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Peer_to_Peer_Magzin#1

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<strong>Peer</strong><br />

<strong>to</strong><br />

<strong>Peer</strong><br />

#1<br />

Akademie<br />

Dokumentation


Vorab<br />

Inhalt<br />

Gemeinsam mit der Claussen-Simon-Stiftung hat der Dachverband<br />

freie darstellende Künste ein neues Weiterbildungsangebot für<br />

Hamburger Akteur*innen der freien darstellenden Künste auf den<br />

Weg gebracht.<br />

Eine Woche Neues lernen, das Fachwissen und die professionellen<br />

Erfahrungen in einem interdisziplinären, kollegialen Umfeld weitergeben<br />

und als multiperspektivische Lerngruppe gemeinsam arbeiten:<br />

Die <strong>Peer</strong>-<strong>to</strong>-<strong>Peer</strong>-Akademie bringt unterschiedliche ästhetische<br />

und fachliche Ansätze sowie verschiedene Stände bei den<br />

Arbeitsbiografien zusammen.<br />

Vom 30. November bis 4. Dezember 2020 haben sich insgesamt 9<br />

Künstler*innen in zwei festen Gruppe getroffen. Jede*r hat einen<br />

Tag gestaltet, an dem sie*er den anderen etwas beigebracht, etwas<br />

vorgestellt, mit ihnen an einer Idee gearbeitet oder an einem<br />

Thema geforscht hat.<br />

Diese Dokumentation bündelt die Workshops und teilt das geballte<br />

Erfahrungswissen mit anderen Akteur*innen der Szene.<br />

Unser Dank geht an die Teilnehmenden der Akademie! Toll, dass<br />

Ihr Euch auf das neue Format mit so viel Energie eingelassen habt.<br />

Natürlich geht unser besonderer Dank an die Claussen-Simon-Stiftung,<br />

die die Pilotphase der <strong>Peer</strong>-<strong>to</strong>-<strong>Peer</strong>-Akademie möglich gemacht<br />

hat.<br />

Gruppe I<br />

Ron Zimmering: Verhandlungs-ABC S.6<br />

Joël Vuik: Singen, Atmen, Leben! S.12<br />

Jonas Feller: Anstiftung zu und Gestaltung von Gesprächen über Kunst S.16<br />

Susanne Reifenrath: Hybride Erzählweisen in den (freien) darstellenden Künsten S.24<br />

Jasmine Fan: Eine Filmsprache für Tanz und Theater im Livestream S.28<br />

Gruppe II<br />

Heike Bröckerhoff: Dramaturgisches Feedback S.34<br />

Ruby Behrmann: Beerdigungsrituale S.42<br />

Anja Zihlmann: Das Modell als Experimentierraum S.48<br />

Patricia Carolin Mai: HAMONIM - Warm Up S.54<br />

2 3


uppe I<br />

Jonas Feller<br />

Jasmine Fan<br />

Ron Zimmering<br />

Susanne Reifenrath<br />

Joël Vuik<br />

4 5


Ron Zimmering<br />

Verhandlungs-ABC<br />

Wir glauben an eine gerechte Welt. Wir hoffen, die Vorgesetzten werden schon erkennen,<br />

was sie an uns haben und wir bekommen, was wir verdienen. Oft gilt allerdings:<br />

„Du bekommst nicht das, was du verdienst, sondern das, was du verhandelst.“ Das<br />

folgende Handlungs-ABC ist eine Sammlung an Ideen, wie Du in Zukunft besser verhandeln<br />

kannst:<br />

ANKERN<br />

Die erste Zahl, die auf dem Tisch liegt, beeinfusst das Denken, für alles was kommt. Starte mit einer<br />

möglichst hohen Zahl. Die Faustregel für das erste Angebot lautet: kurz vor der Unverschämtheit.<br />

Wichtig ist, einen Grund dafür anzugeben und Offenheit zu zeigen, nicht „friß oder stirb“. Oder setz<br />

eine Zahl in den Raum, ohne zu sagen, dass Du sie willst: „Meine Kolleg*innen raten mir, nicht unter …<br />

zu gehen.“ Noch ein Tipp: Eine schiefe Zahl wirkt wie eine Begründung.<br />

ATMOSPHÄRE<br />

Die Situation bestimmt den Preis. Es kommt oft nicht auf Dein Verhandlungsgeschick an,<br />

sondern auf die Atmosphäre. Sorge dafür, dass es eine positive Gesprächsatmosphäre gibt.<br />

BESTE ALTERNATIVE<br />

Frage Dich, was Deine beste Alternative ist, wenn Du die Verhandlung platzen läßt. Je besser Deine<br />

Alternative ist, des<strong>to</strong> weniger abhängig bist Du von den Verhandlungspartnern. Kümmere Dich vor<br />

einer Verhandlung um alternative Optionen und versuche diese Alternativen zu erhöhen. Versuche<br />

auch die Alternativen Deines Gegenübers herauszufinden und lass Dich in einer Verhandlung dahingehend<br />

nicht bluffen.<br />

BEZIEHUNG AUFBAUEN<br />

Es gibt kaum eine Verhandlung, die keine Chancen für die Zukunft bereithält. Nimm Dein Gegenüber<br />

als Individuum wahr und baue eine Beziehung auf. Du kannst niemanden überzeugen, der Dich nicht<br />

mag. Vermeide daher Drohungen, Beleidigungen, Unterbrechungen, Sarkasmus. Es geht nicht darum<br />

den anderen zu täuschen. Eine gute Beziehung verbessert das Klima und ist für beide Seiten ebenso<br />

angenehm wie vorteilhaft.<br />

EMOTIONEN<br />

Nichts verleiht einem mehr Überlegenheit, als unter allen Umständen ruhig und gelassen zu bleiben.<br />

Negative Emotionen sind der Feind effektiver Verhandlungen. Wenn die Emotionen überkochen, ist<br />

es Menschen wichtiger, anderen zu schaden, als ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Negative Emotionen<br />

sind wie Lawinen. Je weiter sie rollt, des<strong>to</strong> größer wird sie. Versuch sie so schnell wie möglich zu<br />

s<strong>to</strong>ppen.<br />

EINSCHÜCHTERUNG VERSTEHEN<br />

Lass dich nicht einschüchtern. Versierte Verhandlungspartner*innen versuchen, die Wahrnehmung von<br />

Macht zu ihren Gunsten zu verschieben. Wenn Du dieses Manöver durchschaust und korrigierst, wirst<br />

Du Dein Gegenüber verblüffen und Deine eigene Macht erhöhen.<br />

ENTSCHULDIGEN<br />

Kinder kennen die Wirkung einer Entschuldigung. Eine Entschuldigung ist der einzige Weg eine Sache<br />

abschließend zu klären. Je schneller eine Entschuldigung geäußert wird, des<strong>to</strong> besser. Die Entschuldigung<br />

ist größer, wenn Du persönlich Verantwortung übernimmst.<br />

FLINCH<br />

Mach möglichst nicht das erste Angebot und lass den anderen kommen. Zeige dann kein Pokerface<br />

sondern reagiere mit einem Flinch. Ein Flinch ist das körperliche Zusammenzucken, wenn Du von<br />

Deinem Gegenüber das erste Angebot hörst. Es ist ein Nonverbaler-Ausdruck wie Lachen, Augenbraue<br />

hochziehen o.ä., der Dein Erstaunen darüber ausdrückt. Setz direkt nach dem Flinch Deinen Gegenanker<br />

und wiederhole nicht die genannte Zahl: „Ich finde … plausibel, weil...“. Rechne mit einem<br />

Flinch bei Deinem Gegenüber.<br />

GEGENREAKTION<br />

Bei Kommunikation ist es nicht so wie in der Physik, wo auf eine Reaktion eine Gegenreaktion folgt.<br />

Wir haben die Wahl. Wenn Dich Dein Gegenüber angreift, deute den Angriff um: von einem Angriff<br />

auf Dich als Person zu einem Angriff auf das Problem. Wenn Du wütend bist, reagiere nicht. Mach<br />

etwas völlig anderes: Ergreife Partei für ihn. Z.B.: „Sie haben vollkommen Recht, an Ihrer Stelle würde<br />

ich mich genauso ärgern.“<br />

GEMEINSAMKEITEN<br />

Es sind Gemeinsamkeiten, deretwegen wir uns sympathisch sind. Erfolgreiche Verhandler*innen zeigen<br />

viermal häufiger Gemeinsamkeiten. Statt bei 99% Einigkeit sofort über das 1% Uneinigkeit zu diskutieren,<br />

solltest Du Dich sogar bei 99% Uneinigkeit auf das 1% Einigkeit konzentrieren.<br />

GOLDENE MOMENT<br />

Entwickle ein Auge dafür, wann Deine Macht am größten ist. Nutze z.B. den goldenen Moment zwischen<br />

der Zusage des Auftraggebenden / des*der Arbeitgeber*in und Deiner Annahme, hier ist die<br />

Macht am größten.<br />

INVOLVIEREN<br />

In dem Du Beteiligte nicht in den Entscheidungsprozess involvierst, schaffst Du Dir Gegner. Informiere<br />

Deine Mitstreiter über geplante Entscheidungen. Frage den anderen um Rat; die Verhandlungspartner<br />

werden überrascht sein und sich geschmeichelt fühlen. „Was soll ich meinem Team sagen, wenn<br />

ich Ihr Angebot annehme?“ Oder „Sie kennen sich ja da am besten aus. Wozu würden Sie mir jetzt<br />

raten?“ Das Um-Rat-Fragen ist eine der effektivsten Methoden, eine Verhandlung zu beeinfussen.<br />

KNAPPHEITSEFFEKT<br />

Wettbewerb erhöht den Wert eines Verhandlungsgegenstandes. Wir wollen Dinge, die begrenzt verfügbar<br />

sind, und die andere wollen. Deine Macht steigt, sobald Dein Verhandlungsgegenstand rar<br />

erscheint. Das kann auch auf einfache Weise geschehen: „Ich weiß auch nicht, aber dieses Bild hat<br />

eben eine besondere Bedeutung für mich.“<br />

6 7


Ron Zimmering<br />

Verhandlungs-ABC<br />

LETZTE INSTANZ<br />

Nicht die letzte Instanz zu sein, die das finale „Okay“ gibt, kann Deine Macht erhöhen.<br />

Wenn Du nicht weiterkommst, sag z.B. „Da muss ich noch mal Rücksprache<br />

mit meinem Team halten“. Dann: „Mein Team meint, branchenüblich wäre...“. Oder:<br />

„Meine Kolleg*innen raten mir nicht unter ... zu gehen.“<br />

LUNCHEON-TECHNIK<br />

Essen erzeugt ein positives gemeinschaftsstiftendes Gefühl. Wenn Du die Möglichkeit<br />

hast, mit Deinen Verhandlungspartner*innen zu speisen, dann nimm diese<br />

unbedingt wahr. Sorge dafür, dass es zu jeder Verhandlung etwas zu Essen & zu<br />

Trinken gibt.<br />

MACHT NICHT UNNÖTIG VERRINGERN<br />

Zeige kein besonderes Interesse für ein Option, um Deine Machtposition nicht unnötig<br />

zu schwächen. Gib nicht Preis, wenn Du wenig Macht hast. Schreibe nicht „Verhandlungsbasis“<br />

hinter deinen Preis.<br />

MACHT VERSTEHEN<br />

Macht ist die Essenz des gesamten Verhandlungsprozesses. Macht ist abhängig von Situation. Macht<br />

existiert nur, wenn der*die andere sich einschüchtern lässt. Es ist eine Illusion zu glauben, der*die andere<br />

hat die Macht. Macht ist nicht objektiv, Macht ist subjektiv. Macht ist nur in unserem Kopf. Die<br />

Quelle der Macht bist Du. Mach Dir vor einer Verhandlung Deine Macht bewusst.<br />

RAPPORT<br />

Bevor Du startest, miss erst einmal die emotionale Temperatur im Raum. Starte mit einer Plauderei<br />

über Dinge, die fast jeden interessieren und niemandem wehtun. Menschen, die sich mögen, passen<br />

sich in der Kommunikation aneinander an. Stell Dich auf Deine Gesprächspartner*innen ein, ohne sie<br />

nachzuäffen. Die Kunst des Smalltalk besteht darin, unter den üblichen Höfichkeiten schnell Dinge zu<br />

finden, die beide tatsächlich interessieren.<br />

SELBSTWERT<br />

Wenn Du an Deinen eigenen Wert nicht glaubst, wirst du ihn nicht verhandeln können. Beantworte<br />

für Dich die Frage: Bist du Dir das, was Du verhandelst, selber wert? Wie kannst Du Dich selbst davon<br />

überzeugen, dass Du Dir das wert bist, was Du verhandelst?<br />

VERBAL-JUDO<br />

Reagiere auf Verbal-Attacken mit der sachlichen Frage: „Wie meinen Sie das konkret?“ Es zwingt<br />

Dein Gegenüber seine Position zu versachlichen und zu konkretisieren.<br />

VERSTÄNDNIS ZEIGEN<br />

Gib dem*der anderen zu verstehen, dass Du seine*ihre Ideen nachempfinden kannst. Wenn Du Verständnis<br />

für seine*ihre Position zeigst, wird ihm*ihr klar, dass es unterschiedliche Perspektiven gibt. Du<br />

kannst den*die andere*n verstehen und dennoch eisern an Deinen Forderungen festhalten.<br />

VERTRAUEN & GLAUBWÜRDIGKEIT<br />

Ein*e erfolgreiche*r Verhandler*in ist stets darauf bedacht, ehrlich und korrekt zu sein. Der Ruf der*s<br />

Verhandlers*in ist buchstäblich Gold wert. Wenn man das Vertrauen in Dich verliert, kommt Dir das<br />

teuer zu stehen. Kommuniziere offen und transparent. Beantworte jede gestellte Frage. Ausweichen<br />

beschädigt Deine Glaubwürdigkeit. Gib Persönliches von Dir preis. Wir vertrauen Menschen, die gern<br />

etwas von sich preisgeben.<br />

VORBEREITUNG<br />

Recherchiere, welche Preisspanne für Deine Leitung üblich ist. Frag Kolleg*innen und erkundige dich<br />

nach Richtwerten. Liste auf, was es neben dem Honorar alles zu verhandeln gibt. Berechne Deinen<br />

Tagessatz, Stundensatz und Aufwand. Vergleiche das Angebot mit dem, was Du bisher für ähnliche<br />

Jobs bekommen hast. Wäge Deinen Aufwand und Mehrwert ab.<br />

WERTSCHÄTZUNG<br />

Wenn Du jemanden seinen Status abspricht, fühlt er sich gedemütigt und reagiert oft unklug. Finde<br />

heraus, was das besondere Talent Deines Gegenübers ist. Jemanden zu respektieren bedeutet weder,<br />

ihn zu mögen, noch mit ihm einer Meinung zu sein. Wenn Du die Macht Deines Gegenübers schätzt,<br />

wird er keine Freude mehr daran haben, sie auszuüben.<br />

WIN-WIN STATT KOMPROMISS<br />

Kompromisse sind oft die schlechtesten Lösungen, da sie eine lose-lose Situation sind. Versuche eine<br />

Win-Win-Lösung zu finden. Fokussiere Dich auf Deine Interessen statt auf Deine Positionen. Vergiss<br />

die Position und schau dahinter. Frage Dich: Warum willst Du das, was Du willst? Was kannst Du mir<br />

geben, was für Dich billig ist und für mich wertvoll?<br />

8 9


Ron Zimmering<br />

Verhandlungs-ABC<br />

ZEITDRUCK<br />

Wer unter Zeitrdruck steht, hat weniger Macht. Lass den*die andere*n nichts von Deinem Zeitdruck<br />

wissen. Versuche zeitliche Verpfichtungen des*der anderen herauszufinden. Am Ende einer Frist ist<br />

die Chance hoch, dass Dein Gegenüber das Angebot annimmt. Sage nicht „Kommen Sie einfach auf<br />

mich zurück, wenn Sie können“, sondern setz stets eine Frist. Umgekehrt gilt: Lass Dich nicht unter<br />

Druck setzen.<br />

ZIELE SETZEN<br />

Setze Dir vor einer Verhandlung konkrete Ziele. Je klarer die Ziele, des<strong>to</strong> mehr erreichst Du. Schreibe<br />

Deine Ziele auf. Wenn wir vom Ziel überzeugt sind, sind wir in einer Verhandlung überzeugender.<br />

