210519_stadtlanddach
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stadt / land / dach<br />
Magazin für Architektur und Raum.<br />
StadtPortrait Kommentar<br />
Warum entstehen überall<br />
Kisten und keine Häuser?<br />
Ostermeier-Quartier in Regensburg:<br />
dänische Traditionen an Donau und Aller<br />
DACHKULT • Ausgabe 5 • Mai 2021 • STADTQUARTIERE
INHALT<br />
EDITORIAL<br />
Editorial<br />
/03<br />
Liebe Architekturschaffende,<br />
HERAUSGEBER<br />
Initiative Steildach / Dachkult<br />
Tattenbachstraße 1<br />
86179 Augsburg<br />
Klaus H. Niemann (Sprecher)<br />
Mob.: 0175 / 59 11 518<br />
Mail: niemann@dachkult.de<br />
WEBSITE & SOCIAL MEDIA<br />
dachkult.de<br />
youtube.com/dachkult<br />
facebook.com/dachkult<br />
instagram.com/dachkult<br />
KONZEPT, DESIGN & REDAKTION<br />
Brandrevier GmbH, Essen<br />
www.brandrevier.com<br />
DRUCK<br />
Woeste Druck + Verlag GmbH & Co. KG<br />
Druckauflage: 750<br />
BILDNACHWEIS<br />
1/12 • Frédéric Delangle / BFV Architectes<br />
4/5 • Baur & Latsch Architekten (Portrait);<br />
Sebastian Schels<br />
6/7 • Christoph Kraneburg (1.v.l.);<br />
Stefan Müller-Naumann (2.v.l.); Till Schuster (r.)<br />
8/9 • Lorenzen Mayer Architekten (Portrait/<br />
Lageplan); Marcus Ebener (1.v.l./2.vl.);<br />
Till Schuster (r.)<br />
10 • COBE – www.cobe.dk<br />
Steildach / Vermittelnde Dachstrukturen<br />
im traditionsreichen Umfeld<br />
Heftthema / Alles eine Frage der Wirtschaftlichkeit?<br />
Das steile Dach im städtebaulichen Maßstab<br />
StadtPortrait / Dänische Traditionen<br />
an Donau und Aller<br />
Kommentar / Warum entstehen überall<br />
Kisten und keine Häuser?<br />
Folge #4 auf dachkult.de<br />
Ausblick<br />
Kontext Dach<br />
Der Podcast von<br />
Dachkult und Kontextur<br />
/04<br />
/06<br />
/08<br />
/10<br />
/11<br />
„Der Wohnraum, den wir zu Hause sehr selbstverständlich schmücken<br />
und uns gemütlich machen, den vernachlässigen wir im<br />
städtischen Raum“, sagte Prof. Christoph Mäckler bei den virtuellen<br />
Rooftop Talks im April 2021. Gemeinsam mit Architektin Claudia<br />
Meixner plädierte er für einen soziokulturell geprägten Städtebau<br />
und eine Rückbesinnung auf das, was Europa an Bautraditionen<br />
hervorgebracht hat.<br />
Deutschlands Städte sind Magnete, aktuell leben 77,5 Prozent der Bevölkerung<br />
in der Stadt. Was jedoch passiert, wenn bei der Entwicklung nicht<br />
ausreichend über die Gestalt der Gebäude nachgedacht wird, sieht man<br />
an vielen Orten, an zu vielen. Mit monotoner Bauträgerarchitektur, die<br />
Wirtschaftlichkeit über Lebendigkeit stellt, kann kein zukunftsfähiges,<br />
urbanes Viertel entstehen. Es liegt an den Architekturschaffenden, mit<br />
ästhetischem Bewusstsein und ganzheitlichem Blick vielfältige Quartiere<br />
zu entwerfen, die – Post-Corona wichtiger denn je – auch einen sozialen<br />
Beitrag leisten. Doch was macht ein gutes Stadtquartier aus architektonischer<br />
Sicht aus? Und mit welchen seiner Qualitäten kann das Steildach<br />
hierauf Einfluss nehmen?<br />
Die Projekte in dieser Ausgabe geben Einblicke, wie unterschiedlich Architekt*innen<br />
