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Jurist in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - Verlag C. H. Beck oHG

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<strong>Jurist</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

Auf der Schnittstelle von Gesellschafts-, Bilanz- und Steuerrecht<br />

Von Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Manfred Kessler,* Dipl.-Kfm., Stuttgart<br />

Die größten <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en <strong>in</strong> Deutschland und weltweit s<strong>in</strong>d<br />

KPMG, PricewaterhouseCoopers, Ernst & Young und Deloitte. Diese bieten für<br />

ambitionierte <strong>Jurist</strong>en e<strong>in</strong> nicht m<strong>in</strong>der <strong>in</strong>teressantes Betätigungsfeld wie Großkanzleien.<br />

Bei KPMG und bei der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft etwa s<strong>in</strong>d zurzeit<br />

über 500 <strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> den Geschäftsbereichen Audit, Tax und Advisory tätig.<br />

Zum Vergleich: Die größte deutsche Kanzlei Clifford Chance beschäftigt derzeit<br />

ebenfalls über 500 Anwälte. Dies zeigt, dass es sich für Referendare und Berufsanfänger<br />

lohnt, auch e<strong>in</strong>e <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong> als möglichen Arbeitgeber<br />

<strong>in</strong>s Auge zu fassen.<br />

Den «typischen» <strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong> gibt es nicht:<br />

Die <strong>in</strong> der Wirtschaftsprüfung und der prüfungsnahen Beratung tätigen <strong>Jurist</strong>en<br />

analysieren vor allem Zahlen, während der bei gesellschafts- und steuerrechtlichen<br />

Umstrukturierungen beratende <strong>Jurist</strong> oder Steuerberater vor allem wissen muss, vor<br />

welchem bilanz- oder steuerrechtlichen H<strong>in</strong>tergrund die Zahlen e<strong>in</strong>zuordnen s<strong>in</strong>d.<br />

Die als Steuerberater qualifizierten <strong>Jurist</strong>en im Bereich «F<strong>in</strong>ancial Services» beraten<br />

bei der steuerlichen Strukturierung und F<strong>in</strong>anzierung großer Akquisitionen. Die<br />

Vertragsgestaltung überlassen sie den «re<strong>in</strong>en» Anwälten, die etwa Unternehmenskaufverträge<br />

entwerfen und verhandeln.<br />

Ausgesprochen <strong>in</strong>teressante und vielfältige Aufgaben ergeben sich auch auf dem<br />

Gebiet der Unternehmensberatung, e<strong>in</strong>em wichtigen Geschäftsbereich der <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en<br />

(Geschäftsbereich Advisory). In Forensic Services,<br />

um nur e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e ganze Reihe der <strong>in</strong> diesem Geschäftsbereich angebotenen<br />

Dienstleistungen zu nennen, recherchieren <strong>Jurist</strong>en für Insolvenzverwalter und<br />

Anwälte, beispielsweise um Schadensersatzprozesse gegen ehemalige Geschäftsführer<br />

oder Gesellschafter vorzubereiten; sie f<strong>in</strong>den heraus, wo Produkte ohne die erforderlichen<br />

Lizenzen hergestellt oder genutzt werden; sie führen Korruptionsanalysen<br />

durch, um auf Schwachstellen <strong>in</strong> Unternehmen h<strong>in</strong>zuweisen und schlagen Strategien<br />

zur Haftungsvermeidung vor. Weiter s<strong>in</strong>d <strong>Jurist</strong>en hier damit befasst, verschwundene<br />

Vermögenswerte aufzuspüren und ihren Weg zu verfolgen. Dabei geht<br />

es bald um das Durchkämmen großer Datenmengen, bald müssen erst e<strong>in</strong>mal mit<br />

juristischem Sachverstand gesellschaftsrechtliche Strukturen entwirrt werden, um<br />

zu verstehen, woh<strong>in</strong> unterschlagenes Geld geflossen se<strong>in</strong> könnte.<br />

Wenn es aber e<strong>in</strong>es gibt, was alle <strong>in</strong> der Wirtschaftsprüfung arbeitenden <strong>Jurist</strong>en vere<strong>in</strong>t,<br />

dann ist es ihr Interesse am Austausch und den geme<strong>in</strong>samen Projekten mit den<br />

Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Unternehmensberatern. Durch die ständige<br />

Zusammenarbeit mit diesen Berufsgruppen verstehen sie oft eher als e<strong>in</strong> Anwalt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er externen Kanzlei die Denkweise und Dienstleistungen der Kollegen: Der<br />

externe Rechtsberater arbeitet immer nur im Rahmen e<strong>in</strong>zelner abgeschlossener<br />

Projekte mit den anderen Beratern zusammen, für den <strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> der Wirtschaftsprüfung<br />

h<strong>in</strong>gegen ist es das tägliche Brot. Dies fordert vom <strong>Jurist</strong>en Interesse an<br />

wirtschaftlichen Zusammenhängen und Offenheit gegenüber neuen, nicht primär<br />

juristisch geprägten Themen.<br />

Die großen <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en setzen e<strong>in</strong>en großen Teil der <strong>Jurist</strong>en<br />

<strong>in</strong> der Steuerberatung e<strong>in</strong>. Beim Steuerrecht geht es primär um Auslegung und<br />

Anwendung von Gesetzen, e<strong>in</strong>e Materie also, die <strong>Jurist</strong>en gelernt haben (siehe<br />

unten, «Der Steuerjurist»). Aber auch <strong>in</strong> der klassischen Wirtschaftsprüfung und<br />

* Der Autor ist seit dem Jahre 1994 bei der KPMG DTG AG tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der<br />

KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH.<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>arität<br />

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50<br />

Der Steuerjurist<br />

damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen, f<strong>in</strong>den sich <strong>Jurist</strong>en (siehe<br />

unten, «Der <strong>Jurist</strong> als Wirtschaftsprüfer»).<br />

Die Kanzleien der großen <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en haben <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren unterschiedliche Wege beschritten: Deloitte (mit Raupach & Wollert-<br />

Elmendorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) und Ernst & Young (mit Luther<br />

Rechts anwaltsgesellschaft mbH) s<strong>in</strong>d mit vormals enger <strong>in</strong>tegrierten Kanzleien nur<br />

noch über lose Kooperationsverträge verbunden. Deshalb haben diese Kanzleien<br />

auch e<strong>in</strong>en anderen Namen als die <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong> gewählt. Da -<br />

gegen s<strong>in</strong>d andere Kanzleien zwar eigenständig, aber mit Prüfungsgesellschaften<br />

enger verbunden. So tragen die «KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerbera -<br />

tungs gesellschaft mbH» und die «PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwalts<br />

gesellschaft» auch den Namen der jeweiligen Prüfungsgesellschaft.<br />

Abschließend soll die Tätigkeit e<strong>in</strong>er solchen Kanzlei am Beispiel der KPMG<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft beschrieben werden (siehe unten, «Die Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Anwaltskanzlei, die mit e<strong>in</strong>er Prüfungsgesellschaft kooperiert»).<br />

Der Tätigkeitsschwerpunkt von <strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> der Steuerberatung (Geschäftsbereich<br />

Tax) der großen <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en umfasst im Normalfall Aufgaben,<br />

die als typisch juristisch gelten können. Dies s<strong>in</strong>d etwa die Erstellung von Gutachten<br />

zu steuerlichen Fragen oder die Begründung von Rechtsbehelfen. Außerdem<br />

berät der Steuerjurist bei Gestaltungen und entwickelt steuerlich optimierte Strukturen,<br />

z. B. bei Restrukturierungen. In der täglichen Arbeit wird dabei schon frühzeitig<br />

der Kontakt zum Mandanten gefördert.<br />

Neben umfangreichem steuerlichem Wissen benötigt der Steuerjurist auch solide<br />

Kenntnisse im Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im Bilanzrecht. Diese<br />

s<strong>in</strong>d im Arbeitsalltag unverzichtbar, da e<strong>in</strong>e Vorprüfung auf diesen Gebieten häufig<br />

für die steuerliche Beurteilung ausschlaggebend ist. Daher wird der Rat von<br />

Rechtsanwaltskollegen nur <strong>in</strong> komplexeren Fällen benötigt.<br />

Von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d für Steuerjuristen e<strong>in</strong> gutes Verständnis für wirtschaftliche<br />

Zusammenhänge und <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong> gutes Zahlenverständnis. In aller<br />