Definiere für Dich ein Minimum, Maximum und einen Mittelwert. Setze das Ziel nicht zu tief. Je optimistischer<br />

das Ziel, des<strong>to</strong> besser schneiden wir ab. Ein Ziel soll ehrgeizig sein, aber auch realistisch.<br />

Fokussiere Dich in der Verhandlung auf den Zielpreis, sonst wird das Minimum zur Richtschnur. Widerstehe<br />

dem Drang, Deine Ziele zu senken, wenn Du nicht gleich Erfolg hast. Passe Dein Ziel erst an,<br />

wenn Du neue entscheidende Informationen erhältst.<br />

Ron Zimmering<br />

Geboren 1984, studierte Ron Zimmering Schauspiel an der Hochschule<br />

für Musik und Theater Leipzig und später Regie an der Theaterakademie<br />

Hamburg. Zimmering war Stipendiat im Programm stART.up der<br />

Claussen-Simon-Stiftung. Er inszeniert u.a. am Deutschen Schauspielhaus<br />

Hamburg, am Saarländischen Staatstheater, am Theater Heidelberg,<br />

am Theater Osnabrück und auf Kampnagel. Als Künstlerischer<br />

Leiter initiierte Ron Zimmering u.a. das monatlichen Serienformat<br />

»HEIMATEN« und zuletzt das großangelegte Spektakel »HAMBURGER<br />

MENETEKEL« am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Er ist Dozent an<br />

der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.<br />

10 11


Joël Vuik<br />

Singen, Atmen, Leben!<br />

Wie kann ich durch Singen eine bessere Atemkapazität<br />

bekommen?<br />

Singen und Atmen kann Krankheiten wie Parkinson und Depression verbessern und die allgemeine Lebensqualität<br />

erhöhen (Elizabeth Stegemöller, 2018). Wenn man das weiß, würde man doch nie wieder<br />

aufhören zu singen? Vielleicht liegt auch eher die Scheu beim Anfangen als beim Weitermachen. Zum<br />

Singen gehört das Atmen, die volle Lungen, sie sind die inneren Flügel des Körpers. Über Atem zu reden<br />

fühlt sich aber sehr kontraintuitiv an, wir atmen ohne drüber nachzudenken. Genauso wie wir mit unseren<br />

Augen blinzeln, wie wir träumen und wie wir verdauen. Trotzdem ist es wichtig, dass wir das Atmen<br />

– und zwar das richtige Atmen – lernen. Wie atmet man denn eigentlich „richtig“? Nun, genau wie beim<br />

Singen, beim Sport und bei fast allen anderen Aktivitäten im Leben: durch Üben!<br />

ÜBUNG<br />

Öffnung in den Rücken<br />

» Steh‘ mit dem Rücken an der Wand, ohne Hohlkreuz<br />

» Atme dreimal normal ein und aus<br />

» Spür‘ bei jeder normalen Einatmung die Wand<br />

» Atme dreimal tief ein und aus<br />

» Mach‘ während des tiefen Atmens die Rücken fett und breit, als ob man<br />

sich von der Wand wegdrücken kann<br />

Freiheit in der Kehle<br />

» Atme ein durch die Nase<br />

» Atme ruhig, aber lang aus auf F (fffffff)<br />

» Atme wieder ein durch die Nase<br />

» Atme aus auf S (sssssss)<br />

» Spür beim S, ob es so frei ist wie beim F<br />

» Wiederhole das gleiche, aber dann mit Stimme<br />

» Z (zzzzzz)<br />

» V (vvvvv)<br />

Kombiniere<br />

» Mach die beide Übungen gleichzeitig<br />

Es ist wichtig, die Muskeln zu entdecken die wir beim Aktivieren der Lungenbewegung<br />

brauchen und sie zu benutzen.<br />

Bei solchen Übungen ist es wichtig professionell beraten zu werden, um abzusichern,<br />

dass die Übung richtig gemacht wird.<br />

Indem man die Muskeln kennengelernt hat und sie aktiviert sind, fängt das Trainieren an. Jetzt soll die<br />

Ausdauer trainiert werden. Wieviel Luft braucht man eigentlich, um eine lange Phrase zu sprechen oder<br />

zu singen? Eigentlich gar nicht so viel, wichtiger ist es, ordentlich zu steuern. Dafür gibt es eine sehr hilfreiche<br />

Übung.<br />

ÜBUNG<br />

Langes Atmen<br />

» Atme gleichmäßig über vier Schlägen ein<br />

» Zähl laut bis zum 12<br />

» Nach 12, atme vier Schläge aus<br />

» Wiederhole das Ganze, aber nimm einen Schlag Einatmen<br />

raus, und kleb ihn am Ende der Übung beim Ausatmen ran.<br />

» Das sieht ungefähr so aus:<br />

4 ein – 12 Zählen – 4 aus<br />

3 ein – 12 Zählen – 5 aus<br />

2 ein – 12 Zählen – 6 aus<br />

1 ein – 12 Zählen – 7 aus<br />

0 ein – 12 Zählen – 8 aus<br />

Nicht übersteuern, immer auf den Kreislauf achten<br />

Achtung! Es gibt auch Atmen, das nicht gesund ist.<br />

Over breathing/Überatmen: Zu viel oder zu voll<br />

Shallow breathing/Flache Atmung: Zu hoch oder zu wenig<br />

Holding the breath/Atem festhalten: die Kehle schließen, um Luft zu steuern<br />

“Some doors only open from the inside, breath is a way of accessing that door.”<br />

(Strom, 2015)<br />

12 13


Joël Vuik<br />

Singen, Atmen, Leben!<br />

Lernen, richtig zu atmen, ist nicht nur hilfreich, um ruhig zu werden, sondern auch<br />

wichtig, um zu entschleunigen. Wir leben in einer Zeit und Gesellschaft, die stark vom<br />

Digitalen beherrscht ist, was an sich nicht verkehrt ist. Eigentlich müssten wir überglücklich<br />

sein, wir haben ein Handy in der Hosentasche, das uns fast alle Informationen<br />

der Welt in wenigen Sekunden aufrufen kann, was Entertainment bietet und vieles mehr. Leider sind<br />

wir aber nicht glücklich.<br />

Singing is good for you!<br />

https://www.youtube.com/watch?v=Poq8-Bh_ESM<br />

eine intimere Beziehung zur Gesellschaft und Freund*innen pflegen.<br />

Wir sind durch die Technik unfassbar vernetzt<br />

und mit einander verbunden, aber trotzdem<br />

sind viele unglücklich und fühlen sich alleine.<br />

Auch dies ist ein kontraintuitives Phänomen. Auf<br />

der tiefere Ebene sind wir nämlich unverbunden<br />

und weit voneinander entfernt. Die WHO (World<br />

Health Organisation) hat 2015 angegeben, dass<br />

weltweit in 2020, Depressionen und Angst die<br />

Nummer eins der Behinderungen sein werden.<br />

Nun sind wir in 2020 und leben auch noch in<br />

einer Pandemie. Atmen, Singen und Entschleunigen<br />

helfen gegen diese, mittlerweile alltäglichen,<br />

Beeinträchtigungen. Durch Atmen und Singen<br />

lernt man sich auf neue Weise kennen, man wird<br />

intimer mit sich selbst und kann somit wieder<br />

Wenn Menschen, die nicht als Sänger*innen ausgebildet sind, gefragt werden etwas vorzusingen, kommt<br />

es oft sofort zu einer Scheu und Angst. „Fear: Fight or Flight mode.“ (Kampf- oder Flugmodus) In gefährlichen<br />

Situationen ist das manchmal hilfreich, aber beim Singen ist das kontraproduktiv. Die Muskeln,<br />

die sich eigentlich entspannen sollen, um eine optimale Luftbewegung darzustellen, sind sofort<br />

verkrampft und werden gegensteuern.<br />

„Ich kann aber gar nicht singen, was kann man tun?“ Sehr viel, einfach anfangen. Hier ein kleiner Kanon,<br />

den jeder lernen kann, alleine, mit Freunden und zusammen singen kann.<br />

„Ich kann keine Noten lesen…!“<br />

Kein Problem! Folge dem Link<br />

https://www.joelvuik.com/singen<br />

Diese Übung kann alleine, zur zweit oder mit ganz vielen gesungen werden. Je nachdem<br />

wie groß die Herausforderung sein soll.<br />

Diese Übungen helfen nicht nur beim Kennenlernen des eigenen Körpers, sondern<br />

auch beim Sprechen und bei der Selbstsicherheit. Wenn man weiß, wie es funktioniert und man sich<br />

drauf verlassen kann, verschwindet die Scheu und Angst.<br />

ZUM SCHLUSS<br />

Ohne Muskeln könnten wir uns nicht bewegen, nicht<br />

atmen, nicht leben, also eigentlich nichts. Durch<br />

Wiederholung und Üben, trainieren wir die Muskeln,<br />

sich an gute Sachen zu erinnern. Nicht nur das Gehirn<br />

speichert die Erinnerungen, sondern auch die<br />

Muskeln.<br />

Corona ist ein Virus, das die Lungen angreift. Wenn<br />

die Lungen schon krank oder schwach sind, ist<br />

Corona umso gefährlicher. Deshalb halte ich es für<br />

sehr wichtig, durch richtiges Atmen und Spaß beim<br />

Singen, die Kraft und Qualität des Lebens positiv<br />

zu fördern, sodass wir uns auf diese Weise auch ein<br />

bisschen gegen solche Krankheiten schützen können.<br />

https://www.youtube.com/watch?v=OT8AdwV0Vkw<br />

Ein kleines Beispiel, dass die Musik eine wahnsinnige Kraft in Bezug auf die Erinnerungen hat: Marta Cinta<br />

González Saldaña, eine Ballerina mit Alzheimer hört das Schwanenmeer – eine Musik, zu der sie als<br />

junge Frau getanzt hat, und lebt <strong>to</strong>tal auf.<br />

Joël Vuik<br />

Der Countertenor wurde 1987 in Moordrecht (NL) geboren. Seine musikalische Laufbahn<br />

begann mit ersten Gesangauftritten in der Schule und in der Kirche in seinem Heima<strong>to</strong>rt.<br />

Ab 2012 studierte er Gesang an der Hochschule Codarts (Rotterdam) bei der Mezzosopranistin<br />

Carolyn Watkinson, später bei der Sopranistin Charlotte Riedijk. Nach der Bachelor-<br />

Graduierung 2016 erwarb er 2018 den Master of Music mit Bestnote bei Prof Jörn Dopfer<br />

und in 2019 erfolgreich den Konzertexamen-Abschluss bestanden an der Hochschule für<br />

Musik und Theater Hamburg (HfMT). Er besuchte Meisterkurse bei u.a. Roberta Alexander,<br />

Don Marrazzo, Margreet Honig, Michael Chance, Daniel Taylor und Philippe Jaroussky. Joël<br />

Vuik ist Preisträger diverser Wettbewerbe und erhielt verschiedene Stipendien. Im November<br />

2017 spielte Joël die Rolle des Nerone aus der Oper Poppea von Monteverdi in der<br />

Opera Stabile. Von Februar bis April 2018 spielte er die Rolle des Orlando in Vivaldis Oper<br />

Orlando Furioso und im Ok<strong>to</strong>ber 2020 die Rolle des Ruggiero in Handels Alcina am Allee-<br />

Theater Hamburg. In 2020 hatte Vuik eine Gastrolle an der Niederländischen Staatsoper<br />

in der Oper Ritrat<strong>to</strong> von Willem Jeths. Joël Vuig war Stipendiat im Programm stART.up der<br />

Claussen-Simon-Stiftung. www.joelvuik.com<br />

14 15


Jonas Feller<br />

Anstiftung zu und Gestaltung von Gesprächen über Kunst<br />

A: Jonas, nenne fünf Dinge, die du getan<br />

hast, um dich davor zu drücken,<br />

diese Dokumentation zu schreiben.<br />

B: Einen ausgiebigen Spaziergang.<br />

A: EINS!<br />

B: Mehrfach die Mails gecheckt.<br />

A: ZWEI!<br />

B: Parkourvideos auf YouTube geschaut.<br />

A: DREI!<br />

B: Den Geschirrspüler ausgeräumt.<br />

A: VIER!<br />

B: Es auf den nächsten Tag verschoben und lieber Feierabend gemacht.<br />

A: FÜNF! FÜNF DINGE!<br />

FORMAT: 5 Dinge<br />

Wie funktioniert‘s? Steht gemeinsam im Kreis. Eine Person beginnt und fordert eine Person neben sich<br />

auf fünf Dinge zu einem beliebigen Thema zu nennen. Sie folgt dabei der Sprachformel „Nenne mir<br />

fünf Dinge, die…“ und kann das Thema selbst wählen. Nach jeder Antwort rufen alle gemeinsam laut die<br />

entsprechende Zahl und enden nach der fünften Antwort mit „FÜNF. FÜNF DINGE!“. Die Person, die die<br />

Antworten gegeben hat, fordert nun die nächste Person auf, fünf Dinge zu einem anderen beliebigen<br />

Thema zu nennen. Das Prozedere wird fortgesetzt, bis alle dran waren.<br />

Wofür? Das Format eignet sich als Einstieg bei kleineren Gruppen. Das Format hat ein gewisses Tempo,<br />

alle stehen und rufen laut gemeinsam die Zahlen. Vorrangiges Ziel ist die Aktivierung der Teilnehmenden<br />

(jede Person kommt einmal zu Wort), die gesammelten Punkte können jedoch anschließend aufgegriffen<br />

und als Aufhänger für das weitere Gespräch genutzt werden. Je nach Thema, das besprochen<br />

werden soll, kann dies bereits in der 5-Dinge-Sammlung etabliert werden (z.B. „Nenne mir fünf Dinge, die<br />

dir aus der Aufführung in Erinnerung geblieben sind.“).<br />

Das informelle Gespräch über Kunst und künstlerische Produkte ist ein normaler Bestandteil des Alltags<br />

von Künstler*innen – ob an der Bar, in der Raucher*innenecke, dem Foyer oder am Küchentisch.<br />

Doch auch formatierte und institutionalisierte Gespräche finden statt. Die Palette an Bezeichnungen<br />

für solche Gespräche ist dabei weit: Publikumsgespräch, Künstler*innengespräch, Q&A, Kritikgespräch,<br />

Feedbackgespräch, Fachgespräch, Nachgespräch, Nachbereitung, usw. All diese Bezeichnungen verraten<br />

etwas darüber, wie dort vermutlich gesprochen wird und vor allem wer dabei am Gespräch beteiligt ist<br />

bzw. im Fokus steht – auch wenn die Bezeichnungen in der Praxis dann doch deutlich verwaschener und<br />

nicht selten synonym verwendet werden. Und nicht zuletzt gibt es das Gespräch als künstlerische Praxis,<br />

also als integralen Bestandteil künstlerischer Produktionen im Unterschied zu lediglich nachgelagerten<br />

Gesprächen.<br />

Für diesen Beitrag wird ein weites Begriffsverständnis von „Gespräch“ verwendet. Gemeint ist der ergebnisoffene<br />

und gemeinsame Austausch untereinander. Das beschränkt sich nicht nur auf verbal-sprachliche,<br />

sondern auch schriftliche oder non-verbale Formen.<br />

EINLADUNG ZUM SELBSTVERSUCH, BEVOR IHR WEITERLEST<br />

Stellt euch einen Wecker auf zehn Minuten und erzählt Euch selbst von Euren Erfahrungen mit Gesprächen<br />

über Kunst. Nutzt die zehn Minuten voll aus. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Ihr zwischendurch<br />

einige Minuten gar nichts sagt. Wenn ihr wollt, könnt ihr diesen Selbstversuch auch mit einer anderen<br />

Person gemeinsam durchführen – beachtet dazu die Formatbeschreibung im Kasten.<br />

FORMAT: Rücksitz<br />

Wie funktioniert‘s? Setzt euch mit einer anderen Person Rücken an Rücken. Entscheidet wer von euch<br />

beginnt. Eine Person hat nun zehn Minuten, um über ein vorher gesetztes Thema (z.B. eine gemeinsam<br />

erlebte Aufführung) zu sprechen. Die andere Person hört lediglich zu, antwortet nicht und stellt<br />

auch keine Fragen. Nach zehn Minuten ist die andere Person dran und darf nun ihrerseits zehn Minuten<br />

sprechen. Pausen und Stille sind in Ordnung. Dreht euch anschließend zueinander und nehmt euch noch<br />

einmal zehn Minuten, um gemeinsam zu sprechen. Notiert 2-3 Fragen, die ihr gern weiter diskutieren<br />

würdet. Trefft euch mit den anderen Paaren in der Großgruppe und stellt euch gegenseitig eure Fragen<br />

vor.<br />

Wofür? Das Format eignet sich als Einstieg in das Gespräch über Aufführungen. Sich zehn Minuten Zeit<br />

nehmen, um die eigene/n Sicht, Fragen und Gedanken zu formulieren schafft eine Grundlage für ein<br />