im städtebaulichen Kontext mit dem geneigten Dach umgehen.<br />
Bei einer Nachverdichtung in Rüsselsheim gelang der Spagat zwischen<br />
Flach- und Steildach, während die Dächer eines Wohnareals in der Regensburger<br />
Altstadt ihre Umgebung zitieren. BFV Architectes wiederum<br />
haben in Paris mit unterschiedlichen Höhen und Farben südländisch<br />
anmutende Strukturen geschaffen. Nur Mut zu ausgeklügelter Dachgestaltung!<br />
Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre.<br />
Klaus H. Niemann, Sprecher von Dachkult
STEILDACH • 04<br />
Baur & Latsch Architekten<br />
München<br />
Vermittelnde Dachstrukturen im<br />
traditionsreichen Umfeld<br />
Von Nachverdichtung ist seit Jahren vorwiegend in urbanen Großstadtvierteln<br />
die Rede, wenn es um Lösungen für den Wohnungsmangel geht,<br />
die zugleich einer wachsenden Zersiedelung entgegentreten. Dass sie aber<br />
auch im Kontext kleinteiliger Strukturen funktionieren kann, beweist das<br />
junge Architekturbüro Baur & Latsch in Rüsselsheim. Voraussetzungen<br />
sind das richtige Gespür für Maßstäbe und ein guter Blick für die Eigenheiten<br />
des Bestands.<br />
Es sind vor allem Arbeiterhäuschen aus der Jahrhundertwende sowie klassische<br />
hessische Hofreiten, die mit ihren Kubaturen und steilen Dächern das Wohngebiet<br />
südlich des Verna-Parks in Rüsselsheim prägen. Dazu kommen einige<br />
Gewerbebauten mit funktionalem Flachdach-Charakter. Vor diesem Hintergrund<br />
lobte die lokale Wohnungsbaugesellschaft gewobau einen Realisierungswettbewerb<br />
aus, um auf einem schlauchartigen Grundstück sowie einer etwas abseits<br />
gelegenen Fläche Raum für Studierende und Pendler*innen, aber auch Senior*innen<br />
und junge Familien zu schaffen.<br />
Gewonnen hat das Münchner Büro Baur & Latsch, das anfangs noch unter Thaler<br />
Latsch firmierte. Sie entwickelten ein Ensemble aus sechs maximal dreigeschossigen<br />
Gebäuden, die sich durch den Wohnblock schlängeln, sowie ein Einzelgebäude<br />
für das kleinere Grundstück. Die räumlichen Situationen und Qualitäten<br />
Die leicht versetzten Satteldächer verleihen den kompakten Gebäuden eine gewisse Dynamik.<br />
der vorhandenen Strukturen seien<br />
für den Entwurf zentral gewesen,<br />
wie Architekt Martin Baur erklärt.<br />
Ebenso die Frage, was heute<br />
architektonisch noch Sinn ergeben<br />
würde – und was nicht.<br />
Dass das Ergebnis einen durchaus<br />
mediterranen Charakter besitzt,<br />
haben die Architekten schon oft<br />
gehört – auch wenn sie selbst<br />
ihre Ideen im kühlen London der<br />
1960er und 70er Jahre gefunden<br />
haben: bei öffentlich finanzierten<br />
Projekten wie Lillington Gardens<br />
von Darbourne & Darke oder<br />
Cressingham Gardens von Edward<br />
Hollamby und Roger Westman. Die<br />
setzten damals den immer höher<br />
werdenden anonymen Wohntürmen<br />
eine kleinteilige Architektur<br />
entgegen, die halböffentliche<br />
Gärten und nachbarschaftliches<br />
Zusammenleben auch für Geringverdiener<br />
erschwinglich machten.<br />
Nachbarschaftliche Referenzen<br />
Diese Vorbilder haben Baur &<br />
Latsch zusammen mit den Einflüssen<br />
