4 lEItaRtIKEl neue Erkenntnisse in die tat umsetzen Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Diese Weisheit findet sich bereits in der Bibel. Und dies gilt nicht nur für das Zusammenleben von Mann und Frau, sondern gilt für nahezu jede Phase menschlichen Lebens zwischen frühester Kindheit und höchstem Alter. Einsamkeit kann schlimmer sein als Alter, Krankheit, Armut und Behinderung. Nicht ohne Grund legen professionelle Altenhilfeträger soviel Wert auf Wohngemeinschaften, sozial kompetente Mitarbeiter, regelmäßige Angehörigenbesuche und eine Vielzahl von Aktivitäten, die Menschen in Kontakt zueinander bringen. Weil bekannt ist, wenn auch schwer messbar, dass die Lebensqualität und die subjektive Zufriedenheit durch gute zwischenmenschliche Beziehungen steigt. Der Gedanke, dass es in jeder Lebensphase äußerst wichtig ist, in Beziehungen zu investieren, ist alles andere als neu. Genau besehen, ist er im Grunde uralt. Aber diese Grundwahrheit menschlicher Existenz muss wieder ausgesprochen und mit Leben erfüllt werden. In einer Zeit, in der die Selbstverwirklichung, die Individualisierung, die Umsetzung eigener Ziele und Lebensvorstellungen zum höchsten Gut stilisiert wurde, tun sich viele schwer mit der Erkenntnis, möglicherweise lange Jahre einem falschen Glück nachgelaufen zu sein. Umsteuern ist deshalb nötig. Sowohl auf Seiten der älteren und hilfebedürftigen Menschen, als auch auf Seiten der Kostenträger in der sozialen Landschaft. <strong>St</strong>and früher allein der <strong>Hilfe</strong>bedürftige im Mittelpunkt aller Hilfsangebote, so denken heute fortschrittliche Sozialplaner vor allem darüber nach, wie <strong>St</strong>rukturen geschaffen werden können, in denen nicht nur effizient geholfen werden kann, sondern bereits das Entstehen von Hilfsbedürftigkeit möglichst von vorne herein verhindert werden kann. Das hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, die Menschen für ihre eigene Situation sensibel zu machen und zu aktivieren. Die <strong>St</strong>iftung Liebenau hat sich vor Jahren mit anderen innovativen Trägern auf den Weg gemacht, um zu erforschen, welchen Einfluss bestimmte Wohn- und Lebensstrukturen auf die Entwicklung einzelner Menschen und auf die Umgebung haben. Die Liebenau war mit ihren vielfach preisgekrönten und nach wie vor intensiv nachgefragten Lebensräumen für Jung und Alt vertreten. Und dieses Konzept, das die moderierte Nachbarschaftshilfe in den Vordergrund stellt, konnte seine große Wirksamkeit sowohl für die Bewohner der Wohnanlagen als auch für die Nachbarschaft, die Kommune oder den <strong>St</strong>adtteil unter Beweis stellen. Sie finden den Abschlussbericht des Projektes: Soziales neu gestalten, kurz SONG in dieser Ausgabe auf den Seiten 6 bis 10. Das Ergebnis ist eindeutig: Eigeninitiative wird belohnt. Menschen, die ihr Umfeld aktiv gestalten, die gleichzeitig etwas für sich und damit auch für andere tun, sind zufriedener, belastbarer, weniger empfänglich für Krankheiten. Dies gilt besonders auch für Senioren.
5 lEItaRtIKEl Aufgrund der Forschungsergebnisse von SONG kann ein erstes sozialpolitisches Fazit gezogen werden. Das lautet: weg von der exklusiven Einzelfallhilfe, hin zur <strong>St</strong>abilisierung von Gesamtsystemen. Das ist nachhaltiger, wirkt prophylaktisch, stiftet Beziehung und Sinn, bezieht das nähere Umfeld mit ein und sorgt für ein dichtes Beziehungsnetz. Und, das haben die Teilnehmer von SONG mit ihren Projekten bewiesen. Es funktioniert zum Wohle fast aller Beteiligten. Wolf-Peter Bischoff Chefredakteur