Ludendorff, Mathilde - Auf Wegen zur Erkenntnis, Band 8 blaue Reihe
Die Menschen taumeln nur zu leicht von einem Irrtum zum anderen. „Aktion und Reaktion“ wird das in genannt. Auf ein Jahrhundert, in dem das Wissen alles war, das Erlebnis des Göttlichen zur gänzlichen Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpfte, keine Überzeugungskraft hatte, folgt nun eine ähnliche Torheit, die Unterschätzung des Wissens. Man sagt, daß das Wissen das Gotterleben bedrohe, ersticke, ohne dabei zu zeigen, wann allein es Gotterleben bedroht, und wann es dies hüten kann, ohne es zu bedrohen. Kann man zwischen Wissen und Gotterleben eine Balance herstellen? Es ist ein Verdienst der Philosophin Dr. Mathilde Ludendorff in vorliegendem Büchlein Klarheit in diese doch so wichtige Frage gebracht zu haben. Dr. Mathilde Ludendorff, blaue Reihe, Auf Wegen zur Erkenntnis, Ludendorffs Verlag, Matthias Köpke, Koepke, Esausegen, Esau Segen, Zollchow, Nordwestuckermark,
Die Menschen taumeln nur zu leicht von einem Irrtum zum anderen. „Aktion und Reaktion“ wird das in genannt.
Auf ein Jahrhundert, in dem das Wissen alles war, das Erlebnis des Göttlichen zur gänzlichen Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpfte, keine Überzeugungskraft hatte, folgt nun eine ähnliche Torheit, die Unterschätzung des Wissens. Man sagt, daß das Wissen das Gotterleben bedrohe, ersticke, ohne dabei zu zeigen, wann allein es Gotterleben bedroht, und wann es dies hüten kann, ohne es zu bedrohen. Kann man zwischen Wissen und Gotterleben eine Balance herstellen?
Es ist ein Verdienst der Philosophin Dr. Mathilde Ludendorff in vorliegendem Büchlein Klarheit in diese doch so wichtige Frage gebracht zu haben.
Dr. Mathilde Ludendorff, blaue Reihe, Auf Wegen zur Erkenntnis, Ludendorffs Verlag, Matthias Köpke, Koepke, Esausegen, Esau Segen, Zollchow, Nordwestuckermark,
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jeden Gläubigen sorge, so leuchten in manchen Stunden unter dieser
Tröstung die Augen auf. Vertrauensvoll richtet der Gläubige sein
Bittgebet zu seinem Gott. Wenn wenige Stunden oder Tage darauf der
Ernährer der Familie arbeitslos auf die Straße gesetzt wird, dann spricht
die Tatsächlichkeit ihre ungeheuer ernste Sprache, und unter ihr zerrinnt
der Glaubenswahn. Die Seele ist auf das Grausamste auf ganz andere
Gesetze des Geschehens hingestoßen worden, und lange währt es, bis sie
sich wieder einmal von den „Tröstungen“ ihres Glaubens gefangennehmen
läßt. Ihr Denken ist nicht mehr völlig gelähmt, es erkennt und
erfaßt noch die Tatsächlichkeit! Wenn ein andermal in der Todesstunde
eines Angehörigen und gleich nach dem Tode überzeugend und ernst der
Tod als ewiges Erlöschen der Persönlichkeit erlebt wird, dann verfangen
die Tröstungen vom „Wiedersehen im Himmel“, die zu anderer Zeit auf
Stunden geglaubt werden, nicht, und so wird er hin und hergeschleudert
zwischen den Tröstungen seines Glaubens und der ehernen Tatsächlichkeit,
weil seine Denkkraft, weil sein Wille zur Wahrheit nicht völlig
gelähmt ist. Bis zur letzten Stunde seines Lebens wird er hin und
hergeworfen von seiner Kraft, die Wahrheit und nur die Wahrheit will,
und jener Schwäche, die glauben möchte, was ihr zur Stunde recht
angenehm und tröstlich wäre.
Oder aber, es bleibt diesen Menschen das andere Schicksal offen,
ihren Willen zur Wahrheit in der Seele zu verschütten mit der großen
Täuschung, daß die Wahrheit nicht etwa Einklang mit der Tatsächlichkeit,
sondern Übereinstimmung mit ihrem Glauben sei. Gelingt dies,
dann muß alle Erfahrung der Tatsächlichkeit und alles Erleben des
Göttlichen schweigen, sofern es ihrem Glauben widerspricht. Und das
Denken und Urteilen auf dem Gebiet des Glaubens hört auf. Man ist
„blindgläubig“ geworden. Dann freilich, wenn ihre Denk- und Urteilskraft
um ihres Glaubens willen sich völlig lähmen läßt, so daß selbst die
augenfälligsten Widersprüche der Erfahrung und der Glaubenslehre sie
nicht mehr beschweren, ganz einfach, weil sie nicht mehr denken, dann
haben sie „Frieden in ihrem Glauben gefunden“, dann haben sie ihre
„Zweifel siegreich überwunden“.
Mag sein, daß viele einige Jahre ihres Lebens im Anschluß an die
Kindheitssuggestionen in diesem Seelenzustand verharren, bei den
allermeisten hält er nicht an. Und nun beginnt das Schicksal der anderen
Gruppe, das unselige Hin- und Herzerren der Seele, und währt das ganze
Leben bis zum letzten Atemzug.
Der Sinn des Menschenlebens, die Kraft, zur Selbstschöpfung und
das Wesen des Göttlichen, erschließen sich nur jenen, zu welcher
Glaubensgemeinschaft sie sich auch irrig rechnen, die von den letzten
Schwächen der Leidscheu und der Glückssehnsucht frei wurden und
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