Gespräch miteinander. Gedanken können sich im Sprechen ordnen, Emotionen – seien sie euphorisch<br />

oder ablehnend – können rausgelassen werden, um anschließend in sachliche Kritik, Fragen und Thesen<br />

gebracht zu werden. Die in den Paaren gesammelten Fragen machen die Wichtigkeit der Themen, über<br />

die gesprochen werden sollte, sichtbar und können als Ausgangspunkt für das Gespräch als Großgruppe<br />

dienen.<br />

Formatierte und institutionalisierte Gespräche sind oft hierarchisch strukturiert (das fängt bereits bei<br />

der Sitzordnung an) und bauen auf unterschiedliche Weise Hemmungen auf anstatt tatsächlich in einen<br />

Austausch untereinander und mit allen Gesprächsbeteiligten zu kommen. Treffen unterschiedliche Personenkreise<br />

aufeinander, bestehen in der Regel auch unterschiedliche Interessen an dem Gespräch. Oft<br />

steht dabei das Publikum auf der einen und die Künstler*innen auf der anderen Seite. Um es für beide<br />

Seiten zu einem produktiven Gespräch zu machen, lässt sich mit folgendem Mindset arbeiten:<br />

1. VERTRAUEN IN DIE KUNST<br />

Kein Gespräch ist dafür da eine Aufführung zu retten. Es geht also nicht darum, dass Künstler*innen<br />

ihre Arbeit erklären, sondern vielmehr mit allen darüber zu sprechen, was die Aufführung ausgelöst hat<br />

(auch wenn dies Unverständnis, Langeweile o.Ä. ist). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Künstler*innen<br />

mit ihrer Aufführung den Aufschlag für einen Dialog bereits getan haben. Sie haben durch ihre<br />

Aufführung Stellung bezogen und sich angreifbar gemacht. Nun ist es am Publikum darauf zu reagieren,<br />

selbst Stellung zu beziehen und sich seinerseits angreifbar zu machen, d.h. zu formulieren was die Aufführung<br />

bei ihnen ausgelöst hat.<br />

16 17


Jonas Feller<br />

Anstiftung zu und Gestaltung von Gesprächen über Kunst<br />

2. VERTRAUEN IN DAS PUBLIKUM<br />

Das Publikum hat beim Besuch der Aufführung eine Aufführungserfahrung gemacht und hat ein Interesse,<br />

sich darüber auszutauschen. Aufgabe eines Gesprächsformats ist es, den Raum zu geben das Erlebte<br />

nachwirken zu lassen und Gesprächsanlässe zu bieten, um das Erlebte miteinander zu teilen, zu diskutieren<br />

und zu reflektieren und dabei vor allem die Hemmungen abzubauen über inhaltliche und ästhetische<br />

Fragen zu sprechen bzw. überhaupt selbst sprechen zu wollen. Es gilt die Prozessualität des Denkens<br />

und Sprechens zu fokussieren und eine Atmosphäre zu schaffen, in der es kein richtig oder falsch<br />

gibt, sondern alle als Expert*innen ihrer eigenen, subjektiven Aufführungserfahrung sprechen können.<br />

Für beide Seiten bedeutet dies, gewohnte Haltungen und vermutlich auch die eigene Komfortzone zu<br />

verlassen: Für das Publikum, sich deutlich aktiver einzubringen und selbst Stellung zu beziehen; Für die<br />

Künstler*innen, sich zurückzunehmen mit Erklärungsversuchen und sich der Kritik auszusetzen. Dass dies<br />

keine unangenehme, sondern eine bereichernde und lustvolle Erfahrung sein kann, beginnt damit, das<br />

eben Geschriebene positiv umzudeuten: Das Publikum wird in seiner eigenen Erfahrung ernst genommen<br />

und seine Meinungen, Sichtweisen und Fragen als relevant eingestuft; die Künstler*innen gewinnen einen<br />

detaillierten Einblick, was ihre Kunst transportiert und damit ein wertvolles Feedback.<br />

Für die Gestaltung von Gesprächen jeglicher Art, die unterschiedliche Gruppen – die in sich wiederum<br />

heterogen sind – miteinander ins Gespräch zu bringen, alle Beteiligten zu aktivieren und zur Mitsprache<br />

zu ermächtigen bietet sich ein doppelter 3-Schritt an:<br />

1. Erinnern & Beschreiben 1. Einzeln / Paar<br />

2. Fragen & Thesen ableiten / sammeln 2. Kleingruppe<br />

3. Diskussion / Bewertung 3. Großgruppe<br />

Beide Teile beziehen sich auf den zeitlichen Verlauf eines Gesprächs, sind also als Reihenfolge zu verstehen.<br />

In einem Gesprächsformat müssen sie nicht zwangsläufig parallel laufen noch müssen immer alle<br />

drei Schritte vorkommen. Alle hier vorgestellten Formate basieren auf diesem doppelten 3-Schritt.<br />

FORMAT: Das unbeschriebene Blatt<br />

Wie funktioniert‘s? Die Teilnehmenden bilden Paare und erhalten pro Person ein weißes Blatt Din A4<br />

Papier. Sie sind aufgefordert aus dem Blatt jeweils einzeln eine Skulptur zu formen, die den Nachklang<br />

der eigenen Aufführungserfahrungen einfängt. Es gibt keine weiteren Materialien aber mit dem Blatt ist<br />

alles erlaubt (reißen, falten, knüllen, etc.). Nach ca. 5 Minuten werden die TN aufgefordert ihre Skulptur<br />

mit der ihres*r Partners*in zu tauschen. Im Modus eines*r Kunstkritikers*in ist es nun ihre*seine Aufgabe<br />

die Skulptur des Gegenübers zu interpretieren. Dabei trägt die Skulptur den Titel der gemeinsam erlebten<br />

Aufführung. Nach wenigen Minuten kann eigenständig gewechselt werden und die zweite Person ist<br />

an der Reihe die Skulptur der anderen zu interpretieren. Die TN werden anschließend aufgefordert ihre<br />

Skulpturen zu einem Objekt zusammenzufügen oder zueinander zu arrangieren und an einem beliebigen<br />

Ort im Raum zu platzieren. Gemeinsam geben sie der so entstandenen Skulptur einen neuen Titel - sie<br />

erhalten dafür ein weiteres Papier und einen Stift. Alle werden eingeladen sich in einem offenen Rundgang<br />

frei im Raum zu bewegen und die Skulpturen der anderen TN zu entdecken und miteinander unmoderiert<br />

und informell ins Gespräch zu kommen. Es gibt keinen gesetzten Endpunkt.<br />

Wofür? Das Format bietet eine vorerst non-verbale Ausdrucks- und Reflexionsmöglichkeit. Es unterstützt<br />

die Freude an und den Mut zur persönlichen Interpretation von Aufführungserlebnissen. Es entsteht ein<br />

schöpferisch-aktiver Austausch. Das Format eignet sich unter anderem dafür, in einem belebten Raum<br />

wie beispielsweise einem Foyer stattzufinden, parallel zu generell dort stattfindende Aktivitäten.<br />

FORMAT: Telefonierspaziergang mit Skizze<br />

Wie funktioniert‘s? Die Teilnehmenden schicken eine SMS an eine zentrale Telefonnummer. Sie bekommen<br />

per SMS eine Telefonnummer zugelost und werden aufgefordert, sich allein auf einen Spaziergang<br />

zu begeben und nach ca. 5 Minuten die zugeloste Nummer anzurufen. Die Teilnehmenden spazieren für<br />

20-30 Minuten mit einer fremden Person am Hörer umher und tauschen sich über die Aufführung aus.<br />

Es bietet sich an, den TN mit der ersten SMS zusätzlich 2-3 Impulsfragen mitzugeben, um das Gespräch<br />

in Gang zu bringen. Im Anschluss an den Spaziergang werden die TN per SMS aufgefordert eine Skizze<br />

des eigenen Wegs anzufertigen und diese mit Fragen, Gedanken und Assoziationen des Gesprächs zu<br />

versehen.<br />

Die Zulosung kann je nach Gruppengröße recht aufwendig sein. Eine Möglichkeit ist, dass die Gruppe<br />

zweigeteilt wird, die eine Hälfte ihre Telefonnummer auf Zettel schreibt und diese gemischt an die<br />

andere Hälfte der Gruppe verteilt werden. Die Impulsfragen und Aufforderung Skizzen anzufertigen<br />

müssen dann im Vorfeld passieren, da es keine zentrale Stelle mit allen Telefonnummern gibt.<br />

Wofür? Der Austausch mit einer (noch) fremden Person hat gerade durch die Reduzierung auf die Stimme<br />

eine große Intimität. Zugleich schafft die Distanz des Telefongespräch Sicherheit. Das Format eignet<br />

sich insbesondere für Aufführungen die Themen verhandeln, die schambehaftet, tabuisiert sind oder<br />

potentiell stark persönlichen Bezug zu der Lebensrealität des Publikums haben. Die Skizzen können zurück<br />

zu einem gemeinsamen Ort getragen werden und könnten dort sogar als Grundlage für ein gemeinsames<br />

Großgespräch dienen. Ebenso kann das Format aber auch für den Heimweg konzipiert werden,<br />

die Skizzen können abfo<strong>to</strong>grafiert, oder per Post an die Künstler*innen geschickt werden.<br />

Wie die verschiedenen Gesprächsbezeichnungen zu Beginn dieses Beitrags schon zeigen, gibt es diverse<br />

Parameter, die beeinflussen wie ein Gesprächsformat am sinnvollsten für einen spezifischen Anlass<br />

gestaltet werden kann. Die folgende Checkliste umfasst Fragen, deren Beantwortung bei der Gestaltung<br />

einer Gesprächssituation helfen kann.<br />

FRAGEN AN DIE RAHMENBEDINGUNGEN DES FORMATS<br />

A) Gegenstand<br />

» Welche der folgenden Punkte stehen bereits fest, welche sind noch frei gestaltbar?<br />

» Worüber wird gesprochen?<br />

B) Teilnehmende / Anwesende<br />

» Wer nimmt am Format teil, wer ist darüber hinaus mit im Raum?<br />

» Welches Alter haben die Teilnehmenden/Anwesenden?<br />

18 19


Jonas Feller<br />

Anstiftung zu und Gestaltung von Gesprächen über Kunst<br />

» Wie viele sind es?<br />

» Background / Zusammensetzung: Aus welchem Kontext kommen die Teilnehmenden?<br />

Kennen sie sich? Handelt es sich um eine homogene oder eine heterogene Gruppe?<br />

» Motivation: Wie kommen sie dazu, am Format teilzunehmen?<br />

» Interesse: Welche (Erkenntnis-)Interessen bestehen von Seiten der Teilnehmenden?<br />

C) Raum und Zeit<br />

» Wo findet das Format statt?<br />

» Wann findet das Format (im Verhältnis zur Aufführung) statt?<br />

» Wie lang dauert das Format?<br />

D) Spezialteilnehmer*in: Moderation / Gesprächsleitung<br />

» In welchem Verhältnis steht sie zu den anderen Teilnehmenden?<br />

» Was ist ihr (Erkenntnis-)Interesse am Format?<br />

FRAGEN AN DIE AUSGESTALTUNG / DURCHFÜHRUNG DES FORMATS<br />

A) Zielstellung / Ausrichtung<br />

B) Ablauf<br />

» Welche Interessen sind im Raum? Was soll das Format erfüllen?<br />

» Gruppendynamisch: Wie soll die Gruppe im Verlauf des Gesprächs organisiert werden?<br />

(Einzel-, Paar-, Kleingruppen-, Großgruppengespräch)<br />

» Inhaltlich: Welche Inhalte sollen (in welcher Abfolge) behandelt werden?<br />

» Formal: Welche Formate sollen (in welcher Abfolge) Anwendung finden?<br />

C) Material / Ort<br />

D) Regeln<br />

» Welche Anforderungen an den Ort gibt es?<br />

» Welches Material wird benötigt?<br />

» Nach welchen Regeln wird das Sprechen organisiert?<br />

» Welche Funktion kommt dabei einer Moderation zu?<br />

E) Dokumentation<br />

F) Vermittlung<br />

» Soll etwas dokumentiert werden?<br />

» Wie geschieht diese Dokumentation?<br />

» Was geschieht mit der Dokumentation im Nachhinein?<br />

» Wie wird zum Format eingeladen? Wie wird es angekündigt?<br />

» Wie vermittelt sich das Format (sein Ablauf, seine Regeln, usw.) an die Teilnehmenden?<br />

GESPRÄCHSTOOL: Perspektivierung<br />

Wie funktioniert‘s? Für einzelne Gesprächssegmente kann die Sprachformel „Aus der Perspektive von…“<br />

/ „Aus der Perspektive einer Person, die …“ eingeführt werden. Sie eignet sich auch als generelles Angebot,<br />

das alle Teilnehmenden jederzeit nutzen können, aber nicht müssen.<br />

Wofür? Äußerungen und Kritik bekommen einen Kontext und werden nachvollziehbarer (z.B. „Als Person,<br />

die sich im Berufsalltag viel mit dem Thema Gender beschäftigt hat, war mir die Auseinandersetzung zu<br />

oberflächlich.“).<br />

GESPRÄCHSTOOL: Melderegeln<br />

Wie funktioniert‘s? Wer etwas sagen möchte meldet sich mit einem Finger. Gibt es bereits eine Meldung,<br />

meldet sich die zweite Person mit zwei Fingern, die dritte mit drei usw. Ist ein Redebeitrag beendet kann<br />

die Person, die sich mit einem Finger meldet direkt mit ihrem Redebeitrag anschließen, alle weiteren, die<br />

sich melden klappen einen ihrer Finger ein (wer sich zuvor mit zwei Fingern gemeldet hat, meldet sich<br />

nun mit einem, wer sich mit drei gemeldet hat, nun nur noch mit zwei, usw.). Um direkt auf einen Redebeitrag<br />

zu reagieren, kann sich eine Person mit beiden Zeigefingern melden („direkt dazu“). Sie schiebt<br />

sich damit regulär vor die nächste Meldung. Wichtig: Auf ein „direkt dazu“ kann nicht mit einem „direkt<br />

dazu“ reagiert werden. Nach einer „direkt dazu“-Meldung kehrt die Reihenfolge zu der Person, die sich<br />

mit einem Finger meldet zurück.<br />

Wofür? Eine Gruppe organisiert sich selbst. Es braucht keine Moderation und aufgrund klarer Regeln zugleich<br />

auch niemanden, der*die das Gespräch anführt/die Initiative ergreift. Alle haben gleichermaßen<br />

die Verantwortung für das gemeinsame Gespräch. Insbesondere die „direkt dazu“ Meldemöglichkeit<br />

bietet Vielredner*innen die Möglichkeit sich dennoch viel Raum zu nehmen und sollte daher mit Bedacht<br />

verwendet oder überhaupt zur Option gestellt werden. Je nach Gruppengröße und Gesprächsanlass<br />

bietet sich auch die Begrenzung der möglichen Meldereihenlänge (auf z.B. max. 5 Meldungen) an.<br />

GESPRÄCHSTOOL: Zustimmung ausdrücken<br />

Wie funktioniert‘s? Wer dem Redebeitrag einer anderen Person zustimmt oder das gleiche sagen wollte,<br />

kann dies durch Gebärdenapplaus ausdrücken oder „+1“ sagen. Zweiteres kann entweder reingerufen<br />

oder zu Beginn eines eigenen Redebeitrags („+1 zu XY“) gesagt werden.<br />

Wofür? „+1“ eignet sich besonders für schriftlichen, Gebärdenapplaus für verbal-sprachlichen Austausch,<br />

weil die sprechende Person nicht unterbrochen wird. Zustimmung wird sichtbar und quantifizierbar.<br />

Es wird sichtbar/hörbar wie wichtig ein bestimmter Punkt innerhalb der Gruppe ist ohne, dass alle<br />

diesen Punkt einzeln nennen müssen. Dadurch werden Wiederholungen von bereits Gesagtem verhindert<br />

und die inhaltliche Relevanz über sprachlichen Ausdruck oder Position der sprechenden Person gestellt.<br />

Ein unsicher vorgetragener Eindruck eines*r Jugendlichen kann für die Gruppe inhaltlich durchaus relevanter<br />

sein als ein eloquenter, fachsprachlicher Redebeitrag eines*r Intendant*in.<br />

