Zdirekt! 01-2021
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NACHGEFRAGT<br />
Ost und West –<br />
nun auch im Tarif vereint<br />
In Deutschland pendeln hunderttausende Menschen zur Arbeit. Die Statistik der<br />
Bundesagentur für Arbeit zeigt: Dort wo am wenigsten verdient wird, ist der Drang<br />
zum Pendeln am größten – im Osten. In der Zeitarbeitsbranche fällt dieser Grund ab<br />
April weg. Mit der letzten Angleichungsstufe im Tarifvertrag ist sichergestellt: Wer<br />
als Zeitarbeitnehmer in einem ostdeutschen Bundesland arbeitet, bekommt das<br />
gleiche Gehalt wie für die vergleichbare Tätigkeit in einem westlichen Bundesland.<br />
Mehr als dreißig Jahre sind seit dem Fall der Mauer<br />
vergangen, Ost und West sind wieder vereint, aber<br />
längst nicht gleichgestellt – zumindest mit Blick auf den<br />
Verdienst. In der Zeitarbeit gilt ab dem 1. April: durchschnittlich<br />
7,1 Prozent mehr Lohn – und damit das gleiche<br />
Lohnniveau wie im Westen. „Endlich, das wurde<br />
auch mehr als Zeit“, kommentiert Florian Meyer, „auch<br />
wenn es uns durchaus – finanziell gesehen – auch weh<br />
tut.“ Meyer – Vorstandsmitglied von iGZ-Mitgliedsunternehmen<br />
GeAT AG – ist ein Kind aus beiden Welten:<br />
im Osten geboren, im Westen aufgewachsen und im<br />
Osten die berufliche und familiäre Heimat gefunden.<br />
Von 15 Standorten in Thüringen aus überlässt GeAT<br />
Florian Meyer | GeAT AG<br />
rund 1.000 Mitarbeiter in die unterschiedlichsten Branchen,<br />
von der Logistik über die Automobilzulieferung<br />
und Optik bis hin in den gewerblich-technischen und<br />
Handwerksbereich. „Die Zeitarbeitsbranche nimmt eine<br />
Vorreiterrolle ein – nicht nur in Sachen Mindestlohn“,<br />
unterstreicht Meyer, „sondern auch bei der Ost-West-<br />
Angleichung – und das ist wichtig.“<br />
FREUD UND LEID ZUGLEICH<br />
Voll hinter der Tarifangleichung steht auch Jan Lehmkuhl:<br />
„Kaum eine andere Branche hat eine derartige<br />
Entwicklung genommen und es gibt noch nicht viele<br />
Branchen, die eine Ost-West-Lohnangleichung vollzogen<br />
haben.“ Für seine Mitarbeiter sei die Angleichung<br />
der Löhne gut, berichtet der Geschäftsführer der PUR<br />
Montage-Dienstleistungs-GmbH aus Dresden. Aber<br />
Tariflohnerhöhungen bedeuteten im Endeffekt auch<br />
höhere Kosten. „Die Freud der Mitarbeiter ist das Leid<br />
der Zeitarbeits- und Kundenunternehmen. Im vergangenen<br />
Jahr konnten viele Zeitarbeitsunternehmen hier<br />
im Osten die Lohnerhöhungen nicht an ihre Kunden<br />
weitergeben – wir auch nicht. Unsere Preise sind stabil<br />
geblieben, wir haben auf eine Preiserhöhung verzichtet,<br />
um Aufträge und Mitarbeiter zu behalten.“ In<br />
der Coronakrise hätten viele Zeitarbeitsunternehmen<br />
einfach nur noch versucht, am Markt zu bleiben und<br />
hätten zum Teil eingebüßt, um nur mit einem blauen<br />
Auge davonzukommen, berichtet Lehmkuhl von seinen<br />
Erfahrungen. Das iGZ-Mitgliedsunternehmen PUR<br />
überlässt in der gesamten Republik Schweißer. Die Coronapandemie<br />
mit den Nachfrage-Rückgängen in der<br />
Zeitarbeitsbranche und dazu im Metall- und Elektro-<br />
Handwerk hat Lehmkuhl in seinen Auftragsbüchern<br />
doppelt gemerkt. „Aber wir haben das Jahr trotz allem<br />
gut gemeistert“, sagt der gebürtige Westfale.