der Umgebung gewissermaßen<br />
übersetzt und in eine neue Form<br />
überführt: im Falle der sechs aufgereihten<br />
Gebäude durch rote Klinkerriemchen<br />
mit eingebrannter heller<br />
Schlämme sowie zart-grüne Rollläden,<br />
deren Farbe eine denkmalgeschützte<br />
Villa in der Nähe zitiert.<br />
Die prägnanten Torbögen erinnern<br />
an das alte Opel-Werk, und die<br />
Holzgalerien beziehen sich in ihrer<br />
Ästhetik auf die umliegenden Höfe,<br />
die ihr Pendant in den großzügigen<br />
Freiflächen zwischen den Häusern<br />
finden. Ein wenig zurückhaltender<br />
präsentiert sich das alleinstehende<br />
Haus, das auch ohne wohnraumerweiternde<br />
Galerie durch seine<br />
dezent farbige Putzfassade an die<br />
restlichen Bauten anknüpft.<br />
Dächer als Vermittler<br />
Gänzlich ohne direkte Vorbilder<br />
sind die Dachkonstruktionen, die<br />
die kompakten Gebäude überstandsfrei<br />
abschließen. Während<br />
Dachneigungen von 45° und mehr<br />
in der Nachbarschaft üblich sind,<br />
changieren die leicht versetzten<br />
Satteldächer zwischen 10 und 20°.<br />
Die ursprünglichen Entwürfe hätten<br />
sogar Flachdächer vorgesehen,<br />
um bei der vorgegebenen Maximalhöhe<br />
möglichst viel Volumen<br />
den Wohnungen zuzuschlagen, wie<br />
Martin Baur erzählt. Die allerdings<br />
hätten immer sehr störrisch<br />
gewirkt, und so wurde mit der<br />
letztendlichen Neigung die perfekte<br />
Lösung gefunden. So vermitteln<br />
die Gebäude nun in gewisser Weise<br />
auch zwischen der Wohnarchitektur<br />
im Viertel und den vereinzelten<br />
Flachdach-Gewerbebauten./<br />
Das Haus in „Insellage“ präsentiert sich weniger expressiv, trägt aber<br />
erkennbar die gleiche Handschrift wie die anderen sechs Gebäude.
Heftthema • 06<br />
Alles eine Frage der Wirtschaftlichkeit?<br />
Das steile Dach im städtebaulichen Maßstab<br />
Ökonomie im Fokus<br />
Quartiere hingegen, die sich auf<br />
den Spuren des Bauhaus-Kon-<br />
forderungen im Vordergrund. Hier<br />
scheint das Flachdach zunächst die<br />
beste Wahl zu sein, wären da nicht<br />
am Main, die sich auch mit ihrer<br />
lebendigen Bedachung in die gründerzeitliche<br />
Blockrandbebauung<br />
zeptes aus glatten Kastenbauten<br />
noch die oft außer Acht gelassenen<br />
integriert. Eine ebenfalls stimmige<br />
Eine kleine Stadt in der Stadt, so lassen sich Quartiere ganz grob beschreiben. Nicht in sich<br />
zusammensetzen, wirken bisweilen<br />
Instandhaltungskosten und die<br />
Interpretation der regionalen Bau-<br />
abgeschlossen, sondern als Fortsetzung der Stadt. Da Wohnraum in Ballungsräumen, teils auch in<br />
optisch austauschbar und können<br />
soziokulturelle Dimension von Ar-<br />
kultur gelang den Architekt*innen<br />
ländlichen Gebieten knapp ist, spielt das Quartier in Sachen Urbanisierung und Nachverdichtung<br />
dazu führen, dass Orte an Identität<br />
chitektur – ein Aspekt, der immer<br />
des Büros Beer Bembé Dellinger<br />
eine zentrale Rolle.<br />
verlieren. Solche Viertel sind vom<br />
mehr an Bedeutung gewinnt.<br />
mit dem Projekt „Altes Garmisch<br />
städtebaulichen Kontext losgelöst.<br />
neu gelebt“. Für das Ensemble der<br />