Regel ist nicht mehr abstrakt die Rechtslage zu prüfen, sondern konkret die Steuerbelastung<br />

des Mandanten zu untersuchen. Der Steuerjurist muss <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>,<br />

steuerliche Berechnungen entweder nachzuvollziehen oder sogar selbst zu erstellen.<br />

Angesichts dieser Anforderungen und der ger<strong>in</strong>gen Bedeutung des Steuerrechts im<br />

Rahmen der juristischen Ausbildung wird bei e<strong>in</strong>em Berufsanfänger ke<strong>in</strong> «fertiger»<br />

Steuerjurist erwartet. Größere <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en <strong>in</strong>vestieren daher<br />

viel <strong>in</strong> die Ausbildung e<strong>in</strong>es jeden Mitarbeiters. Neben e<strong>in</strong>er Vielzahl von <strong>in</strong>ternen<br />

Schulungen be<strong>in</strong>haltet dies <strong>in</strong>sbesondere das «tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g on the job». Auch als <strong>Jurist</strong><br />

kann man damit rechnen, mit der Erstellung von Steuererklärungen oder Steuerbilanzen<br />

beauftragt zu werden, wobei nicht sofort e<strong>in</strong> perfektes Ergebnis erwartet<br />

wird.<br />

Der Steuerberatertitel wird <strong>in</strong> aller Regel auch von Steuerjuristen erwartet. Da<br />

das Steuerberaterexamen sehr schwierig ist – die bundesweite langjährige Durchfallquote<br />

liegt bei etwa 50 % –, wird z. B. bei der KPMG die Vorbereitung auf die Prüfung<br />

durch die Gewährung e<strong>in</strong>es erheblichen Budgets für Kurse und Materialien<br />

sowie e<strong>in</strong>er bis zu 18-wöchigen Freistellung gefördert. Neben dem Steuerberaterexamen<br />

treten die Noten <strong>in</strong> den juristischen Exam<strong>in</strong>a <strong>in</strong> ihrer Bedeutung etwas<br />

zurück. Trotz der durchaus hohen Anforderungen, die an die Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

von Steuerjuristen gestellt werden, haben auch Bewerber mit zwei befriedigenden<br />

Exam<strong>in</strong>a gute Chancen.<br />

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Der <strong>Jurist</strong> als Wirtschaftsprüfer<br />

Insgesamt bietet die Steuerberatung für <strong>Jurist</strong>en e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Alternative zur<br />

Tätigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rechtsanwaltskanzlei, die andere Anforderungen stellt und andere<br />

Herausforderungen bietet. Wird das Steuerberaterexamen erfolgreich abgelegt,<br />

verfügt man mit der Doppelqualifikation als <strong>Jurist</strong> und Steuerberater über berufliche<br />

Fähigkeiten, die e<strong>in</strong> hohes Ansehen genießen, und eröffnet sich dadurch exzellente<br />

Karrierechancen.<br />

Die Tätigkeit als <strong>Jurist</strong> im Kernbereich e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

(Geschäftsbereich Audit) stellt e<strong>in</strong>e Spezialisierung im Rahmen von Rechtsgebieten<br />

dar, die <strong>in</strong> der juristischen Ausbildung oft stiefmütterlich behandelt werden: das<br />

deutsche Bilanzrecht und se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationalen Pendants. Die Grundlagen der<br />

Bilanzierung und der Abschlussprüfung s<strong>in</strong>d im Handelsgesetzbuch geregelt und<br />

werden durch die Wirtschaftsprüferordnung und berufsständische Verlautbarungen<br />

des Instituts der Wirtschaftsprüfer konkretisiert. Das Handwerkszeug des Wirtschaftsprüfers<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternational ausgerichteten <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

ist die umfassende Kenntnis des deutschen und <strong>in</strong>ternationalen Bilanzrechts. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d steuerrechtliche Regularien sowie die deutschen und <strong>in</strong>ternationalen Grundsätze<br />

ordnungsmäßiger Abschlussprüfung zu berücksichtigen.<br />

Die Prüfung von Jahresabschlüssen umfasst auch die Buchführung des geprüften<br />

