Tschernobyl und die DDR: Fakten und Verschleierungen ...
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Aufsehen erregten Untersuchungen von Sperling et al. von 1991 [9], <strong>die</strong> eine<br />
überdurchschnittliche Prävalenzerhöhung der Trisomie 21 (Down-Syndrom)<br />
exakt neun Monate nach dem Reaktorunfall in <strong>Tschernobyl</strong> im Stadtgebiet<br />
Westberlins feststellten. Nach der Hypothese der Autoren führte der in Deutschland<br />
vorhandene relative Jodmangel zu einer verstärkten Aufnahme von radioaktivem<br />
Jod <strong>und</strong> dadurch zu einem direkten Strahleneffekt auf <strong>die</strong> Gonaden<br />
zum Konzeptionszeitpunkt.<br />
In Norwegen fanden Lie et al. [10] in dem norwegischen Fehlbildungsregister<br />
eine positive Assoziation zwischen totaler, das heißt externer falloutbedingter<br />
<strong>und</strong> interner, nahrungskettenbedingter inkorporierter Strahlendosis <strong>und</strong> dem<br />
Auftreten eines Hydrozephalus (vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Kopf<br />
eines Neugeborenen). Für Chromosomenstörungen, wie das Down-Syndrom,<br />
wurden keine derartigen Assoziationen nachgewiesen. Häusler et al. [11], <strong>die</strong><br />
66.743 Geburten aus der Zeit von 1985 bis 1989 in Österreich untersuchten,<br />
fanden keine signifikanten Änderungen von Fehlbildungs- oder Fehlgeburtshäufigkeiten<br />
im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall.<br />
Aus der Osttürkei wurde von Guvenc et al. [12] 1993 eine Stu<strong>die</strong> vorgelegt,<br />
<strong>die</strong> Geborene aus den Jahren 1985 bis 1990 erfasst <strong>und</strong> in der <strong>die</strong> Häufigkeit<br />
von Neuralrohrdefekten vor <strong>und</strong> nach dem Reaktorunfall in <strong>Tschernobyl</strong> untersucht<br />
wurde. Die Autoren fanden einen hochsignifikanten Anstieg <strong>die</strong>ser<br />
schweren Fehlbildung. Da <strong>die</strong> meisten der betroffenen Kinder aber mehr als<br />
ein Jahr nach dem Unfall geboren wurden, halten <strong>die</strong> Autoren auch andere<br />
Faktoren als fehlbildungsauslösend für möglich, zumal Angaben zu der Strahlenbelastung<br />
in der untersuchten Population nicht vorlagen.<br />
Eine spätere Untersuchung aus dem Jahre 1999, <strong>die</strong> Dolk <strong>und</strong> eine EUROCAT-<br />
Arbeitsgruppe [13] vorlegten, <strong>und</strong> in der Daten aus 16 Fehlbildungsregistern<br />
Europas ausgewertet wurden, ergaben keinen Hinweis auf einen Anstieg der<br />
Gesamtfehlbildungsrate oder ausgewählter Fehlbildungen im Zusammenhang<br />
mit dem Strahlenunfall.<br />
Nach dem Reaktorunfall wurde in beiden Teilen Deutschlands wieder einmal<br />
deutlich, dass keine zuverlässigen Daten zur Fehlbildungshäufigkeit vorlagen.<br />
Aussagen über Prävalenzanstiege angeborener Anomalien im Zusammenhang<br />
mit dem Unglück waren demzufolge nicht möglich. Nur in der <strong>DDR</strong> – im Bezirk<br />
Magdeburg – bestand seit 1980 eine systematische Fehlbildungserfassung [14].<br />
Hier wurden <strong>die</strong> Fehlbildungsraten – insbesondere <strong>die</strong> des Zentralnervensystems<br />
– in den Folgejahren nach <strong>Tschernobyl</strong> besonders aufmerksam verfolgt.<br />
Im Stadtgebiet von Magdeburg war im Zeitraum von 1987 bis 1989 eine sig-<br />
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