20 21


Jonas Feller<br />

Anstiftung zu und Gestaltung von Gesprächen über Kunst<br />

Es hat sich als Strategie bewährt, bestehende Gesprächssituationen zu adaptieren und sich dabei zu<br />

fragen, wo und wie Menschen in ihrem Alltag Gespräche führen bzw. welche Gesprächspraxen so bekannt<br />

sind, dass Menschen an sie anknüpfen können ohne, dass diese Teil ihres Alltags sein müssen. Das<br />

Gespräch am Telefon, mit Sitznachbar*innen beim Essen, im Au<strong>to</strong> mit Mitfahrenden aber auch formalere<br />

Gesprächssituationen wie in einem Beichtstuhl bieten Material für die Gestaltung von Gesprächsformaten.<br />

Im pandemischen Alltag mit digitalen Begegnungsformen stellt sich die Frage nach Gesprächsformaten<br />

neu. Doch auch wenn andere Formate als bei analogen Zusammentreffen nötig sind, ist der oben vorgestellte<br />

3-Schritt auch im Digitalen eine anwendbare Grundlage für die Gesprächsgestaltung.<br />

Für alle, die sich weiter mit (Nach-)Gesprächsmethoden befassen möchten und Interesse<br />

an mehr konkreten Formaten haben: „Zwischen Bühne und Publikum. Vermittlungsformate<br />

für die freien darstellenden Künste“, Handbuch des Performing Arts Programm<br />

Berlin, frei verfügbar und downloadbar.<br />

Jonas Feller<br />

ist freischaffender Theatermacher, Dramaturg und Kulturvermittler.<br />

Er erarbeitet partizipative und interdisziplinäre Projekte an den<br />

Schnittstellen von Theater, Hörspiel-Installation, Gaming und sozialer<br />

Interaktion. In Theorie und Praxis forscht er an Spielstrukturen und<br />

Regelsystemen in den Künsten. Er ist Gründungsmitglied der Geheimen<br />

Dramaturgischen Gesellschaft (GDG), einer Gruppe professioneller<br />

Gesprächsanstifter*innen. Die GDG arbeitet auf Theaterfestivals und<br />

Arbeitstreffen, initiiert Gespräche über Aufführungen, Theater im Allgemeinen<br />

und die Bedingungen und Strukturen für die Produktion und<br />

Präsentation von (darstellender) Kunst; beobachtet Festivals und ihre<br />

Strukturen; organisiert und moderiert Diskussionen und Workshops für<br />

die Nachbereitung von Aufführungen und Nachgesprächsmethoden.<br />

Sie beobachtet, analysiert und gestaltet Gesprächs- und Festivalarchitekturen.<br />

www.geheimedramaturgischegesellschaft.de<br />

22 23


Susanne Reifenrath<br />

Hybride Erzählungsweisen in den (freien) darstellenden Künsten<br />

Tell me and I forget.<br />

Show me and I remember.<br />

Involve me and I understand.<br />

Give me a platform and I will contribute.<br />

Konfuzius, Benjamin Franklin oder Carl Orff<br />

Der erste Tag beginnt mit einem hybriden Mini-Experiment: Vier Teilnehmer*innen betreten den Seminar<br />

- Raum. Mehrere Stühle stehen verstreut herum. Auf einem Tisch ein Tablet, darauf ist ein digitaler<br />

Konferenzraum geöffnet und zu sehen ist das schon so vertraut gewordene Bild: Ein anderer Innenraum<br />

- dort wartet die Workshop-Leiterin des heutigen Tages, ich. Außerdem liegen auf dem Tisch unterschiedliche<br />

Materialien bereit: Post-its, Stifte, Augenbinden, Äpfel, Kekse.<br />

Ich erkläre den Teilnehmer*innen, dass ich heute nicht persönlich da sein kann, um meinen Workshop<br />

abzuhalten und wir uns leider mit dieser digitalen Lösung behelfen müssen. Dann bitte ich die Teilnehmer*innen<br />

die Stühle in einen Kreis zu stellen, das Tablet auf einem bestimmten Stuhl zu platzieren, sich<br />

jeweils einen Block Post-its, einen Stift, eine Augenbinde und einen Apfel oder Keks zu nehmen und<br />

selbst auf den anderen Stühlen Platz zu nehmen, die Utensilien vor sich griffbereit auf dem Boden. Dann<br />

bitte ich sie, die Augenbinden aufzusetzen. Wir beginnen mit einer kleinen Entspannungsübung – Konzentration<br />

auf den Atem, mehrere tiefe Atemzüge, ein-aus-ein-aus.<br />

Dann bitte ich die Teilnehmer*innen noch einmal den Weg von ihrem Startpunkt an diesem Morgen bis<br />

zu ihrer Ankunft am Seminarort zu rekapitulieren. Was habe sie wahrgenommen? Ist ihnen irgendetwas<br />

besonders im Gedächtnis geblieben? Gibt es ein Bild, ein Gefühl oder einen Gedanken zu dieser Erinnerung?<br />

Ich bitte sie mit immer noch verbundenen Augen den oder die Begriffe auf einen Post-it zu<br />

schreiben: Die Teilnehmerinnen schreiben ohne zu sehen: erstaunt-beeindruckt, Kopfsteinpflaster unter<br />

dem Rad, gemütlich-kalt, Stress.<br />

Ich begleite sie weiter mit meiner Stimme und bitte sie, die gedankliche Reise minutiös fortzusetzen und<br />

sich möglichst genau an jede Handlung zu erinnern, die sie ausgeführt haben, um an diesen Ort zu gelangen.<br />

Während der gesamten Zeit des Experiments sitze ich keine 5 Meter von ihnen entfernt in einem angrenzenden<br />

Büro und bin mit der ebenfalls geöffneten Konferenz App auf meinem Handy mit den Teilnehmerinnen<br />

im Kontakt. Während sie mit verbundenen Augen gedanklich ihren Weg zum Seminarraum<br />

rekonstruieren, gebe ich ihnen weiter Anweisungen. Kurz bevor ich die „Reise“ für beendet erkläre und<br />

sie bitte, ein zweites Mal gedanklich den Seminarraum betreten, komme ich sehr leise herein und setze<br />

mich auf den Stuhl, auf dem bisher das Tablet gestanden hat. Ich beende das Experiment mit dem Satz:<br />

„Ihr könnt die Augenbinden jetzt abnehmen“ und wir sehen uns eine Weile an - überrascht und schweigend.<br />

So endet dieser kurze praktische Exkurs zum Thema des Workshop: Was sind überhaupt hybride<br />

Erzählweisen und wie können wir sie für die (freien) darstellenden Künste nutzbar machen? Im weiteren<br />

beschreibe ich einige Teilaspekte dieser Frage, die wir in unserer gemeinsamen Zeit beleuchtet haben.<br />

Seit Beginn der Pandemie beschäftigt viele Künstlerinnen die Frage, wie wir unserer stark um physische<br />

Co-Präsenz zentrierten Arbeit neue digitale Dimensionen hinzufügen können, ohne den Kern des künstlerischen<br />

Ausdrucks zu verlieren.<br />

Auch für die Mitglieder der Gruppe Meyer&Kowski, deren Teil ich bin, wurde schnell deutlich, dass wir<br />

unsere sehr immersive Arbeitsweise nicht „mal eben so“ in eine digitale Form überführen können. Viele<br />

Fragen tauchten auf, die wir noch nicht hinreichend beantworten konnten: Technische, inhaltliche,<br />

praktische. Also machten wir uns auf die Suche nach Antworten. Durch eine Förderung aus dem Reload-Programm<br />

der Bundeskulturstiftung bekamen wir die Möglichkeit tiefer in die Materie des digitalen<br />

Produzieren einzutauchen und die Arbeit von Menschen zu studieren, die sich schon seit langer Zeit mit<br />

dem für uns neuen Gebiet auseinandergesetzt hatten. So stießen wir u.a. auf Christiane Hütter, Künstlerin<br />

und Psychologin, die sich mit digitalen worldbuilding-Formaten beschäftigt und dabei einen Schwerpunkt<br />

auf Interaktivität legt. Sie formulierte im Herbst 2020 in ihrem Aufsatz „Theater der Gegenwart:<br />

Strategiemaschine am Weltübergang“ ein „Manifest für das Theater der Gegenwart“. Einige Kernpunkte<br />

daraus möchte ich hier exemplarisch aufgereifen – sie liefern eine Definition des Begriffs „hybrid“, werfen<br />

Schlaglichter auf das Potential dieser Präsentationsform und bieten Handlungsvorschläge, wie auch<br />

nach dem Ende der Pandemie und des damit verbundenen Lockdows eine um digitale Dimensionen erweiterte<br />

Kunst-Produktion aussehen kann und soll.<br />

„Publikum wird konsequent hybrid (im physischen Raum und remote zugeschaltet) gedacht. Formate und<br />

Interaktionsformen werden dementsprechend entwickelt.“<br />

„Hybride Räume haben das Potenzial, diskriminierungsfrei genutzt zu werden, wenn sie gut designt und<br />

moderiert sind.“<br />

„Eingesetzte Technologien orientieren sich an dem, was für welches Publikum gebraucht wird. Dabei<br />

geht es vor allen Dingen darum, technologische Hürden niedrig zu halten. Hier nimmt sich das Theater<br />

24 25


Susanne Reifenrath<br />

Hybride Erzählungsweisen in den (freien) darstellenden Künsten<br />

der Gegenwart Zeit, Alternativen auszuprobieren und die beste auszuwählen oder aber in Neuentwicklung<br />

zu gehen. Benutzer*innenfreundlichkeit und «user centered design» ist die oberste Prämisse.“<br />

Aber was genau sind hybride Formate konkret? Welche Beispiele aus der Praxis kennen wir? Welche Erfahrungen<br />

haben wir als Produzierende und Rezipierende mit digitaler Produktion bisher gemacht? Welche<br />

unter Pandemie-Bedingungen entstandene angepasste Formate der physischer Co-Präsenz, erfüllen<br />

im weitesten Sinne den Tatbestand des „hybriden“?<br />

EINE UNVOLLSTÄNDIGE LISTE HYBRIDER PRÄSENTATIONSFORMATE<br />

• AUDIOFÜHRUNGEN MIT SZENEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM<br />

• SHOPWINDOWS ZU KUNSTFLÄCHEN/LIVE GESTREAMT MIT CHATS<br />

• ANALOGER/WERBEFLÄCHEN ZU KUNSTFLÄCHEN: U-BAHNSCREENS FÜR VIDEO ART<br />

• ZOOM/JITSI-TOUREN DURCH ATELIERS UND PROJEKTRÄUME<br />

• AVATAR-FÜHRUNGEN DURCH REALE KUNSTRÄUME<br />

• TELEFON HOTLINE<br />

• INSTAGRAM-AUDIENCE STORIES<br />

• TELEGRAM-GAMES<br />

• DIGITALE SCHNITZELJAGD/GEO CHACHING<br />

TO BE CONTINUED…..<br />

Natürlich gehen die Überlegungen noch viel weiter und ich möchte zum vertiefenden Verständnis hier<br />

auf die Publikation „Netztheater Positionen, Praxis, Produktionen“ der Heinrich Böll Stiftung verweisen,<br />

die hier kostenlos herunter zu laden ist.<br />

Susanne Reifenrath<br />

machte zunächst eine Schauspielausbildung und arbeitete an verschiedenen<br />

Theatern, bevor sie 1999 in Hamburg ein Studium der Theaterregie<br />

aufnahm. Seit 2003 arbeitet sie als freie Regisseurin und Dramaturgin<br />

unter anderem in Zürich, Berlin und Hamburg und erfand 2008<br />

gemeinsam mit Marc von Henning das Label Meyer&Kowski, unter dem<br />

sie seither regelmäßig freie Produktionen in Hamburg und bundesweit<br />

realisiert. Sie arbeitet aber auch in anderen Konstellationen mit, zuletzt<br />

von Januar 2020 bis März als Dramaturgin bei der Produktion „Die<br />

Stadt bin ich“ für das inklusive Theaterensemble MEINE DAMEN UND<br />

HERREN auf Kampnagel in Hamburg. Sie war bis Ende 2017 erste Vorsitzende<br />

des Dachverbands freie darstellende Künste Hamburg und bis<br />

Mitte 2018 Mitglied des Vorstands des BFDK sowie des Theaterbeirats<br />

für Projektförderung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft<br />

und Kultur. Außerdem war sie Men<strong>to</strong>rin im Flausen+ Programm<br />

und unterrichtet regelmäßig am Studiengang Regie der Hochschule für<br />

Musik und Theater in Hamburg.<br />

26 27


Jasmine Fan<br />

Eine Filmsprache für Tanz und Theater im Livestream<br />

Diese Überlegungen sollen dazu dienen, über das Entwicklungspotenzial des Mediums<br />

Livestream nachzudenken, das ich gerne zwischen Bühne und Film ansiedeln möchte.<br />

Was ist der Unterschied zwischen Tanz im Film und Tanz im Theater? Zunächst das Verhältnis von Zuschauenden,<br />

Darstellenden und dargestellter Realität. Dieser Unterschied hängt mit den räumlichen<br />

Dimensionen zusammen, die diese beiden Medien nutzen. Die Filmkunst spielt auf der zweidimensionalen<br />

Leinwand, während das Theater den dreidimensionalen realen Raum braucht. Durch die physische<br />

Anwesenheit der Darstellenden entsteht eine unmittelbare Beziehung der Zuschauer*innen zur Aura<br />

der Performance, die momentabhängig ist und bei jeder Aufführung anders ausfällt. Die Dynamik dieser<br />

Beziehung zwischen Darsteller*innen und Zuschauer*innen spielt eine zentrale Rolle in der Livesituation<br />

und beeinflusst das Ergebnis einer Aufführung. Ob die Zuschauer gelangweilt sind oder die Energie der<br />

Darsteller*innen auf sie überspringt, entscheidet wesentlich darüber, ob eine Aufführung gelingt oder<br />

nicht. Dazu wird sie auch jedes Mal anders ausfallen.<br />

Dieser lebendige Kontakt von Zuschauer*innen und Darsteller*innen und den direkten unmittelbaren<br />

Energieaustausch gibt es im Kino nicht. Die Filmkunst, die sich seit 1888 entwickelt hat, funktioniert anders.<br />

Real spielt sie auf der zweidimensionalen Fläche der Leinwand, man könnte aber sagen, dass ein<br />

Film mehrdimensional erlebt wird. Und paradoxerweise empfinden wir die technisch vermittelte Realität<br />

des Films unmittelbarer als die unmittelbare Anwesenheit einer Handlung auf dem Theater.<br />

Diese Unmittelbarkeit hängt damit zusammen, dass der Film unseren Blick führt oder ihn uns sogar vorgibt.<br />

Dies geschieht durch die Kamera, wir erleben das Filmgeschehen mit dem Auge der Kamera, das<br />

diverse Transformationsprozesse mit sich führt. Zwei Elemente prägen das „Sehen“ der Kamera: der<br />

Ausschnitt oder die Perspektive und die Bewegung oder die Zeit, ein zentrales Element der Filmkunst.<br />

Tarkowskij schreibt dazu: „In einem bestimmten Sinne könnte man sie (die Filmkunst) als ein Modellieren<br />

der Zeit bezeichnen.“<br />

In Bezug auf die Wirkung der Aufnahmeperspektive möchte ich an die erste Filmvorführung im 19. Jh.<br />

erinnern. An den Film von Auguste Lumière, „Die Ankunft des Zuges“. Er dauerte nur 30 Sekunden und<br />

zeigte die in der Sonne glänzenden Schienen und einen aus der Tiefe herannahenden Zug, direkt auf die<br />

Kamera zufahrend. Je näher der Zug kam, des<strong>to</strong> mehr Panik verbreitete sich unter den noch unerfahrenen<br />

Zuschauer*innen, bis sie aus dem Saal stürmten. Hätte Lumière eine andere Perspektive als die<br />

Frontansicht gewählt, wäre vermutlich keine Panik entstanden.<br />

Zur Analyse der Wirkungsweise unterschiedlicher Perspektiven und deren Auswirkung auf unsere Gefühle<br />

hatte ich am 04.12.2020 mit einigen Kolleg*innen ein Experiment durchgeführt.<br />

Wir waren fünf Personen und jeder bekam nach einem Zufallsprinzip eine Aufgabe zugeteilt, wie er*sie<br />

die anderen Personen beobachten sollte. Manchmal standen alle bis auf eine Person, die auf dem<br />