Unternehmens; <strong>in</strong> dieser s<strong>in</strong>d alle Geschäftsvorfälle e<strong>in</strong>es Unternehmens abzubilden.<br />

Hierzu zählen die täglichen Liefer- und Leistungsverträge genauso wie diffizile<br />

Verträge der langfristigen Auftragsfertigung, komplexe F<strong>in</strong>anzierungsmodelle und<br />

verschachtelte gesellschaftsrechtliche Gestaltungen. Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung<br />

werden diese Geschäftsvorfälle e<strong>in</strong>erseits auf ihren rechtlichen<br />

Gehalt überprüft. Soweit bef<strong>in</strong>den wir uns im Bereich der klassischen <strong>Jurist</strong>erei. Die<br />

bilanzielle Beurteilung von Geschäftsvorfällen erfordert jedoch darüber h<strong>in</strong>aus auch<br />

e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Betrachtungsweise, die <strong>in</strong> der Ausbildung zum Volljuristen ke<strong>in</strong>e<br />

große Rolle spielt. Den Wunsch, sich auch betriebswirtschaftlich fortzubilden,<br />

sollte der angehende <strong>Jurist</strong> <strong>in</strong> der Wirtschaftsprüfung daher mitbr<strong>in</strong>gen. Die Wirtschaftsprüfung<br />

bietet dem an wirtschaftlichen Zusammenhängen Interessierten<br />

e<strong>in</strong>e hervorragende Plattform, sich mit Hilfe der <strong>in</strong> Studium und Referendariat<br />

erlernten juristischen Arbeitsmethodik <strong>in</strong> neue rechtliche, aber auch betriebswirtschaftliche<br />

Themengebiete e<strong>in</strong>zuarbeiten.<br />

Die Wirtschaftsprüferordnung erkennt die abgeschlossene juristische Ausbildung<br />

genauso wie das Studium der Betriebswirtschaft als Zugangsvoraussetzung für<br />

das Wirtschaftsprüferexamen an. Die Erfahrung aus zwei juristischen Staatsexamen<br />

erleichtert die Vorbereitung auf das ähnlich gestaltete Wirtschaftsprüferexamen.<br />

Und hat man dieses erst e<strong>in</strong>mal bestanden, so bietet die Wirtschaftsprüfung auch<br />

Raum für weitere berufliche und persönliche Entfaltung sowie Karriereschritte, sei<br />

es durch <strong>in</strong>ternationale E<strong>in</strong>sätze oder durch Unterstützung der jeweiligen Grundsatzabteilung.<br />

Zunehmend ist der Wirtschaftsprüfer auch als Berater des Prüfungsausschusses<br />

im Aufsichtsrat gefragt. Besonders bei Fragen der guten Unternehmensführung und<br />

-überwachung (Corporate Governance) ist der Wirtschaftsprüfer immer häufiger<br />

Ansprechpartner des Aufsichtsrats bzw. des von diesem e<strong>in</strong>gerichteten Prüfungsausschusses<br />

für Bereiche, die außerhalb der Rechnungslegung liegen, etwa für aktuelle<br />

Entwicklungen auf dem Gebiet der Corporate Governance. Hierfür bedarf es nicht<br />

nur vertiefter Kenntnisse im Gesellschaftsrecht. Auch praktischer und wirtschaftlicher<br />

Sachverstand komb<strong>in</strong>iert mit breitem Branchenwissen wird gefordert – mith<strong>in</strong><br />

das Arbeiten auf der Schnittstelle. Angesichts der rasanten gesetzgeberischen Ent-<br />

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wicklungen s<strong>in</strong>d Aufsichtsräte und Vorstände gerade börsennotierter Gesellschaften<br />

immer häufiger auf externen Sachverstand angewiesen, um auf dem Laufenden zu<br />

se<strong>in</strong>. Dies kann gerade auch der <strong>Jurist</strong> etwa im Audit Committee Institute (ACI) der<br />

KPMG leisten – e<strong>in</strong>em Forum für Aufsichtsräte und Vorstände vor allem börsennotierter<br />

Gesellschaften, welches <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales Netzwerk von derzeit 25 gleichnamigen<br />

KPMG-Instituten weltweit e<strong>in</strong>gebunden ist.<br />

Besonders <strong>in</strong>teressant für breit <strong>in</strong>teressierte Berufsanfänger dürfte auch die Arbeit als<br />

Rechtsanwalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kanzlei se<strong>in</strong>, die eng mit e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

kooperiert, wie etwa die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft.<br />

E<strong>in</strong>e solche Kanzlei erwartet von den Bewerbern neben überdurchschnittlichen<br />

Noten vor allem Teamfähigkeit. Die darüber h<strong>in</strong>aus gefragten Grundkenntnisse im<br />

Steuerrecht oder Bilanzrecht erwirbt man entweder durch e<strong>in</strong> Grundstudium der<br />

Betriebswirtschaftslehre oder während des Rechtsreferendariats durch e<strong>in</strong>e Station<br />

etwa bei den F<strong>in</strong>anzbehörden oder e<strong>in</strong>er Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft.<br />

Aufgrund der stark <strong>in</strong>ternational ausgerichteten Tätigkeit gehört<br />

gutes Englisch <strong>in</strong> Wort und Schrift ebenfalls zum Anforderungsprofil. Idealerweise<br />

hat man diese Kenntnisse bei Auslandspraktika, e<strong>in</strong>er Auslandsstation im Rahmen<br />

des Referendariats oder e<strong>in</strong>em LL.M.-Studium erworben.<br />

Die Besonderheit bei e<strong>in</strong>er eng mit e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong> kooperierenden<br />

Kanzlei ist die umfassende Beratung der Unternehmen und Unternehmer.<br />

Den Mandanten werden bei Transaktionen und Umstrukturierungen <strong>in</strong>tegrierte<br />

Lösungen geboten. «Integriert» bedeutet, dass die jeweiligen steuer- und<br />

bilanzrechtlichen Bezüge immer mit bedacht werden. Das geht nur mit Anwälten,<br />

die um die Herangehensweise von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern wissen<br />

oder selbst doppelt qualifiziert s<strong>in</strong>d. So ist es möglich, ohne zahlreiche weitere Berater<br />

z. B. im Bereich Post-Merger-Integration oder bei Konzernumstrukturierungen,<br />

den rechtlich risikoärmsten Weg des Zusammenschlusses zugleich auch noch steuerlich<br />

und bilanziell zu optimieren. Dies birgt auch Effizienzvorteile für die Mandanten.<br />

Die Anwälte beraten darüber h<strong>in</strong>aus Banken und Investoren, etwa bei strukturierten<br />

F<strong>in</strong>anzierungen (<strong>in</strong>sbesondere Immobilien- oder Projektf<strong>in</strong>anzierungen).<br />

Der <strong>in</strong>tegrierte Beratungsansatz kommt auch hier voll zum Tragen. E<strong>in</strong> Beispiel aus<br />

der Praxis: E<strong>in</strong> ausländischer Immobilienfonds erwirbt e<strong>in</strong> großes Portfolio <strong>in</strong>ländischer<br />

Immobilien. Der Erwerb wird zu e<strong>in</strong>em erheblichen Teil durch Bankkredite<br />

f<strong>in</strong>anziert. Während die Rechtsanwälte die rechtliche Prüfung der Transaktionsstruktur<br />

und des Immobilienportfolios übernehmen und die Verträge entwerfen<br />

bzw. e<strong>in</strong>gehend prüfen, s<strong>in</strong>d Kollegen der Wirtschaftsprüfung für die Bewertung des<br />

Portfolios (Advisory) und die steuerliche Strukturierungsberatung (Tax) verantwortlich.<br />

Der Mandant, sei es der Immobilienfonds oder e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzierende Bank,<br />

erhält e<strong>in</strong>en «Service aus e<strong>in</strong>er Hand».<br />

E<strong>in</strong> anderes <strong>in</strong>teressantes Beispiel für die <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Tätigkeit ist die<br />

Betreuung von Mandanten bei der Konzeption, dem Bau und dem Betrieb sowie der<br />

F<strong>in</strong>anzierung von Biomasseanlagen. Was steckt dah<strong>in</strong>ter? Sog. Inputstoffe, oder<br />

Substrate, (wie Mais, Weizen oder Gülle) werden <strong>in</strong> großen, abgeschlossenen Behältern<br />