Die kistenartigen Ensembles strah-<br />
Perspektivwechsel mit Zukunft<br />
Satteldach-Häuser mit Gemein-<br />
Der künftige Trend ist klar: Im<br />
kompakte Gebäude mit monotoner<br />
le Dach zur bewährten Bauform.<br />
len Bürobau-Atmosphäre aus, hier<br />
Die Herausforderung besteht darin,<br />
schaftsgarten erhielten sie mehrere<br />
Quartier sollen Wohnen, Arbeiten,<br />
Flachdach-Ästhetik. Vermeintliche<br />
Das Steildach, die Urform des Da-<br />
ist nicht nur das Homeoffice mehr<br />
bei der Nachverdichtung die städ-<br />
Preise.<br />
Einkaufen, Lernen und Freizeit-<br />
Moderne und Funktionalität über-<br />
ches, steht für Wohnlichkeit, Zu-<br />
Office als Home. Sind die Ansamm-<br />
tebauliche Umgebung mit einzu-<br />
Neue Quartiere mit steilen Dä-<br />
leben möglichst nah beieinander<br />
trumpfen tradierte Haustypologie<br />
hause-Gefühl und Charakter. Das<br />
lungen mehrgeschossiger Flach-<br />
beziehen. Nur wenn für das neue<br />
chern geben Städten ein identitäts-<br />
liegen, das Credo lautet: Multi-<br />
und architektonische Vielfalt.<br />
geneigte Dach ermöglicht nicht<br />
dach-Gebäude erstmal in die Jahre<br />
Quartier die Architektur der nach-<br />
stiftendes Antlitz, sie zitieren Tra-<br />
funktionalität, kurze Wege, soziale<br />
nur visuelle Varianz durch unter-<br />
gekommen, ähneln die avantgar-<br />
barschaftlichen Häuser mitgedacht<br />
ditionelles und entfalten zugleich<br />
Mischung. Monostrukturen sind<br />
Visuelle Varianz<br />
schiedliche Formen und Materiali-<br />
distisch gedachten Quartiere mit-<br />
und zeitgenössisch weiterentwi-<br />
ihr eigenes Charisma. Auf diese<br />
in urbanen Gebieten passé, das<br />
und individuelle Note<br />
en, unter dem traditionellen Giebel<br />
unter Trabantenstädten. Und doch<br />
ckelt wird, fügt es sich dauerhaft<br />
Weise entstehen abwechslungs-<br />
ist zumindest die Idee. Offen-<br />
Unsere Dachlandschaften sind seit<br />
entsteht neben Pufferraum auch<br />
überwiegt im Stadtquartier bislang<br />
harmonisch in das Stadtbild ein.<br />
reiche, ästhetisch wie materiell<br />
sichtlich gilt das nicht im selben<br />
Jahrtausenden durch Schrägen<br />
charmanter, verwinkelter Raum,<br />
das Flachdach. Wie kommt das? Bei<br />
Ein eindrucksvolles Beispiel ist<br />
nachhaltige Dachlandschaften, die<br />
Maße für die Architektur. In neu<br />
geprägt. Nicht nur in Deutschland,<br />
z.B. als Maisonetten oder Dachate-<br />
der Planung stehen Kriterien wie<br />
die vom Architekturbüro Meixner<br />
Historie und Moderne verbinden./<br />
errichteten und geplanten Quar-<br />
auch in alten europäischen Städten<br />
liers mit individueller Note.<br />
Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit,<br />
Schlüter Wendt entwickelte Wohn-<br />
tieren dominieren nach wie vor<br />
wie Siena und Gent gehört das stei-<br />
technische und energetische An-<br />
bebauung „Hof in Hof“ in Frankfurt<br />
Das Projekt „Hof im Hof“ bindet den umgebenden Bestand und seine Dächerkultur geschickt mit ein.<br />
Zeitgenössische Interpretation des alpenländischen Baustils für ein Wohnquartier mitten in Garmisch.