Boden lag, manchmal lagen alle auf dem Boden, bis auf eine Person in aufrechter Position. So haben<br />

wir verschiedene Varianten durchgespielt und jedes Mal sollte jeder seine*ihne Gefühle bei den unterschiedlichen<br />

Positionen auf einem Zettel notieren und an seinen*ihre Nachbar*in weiterreichen. Waren<br />

die Gefühle ähnlich, sollten die Arme gehoben werden, im anderen Fall gesenkt werden oder waagerecht<br />

gehalten werden.<br />

Am Ende gab es fast mehr als 75 % Übereinstimmung, wie man sich in der jeweiligen Postion fühlte. Das<br />

heißt, die Position, von der aus man beobachtet, beeinflusst unsere Gefühle und damit die Information,<br />

die wir bekommen. Auch in der Filmsprache baut die Kamera unterschiedliche Stimmungen auf durch die<br />

Wahl der Perspektive oder des Blickwinkels.<br />

EINIGE BEISPIELE<br />

Informationsquelle: www.youtube.com/watch?v=IiyBo-qLDeM&t=1515s<br />

28 29


Jasmine Fan<br />

Eine Filmsprache für Tanz und Theater im Livestream<br />

Mit einem weiteren Experiment hatten wir im Rahmen eines Spiels die manipulativen Möglichkeiten der<br />

Kamera in einem Livestream untersucht.<br />

Mitwirkende waren: Ron Zimmering, Susanne Reifenrath, Joel Vuik und Jonas Feller.<br />

Video : IMG_0331<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Seit der Coronapandemie nutzen viele Theater und Künstler*innen die digitalen Medien als Plattform,<br />

zunächst als Ausweichmöglichkeit, dann zunehmend als eigenständige Form innerhalb ihrer Arbeit. Aus<br />

meiner Beobachtung heraus stellt sich in der aktuellen Situation die Frage nach den neuen Produktionsbedingungen<br />

und der neuen Rolle der Zuschauenden. Dann stellt sich die Frage, ob sich in diesem<br />

Übertragungsprozess vom Livegeschehen in einen Livestream Walter Benjamins Untersuchungen in Bezug<br />

auf den Begriff des Originals in der bildenden Kunst auch auf die digitale „Abbildung“ einer Tanzperformance<br />

anwenden lassen. Bleibt bei einem Livestream die Bühnenfassung erhalten oder geht etwas<br />

Wesentliches verloren? Oder kann vielleicht der Livestream ein neues eigenständiges Format entwickeln,<br />

in dem die Kameraperspektive als zentrales Mittel eingesetzt wird, um eine neue oder erweiterte Geschichte<br />

zu erzählen und so auch eine neue Sprache in der Livestream-Welt entstehen kann, jenseits<br />

des einfachen Dokumentierens eines Bühnengeschehens?<br />

Video : IMG_0332<br />

Jasmine Fan<br />

geboren in Taiwan, absolvierte den Bachelor in Tanz und Film an der<br />

Nationalen Kunstuniversität Taiwan. 2012 zog es sie für ihren Master-<br />

Studiengang nach Hamburg an die HFBK. Sie schloss ihr Studium 2017<br />

mit dem Tanzfilm „A Walk in Mermaid’s Shoes“ ab. Seit 2019/20 wird<br />

ihre Arbeit von der Claussen-Simon-Stiftung gefördert.<br />

Jasmine Fan ist die Gründerin und Kura<strong>to</strong>rin des TANZAHOi-Festivals,<br />

das in Kooperation mit Hochschulsport Hamburg jährlich Workshops und<br />

Austauschmöglichkeiten für internationale Tänzer und Choreographen<br />

anbietet. Ihr Tanzstück „OHNEZWEI“ wurde 2019 im Hamburger LICHT-<br />

HOF Theater, beim Alps Move Festival in Südtirol und Vierundeinzig in<br />

Innsbruck aufgeführt. 2020 hat Fan in Dittmern Strand ihr Forschungsprojekt<br />

„Zero of Order“ realisiert und mit den Einwohnern des Dorfs<br />

geteilt. Das Projekt wurde im Rahmen des „GLOBAL VILLAGE VENTURES“<br />

Programms vom Fonds Darstellende Künste e.V. gefördert.<br />

Ihr aktuelles Tanzstück „Mudra“, behandelt die Rolle von Handgesten<br />

im Tanz bis zu den HongKong Protesten. Es wird im LICHTHOF Theater<br />

gezeigt.<br />

30 31


uppe II<br />

Heike Bröckerhoff<br />

Ruby Behrmann<br />

Patricia Carolin Mai<br />

Anja Zihlmann<br />

32 33


Heike Bröckerhoff<br />

Dramaturgisches Feedback - kollektive Feedback-Methoden<br />

ERFAHRUNGEN MIT FEEDBACK (Austausch)<br />

Bereits benutzte Methoden: DasARTS Methode, 5 Finger Methode, Carmen-Thomas-Fenster<br />

Themen:<br />

» Vertrauen, intimes Setting, Spaß<br />

» kritisches Feedback, das Unangenehmes auslöst (das angenehm Unangenehme)<br />

» sich Zeit nehmen<br />

» Bewertung vs. Support<br />

» beim Bühnenbild oft funktional, technisch - wird es benutzt? als Kriterium<br />

» vor dem Feedback fragen: Was brauchst du?<br />

» Kritikgespräche vs. Dramaturgie-Stammtisch<br />

SINN UND NUTZEN VON FEEDBACK<br />

» soll der Künstler*in helfen, sich / ihre Arbeit weiterzuentwickeln<br />

» Feedback hilft zu artikulieren „was da ist“, „was fehlt oder nicht da<br />

ist“, „was da sein könnte“<br />

» verschiedene Methoden, je nachdem vom wem und wofür man es<br />

braucht...<br />

» Übersetzungsprozess, in Gang gesetzt durch sinnliche und sensorische<br />

Erfahrung<br />

» Feedback ist eine Provokation oder eine Art der Bestätigung, aber es<br />

kann auch zu Standardisierung, (Selbst-)Optimierung und Kommodifizierung<br />

der künstlerischen Arbeit führen<br />

Notizen<br />

Intro: es gibt diverse Formen<br />

von Feedback, also Reaktionen<br />

auf das, was wir sehen<br />

und erleben als Öffentlichkeit<br />

oder Afterlife von Performances<br />

Dramaturgin als ambivalente<br />

Position oft mit Feedback -<br />

Geberin gleichgesetzt<br />

> Feedback ist für mich eher<br />

ein Prozess, etwas, das nicht<br />

eine Person macht, sondern<br />

das zwischen allen Beteiligten<br />

eines künstlerischen<br />

Prozesses stattfindet<br />

vlt.: Verantwortung, Situationen<br />

dafür zu schaffen... diese<br />

Kommunikation lebendig<br />

zu halten und zu gestalten<br />

Criticism is directed at the<br />

past and sets definitions, categories<br />

and judgements.<br />

Productive feedback<br />

proposes viewpoints and is<br />

future oriented, opening up<br />

possibilities for development.<br />

(Georg Weinand)<br />

» entscheiden, von wem möchte ich Feedback: eine Person, die meine<br />

Arbeit kennt und eine Person als Outside Eye, die nichts weiß<br />

» mindestens zwei Personen, die Feedback geben, um Geschmack auszubügeln<br />

(aber keine zu große Runde)<br />

» das Setting und den Körper vorbereiten, was essen oder trinken<br />

» kurze Pause nach der Präsentation, wenn man von der Bühne kommt,<br />

selbst auf der Bühne ist<br />

» Modera<strong>to</strong>r*in/Facilita<strong>to</strong>r, nicht direkt angesprochen werden durch das<br />

Feedback, Time- und Gate-Keeper<br />

» nach Möglichkeit jemand, die*der dokumentiert, mitschreibt, aufnimmt<br />

(und selbst notieren)<br />

» also auch: Notizblock, Aufnahmegerät, Batterien fürs Aufnahmegerät<br />

» „laid back“ Haltung<br />

» (wie) zuhören: auf welche Kommunikationsebenen kann ich achten?<br />

Inhalt, emotionaler Zustand, innere Bewegtheit, Gestik der Feedback<br />

Geber*innen<br />

» „ihr müsst eure Arbeit nicht verteidigen“<br />

» nehmt es nicht persönlich<br />

» selektieren<br />

» bin ich gerade bereit für Feedback? von wem möchte ich Feedback?<br />

Was sind meine Fragen?<br />

» und Unsicherheiten?<br />

» Funktion für die eigene Arbeit<br />

» (Selbst)bewusstsein, Standing: ich weiß, wo ich stehe und was ich gerade<br />

brauche + ich weiß, was ich noch nicht weiß...<br />

» wie verdaue ich das Feedback: mit wem bespreche ich es, wie dokumentiere<br />

ich?, Notizen abgleichen, Wie filtere ich?<br />

Notizen<br />

Wie können Feedbackmethoden<br />

die Kommunikation<br />

im Team unterstützen?<br />

Kann Feedback als kollektiver<br />

Prozess Formen von Gemeinschaft<br />

herstellen?<br />

WAS BRAUCHT IHR, UM FEEDBACK ANZUNEHMEN?<br />

» Offenheit, die eigene Arbeit zu verändern<br />

» ein Rahmen: bevor jemand kommt, persönliche Ordnung, wissen wozu<br />

man Feedback will<br />

» Zeit für Gespräche, nicht nur zwischen Tür und Angel<br />

» ein Teil der Arbeit muss schon da sein, einige Entscheidungen müssen<br />

schon getroffen sein, die können getestet werden<br />

» Vertrauen<br />

» vorbereitet zu sein, aber angstfrei, unfertiges zu zeigen<br />

» in der Arbeit mit Amateur:innen, wie bereitet man die Menschen auf<br />

das Feedback vor?<br />

ÜBUNGEN<br />

> Eleva<strong>to</strong>r speech: 1 min<br />

Was zeichnet dich als Künstlerin aus?<br />

Wie beschreibst du deine künstlerische Position?<br />

Was ist dein künstlerisches Credo / Leitsatz?<br />

> Künstlerische Biographie: 3min<br />

Was waren die markanten, entscheidenden Momente deiner künstlerischen<br />

Entwicklung?<br />

>>>>> Selbst-Marketing Strategien,<br />

die hier eingesetzt eher<br />

dazu nutzen können, sich<br />

selbst bewusst zu machen:<br />

wo stehe ich, wo will ich hin<br />

< siehe Standing, Selbstbewusstsein<br />

Präsentation der eigenen<br />

Arbeitsweise und Parcours ist<br />

Teil von einigen Feedbackmethoden,<br />

um die gezeigte<br />

Arbeit zu kontextualisieren<br />

34 35


Heike Bröckerhoff<br />

Dramaturgisches Feedback - kollektive Feedback-Methoden<br />

WAS BRAUCHT ES UM FEEDBACK ZU GEBEN?<br />

» Ist mein Feedback gewünscht? Ist eine entspannte, vertrauensvolle<br />

Atmosphäre da?<br />

» Was ist gerade meine Motivation, (auf diese Art und Weise) zu feedbacken?<br />

» Selbstkritik, was ist meine Position und aus welcher Perspektive gebe<br />

ich Feedback? Bin ich mit dem (politischen, ästhetischen, ...) Fundament<br />

der künstlerischen Arbeit einverstanden?<br />

» Wie gebe ich Feedback: Verstärkend oder kritisch ? Beobachtend oder<br />

deutend ?<br />

» auf keinen Fall persönlich werden<br />

Notizen<br />

METHODEN / FORMATE FÜR KOLLEKTIVES FEEDBACK<br />

CHAIN REACTION (von Emma Tricard):<br />

Jede Person muss ein Element (eine Idee, einen Satz, ein Wort) aus dem<br />

vorhergegangenen Feedback übernehmen und weiterführen.<br />

> basiert auf Beschreibungen<br />

FIRST REACTION (Nik Haffner, Boyan Manchev) ca. 10 min<br />

1. die Zuschauer*innen haben eine Minute, um Wörter aufzuschreiben, die<br />

sie mit der Arbeit verbinden<br />

Notizen<br />

> Feedbackmethode für<br />

Workshop Modellbau<br />

> man kommt in einen gemeinsamen<br />

Reflektionsprozess,<br />

triggert sich gegenseitig,<br />

hat aber die Möglichkeit<br />

sich zu den Perspektiven der<br />

anderen zu positionieren<br />

> man muss zuhören bevor<br />

man das eigene Feedback<br />

formuliert<br />

» klar markieren: ich fühle, sehe, denke, höre...<br />

» auf die Fragen der Künstler:in eingehen<br />

» Sandwich: Positiv - Kritisch - Positiv<br />

» „was funktioniert/what works...“ muss mindestens erklärt werden und<br />

setzt voraus, dass es ein geteiltes Verständnis gibt wofür etwas (eine<br />

Szene, ein Text, Bewegungsfolge) funktioniert<br />

» Vorschläge machen: Wenn du ... willst, dann .... oder .... oder ....<br />

» gemeinsam spekulieren: wie kann die Arbeit verstanden werden?<br />

2. die Worte werden vorgelesen<br />

3. jede Zuschauer*in kann nachfragen, wenn Wörter nicht verstanden<br />

wurden, weiterer Erklärung bedürfen, sie nicht übereinstimmen<br />

4. Die Künstler*in kann selbst nachfragen<br />

TITLE GAME ca. 6 - 8 min<br />

Reihum nennt jede beteiligte Person einen Titel für die Arbeit.<br />

> die Künstler:in bekommt<br />

ein gutes Gefühl für die<br />

Wirkung ihrer Arbeit, Attribute,<br />

die sich häufen, mögliche<br />

Interpretationen<br />

» Check: Ist das wirklich wahr, was ich da gerade sagen will?<br />

FRAMING<br />

Die Situation entscheidet darüber, was gesagt und was gehört wird. Versuch<br />

eine Situation herzustellen, in der es nicht um persönliche Beziehungen,<br />

Meinungen, Machtstrukturen, einfach nur Kritik, Konkurrenz oder<br />

Höflichkeit geht.<br />

STRATEGIEN<br />

» Rollentausch kann helfen, Kunst von Macher*in zu trennen<br />

» die Künstler:in hält sich raus, hört nur zu<br />

» Diese Fragen können helfen, um dem Feedback einen Fokus zu geben:<br />

Was bewegt dich dazu, diese Arbeit zu machen? Wo stehst Du in Bezug<br />

zu dieser Motivation? Was soll das Publikum erleben, was wünscht du<br />

dir da? Was könnten nicht-beabsichtigte Konsequenzen deiner Arbeit<br />

sein? Was sind deine komposi<strong>to</strong>rischen Prinzipien, Methoden? Wo stehst<br />

du gerade in deinem Prozess? Welche Frage/n begleitet/n dich durch<br />

den Prozess? Welche Antworten auf diese Fragen gibt es schon? Was<br />

wurde schon gedacht/bearbeitet? Was muss weitergedacht oder reformuliert<br />

werden?<br />

Viele der Methoden vermeiden<br />

Diskussionen:<br />

Ist das wünschenswert?<br />

Wie bereite ich mich und<br />

die Person/en die Feedback<br />

geben vor?<br />

Welche Feedbackmethode<br />

wähle ich aus? Wie und wonach<br />

wähle ich die geeignete<br />

Feedbackmethoden für<br />

ein Setting aus? (Rahmung:<br />

in einem künstlerischen<br />

Prozess - mit dem Team, mit<br />

diversen Zuschauer*innen,<br />

in einem Publikumsgespräch,<br />

im Vermittlungsbereich - mit<br />

Kindern - Jugendlichen - jungen<br />

Erwachsenen)<br />

Everybody’s Toolbox: IMPERSONATION GAME ca. 30 - 45 min<br />

Why? The objective of this game is <strong>to</strong> expand the understanding of your<br />

own work through listening <strong>to</strong> other people speaking about it from the<br />

position of having made it themselves (they are impersonating you). They<br />

defend, explain, care for and question what the work in focus is about.<br />

When played as an aftertalk, the game also functions as an encounter<br />

between audience members; they can confront their own perception of<br />

the work with that of other specta<strong>to</strong>rs, rather than verifying their perception<br />

with the intentions of the author.<br />

The author functions as a facilita<strong>to</strong>r as well as enjoying constructive<br />

feedback.<br />

How? You show a work <strong>to</strong> the people you would like <strong>to</strong> impersonate you<br />