(sog. Fermentern) vergoren, und aus dem entstehenden Biogas wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Blockheizkraftwerk Strom erzeugt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Stromnetz e<strong>in</strong>gespeist. Dabei stellen<br />

sich vielfältige und spannende Fragen, die e<strong>in</strong> Verständnis für wirtschaftliche und<br />

technische Zusammenhänge sowie energierechtliche Spezialkenntnisse erfordern:<br />

Ist e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Versorgung mit Substraten dauerhaft gewährleistet? Ist die ver-<br />

Die Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anwaltskanzlei,<br />

die mit e<strong>in</strong>er Prüfungsgesellschaft<br />

kooperiert<br />

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54<br />

Zusammenfassung<br />

tragliche Leistungsbeschreibung für die Fermenter zufrieden stellend? Oder: wie<br />

kann sich e<strong>in</strong>e absehbare Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf<br />

die Höhe der zu erzielenden E<strong>in</strong>speisevergütungen für die Stromerzeugung auswirken?<br />

Auch das Arbeitsrecht kann e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Gerade hier werden die Vorteile<br />

e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Beratungsansatzes nicht nur im Zusammenspiel mit Steuerberatungs-<br />

oder Unternehmensberatungsleistungen sichtbar. So kann z. B. bei Restrukturierungsvorhaben<br />

die frühzeitige Kenntnis von den wirtschaftlichen Plänen die<br />

arbeitsrechtliche Kommunikationsaufgabe mit dem Betriebsrat und die nachfolgenden<br />

Verhandlungen zum Vorteil des Mandanten wesentlich erleichtern. Dazu<br />

kommt, dass gerade für die Mandanten, vielfach Leiter der Personalabteilung mit<br />

e<strong>in</strong>em wirtschaftswissenschaftlichen Studium, «Sparr<strong>in</strong>gspartner» wichtig s<strong>in</strong>d, die<br />

sowohl über hervorragende rechtliche Kenntnisse, als auch über den vielzitierten<br />

«Blick über den Tellerrand» verfügen.<br />

Ferner hat das öffentliche Recht e<strong>in</strong>e große Bedeutung. Dabei spielen das Vergaberecht,<br />

das Beihilfenrecht, das Bau- und Architektenrecht sowie sonstige Bereiche<br />

des öffentlichen Wirtschaftsrechts e<strong>in</strong>e besondere Rolle <strong>in</strong> der täglichen Beratungspraxis.<br />

Sei es im Rahmen der Transaktionsberatung oder der laufenden Beratung –<br />

es muss sichergestellt werden, dass öffentlich-rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gehalten<br />

werden. So unterstützen die Anwälte im Team mit Unternehmensberatern<br />

und Steuerberatern beispielsweise Bund, Länder und Kommunen sowie private<br />

Unternehmen bei der Strukturierung und Durchführung von Privatisierungen oder<br />

Public Private Partnerships und gewährleisten e<strong>in</strong>e abgestimmte Beratung sämtlicher<br />

relevanter Rechtsgebiete «aus e<strong>in</strong>er Hand».<br />

Wie <strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong>ternationalen Zuschnitts oder e<strong>in</strong>er Großkanzlei beraten<br />

<strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> großen <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en <strong>in</strong> Teams bei komplexen und<br />

großvolumigen Transaktionen und Strukturierungen. E<strong>in</strong> maßgeblicher Unterschied<br />

ergibt sich aber daraus, dass <strong>Jurist</strong>en hier häufig geme<strong>in</strong>sam mit Wirtschaftsprüfern,<br />

Steuerberatern und Unternehmensberatern arbeiten. Dies macht die<br />

Arbeit <strong>in</strong>teressanter und öffnet neue Horizonte und Geschäftsfelder, setzt aber auch<br />

e<strong>in</strong>e ausgeprägte Teamfähigkeit voraus. Mit der Zeit eignen sich die <strong>Jurist</strong>en <strong>in</strong> der<br />

Wirtschaftsprüfung daher e<strong>in</strong> immenses Schnittstellenwissen und e<strong>in</strong> breites wirtschaftliches<br />

Verständnis an, das sie <strong>in</strong> besonderem Maße <strong>in</strong> die Lage versetzt,<br />

geschätzter Ansprechpartner von Mandanten zu se<strong>in</strong>.<br />

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