Konfis machen Gottesdienst (Vorausansicht)
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Kirche vor Ort gestalten (möchten), sondern dass damit auch die Bedeutung des Sonntagsgottesdienstes
für die evangelische Kirche in Frage gestellt wird.“ 1 Dabei „muss es
weiterhin den kleinen Orden derer geben, die sich Sonntag für Sonntag gemeinsam in
die alten Geheimnisse einüben“ 2 , „und alle stattfindenden Liturgien wären ohne die
Routine der Hochverbundenen ganz anders, ärmer, weniger lebendig und spirituell.“ 3
Konfis besuchen diesen Gottesdienst des Ordens der Hochverbundenen, sie sollten dann
auch Teil davon werden. Dass sie mit Befremden kommen werden, ist der Sache durchaus
dienlich: „Gerade die Nichtwissenden im Gottesdienst erweisen den liturgisch Gewöhnten
und Geübten den Dienst, darauf hinzuweisen, dass der Weg zum Hören, zum
religigiösen Gefühl und zum Beten jeweils neu zurückzulegen ist, um wirklich im Kultus
zu enden und sich nicht im Absolvieren von ´Stücken` und gottesdienstlichen ´Phasen` zu
erschöpfen.“ 4
Andersherum betrachtet bietet aber auch der Bedeutungsverlust des Gottesdienstes eine
Chance: „Der Gottesdienst ist zurück an seinem Ursprung. Wie in der Antike wird in kulturellen
Nischen [...] rituell herumgemurkst, und untergründig, ganz abgeschieden und
im Kleinen, gären die weltverandelnden Kräfte der Liturgie.“ 5
Konfis sollen zum Gottesdienst gehen, das gehört auch weiterhin in jede Ordnung für die
Konfi-Arbeit. Damit ist zukünftig aber keine Bringschuld der Konfis mehr beschrieben.
Vielmehr richtet sich dieses Sollen an Kirchenvorstände und alle Mitarbeitenden in der
Konfi-Arbeit. Diese müssen darüber nachdenken, wie sie Gottesdienste und die Konfer-
Zeit so gestalten, dass Konfis gern oder zumindest zwanglos den Gottesdienst besuchen.
Das führt dann beispielsweise dazu, dass ausgewiesene „Konfirmanden-Sitzbänke“ – ja,
die gibt es – abgeschafft werden und mit ihnen auch Stempelkarten und andere Mittel
der harten Anwesenheitskontrolle. Auch die Anzahl der vorgesehenen Gottesdienstbesuche
wird dann als Richtwert bzw. Zielvorgabe für gemeindliches Handeln verstanden,
und nur so macht sie Sinn. Die Gemeinde schreibt sich selber vor zu erreichen, dass Konfis
freiwillig eine bestimmte Anzahl von Gottesdiensten besuchen.
Aus pädagogischer Sicht sind diese Zahlen dagegen eher sinnlos; schließlich wird ja kein
einziges wie auch immer geartetes Lernziel allein durch die Zahl der Teilnahmen erreicht.
Schauen wir uns folgendes Beispiel aus der Projektarbeit an:
Da ist eine Kirchengemeinde, die hat einen sehr guten Gospelchor. Ungefähr fünfzig
Sänger*innen bereichern das Gemeindeleben mit einem Konzert pro Jahr und mit gelegentlichen
Beiträgen im Gottesdienst. Allerdings fällt auf, dass die Chormitglieder nie im
Gottesdienst sind, wenn der Chor dort nicht auftritt.
Nun beschließt der Kirchenvorstand: Das soll sich ändern. Und er legt es sogar schriftlich
fest: Die Chormitglieder sollen mindestens zehnmal im Jahr in einen Gottesdienst gehen,
in dem es keine besonderen Aufgaben für sie gibt. Das ist eine sehr gute Idee. Und sie
wird professionell umgesetzt. Es gibt eine schriftlich fixierte Zielvorgabe. Und nun überlegt
man gemeinsam mit einem Gottesdienstberater, wie man dieses Ziel erreichen könnte.
Muss man die Gottesdienstzeit ändern? Muss man etwas an der Agende erneuern?
Soll es mehr Lieder geben im Gottesdienst oder gerade weniger, weil die Chorleute so-
1
Saß, Meyer, Gottesdienst, 14.
2
Handke, Gottesdienst, 349.
3
Meyer-Blanck, Gottesdienstverständnis, 335.
4
Ebd., 343.
5
Lehnert, Gott, 90.
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