(people you would like <strong>to</strong> expand notions of your work).<br />

You can show it live or on video, but it should be a presentation of the<br />

work itself. After the showing you set up an after talk where you, the person<br />

who made the work is the interviewer, interviewing at least 3 persons<br />

who try <strong>to</strong> impersonate you.<br />

http://everybodys<strong>to</strong>olbox.net/index.<br />

php?title=IMPERSONA-<br />

TION_GAME<br />

> eher spielerisch, Versuch,<br />

gemeinsam die Essenz der<br />

Arbeit herauszuschälen<br />

> Ruby bereitet Fragen zu<br />

ihrem Konzept für eine<br />

Festival vor, die sie uns im<br />

Anschluss stellt.<br />

Wir verkörpern das Performance<br />

Kollektiv<br />

Studio Studio in der Vorbereitung<br />

auf das Festival<br />

> generiert Ideen, sehr<br />

produktiv, man bemerkt,<br />

was man schon weiß und<br />

was nicht, welche Infos aus<br />

dem Konzept hervorgehen,<br />

welche nicht,<br />

„was da ist, was fehlt, was<br />

noch kommen kann“<br />

> gemeinsam spekulieren<br />

36 37


Heike Bröckerhoff<br />

Dramaturgisches Feedback - kollektive Feedback-Methoden<br />

MAPPING<br />

After watching the performance the audience is invited <strong>to</strong> enter in<strong>to</strong><br />

a silent drawing practice in response <strong>to</strong> the work they have seen. The<br />

drawings are then all displayed and then a <strong>to</strong>ur of the arranged drawings<br />

is initiated. The audience discusses what they see and simultaneously<br />

shares their initial intentions of the drawing itself. In addition the artists<br />

were present and had the possibility <strong>to</strong> ask the audience questions for<br />

further clarifications.<br />

Share an existing image that relates <strong>to</strong> work<br />

Give descriptive feedback, “I saw...” // i remember... + repeat a movement<br />

or word from the presentation<br />

Emotions: Something in me felt like...<br />

Taking notes and embody the presentation/dance/scene<br />

CARMEN-THOMAS-FENSTER<br />

Man zeichnet ein Quadrat mit 4 Feldern auf. (Positiv, Negativ, Beobachtungen,<br />

Fragen)<br />

In den ersten beiden Felder beschreibt man, was man gesehen, gefühlt<br />

und erlebt hat ohne Wertung. In den letzten beiden Feldern kann man<br />

durch die Art der Fragen und der Beobachtung die Beschreibungen in<br />

den ersten beiden Feldern etwas persönlicher färben. Wichtig ist, dass in<br />

jedem Fenster gleich viele Punkte stehen sollen.<br />

FÜNF-FINGER-METHODE<br />

https://www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/medienwissen/medienbildung/definitionen-von-medienkompetenz-und-methoden/methoden/<br />

feedback-hand/<br />

Daumen: Das war super.<br />

Zeigefinger: Das könnte man besser machen.<br />

Mittelfinger: Das hat mir nicht gefallen./Das war zentral.<br />

Ringfinger: Das nehme ich mit.<br />

Kleiner Finger: Das kam zu kurz.<br />

4-SCHRITTE IN DER KOMMUNIKATION NACH ROSENBERG<br />

Ein „einfacher“ Vierschritt für eine kooperative Kommunikation:<br />

A. Was ich (bezogen auf das Thema bzw. die Situation XY) beobachtet<br />

habe...<br />

B. Welche Wirkung dies auf mich hatte.<br />

Notizen<br />

> Was sind nicht-diskursive<br />

Formen von Feedback?<br />

> Feedback<br />

durch das Publikum?<br />

> Wie kann Feedback selbst<br />

künstlerisches Material produzieren?<br />

> körperliche Reaktionen als<br />

Feedback?<br />

> Brauchen wir unsere<br />

Emotionen beim Feedback<br />

geben?<br />

Wie können wir sie als solche<br />

markieren?<br />

> für Künstler:innen, desselben<br />

Metiers<br />

In welchem zeitlichen Abstand<br />

können Feedbackmethoden<br />

eingesetzt werden?<br />

„Meine Frage an die Feedbackmethoden<br />

ist, inwiefern<br />

dadurch zum Teil ein freier,<br />

gemeinsamer künstlerischer<br />

Austausch eingeschränkt<br />

wird, in dem man sich gegenseitig<br />

befruchtet. Es entsteht<br />

zwar schneller Output für<br />

die Person, die Feedback<br />

bekommt, jedoch genieße ich<br />

z.B. auch manchmal, dass<br />

aus zeitintensiven Runden<br />

neue Themen und Fragen<br />

hervorgehen, die in so einem<br />

strukturierten Format so<br />

nicht aufgetaucht wären.<br />

Kurzum: Inwiefern engen die<br />

Methoden ein oder schaffen<br />

grade durch die Struktur eine<br />

Freiheit?“<br />

> Welche Feedbackmethoden<br />

eignen sich für Team-<br />

Prozesse (Kommunikations-,<br />

Strukturprozesse) ?<br />

C. Welche Bedürfnisse ich bezogen auf die Situation XY habe...<br />

D. Welchen konkreten Wunsch ich an mein Gegenüber habe...<br />

DAS ARTS FEEDBACK METHODE<br />

Presentation/Work-in-Progress/Performance<br />

Audience Venting in pairs (the person receiving is not there)<br />

1) The presenter’s question<br />

2) Affirmative feedback: what works for me is...<br />

no compliments, no judgement, no likes/dislikes<br />

plus one<br />

3) Perspective Feedback<br />

As ... (a dramaturge, an audience member, a feminist, a stage designer,<br />

a critic, an activist, a cura<strong>to</strong>r, as a dog...) I need....<br />

4) Open Questions<br />

feedbackers pose questions which cannot be answered with a „yes“<br />

or a „no“.<br />

the presenter doesn‘t answer these questions<br />

+ Open Discussion about one of the questions<br />

5) Concept Reflection<br />

on small post-it papers, feedbackers write some concepts which for<br />

them relate <strong>to</strong> the presentation<br />

the presenter hangs these on an A3 sheet of paper, closer by or fur -<br />

ther away from the word ‚work‘. hereby s*he demonstrates the hierarchy<br />

of importance: which concepts, according <strong>to</strong> his own view, relate<br />

<strong>to</strong> the piece, which don‘t?<br />

The maker/facilita<strong>to</strong>r chooses a concept and starts speaking about<br />

the work including this word (on the post-it), keep repeating „....“<br />

(concept) is involved in my work because..... + the author of the concept<br />

provides hints, not answers - first one that is close, then medium<br />

distance, then furthest away<br />

6) Gossip*<br />

artist sitting with her back <strong>to</strong> the feedbackers, they speak of them in<br />

the third person, feedbackers freely gossip about the presentation,<br />

artist can take notes<br />

7) Tips:<br />

References, technical <strong>to</strong>ols, practical tricks, related work<br />

8) Personal letter:<br />

write a letter in silence, personal or emotional associations, confidential<br />

communication, artists read the letters later<br />

Notizen<br />

> für den Ausbildungskontext<br />

entwickelt, gemeinsam mit<br />

Karim Bennamar:<br />

https://www.karimbenammar.com/en/<br />

> was funktioniert wird viel<br />

zu oft, relativ gedankenlos,<br />

eingesetzt, um Gespräche<br />

abzukürzen, funktioniert<br />

aber nur, wenn wirklich alle<br />

wissen in welchen Kontext/<br />

Rahmen/System etwas funktioniert<br />

> innerhalb dieser Methode<br />

kommt es dann zu Aussagen<br />

wie „für mich funktioniert<br />

das Kostüm“ (aber warum<br />

genau und was daran fehlt<br />

an Informationen)<br />

vielleicht ist es also doch<br />

nur eine Art Ersatz für „ich<br />

mag...“<br />

Wie könnten Feedbackmethoden<br />

helfen die oft<br />

knappe Zeit für Rückmeldungen<br />

zu strukturieren und<br />

zielgerichtet zu nutzen?<br />

> der Titel *Gossip ist etwas<br />

unglücklich und birgt die<br />

Gefahr, dass nun alle drauflos<br />

tratschen. Nutzt man<br />

es allerdings als eher freie<br />

Sprechform, in der Feedback<br />

formloser, informeller<br />

und ausführlicher gegeben<br />

werden kann, kann es sehr<br />

produktiv sein und auch zu<br />

Momenten von Austausch<br />

und Diskussion führen<br />

38 39


Heike Bröckerhoff<br />

Dramaturgisches Feedback - kollektive Feedback-Methoden<br />

Ausführliche Beschreibung und Film über die Methode:<br />

Notizen<br />

https://www.atd.ahk.nl/en/<br />

theatre-programmes/dastheatre/feedback-method/<br />

LABORATORY ON FEEDBACK in Rahmen von Lifelong Burning, Uferstudios<br />

Berlin<br />

Teil 1: https://issuu.com/hztberlin/docs/feedback_lab_report_berlin_<br />

jan_2014<br />

Teil 2: https://www.uferstudios.com/assets/Uploads/Feedback-LAB-documentation-onlineVersion.pdf<br />

Teil 3: https://issuu.com/hztberlin/docs/feedback3_all<br />

Text: THREE TYRANNIES OF FEEDBACK, Diego Agulló<br />

„Feedback is everywhere. In a feedback culture, feedback is important<br />

not only in order <strong>to</strong> become more efficient and fulfilled at work but also<br />

<strong>to</strong> understand the impact that this work produces in others. Feedback<br />

belongs <strong>to</strong> the logic of exchange (feeding back is paying back), the<br />

economy of feedback expects something in return. Feedback is good<br />

for business, it is supposedly a technique for improving and fostering the<br />

growth of teams and companies. Audiences must engage as much as workers<br />

do and their performance has been industrialised <strong>to</strong> such an extent<br />

that love, passion and dedication are now talked about in terms of hard<br />

work. Everybody is engaged in feedback culture.“<br />

> Hintergründe, weitere Fragen<br />

und Methoden<br />

The Tyranny of Positive Feedback<br />

The Tyranny of Immediate<br />

Response<br />

The Tyranny of Discourse<br />

in: http://www.lifelongburning.eu/fileadmin/files/<br />

feedbacklab3_responses.pdf<br />

Heike Bröckerhoff<br />

arbeitet als Tanzdramaturgin, Au<strong>to</strong>rin und Radiomacherin in Deutschland und<br />

Frankreich. In ihrer künstlerischen Arbeit verbindet sie dokumentarische Ansätze<br />

mit Fiktion, Interviewtechniken und Theorie. Gemeinsam mit Juliana Oliveira produziert<br />

sie die monatliche Radiosendung – PLATEAU im FSK mit Diskursprogramm<br />

über die freien darstellenden Künste in Hamburg.<br />

40 41


Ruby Behrmann<br />

Beerdigungsrituale<br />

Ruby Behrmann befindet sich derzeit am Anfang einer Recherche zum Thema Beerdigungsrituale<br />

und der Finanzierung dieser Rituale. Im Mai 2021 soll in Zusammenarbeit<br />

mit einer Bestatterin in Köln eine interaktive Performance entstehen. Im Januar 2021<br />

beginnt die intensive Recherche, in der Ruby Behrmann und ihr Team verschiedene Bestattungsinstitute<br />

besucht, Interviews mit alten Menschen, aber auch z.B. Altenpfleger*innen,<br />

u. Baumbestatter*innen, Pfarrer*innen,Trauerredner*innen und Sargbauer*innen<br />

führt. Sie sammelt interessante Geschichten, Anekdoten und Statistiken, um diese<br />

in ihrem folgenden Stück künstlerisch zu transformieren.<br />

Der Workshop innerhalb der <strong>Peer</strong> <strong>to</strong> <strong>Peer</strong> Academy diente dazu mit anderen Künstlerinnen<br />

über das Thema in ein Gespräch zu kommen und unterschiedliche Formate auszuprobieren.<br />

WAS KENNEN WIR FÜR FORMEN VON BESTATTUNG?<br />

- Friedhofbestattung<br />

- Urne od. Sarg<br />

- Seebestattung<br />

- Friedwald<br />

- Luftbestattung ( Asche wird aus einem Flugzeug verteilt)<br />

- Mausoleum<br />

- Hinduistische Bestattung in Indien in dem heiligen Fluss Ganges<br />

- in Israel gibt es seit 1996 mehrstöckige „Grabhäuser“, die wie Parkhäuser aussehen<br />

PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN UND GEDANKEN ZUM THEMA<br />

- ein verregneter Tag im April: als der Sarg in das Grab sank, kam die Sonne heraus<br />

- Sterbende ordnen an, wer zur Beerdigung kommen darf<br />

- was hat es für Auswirkungen, wenn der Vers<strong>to</strong>rbene Atheist war, die Bestattung jedoch christlich stattfindet?<br />

- schöner Friedhof, schönes Wetter, viele Kerzen, viele Sonnenblumen, ein riesiger stiller Chor<br />

- wann ist Trauer legitim? Wann darf man weinen? Wer darf trauern?<br />

- Schweigen als Teil von Trauer und Beerdigung<br />

- was sagt man als Angehöriger, wenn man eine Rede hält?<br />

- was ist das Gemeinsame an Beerdigung? Der Leichenschmaus mit süßem Kuchen als Erlösung und der<br />

letzte zukunftsweisende Teil der Beerdigung<br />

- was passiert wenn Rituale durchbrochen werden?<br />

AUFGABE<br />

Wie stelle ich mir meine eigene Beerdigung vor? Gedankenexperiment: Am Tag eurer Beerdigung wird<br />

eine Video abgespielt, in dem ihr zu den Trauernden sprecht - was würdet ihr sagen?<br />

WAS KENNEN WIR FÜR EINZELNE BAUSTEINE EINER BESTATTUNG?<br />

- vorab: Traueranzeige/Trauerkarte (meistens in schwarz-weiß)<br />

- bestimmter Kleidungskodex bei der Beerdigung<br />

- Kränze mit Abschiedsgruß auf Schleifenband<br />

- Trauerrede<br />

- gemeinschaftlich singen oder Musik hören<br />

- 4 Sargträger (Männer) tragen den Sarg zum Grab, hinter ihnen der Trauerzug<br />

- einzeln an das Grab herantreten und Erde und oder Blumen ins Grab werfen als letzte Geste des Abschieds<br />

- Beileidsbekundung: Händegruß „mein Beileid“ an die Familie<br />

- Leichenschmaus<br />

- in Russland werden Fo<strong>to</strong>s mit dem aufgebahrten Vers<strong>to</strong>rbenen gemacht als Erinnerung oder für Angehörige<br />

und Freunde, die nicht zur Beerdigung kommen konnten<br />

https://www.youtube.com/<br />

watch?v=vmV9BQjhGhg<br />

42 43


Ruby Behrmann<br />

Beerdigungsrituale<br />

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Familie,<br />

ich bin’s..., der Anlass, aus dem ihr hier seid. Eigentlich stehe ich nicht so gern im Mittelpunkt, aber so ist<br />

das jetzt nun mal, damit müssen wir leben. Also ihr müsst damit leben, ich ja nicht mehr.<br />

Oh Gott, so schnell geht das mit dem Galgenhumor. Tut mir Leid. Mich beruhigt gerade sehr, dass ihr<br />

jetzt zusammen seid. Jetzt, wenn ihr das hört, dieses Jetzt ist nicht mehr meine Zeitlichkeit. Und trotzdem<br />

ist meine Stimme jetzt bei Euch. Und in meinem Jetzt, wenn ich zu Euch spreche, seid ihr bei mir.<br />

Und wenn auch nur in dieser Asynchronität, in der ich für Euch spreche und ihr mich hört, sind wir - jetzt<br />

- zusammen.<br />

Früher dachte ich, der schönste Abschied wäre es, an einem nebligen Tag aufs Meer hinauszuwaten und<br />

nach und nach zu verschwinden. Loszuziehen von diesem Ort aus, an dem ich immer glücklich war. Also<br />

stellt Euch einfach vor, ich stehe mit den Füßen im Wasser, lächle Euch an. Ihr winkt mir zu. Wir schauen<br />

uns noch einmal in die Augen. Dann drehe ich mich um und gehe langsam los, in Richtung Horizont.<br />

Danke, dass Ihr Teil meines Lebens ward. Und wenn Ihr mich braucht, werdet Ihr mich finden.<br />

Ich werde da sein. Immer.<br />

Liebe Familie, liebe Freundinnen und Freunde und liebe alle, die mich sonst so kannten und heute hier<br />

versammelt sind.<br />

Schön, dass ihr zu meiner Beerdigung gekommen seid.<br />

Ich habe jetzt 100 schöne Jahre auf diesem Planeten verbracht und da war es wirklich an der Zeit<br />

diese Welt zu verlassen. Mein Leben war voller inspirierender Momente und ich kann mit Freude zurückblicken<br />

und sagen: „Ja, es war ein gutes Leben“. Ich habe alles erreicht, was ich mir gewünscht habe.<br />