StadtPORTRAIT • 08<br />
Lorenzen Mayer Architekten<br />
Berlin / Kopenhagen<br />
Dänische Traditionen<br />
an Donau und Aller<br />
Als sich die Wege von Carsten Lorenzen und Reinhard Mayer erstmals<br />
an der TU Dresden kreuzten, war schnell klar, dass sie trotz<br />
ihrer unterschiedlichen Hintergründe eines verband: das Verständnis<br />
einer Architektur, die sich aus dem Kontext entwickelt. Mit der<br />
Gründung ihres Büros Lorenzen Mayer Architekten in Berlin überführten<br />
sie diese Haltung schließlich in die Praxis.<br />
„Natürlich ist es immer ein Experiment, da man erst<br />
nach der Fertigstellung sieht, wie gut sich die Gebäude<br />
einfügen und von den Menschen angenommen werden.“<br />
Reinhard Mayer über das Bauen im städtischen Kontext<br />
Trotz aller rigiden Vorgaben im Rahmen des Weltkulturerbes tritt das Ensemble moderat zeitgenössisch in Erscheinung.<br />
Das Feuerwehrareal in Celle wurde mit dem Sonderpreis des Deutschen Ziegelpreises 2021 ausgezeichnet.<br />
Zwei Architekten, deren berufli-<br />
Die Mathematisierung<br />
Fortsetzung europäischer<br />
seite, deren Positionierung variiert<br />
Experiment, dessen Gelingen erst<br />
auch diese spätestens mit Fertig-<br />
cher Werdegang – zumindest aus<br />
der Architektur<br />
Stadtbaukunst<br />
und die einzelnen Bausteine ab-<br />
in der Realität von den Planenden,<br />
stellung überzeugt. Entstanden<br />
geografischer Sicht – verschiedener<br />
Während dies in der dänischen<br />
Das Grundstück, das für den Neu-<br />
lesbar macht. Von außen ergänzen<br />
aber vor allem durch die Bewoh-<br />
sind zwei Baukörper, die sich mit<br />
nicht sein könnte. Aufgewachsen<br />
Bautradition der gängige Ansatz<br />
bau des Stadtquartiers vorgesehen<br />
Gauben die abwechslungsreiche<br />
ner*innen beurteilt werden könne.<br />
ihren ausgeprägten Satteldächern<br />
im deutsch-dänischen Grenzland,<br />
sei, werde die Ganzheitlichkeit in<br />
war, könnte einmaliger nicht sein.<br />
Dachlandschaft, während im Inne-<br />
In diesem Zusammenhang war es<br />
bewusst von der Kleinmaßstäblich-<br />
absolvierte Carsten Lorenzen sein<br />
Deutschland häufig vernachlässigt.<br />
An der Donau, inmitten eines<br />
ren individuelle Maisonettes mit<br />
für das gesamte Team das größte<br />
keit der Alt- und Vorstadt abheben.<br />
Architekturstudium in Washington<br />
Das zeige sich vor allem im Woh-<br />
UNESCO-Weltkulturerbes, der<br />
Oberlichtern und Terrassen ent-<br />
Lob, dass das traditionsbewusste<br />
Die Fassade dagegen verarbeitet<br />
und Kopenhagen, wo er schließ-<br />
nungsbau. Die hier entstehende<br />
Regensburger Altstadt, gelegen,<br />
stehen. Letzten Endes sei es wohl<br />
und durchaus kritische Bürgertum<br />
Motive des Ortes, der bis heu-<br />
lich sein Büro gründete. Reinhard<br />
Architektur werde immer stärker<br />
verlockte es regelrecht dazu, sich<br />
die Idee der Einzelhäuser gewesen,<br />
das Quartier akzeptiert und als Teil<br />
te von einer mittelalterlichen<br />
Mayer dagegen zog es zunächst<br />
„mathematisiert“: Zahlen und<br />
durch außergewöhnliche Dach-<br />
die im Wettbewerb überzeugen<br />
seiner Altstadt angenommen hat.<br />
Fachwerk-Architektur geprägt ist:<br />
in den Süden, nach Barcelona und<br />
Technik stehen im Vordergrund –<br />
