostet etwa 55.000 Euro.<br />
Tim hat zwar Sponsoren und er wird von der<br />
ADAC Stiftung Motorsport gefördert, dennoch sagt er: „Man selbst<br />
verdient praktisch nichts daran.“ Das kommt erst später, wenn der<br />
Erfolg so weitergeht. Immerhin hat er durch die erfolgreiche Saison<br />
in diesem Jahr seine Verhandlungsposition gegenüber dem Team<br />
schon verbessert, er wird weniger eigene Kohle mitbringen müssen.<br />
Man redet, aber die Entscheidung auch im nächsten Jahr wieder für<br />
US Racing an den Start zu gehen, scheint schon gefallen. Dann soll<br />
es um den Gesamtsieg gehen, „das ist klar unser Ziel.“<br />
Das alles geht natürlich nur, wenn die Schule mitmacht. Da hat er<br />
offenbar Glück, das Luisen-Gymnasium unterstützt ihn mit Freistellungen,<br />
„wichtig ist am Ende, dass meine Noten stimmen“, sagt er.<br />
Tun sie aber, auch wenn es hart ist: „Ich habe viel gefehlt, musste<br />
viel nacharbeiten.“ Als Norddeutscher im Rennzirkus merkst Du eben<br />
auch: „Hamburg liegt nicht gerade zentral.“ Es ist immer ein Akt, zu<br />
den Rennstrecken wie Lausitzring, Nürburgring oder Hockenheimring<br />
zu kommen, nicht nur zum Rennen am Wochenende, sondern auch<br />
zu Tests. Wenn er zu Hause ist, steht neben Schule weiter Sport auf<br />
dem Zettel. Logisch, Motorsport ist nicht nur im Auto sitzen und Gas<br />
geben. Da musst Du rundum fit sein. „Wir haben einen kleinen Raum<br />
mit Geräten, da arbeite ich viel. Viermal in der Woche gehe ich laufen,<br />
und ich mache Boxtraining“, erzählt Tim, „und einmal in der Woche<br />
arbeite ich mit einem Mentaltrainer.“ Der Kopf muss klar sein, wie<br />
in jedem Spitzensport. Und ganz besonders auch, wenn du in drei<br />
Sekunden von Null auf Hundert beschleunigst. Bisher passt das Paket<br />
offenbar gut zusammen und das Ziel ist klar: „Mein Traum ist natürlich<br />
die Formel 1. Aber ich muss halt von Jahr zu Jahr gucken.“ Und wir<br />
gucken mit, voller Spannung, was da noch passiert. Und spätestens<br />
in der Formel 1 hat er dann auch bestimmt seinen Führerschein.<br />
36<br />
Krasses Geschoss, hier auf der Deutschen Kart Meisterschaft.<br />
Tim Tramnitz ist der Rookiechampion der ADAC Formel 4 <strong>2020</strong>, und das ohne Führerschein.