Z.B. gründete ich zusammen mit einer Kollegin ein Theaterhaus, welches heute berühmt für den solidarischen<br />

Austausch unter Künstler*innen ist. Ich bin so froh, dass ich miterleben durfte, wie die Klimakrise<br />

ges<strong>to</strong>ppt werden konnte und wir alle gemeinsam fürsorglicher mit der Erde umgehen.<br />

Liebe alle: Ich weiß es ist traurig heute hier zu sein. Aber ich bin wirklich sehr alt geworden und hatte<br />

einfach keine Lust mehr zu leben.<br />

Liebe Familie und Freunde: Ihr seid die besten. Danke, dass ihr mich auf meinem Weg begleitet und<br />

durch eure Ideen und Fürsorge mein Leben bereichert habt. Ich hab euch lieb.<br />

Bevor ich euch raus zu meinem Grab entlasse, möchte ich mich noch mal ganz herzlich bei allen bedanken,<br />

dass ihr hier mit mir zusammen seid. So wie ihr mich kennt, habe ich mich natürlich um den<br />

Leichenschmaus gekümmert. Ihr dürft euch freuen!<br />

Macht es gut.<br />

Alles Liebe,<br />

x<br />

AUFGABE<br />

Jede bringt einen Gegenstand mit, der ihr etwas bedeutet. Nacheinander wird der jeweilige Gegenstand<br />

vorgestellt. Reihum sucht sich jede einen Gegenstand plus Geschichte aus und inszeniert dazu ein Ritual,<br />

indem das Objekt geehrt wird. Im Anschluss gibt es eine Reflexionsrunde.<br />

Patricia: So ganz generell ist mir aufgefallen, was die Einführung alleine ausmacht. Die sprachliche Einführung.<br />

Welche Information bekomme ich, bevor ich in einen Raum hineingehe, und wie werde ich<br />

eingeleitet. Also wie werde ich eingeführt in dieses Ritual und alles was gesagt wird bekommt eine<br />

unglaubliche Bedeutung. Und mir ist auch noch aufgefallen, dass ich das auch ein bisschen anders<br />

verstanden habe, aber ich fand es sehr schön wie ihr das gemacht habt, weil ihr das explizit benannt<br />

habt: Von wem ist dieser Gegenstand und in wiefern lobpreisen wir den? Gedenken wir dem? Erinnern<br />

wir den? Vergessen wir den? Das ist so simpel, aber so stark diese Ansprache zu haben.<br />

Heike: Ich habe eigentlich versucht so wenig wie möglich mit Sprache zu arbeiten. Ich hatte eigentlich<br />

eher das Bedürfnis etwas <strong>to</strong>tal Stilles zu machen. Was nicht so sprachlich auflädt, nicht so in ein<br />

Reden über kommt. Ich hab auch beim Machen gemerkt, wie schwierig das eigentlich ist, und wie es<br />

eigentlich nur funktionieren kann, wenn alle genau wissen, was sie zu tun haben. Ansonsten braucht<br />

es für so unbekannte Rituale eine Guidance. Und dann ist mir aber auch aufgefallen, dass eigentlich,<br />

wenn man Rituale vollzieht, alle dieses Ritual kennen. Die meisten Leute wissen, wie das abläuft.<br />

Und man muss es nicht erklären beim Machen. In der Kirche stehen ja auch plötzlich alle auf, es gibt<br />

ein kleines Zeichen und die Leute kennen den Weg so selbstverständlich und es wird so einfach über<br />

eine körperliche Praxis von Generation zu Generation weitergegeben. Aber wenn man so etwas neues<br />

herstellen will, muss man es vielmehr leiten. Auch sprachlich glaube ich.<br />

Anja: Ich hab ja nicht alles angeleitet, aber ihr habt sofort alle meine Bewegungen kopiert. Wenn ich<br />

z.B. meine Hände vor meinen Bauch gehalten habe. Und das fand ich z.B. super spannend, weil das<br />

macht auch ein Gefühl von Ritual, das man kopiert und das es normal ist zu kopieren. Z.B. auch bei<br />

dir, Ruby, bei dem Lied, wo wir zusammen singen, obwohl wir das Lied gar nicht kennen. Indem das<br />

wir etwas vormachen und alle machen das nach und es ist völlig selbstverständlich so.<br />

Patricia: Ich merke auch, dass das Wort dann doch gar nicht so wichtig ist, sondern vielmehr die Geste.<br />

Also das Übermitteln von Geste und Bewegung eigentlich sehr stark funktioniert, wenn man weiß wer<br />

diejenige ist, die das Ritual durchführt. Würden das drei Leute gleichzeitig machen, wäre es auch<br />

wieder was anderes als eine Person, der man folgt. Das war für mich so stark, als du die Vulva mit dem<br />

Ring hingehalten hast und ich hatte noch vorher die Geste von Ruby mit dem Geben und Nehmen im<br />

Kopf und dann habe ich mich gefragt „soll ich das nehmen?“.<br />

Ruby: Das war jetzt ja auch alles so schnell und ich hab gemerkt, dass man dem dann auch immer folgen<br />

will. Man macht das dann auch so und will auch nichts falsch machen. Was mir auch noch mal<br />

beim Machen aufgefallen ist, dass der Raum, also das Setting, für mich eigentlich das ausschlaggebende<br />

ist. Also wo findet das statt? Was für ein Licht? Was für eine Location? Was für eine Musik?<br />

Wie sind die Leute angezogen? Wie groß ist der Raum? Das quasi das Setting das Ritual rahmt und<br />

auch den Weg des Rituals bestimmt. Bei mir, dass der Raum so groß war und gehallt hat, die Lichter<br />

von oben, dass das schon allein einen so reingezogen hat, dass man mitmacht. Wenn das in irgendeinem<br />

Büroraum stattgefunden hätte, hätte es ganz anders funktioniert oder nicht funktioniert.<br />

Patricia: Daran angeschlossen habe ich noch mal an die Formen zurückgedacht, die wir angewandt<br />

haben. Von Halbkreis zu Kreis und bei dir eigentlich dieser Weg, den ich so entscheidend fand und<br />

ich mich lustigerweise daran erinnert habe, dass wir ja gar nicht wussten wie du gehst. Während des<br />

Singens hast du auf einmal angefangen dich zu bewegen und dann wussten wir, aha okay, wir laufen<br />

jetzt im Raum. Und dann sind wir wie im Gänsemarsch alle hinter dir her gelaufen. Und dann sind wir<br />

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Ruby Behrmann<br />

Beerdigungsrituale<br />

diese Treppe hoch. Da ist mir auch noch mal aufgefallen, als ich unten an der Treppe stand und auf<br />

ein mal so etwas goldenes, glitzerndes sah und nur deshalb wusste ich: ah, das ist noch nicht vorbei.<br />

Weil da oben würde sonst nichts goldenes und glitzerndes sein. Markierungen, die man bedenkt und<br />

vorher setzt.<br />

Anja: Und ich finde auch die Geräusche und der Sound sind sehr relevant, also das war bei Patty. Das<br />

Wasser kochen, was ein so einstimmt auf das Ritual, bei Heike die Musik, die <strong>to</strong>tal gepasst hat auch<br />

mit den Bewegungen. Und bei Ruby hat es auch mit Musik gestartet. Über das Hören nimmt man einen<br />

Raum ganz anders wahr bzw. er wird anders gefüllt.<br />

Ruby: Was ich so gemerkt habe, ist, man muss erst mal diesen Pathos überwinden, um zu einem Ritual<br />

zu kommen, das frei von „esoterischen“, pathetischen Formen ist. Das man zu einem anderen Ritual<br />

kommen kann, rein künstlerisch. Ich hab bei uns allen gemerkt, man ist in so etwas drin und man will<br />

etwas erzeugen und das ist auch das erste was man mit Ritualen verbindet. Eine Gemeinschaft, in die<br />

man reinkommt. Ich hab mich gefragt, was gibt es noch für Formen, die das nicht so im Kern haben,<br />

aber trotzdem ein Ritual sind? Wenn man eine halbe Stunde Zeit hat, was macht man dann? Das ist<br />

der erste Zugang.<br />

Heike: Zeit ist auf jeden Fall eine wichtige Komponente bei einem Ritual. Was ich angedacht habe, das<br />

ging eher in so etwas Tranceartiges rein, das ist auch eher etwas, was ich ganz stark mit Ritualen verbinde.<br />

Ein anderer Körperzustand, wo ein Körper durchgeht oder auch mehrere Körper gemeinsam<br />

durchgehen. Das kann man in 8 Minuten gar nicht machen. Also ich wüsste gar nicht wie. Da muss<br />

man sehr extrem ansetzen. Eigentlich auch dieser Eingang ins Ritual, also diese Vorbereitung des<br />

Rituals, dann dieser Prozess selbst und dann ist mir auch aufgefallen, dass dieses Ende so wichtig ist.<br />

Wie schließt man das ab?<br />

Ruby: Ja, bei einem Begräbnis wirft man dann als Abschluss etwas in das Grab.<br />

Anja: Eigentlich haben alle im Raum ganz klar markiert, wo sind die Plätze, die wir einnehmen können. Es<br />

gab ein Tisch mit vier Seiten, Ruby hat die drei Stühle bereit gestellt, Heike hat die Papiere auf den<br />

Boden gelegt, ich hab das mit den Kerzen versucht. Also auch diese Einleitung vom Ritual „kommt her<br />

und sucht euch den Platz, aber es ist ganz klar wo die sind“. Auch immer die Bühne vorne oder in der<br />

Mitte.<br />

Heike: Durch Corona ist das auch noch mal extremer, weil ich musste dafür Verantwortung einnehmen<br />

wo ihr euch hinsetzt, dass ihr die Masken kurz abnehmen könnt.<br />

Ruby: Ein Ritual anzuleiten hat für mich etwas <strong>to</strong>tal verspieltes. Eine Abfolge von Abhandlungen.<br />

Heike: Mantraartige Wiederholungen.<br />

Patricia: Das gemeinsame Bewegen. Ich fand es alleine schon <strong>to</strong>tal schön wie viel Zeit wir uns genommen<br />

haben diesen Ring zu schieben und dann auch gemeinsam diesen Ring zu schieben. Mal gucken,<br />

ob sie bis zur Lampe geht, aber nicht an die Lampe ran. Und dann waren wir auch so im gleichen<br />

Takt. Das ist so schön, dass man das einfach unausgesprochen macht und dann ist es auch nicht<br />

albern, sondern bekommt eine Tiefe. Durch das gemeinsame machen, bekommt das eine Wirklichkeit<br />

und dann stellt man das auch nicht in Frage.<br />

Ruby: Aber man muss es erst annehmen. Man muss erst mal alles bejahen und sagen: Ich begebe mich<br />

da jetzt rein. Wenn ich das von Anfang an ironisch sehe und mich nicht reingeben kann, dann wird es<br />

für die ganze Gruppe schwierig dieses Ritual durchzuführen.<br />

Anja: Ja annehmen und respektieren. Wir machen jetzt dieses Ritual und nehmen die Erfahrung ernst.<br />

Ich fand auch Rubys Kostüm hat so gut gepasst. Dieses Sakrale mit der Kopfbedeckung. Eine ganz<br />

klare Ritualleiterin. Und bei dir Heike war ich sofort auch bei so Trance Ritualen von Frauen. Das<br />

macht auch das Kopftuch - ich weiß gar nicht woher dieses Bild kommt – aber das war so super stimmig<br />

und ich war sofort bei der Großmutter und bei Ruby und den Generationen, die immer wieder das<br />

gleiche tun.<br />

Heike: Also die Symbolik, die da eigentlich so drin steckt oder? Was man mit Ritualen für eine Art Symbolik<br />

produziert.<br />

Ruby Behrmann<br />

Ruby Behrmann ist als Regisseurin spezialisiert auf ortsbezogene, partizipative<br />

Formate. Ihre Performances und Installationen arbeiten mit<br />

der Schnittstelle von Theater und Alltag. Sie schaffen Räume, in die<br />

das Publikum eintritt und mit denen es interagieren kann – um Situationen<br />

zu erleben, statt sie nur zu beobachten. Behrmann studierte Angewandte<br />

Theaterwissenschaft in Gießen. Mit Behrmann/Koch/Mielich<br />

entwickelt sie ortsspezifische Performances (zuletzt Damengedeck<br />

2.0 - Ein Rundgang in die Zukunft, 2020, Köln). Für das dreijährige<br />

Filmprojekt „Studio Vogelsberg“ im Rahmen der FLUX-Residenz, arbeitet<br />

Behrmann als Studio Studio mit der Videokünstlerin Julia Novacek<br />

und der Szenografin Evamaria Müller zusammen (2019 - 2021). Ihre<br />

Arbeiten wurden unter anderem an folgenden Orten gezeigt: HAU<br />

Berlin, Mousonturm Frankfurt, Theater am Turm Marburg, zeitraumexit<br />

Mannheim, Schwankhalle Bremen,Palais de la Porte Dorée Paris,<br />

zeitzeugfestival Bochum, Stadttheater Gießen, MADE.Festival Hessen,<br />

Sommerblut Festival Köln.<br />

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Anja Zihlmann<br />

Das Modell als Experimentierraum<br />

Das Modell bietet die Möglichkeit verschiedene Raumanordnungen, Materialproben<br />

und Lichtstimmungen im Testaufbau auszuprobieren und so einen Raum, seine Bedingungen<br />

und Möglichkeiten auszutesten. Das Arbeiten und Konzeptionieren am Modell<br />

ist eine physische und sinnliche Arbeit. Mann kann sich so dem tatsächlichen Raum annähern,<br />

Modellteile relativ schnell umbauen, umstellen, verwerfen und neue Elemente<br />

einführen. So können verschieden Ansätze, Anordnungen und Raumkonzepte ausprobiert<br />

werden. Ein wichtiges Tool hierzu ist auch die Kamera. Mit den Fo<strong>to</strong>s können die<br />

verschieden Entwürfe und Anordnungen verglichen werden. Hier ist wichtig die Fo<strong>to</strong>s so<br />

zu machen, dass sie den verschiedenen Blickwinkeln des Publikums entsprechen, damit<br />

wir sehen, wie der Raum dann auch in der Realität wirkt.<br />

Für den Workshop habe ich alle Teilnehmerinnen gebeten ein Bild oder ein Material<br />

mitzubringen welches sie interessiert oder inspiriert. In Bezug zu diesen Materialien und<br />

Bildern hat dann jede Teilnehmerin in 3.5 h einen Raum entworfen. Für die Modellbesprechung<br />

am Ende des Workshops haben wir verschiedenen Feedbackmethoden (vgl.<br />

S. 34ff.) ausprobiert, um über die Räume zu sprechen.<br />

MODELL I<br />

Buchcover von Donna Haraway „Cyborg Manifes<strong>to</strong>“, Malerei von Lynn Randolph<br />

Interesse und Inspiration<br />

Raumtiefe, die Atmosphäre des Lichts, die Verbindung der technischen Elementen mit<br />

dem Landschaftsbild, die Spitzen, dreieckige Berge<br />

Modellbesprechung<br />

Feedbackmethode: TITLE GAME<br />

Hanging in the Dark<br />

Der Malstrom<br />

Ice Ice Ice Baby<br />

Drei Mal Glitzer<br />

Deep Blue Eyes<br />

Der Berg der vom Himmel kam<br />

Blue Baby Blue<br />

Von Landschaften<br />

Verschollen<br />

Was ist Oben<br />

Die Reise der Ente<br />

Zu kalt zum F,ühlen<br />

To Cold To Feel<br />

Nur die Spitze des Eisbergs<br />

Landschaft ohne Grün<br />

Beyond the Sun<br />

Schwanenmeer<br />

Weiten<br />

Fliegt Mehr<br />

Electric Sea<br />

Horizonte<br />

Reise ans Ende der Welt<br />

Distanzen<br />

I‘ve been here before<br />

nach Oben und ganz Weit weg<br />

Trauma und Fauna<br />

Sehnsuchtsorte<br />

Einsam auf dem Meer zu treiben<br />

Orkan<br />

Swan Lake<br />

Die Maschine die die Eisberge baut<br />

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Anja Zihlmann<br />

Das Modell als Experimentierraum<br />

MODELL II<br />

Sargasum Algen<br />

Modellbesprechung<br />

Feedbackmethode: CHAIN REACTION<br />

Interesse und Inspiration<br />

die Algen schwimmen oben auf und reichen bis in weite Tiefen hinab, eine Verbindung<br />

mit der Geschichte, Dinge die sich ablagern, in den Algen bleiben Dinge hängen, verwoben,<br />

wachsen. Die Algen schaffen und zerstören Lebensraum.<br />

» begehbare Installation<br />

» die Installation hat viel Wärme<br />

» die Wärme wird vor allem durch den Boden ausgestrahlt, in Verbindung mit dem goldenen<br />

gefalteten Papier<br />

» aufgegriffen in den Pflanzen, da sind auch Goldstücke dran<br />

» die Goldstücke, diese goldenen geknitterten Flächen stehen im Kontrast zu den<br />