formen skulptural und expressiv<br />
konnte, glauben die Architekten.<br />
Leichte Versprünge in der Gebäu-<br />
Südtirol. Heute arbeiten sie mit 25<br />
auf Kosten von städtebaulichen und<br />
von der Umgebung abzuheben.<br />
Viel wichtiger ist jedoch, dass das<br />
Zwischen Zeitgeist<br />
dekubatur treffen auf variierende<br />
Mitarbeiter*innen an Projekten aus<br />
gestalterischen Qualitäten. Umso<br />
Lorenzen und Mayer verfolgten<br />
Ostermeier-Quartier nach seiner<br />
und Tradition<br />
Lochfassaden und ortstypische<br />
dem Städte- und Wohnungsbau. Je-<br />
schwieriger sei es deshalb, die<br />
jedoch ihren eigenen Ansatz: Um<br />
Fertigstellung ein selbstverständli-<br />
Schon zu Beginn des Wettbe-<br />
Materialien. Und auch hier gelingt<br />
doch sehen sie diese beiden Diszip-<br />
Bauherrschaft vom architektoni-<br />
dem kleinteiligen Prinzip des<br />
cher Teil des Stadtbildes geworden<br />
werbs um die Neubebauung des<br />
es Lorenzen Mayer Architekten, die<br />
linen keinesfalls getrennt, sondern<br />
schen Mehrwert eines Steildachs zu<br />
mittelalterlichen Kontexts gerecht<br />
ist, der die Balance zwischen mo-<br />
Feuerwehrareals in Celle war die<br />
örtlichen Gegebenheiten weiterzu-<br />
plädieren für eine ganzheitliche<br />
überzeugen. Hierzu brauche es eine<br />
zu werden, entwickelten sie zehn<br />
derner Systematik und pittoresker<br />
Meinung der Bürger*innen gefragt.<br />
bauen – mit einer Angemessenheit,<br />
Betrachtung, in der der städte-<br />
gute Argumentation und im besten<br />
Stadthäuser mit jeweils eigenem<br />
Erscheinung hält. Denn was sich<br />
Gab es zunächst noch einige kriti-<br />
die den Zeitgeist ebenso würdigt<br />
bauliche Kontext eine wesentliche<br />
Fall einen historischen Kontext, wie<br />
Dach. Jedes Gebäude erhielt drei<br />
auf dem Papier vermeintlich gut<br />
sche Stimmen, die den Entwurf als<br />
wie die Tradition./<br />
Rolle für die Architektur spielt.<br />
beim Ostermeier-Quartier.<br />
geneigte Flächen und eine Giebel-<br />
einfügt, sei doch immer ein kleines<br />
zu modern empfanden, so waren
Kommentar • 10<br />
JES Socialtecture<br />
Hamburg<br />
Legt man einer Gruppe von Personen Bilder<br />
ausgewählter Straßen und Plätze vor,<br />
zeigt sich, dass grundsätzlich jeder Mensch<br />
in der Lage ist, ein Urteil über die Qualität<br />
von Stadträumen zu fällen. Eine besondere<br />
Expertise in Architektur oder Stadtplanung<br />
ist nicht notwendig, um zu erkennen, ob<br />
ein Ort freundlich, lebendig und einladend<br />
wirkt – oder aber kalt, abweisend und<br />
langweilig. Anstelle aufwändiger Studien<br />
und Szenarien reichen in der Regel Bauchgefühl,<br />
Emotion und gesunder Menschenverstand<br />
aus, um zu beurteilen, ob Räume,<br />
Gebäude, Quartiere und ganze Innenstädte<br />
funktionieren oder eben nicht.<br />
Wenn sie nicht funktionieren, dann liegt<br />
es meistens daran, dass die sozialen und<br />
menschlichen Belange des Alltags kaum<br />
beachtet und die Planung nach rein<br />
technischen, wirtschaftlichen oder aber<br />
formal gestalterischen Gesichtspunkten<br />
durchgeführt wurde. Hinzu kommt, dass<br />
Architekt*innen und Planer*innen oftmals<br />
erst hinzugezogen werden, wenn die<br />
grundlegenden Entscheidungen über einen<br />
Ort bereits getroffen sind. Das Ergebnis<br />
