Der Schönfelder - Barmherzige Brüder Schönfelderhof
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<strong>Der</strong> <strong>Schönfelder</strong><br />
Buchtipp:<br />
Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener<br />
Potenziale und Ressourcen<br />
Selbsthilfe wirkt nicht nur stabilisierend und sozialintegrativ<br />
für den Einzelnen, Selbsthilfe ergänzt heute<br />
das Versorgungssystem insgesamt. Das ist das<br />
Fazit von Gert Hellerich, Professor für Soziologie in<br />
Bremen und Mitbegründer der dortigen Selbsthilfegruppe<br />
Nachtschwärmer. Ein Buch über Selbsthilfe,<br />
über Gesellschaftsphilosophie, über die Frage,<br />
wie es weitergehen kann in der Psychiatrie ...<br />
Gert Hellerich zeigt am Beispiel der Nachtschwärmer<br />
und an weiteren Beispielen (z.B. Biotop Mosbach, Die<br />
Brücke Neumünster, Selbsthilfezentrum München, Weglaufhaus<br />
Berlin) die Vielfalt psychiatrischer Initiativen<br />
und machte deutlich, dass Selbst- und Fremdhilfe eng<br />
miteinander verzahnt werden sollten, um vorhandene<br />
Potenziale stärker nutzen und das gegenwärtige Versorgungssystem<br />
zukunftsfähig machen zu können.<br />
Die psychiatrische Selbsthilfebewegung hat in den<br />
vergangenen 10-20 Jahren im deutschsprachigen<br />
Raum erheblichen Zulauf bekommen. Was vor wenigen<br />
Jahren undenkbar schien, ist heute schon beinahe<br />
Alltag in der örtlichen und regionalen Versorgung:<br />
Psychisch beeinträchtigte Menschen gründen Vereine,<br />
organisieren Hilfen und sitzen vielerorts in Gremien des<br />
kommunalen psychiatrischen Versorgungssystems.<br />
<strong>Der</strong> Autor zeichnet sowohl an seiner seit 1997 in Bremen<br />
bestehenden psychosozialen Selbsthilfegruppe<br />
„Nachtschwärmer“ als auch an konkreten Biografien<br />
nach, wie und dass Selbsthilfe wirkt. Er fordert letztendlich,<br />
dass Selbsthilfe als festes Element heutiger<br />
psychiatrischer Versorgung verankert werden sollte.<br />
In einer postmodernen Welt ist nach Hellerich professionelle<br />
Hilfe und Selbsthilfe kein Gegensatzpaar mehr,<br />
vielmehr sollten sich beide Seiten ergänzen. Dadurch<br />
gewinnt jedes psychiatrische Versorgungssystem eine<br />
ganz neue Qualität.<br />
Ziel des Buches ist es nicht, Krankheit und den effektivsten<br />
Umgang mit ihr in der Form der Selbsthilfe zu<br />
untersuchen. Vielmehr möchte Hellerich die Ressourcen-Produktivität<br />
der Selbsthilfe herausstellen. Er<br />
macht zum einen die Potenziale von Psychiatrie-Erfahrenen<br />
sichtbar, zum anderen zeigt er die psychischen,<br />
sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Fördermöglichkeiten<br />
von Selbsthilfegruppen. Bislang<br />
wurden die Potenziale und Ressourcen häufig unterschätzt,<br />
weil der Blick eher auf Defizite als auf Fähigkeiten<br />
gerichtet war.<br />
10<br />
Hellerich tritt engagiert für ein selbstbestimmtes Leben<br />
psychisch beeinträchtigter Menschen ein und vermittelt<br />
wichtiges Hintergrundwissen über den Stellenwert<br />
psychiatrischer Selbsthilfe. <strong>Der</strong> Leser erfährt viel<br />
über die modernen Macht-, Wissens- und Ordnungssysteme<br />
der klassischen Psychiatrie und das sich davon<br />
abhebende Reformpotenzial, das sich auch in der<br />
Selbsthilfebewegung zeigt. Trotz viel Fachtheorie ist<br />
der Text gut lesbar, da alle neu eingeführten Begriffe<br />
verständlich erläutert werden. Das Buch will weder<br />
antipsychiatrisch noch psychiatrisch sein, der Autor<br />
versteht es eher als „nichtpsychiatrisch“.<br />
Ulrike Schmid<br />
Bibliographische Angaben:<br />
Gert Hellerich: Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener:<br />
Potenziale und Ressourcen. – Bonn: Psychiatrie-<br />
Verlag 2003, 152 S., 15.90 •, ISBN 3-88414-358-1