Pflanzen, zu diesen organischen Materialien<br />

» wobei das Geknitterte, das Gefaltete als Struktur, die nicht sofort einsehbar ist, sich<br />

in den Algen, Berankung, dem Verflochtenen und Verwobenen wiederfindet.<br />

» es hat etwas Geheimnisvolles, als ob man sich da drin Verstecken kann, was auch<br />

zu diesem Glaskasten passt, der so was zwar durchsichtiges hat, man sich darin aber<br />

auch verstecken könnte und gleichzeitig in Kombination mit diesen Pflanzen, die<br />

auch so‘n bisschen vertrocknet aussehen, so was sargartiges hat, was auch an der<br />

Größe liegt<br />

» für mich sind die Pflanzen nicht so vertrocknet, für mich leben diese Pflanzen schon<br />

auch. Ich hab auch das Gefühl das sich die Pflanzen weiter ausbreiten könnten.<br />

Und das Aquarium, das Glas verschwindet für mich so‘n bisschen, weil die Pflanzen<br />

so mächtig sind im Vordergrund und viel Raum einnehmen, und das Aquarium ist so‘n<br />

bisschen verloren in diesem großen Raum, vielleicht muss es näher zusammen<br />

» oder die Pflanze da noch mehr reinrankt, also noch mehr Teil des Aquariums ist<br />

» aber über den Boden ist das Aquarium schon mit den Pflanzen verbunden, vielleicht<br />

kann man diese Verbindung noch stärken<br />

» wobei die Verbindung der beiden zueinander sich verändert je nach Blickrichtung<br />

oder je nach dem ob das zukünftige Publikum geführt wird oder eben als Installation<br />

selber wechseln und wandern darf, um den Raum zu erkunden<br />

» ich musste auch an Moos denken, von wegen ausbreiten und Moos also inwiefern das<br />

rankende, was sonst unten ist, jetzt aber oben ist so ein verdrehter Raum, oder in wie<br />

fern kann dieses Moos was sonst eher liegt jetzt hängen. Ich finde diese Umkehr von<br />

Oben und Unten spannend<br />

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Anja Zihlmann<br />

Das Modell als Experimentierraum<br />

MODELL III<br />

Reflektierende Materialien<br />

ANMERKUNGEN<br />

Arbeiten mit Raum<br />

wie können wir im Produktionsprozess während den Proben und auf der Bühne gemeinsam<br />

am Raum arbeiten und über Raum sprechen?<br />

» Plattformen wie z.B. Trello nutzen, wo jedes Gewerk seine Fortschritte präsentiert<br />

und so die Teammitglieder*innen mehr Einblick in die verschiedenen Prozesse erhalten.<br />

» In Proben und Nachbesprechungen klare Zeiten für Raum und Requisiten Feedback<br />

einplanen.<br />

» Auf den Proben Zeit für die Einführung von neuen (Proben-)Bühnenteile und Requisiten<br />

durch die*den Bühnenbildner*in einplanen.<br />

» Einzelne Proben gemeinsam mit der*dem Bühnenbildner*in vorbereiten<br />

Anja Zihlmann<br />

Interesse und Inspiration<br />

Reflexionen im Raum, die Bewegung von Reflexionen<br />

Modellbesprechung<br />

Feedbackmethode: FIRST REACTION<br />

Gletscher, Schmerz, Friedhof auf dem Mond, Outer Space, Glitzer, Leben ohne Sonne,<br />

Glätte, Luxus, Kräfte, Glatt vs. Spitz, fließen, Garten, Spalier stehen, Vibration, Kühle,<br />

Felder und Flächen, Festvorhang, Gefängnis<br />

Anja Zihlmanns Arbeiten erstrecken sich von raumübergreifenden, intermedialen<br />

Skulpturen bis hin zu installativ- interaktiven Bühnenräumen.<br />

Ihre Räume regen das Publikum an, ungewohnte Perspektiven einzunehmen<br />

und sich mit den eigenen Erwartungen und Blickpunkten auseinanderzusetzen.<br />

Sie realisierte künstlerische Arbeiten wie: SPIEGELFRAG-<br />

MENTE (2016), ENTROPIE (2017), und ISOMERIE (2018).<br />

2018 war sie Teil des Ausstattungsteams für die theatrale Ausstellung HEI-<br />

NER WEILAND. MIR FEHLT ES AN NICHTS im Museum der Arbeit, Hamburg.<br />

2019 war sie Stipendiatin des FjT am sechsten Schweizer Theatertreffen<br />

und arbeitet mit Hanna Lenz für das Projekt WITCHES von Ursina Tossi auf<br />

Kampnagel. Sie realisierte 2020 mit dem CHICKS* freies Performancekollektiv<br />

am Staatstheater Hannover das Projekt WHAT THE FUCK.<br />

Im Dezember 2020 zeigte sie in einer Einzelausstellung ihre Arbeit PRO-<br />

TOTYP 1.3 Unterstützt durch den Hilfsfonds »Kunst kennt keinen Shutdown«<br />

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Patricia Carolin Mai<br />

HAMONIM – Warm Up<br />

Im Rahmen der <strong>Peer</strong>-<strong>to</strong>-<strong>Peer</strong>-Akademie im Dezember 2020 stellt Patricia Carolin Mai<br />

das HAMONIM-WarmUp aus ihrer Forschung über „Praktiken der Gemeinschaft“ vor.<br />

Die Shiatsu-Streich-Praxis in 13 Positionen, unterstützt den Körper gleichmäßig von<br />

innen nach außen aufzuwärmen, sich wahrzunehmen und den Geräuschen und Rhythmen<br />

des eigenen Atems sowie der Hände zu lauschen. Manchmal bietet sich dabei<br />

vielleicht erstmals am Tag die Möglichkeit sich die Frage zu stellen: Wie geht es mir<br />

gerade? und zugleich „alles was gerade nicht nötig ist“ abzustreifen. Shiatsu (übersetzt<br />

Fingerdruck) basiert auf dem Konzept der Meridiane und fokussiert darauf, das<br />

Qi (den Energiefluss) im Körper anzuregen. Dabei streichen beide Hände in stetiger<br />

Abfolge entlang der Meridianbahnen über den Körper.<br />

HAMONIM (hebräisch für „was die Masse bewegt“) ist eine Produktion von Patricia Carolin<br />

Mai und der dritte Teil der Tanztrilogie Körper in Extremzuständen. In der Probenund<br />

Recherchephase bewegten sich 70 Hamburger*innen zwischen 17 und 83 Jahren<br />

durch zahlreiche Bilder der Menschheitsgeschichte, untersuchten Schutzmechanismen<br />

von Gemeinschaft und setzten sich den Rhythmen von Masse aus. So entstand eine<br />

Bühnengemeinschaft, die die Parameter von Zusammensein seziert und eine kritische<br />

Haltung zur Masse praktiziert.<br />

1. RUMPF<br />

Die Bewegung beginnt am Schulterblatt und endet am diagonal gegenüberliegenden Hüftknochen. Die<br />

rechte und linke Seite werden jeweils im Wechsel ausgestrichen.<br />

2. BAUCHRAUM / ZENTRUM<br />

Die Bewegung wird mit beiden Händen zugleich ausgeführt. Eine Hand beginnt am Bauch, die andere<br />

beginnt am Rücken. Die Bewegung führt jeweils um den Bauchgürtel herum soweit die Hände um den<br />

Bauch herumgreifen können - und auf demselben Weg wieder zurück.<br />

HINWEISE ZUR DURCHFÜHRUNG DER SHIATSU-STREICH-PRAXIS<br />

» Wiederhole den Streichvorgang in jeder Übung bis zu 30xMal<br />

» Mindestens eine Hand ist während der gesamten Übung immer im Kontakt zum Körper. Finde dein persönliches<br />

Tempo beim Ausstreichen<br />

» Wähle deinen persönlichen Streichdruck / Fingerdruck<br />

» Höre deiner Atmung zu & konzentriere dich auf das Ausatmen<br />

» Du kannst deine Körperposition jederzeit variieren (Sitzen, Stehen, Gehen oder Liegen)<br />

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Patricia Carolin Mai<br />

HAMONIM – Warm Up<br />

3. BEINRÜCKSEITEN<br />

Die Position wird im Stehen ausgeführt. Der Rumpf ist vorgebeugt und der Kopf hängt locker in Richtung<br />

Boden. Die Bewegung wird mit beiden Händen zugleich ausgeführt. Sie beginnt an der Achillesferse<br />

und streicht an der Beinrückseite über den Po bis zum unteren Rücken und auf demselben Weg wieder<br />

zurück.<br />

5. UNTERER RÜCKEN<br />

Die Bewegung wird mit beiden Händen zugleich ausgeführt. Sie beginnt am unteren Rücken (rechts und<br />

links neben der Wirbelsäule) und führt hinauf in Richtung Schulterblätter und wieder zurück zum unteren<br />

Rücken.<br />

4. BEINKREIS<br />

Die Bewegung wird mit beiden Händen zugleich ausgeführt und beschreibt einen Kreis. Die linke Hand<br />

streicht dabei über das linke Bein und die rechte Hand über das rechte Bein. Die Bewegung beschreibt<br />

dabei einen Kreis der am unteren Rücken beginnt dann über die Außenseiten der Beine bis zu den Füßen<br />

führt und auf der Innenseite wieder zurückgeführt wird, bevor es vom unteren Bauch über die Flanken<br />

zurück zum unteren Rücken geht.<br />

6. ARM RECHTS / ARM LINKS<br />

Die Bewegung beschreibt einen Kreis. Beginnend an der Schulter streicht die Hand an der Außenseite<br />

des Arms bis zur Hand und an der Innenseite des Arms zurück zur Schulter.<br />

Nach der gewählten Anzahl an Wiederholungen (z. B. 30x) wird der Arm gewechselt.<br />

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Patricia Carolin Mai<br />

HAMONIM – Warm Up<br />

7. RAUTE<br />

Die Position wird im Sitzen mit aneinandergelegten Fußflächen und mit beiden Händen zugleich ausgeführt.<br />

Die Bewegung beginnt mit beiden Händen am unteren Rücken und führt über Beinaußenseiten bis<br />

zu den Füßen und denselben Weg zurück.<br />

9. FUSS / SPANN<br />

Die beiden Handflächen streichen zugleich in schneller Abfolge auf und ab über den Fuß Spann.<br />

8. FUSSSOHLE<br />

Die Füße werden leicht geöffnet und beide Hände streichen zugleich in schneller Abfolge auf und ab<br />

über die Fußunterseiten.<br />

10. WADEN<br />

Die Position wird im Stehen ausgeführt. Der Rumpf ist vorgebeugt und der Kopf hängt locker in Richtung<br />

Der Oberkörper ruht entspannt auf den Oberschenkeln. Der Kopf hängt locker in Richtung Boden. Die<br />

Knie sind leicht gebeugt. Die Hände streichen über die Waden auf und ab.<br />

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Patricia Carolin Mai<br />

HAMONIM – Warm Up<br />

10. ARMKREIS<br />

Die Bewegung beschreibt einen Kreis an der Innenseite der Arme über den Brustkorb über den anderen<br />

Arm bis zur Ausgangsposition. Die Bewegung beginnt am Handgelenk und streicht von dort an der Innenseite<br />

in Richtung Schulter, von dort bis zur Mitte des Brustkorbs. Dort angekommen, erfolgt ein „Tausch“<br />

der streichenden Hand: Die andere Hand beginnt am Brustkorb und streicht von dort über die Innenseite<br />

des zweiten Armes in Richtung Handinnenfläche der anderen Hand. Beide Hände treffen sich vorne und<br />

der Kreis kann erneut am Handgelenk in Richtung Körper beginnen. Nach der Hälfte der Wiederholungen<br />

wird die Richtung gewechselt.<br />

11. WASCHUNG<br />

Die Waschung wird mit beiden Händen zugleich ausgeführt. Sie beginnt im Nacken und streicht von<br />

hinten über den Hinterkopf und über das Gesicht bis zum Brustkorb. Dort teilen sich die Hände. Die<br />

rechte Hand streicht an der reichten Körperseite an der Brust vorbei zum Bauch, die linke Hand an der<br />

linken Körperseite an der Brust vorbei. Vom Bauch streichen die Hände an der jeweiligen Oberschenkelinnenseite<br />

bis zu den Füßen und an der Beinaußenseite zurück zum unteren Rücken. Von dort gehen die<br />

Hände über die Seiten hoch zurück zum Nacken und der Kreis beginnt erneut. Beide Hände haben dabei<br />

die gesamte Zeit Kontakt zum Körper.<br />

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Patricia Carolin Mai<br />

HAMONIM – Warm Up<br />

13. WASCHUNG<br />

siehe 12. – die Bewegung wird im Stehen ausgeführt<br />

Patricia Carolin Mai<br />

Patricia Carolin Mai lebt seit 2013 in Hamburg und produziert als Tänzerin und<br />

Choreographin Bühnenstücke mit Produktionsstandort auf Kampnagel Hamburg,<br />

am K3 – Zentrum für Choreographie, am Ringlokschuppen Mülheim an der Ruhr,<br />

sowie am LOFFT - Das Theater Leipzig. Sie erhielt ihre Ausbildung am Königlichen<br />

Konserva<strong>to</strong>rium Antwerpen und der SNDO Amsterdam. Zudem studierte sie den<br />

Masterstudiengang Performance Studies an der Universität Hamburg. Sie war Stipendiatin<br />

im Programm stART.up der Claussen-Simon-Stiftung.<br />

Im Fokus ihrer choreographischen Arbeit steht die Untersuchung des Körpers als<br />

zentralem Speicher von Erinnerungen. 2016-2019 entwickelte sie ihre Trilogie über<br />

„Körper in Extremzuständen“ mit den Stücken Ready <strong>to</strong> Snap (2016), BALAGAN<br />

BODY (2018) und HAMONIM (2019). 2020 erforscht sie in dem zwölfmonatigen<br />

solistischen Selbstexperiment KONTROL die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit<br />

und Transformation. Sie hinterfragt dabei kulturelle Normierungen von<br />

Körper und Geschlecht. Ihre Produktionen <strong>to</strong>uren national und international auf<br />

Festivals u.a. Israel, Italien, Belgien, Rumänien und Korea. 2019 choreographierte<br />

sie im Auftrag der Ninety9 Art Company in Seoul das Stück GAL-GAL über die<br />

Selbstermächtigung von Frauen in der koreanischen Gesellschaft.<br />

Als Tanzvermittlerin unterrichtet sie regelmäßig am K3 | Tanzplan Hamburg (Leitung<br />

des generationsübergreifenden Tanzclubs ALL*IN), am TuT Hannover, in der<br />

Bewegungswissenschaft am Hochschulsport Hamburg sowie in TUSCH-Projekten<br />

u.a. am LICHTHOF Theater, Ernst-Deutsch-Theater und Jungen Schauspielhaus.<br />

Für die folgenden drei Jahre (2020-2023) hat Patricia Carolin Mai die Konzeptionsförderung<br />

der Stadt Hamburg erhalten und setzt mit INTEAM ihre Arbeit am<br />

K3 | Tanzplan Hamburg zum Thema Praktiken der Gemeinschaft fort.<br />

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Impressum<br />

<strong>Peer</strong>-<strong>to</strong>-<strong>Peer</strong>-Akademie #1 // 20. 11. bis 4. 12. 2020<br />

Texte und Fo<strong>to</strong>s: Ron Zimmering, Joël Vuig, Jonas Feller, Susanne Reifenrath, Jasmine Fan, Heike Bröckerhoff, Ruby Behrmann,<br />

Anja Zihlmann, Patricia Carolin Mai<br />

Gestaltung+Satz: Ulrike Steffel // Netzwerkbüro DfdK<br />

ViSdP: Kaja Jakstat, Ulrike Steffel // Netzwerkbüro DfdK // Wartenau 16 // 22089 Hamburg // www.dfdk.de

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