Tschernobyl und die DDR: Fakten und Verschleierungen ...
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Eine gewisse Einflussnahme auf Lebensmittelproduktion <strong>und</strong> Großverbraucher<br />
war durch Außenarbeit, Gespräche <strong>und</strong> Beratungen möglich. Wir orientierten<br />
uns an den Empfehlungen der westdeutschen Strahlenschutzkommission,<br />
Frischmilch <strong>und</strong> frisches Blattgemüse nur dann zum Verzehr freizugeben, wenn<br />
<strong>die</strong> Jod-131-Aktivität bei Milch den Richtwert von 500 Becquerel pro Liter<br />
beziehungsweise bei frischem Blattgemüse von 250 Becquerel pro Kilogramm<br />
nicht überschreitet. Bei Spargel, Rhabarber <strong>und</strong> Wurzelgemüse war durch Waschen<br />
<strong>und</strong> Schälen <strong>die</strong> Verschmutzung mit radioaktiven Partikeln weitgehend<br />
zu beseitigen.<br />
Inzwischen kam ein neues Problem auf den Bezirk Magdeburg zu. Lastkraftwagen,<br />
aus den betroffenen osteuropäischen Ländern kommend, waren hochgradig<br />
radioaktiv belastet. Da der B<strong>und</strong>esgrenzschutz in Helmstedt <strong>die</strong>se Fahrzeuge<br />
nicht mehr passieren ließ, wurden sie auf dem Autobahn-Rasthof Börde<br />
herausgezogen. Nach Radioaktivitätsmessungen wurden <strong>die</strong> Luftfilter mit<br />
den kontaminierten Stäuben ausgebaut <strong>und</strong> <strong>die</strong> LKW in den Waschanlagen<br />
Haldensleben <strong>und</strong> Staßfurt gewaschen, also entaktiviert. Bei den Luftfiltern<br />
wurde eine Ionendosis von bis zu zwei Röntgen, das entspricht einer Äquivalentdosis<br />
von 20 Millisievert, gemessen.<br />
Unter Leitung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit waren an der Autobahn<br />
Kräfte der Zivilverteidigung mit Geigerzählern über einen längeren Zeitraum<br />
im Einsatz. Vor Ort kam es Anfang Mai zu einem informatorischen Austausch<br />
der im Hygieneinstitut <strong>und</strong> am Rasthof gemessenen Werte. Ein Auftrag<br />
lag dazu nicht vor. Auch kennen wir <strong>die</strong> weitere Verfahrensweise mit den<br />
Luftfiltern <strong>und</strong> den Wässern <strong>und</strong> Schlämmen aus der Waschanlage nicht. Wir<br />
gehen aber davon aus, dass das Wasser über <strong>die</strong> Kanalisation abgeleitet, <strong>die</strong><br />
Schlämme <strong>und</strong> Filter auf eine Sonderabfalldeponie verbracht wurden.<br />
Gemeinsam: Kirche, Presse <strong>und</strong> Hygieneinstitut wollen<br />
<strong>die</strong> Bürger informieren<br />
Folgen für den Bezirk Magdeburg<br />
Es gab in der Folge der Reaktorkatastrophe keine weiteren Veröffentlichungen<br />
in der Presse. Das Thema <strong>Tschernobyl</strong> stand aber auf der Tagesordnung in<br />
allen Gesprächen mit Bürgern <strong>und</strong> Umweltgruppen, wo es unter dem Dach<br />
vor allem der Evangelischen Kirche zu einem neuen Schub an Aktivitäten mit<br />
Protesten <strong>und</strong> Eingaben gegen <strong>die</strong> staatliche Umwelt- <strong>und</strong> Atompolitik kam.<br />
In der jährlich stattfindenden Gesprächsr<strong>und</strong>e des Rates des Bezirkes mit der<br />
Leitung der Kirchenprovinz Sachsen, unter anderem mit Bischof Dr. Demke,<br />
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