kennen wir alle: gesichtslose Stadtquartiere<br />
mit quadratisch-praktischen Kisten statt<br />
Häusern mit „Köpfen“, seelenlose Investorenarchitektur,<br />
die an betongewordene<br />
Excel-Listen erinnert.<br />
Warum entstehen überall<br />
Kisten und keine Häuser?<br />
Ein Kommentar von Julia Erdmann, Gründerin von JES aus<br />
Hamburg, über die Rolle von Dächern bei der Gestaltung von<br />
Städten.<br />
Wollen wir das? Finden wir das schön?<br />
Oder ist es nicht weitaus sinnvoller und<br />
die ureigenste Aufgabe der Architektur, Lebensräume<br />
zu schaffen, die den Menschen<br />
und ihren Lebensentwürfen entsprechen?<br />
Orte als lebendige Organismen und eigene<br />
Ökosysteme, die den gesellschaftlichen<br />
Transformationsprozessen gewachsen<br />
sind? Deshalb brauchen wir noch vor der<br />
ersten Leistungsphase eine Strategie, wie<br />
der Ort gebaut und gelebt werden kann.<br />
Steildächer spielen bei der Planung von<br />
Orten eine wichtige Rolle, und man verschwendet<br />
wertvolles Potenzial, wenn man<br />
bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere<br />
nicht über das Dach nachdenkt. Es ist vielleicht<br />
etwas komplizierter in der Planung,<br />
aber es lohnt sich. Denn Häuser mit einem<br />
ausgeprägten Dach haben Charakter,<br />
sprechen den Betrachter persönlich an und<br />
verleihen einem Ort nicht nur Identität,<br />
sondern machen ihn auch reicher.<br />
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie<br />
schnell sich Veränderungsprozesse vollziehen<br />
und wie wichtig dabei Orte und Gebäude<br />
sind, die nicht nur für eine bestimmte<br />
Aufgabe und Funktion entwickelt wurden,<br />
sondern für Menschen, die dort wohnen,<br />
arbeiten und sich in jeder Lebenslage<br />
wohlfühlen wollen. In richtigen Häusern<br />
und nicht in Kisten.<br />
VERANSTALTUNGEN UND TERMINE<br />
Alle Termin- und Ortsangaben stehen aufgrund der Corona-Situation<br />
unter Vorbehalt. Sofern eine Präsenzveranstaltung nicht möglich<br />
sein sollte, erfolgt diese als Online-Veranstaltung.<br />
Aktuelle Informationen finden Sie auf unserer Website<br />
www.dachkult.de/events.<br />
Architekturbiennale in Venedig /<br />
DACHKULT live vor Ort<br />
24. bis 27. August 2021<br />
Rooftop Talk #13 in Heidelberg<br />
September 2021<br />
Rooftop Talk #14 in Köln<br />
November 2021<br />
Herausgeber<br />
dachkult.de<br />
Partner<br />
Aurubis<br />
Benders<br />
Cedral<br />
Creaton<br />
Dt. Rockwool<br />
Dörken<br />
Erlus<br />
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Flender-Flux<br />
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Gebr. Laumans<br />
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Jacobi Walther<br />
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Fördermitglied<br />
Bundesverband der<br />
Deutschen Ziegelindustrie<br />
Eurobaustoff<br />
Weitere Infos zu den Partnern<br />
unter dachkult.de/partner<br />
Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die des Herausgebers.<br />
Eine neue Skyline für Bremen: Es ist vor allem die lebhafte<br />
Dachlandschaft, die dem Europahafenkopf seinen<br />
Charakter verleiht und an den historischen Stadtkern<br />
anknüpft. Nach dem Entwurf von COBE sollen hier in<br />
naher Zukunft Büros, Wohnungen, Gastronomie- sowie<br />
Gewerbeflächen entstehen.