9. Februar 2021
Jahrgang 94 – Nr. 3
Jahrgang 94 – Nr. 3
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Geschichte<br />
13<br />
tel «Lustspiel» (siehe Originalprogramm)<br />
angesichts der moraltriefenden<br />
Weihnachtsstimmung als<br />
provokativ.<br />
Unsägliche Deutschstunden<br />
Der Deutschunterricht an der Sekundarschule<br />
Bümpliz war in<br />
meiner Klasse geprägt durch zwei<br />
Literaten, deren Ergüsse aus meiner<br />
Sicht an Langweiligkeit kaum<br />
zu übertreffen waren: Peter Rosegger,<br />
ein österreichischer Heimatdichter<br />
aus der Steiermark,<br />
dessen Erlebnisse als Waldbauernbub<br />
in der haarsträubenden<br />
Schilderung des Dahinscheidens<br />
eines kleinen Zickleins gipfelten<br />
sowie Johann Peter Hebel, einem<br />
alemannischen Dichter aus dem<br />
Wiesental, nahe bei Basel. Wenn<br />
ich auch den Wert seiner vielgerühmten<br />
literarischen Arbeit in<br />
späteren Jahren durchaus schätzen<br />
lernte, so waren seine «Allemannischen<br />
Gedichte» im Wiesentaler<br />
Dialekt eine totale<br />
Zumutung. Auch seine ab 1803<br />
herausgegebenen «Kalendergeschichten»<br />
mit ihren hohen Ansprüchen<br />
an Moral und Vaterlandsliebe<br />
vermochten mein Interesse<br />
nicht zu wecken und so verbrachte<br />
ich den grössten Teil<br />
meiner Deutschstunden in völliger<br />
Apathie – oder noch schlimmer<br />
– ich versteckte ein «Jerry<br />
Cotton-Heftli» hinter den Buchseiten<br />
und verschlang mit roten<br />
Backen diese sogenannte Schundliteratur.<br />
Ein Umstand (die roten<br />
Backen), der meinem Deutschlehrer<br />
natürlich nicht entging und<br />
der mit einem präzis justierten<br />
Wurf des Schlüsselbundes und<br />
mehreren Malen Hinauswurf vor<br />
die Türe beendet wurde.<br />
Was ich zu jener Zeit nicht begriff<br />
und was mir noch heute unerklärlich<br />
erscheint, ist die Tatsache,<br />
dass zu meiner Schulzeit einer<br />
der interessantesten und lebendigsten<br />
Schweizer Schriftsteller<br />
keine 50 Meter von unserem<br />
Schulzimmer lebte: Carl Albert<br />
Loosli, «Der Philosoph von<br />
Bümpliz»! Sein Roman «Es stirbt<br />
ein Dorf», der die Auflösung der<br />
dörflichen Gemeinschaft von<br />
Das Hoöhe-Schulhaus, fotografiert um das Jahr 1950.<br />
Bümpliz zum Thema machte,<br />
wäre mit Sicherheit ein bleibendes<br />
Unterrichtserlebnis für uns<br />
Kinder gewesen. Da aber Loosli<br />
in den Augen der mehrheitlich<br />
konservativen Lehrerschaft ein<br />
umstrittener Revoluzzer war,<br />
war sein Wirken an der Sekundarschule<br />
obsolet. Einem damals<br />
jungen wie beliebten Lehrer – er<br />
starb kürzlich im Alter von 100<br />
Jahren – wurde dies zum Verhängnis.<br />
Seine Lesungen über die<br />
Werke von Loosli und ein Besuch<br />
mit der Schulklasse im benachbarten<br />
Stöckli, hatten einen Verweis<br />
von Seiten der Schulleitung<br />
zur Folge.<br />
Max Werren<br />
Nicht autorisiertes Zitat<br />
von Johann Peter Hebel<br />
Dank einem kleinen Freundeskreis<br />
aus dem badischen<br />
Wiesental, den ich durch meine<br />
Tätigkeit in Basel kennenlernte,<br />
ist mir nachstehende – vermutlich<br />
nicht ganz originale – Geschichte<br />
im Originaldialekt aus<br />
Hebels Heimat in Erinnerung:<br />
Der Hans-Jakobele und seine<br />
Annegret wohnten in einem<br />
kleine Häusle nahe am Waldrand<br />
bei Hause im Wiesetal, als<br />
eines Tags ein furchtbar Gwitter<br />
vom Schwarzwald her über‘s<br />
Dorf zog.<br />
«I glaub», sagt der Hans-Jakobele<br />
zur Annegret, «unser letztes<br />
Schtündle hett gschlage, i gseh<br />
rundherum d‘ Blitze einschlage<br />
und hinter dem Haus falle d‘<br />
Tanne reihenweise um. Annegret,<br />
wolle mr vor unserem Tod<br />
nit einander noch unsere Sünde<br />
beichte und uns dann vergebe?»<br />
«Hascht recht», seit Annegret,<br />
«fang scho moll a».<br />
«Du waisch, i bi dir e Lebe lang<br />
treu blibe, Annegret. Nur mengmoll,<br />
wenn i drunten im Gaschthaus<br />
e weng zviel Saure Moscht<br />
drunke ha, hani dr Servier tochter<br />
e bitz ds Fudi tätschlet. Aber<br />
sonscht bisch du mi mini einzig<br />
grossi Liebi gsi uf dere Ärde. So,<br />
und jetz chunsch du dra mit dine<br />
Sünde, Annegret.»<br />
D‘ Annegret stoht uff, goht ans<br />
Fenschter, schaut hinaus und<br />
dreht sich um.<br />
«Waisch was Hans-Jakobele?<br />
Drausse scheint d‘ Sonne. Leck<br />
mich am Arsch!»<br />
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