Geschäftsbericht 2020
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Im Gespräch mit Margret Gauges, Expertin Intensivpflege<br />
13<br />
«Man weiss nie,<br />
was einen erwartet»<br />
Auf der Intensivstation, wo die kränksten Covid-<br />
19-Patienten liegen, leisten Pflegefachpersonen<br />
und Ärztinnen Schwerarbeit. Eine davon ist<br />
Margret Gauges, diplomierte Expertin Intensivpflege.<br />
Sie wusste bereits als kleines Mädchen,<br />
dass sie in der Pflege arbeiten will.<br />
Die Bilder aus Bergamo im Frühjahr <strong>2020</strong> waren<br />
erschütternd. Auf den Intensivstationen lagen die<br />
Patientinnen und Patienten reihenweise regungslos<br />
auf dem Bauch. Armeefahrzeuge transportierten die<br />
Särge in der Nacht aus den Spitälern ab. «Diese Fotos<br />
waren dramatisch und bleiben unvergessen», sagt<br />
Margret Gauges. Die 54-Jährige arbeitet seit sieben<br />
Jahren auf der Intensivstation des Spitals Bülach.<br />
Davor war sie fünf Jahre im Kantonsspital Winterthur<br />
tätig und absolvierte dort den Nachdiplomstudiengang<br />
«Expertin Intensivpflege». Vor ihrer Zeit in Winterthur<br />
hatte sie bereits acht Jahre auf der chirurgischen<br />
Abteilung des Spitals Bülach gearbeitet. Ihre Ausbildung<br />
zur Krankenschwester hatte sie auf der Schwäbischen<br />
Alb gemacht. «Meine Gotte war Krankenschwester.<br />
Als ich sie als kleines Mädchen im<br />
Krankenhaus besuchte, wusste ich, dass auch ich<br />
diesen Beruf erlernen will», erklärt Gauges.<br />
Das Spital auf den Kopf gestellt<br />
Intensivpflege ist immer fordernd. In Zeiten von<br />
Covid-19 nahm die intensivpflegerische Betreuung<br />
jedoch nochmals eine ganz neue Bedeutung an. Im<br />
Spital Bülach erlebte Margret Gauges die Auswirkungen<br />
von Covid-19 mit voller Wucht. Innert weniger<br />
Tage wurde das Spital im März <strong>2020</strong> auf den Kopf<br />
gestellt. Eine Bettenstation wurde komplett geräumt.<br />
Diese diente neu der Behandlung von Covid-19-<br />
Erkrankten. Zusätzlich wurde ein Operationssaal stillgelegt<br />
und mit vier zusätzlichen Intensivbetten und<br />
Beatmungsgeräten ausgestattet. «Innert kürzester Zeit<br />
haben wir Unmögliches möglich gemacht», sagt<br />
Margret Gauges. Neben den räumlichen Umstrukturierungen<br />
wurden alle nicht lebensnotwendigen Operationen,<br />
sogenannte elektive Eingriffe wie beispielsweise<br />
Hüftoperationen, verschoben. «Um die zusätzlich<br />
geschaffenen Betten zu betreiben, erhielten wir<br />
Unterstützung aus anderen Bereichen wie der Anästhesie,<br />
der OP-Pflege und der Physiotherapie», erläutert<br />
Margret Gauges. «Ohne diese Unterstützung<br />
hätten wir die Intensivstation nicht aufrechterhalten<br />
können.»<br />
Immer wieder herausfordernd<br />
«Auf der Intensivstation weiss man nie, was einen<br />
erwartet», erklärt die Intensivpflegerin. Es sei entscheidend,<br />
bei komplexen Situationen schnell reagieren zu<br />
können, den Überblick zu behalten und die richtigen<br />
Entscheidungen zu treffen. Covid-19-Patienten und<br />
-Patientinnen auf der Intensivstation zu betreuen, ist<br />
sehr personal- und zeitintensiv. Die Pandemie hat die<br />
Anzahl der zu beatmenden Patientinnen und Patienten<br />
auf einen Schlag erhöht. Das Arbeiten im Isolationsbereich<br />
ist sehr anstrengend und erschöpfend. «Es ist<br />
notwendig, dass immer wieder andere Kolleginnen und<br />
Kollegen abwechselnd im Isolationsbereich arbeiten.<br />
Nach einem achtstündigen Dienst in Schutzausrüstung<br />
fühlt man sich so erschöpft, als hätte man einen Halbmarathon<br />
absolviert», schildert Gauges die Situation auf<br />
der Intensivstation. «Wenn nach Wochen intensiver<br />
Therapie dennoch ein Patient stirbt, dann lässt mich das<br />
nicht unberührt. Ich habe Mitgefühl mit den Angehörigen,<br />
mit denen ich während der Behandlungszeit in engem<br />
Kontakt gestanden habe.»<br />
Dankbar für Patienten wie Heinz Trüssel<br />
Neben den tragischen Fällen gibt es auch Patientinnen<br />
und Patienten, die nach einer schwerwiegenden<br />
Covid-19-Erkrankung das Spital in einem guten Zustand<br />
wieder verlassen können. Heinz Trüssel zum Beispiel<br />
verbrachte ganze vier Wochen auf der Intensivstation<br />
und kann nun seinen Alltag wieder selbständig bewältigen.<br />
«Patienten wie Heinz Trüssel ermutigen uns,<br />
täglich unser Bestes zu geben.» (siehe Porträt Heinz<br />
Trüssel)<br />
Mit dem Oldtimer-Traktor durch die Gegend fahren<br />
Margret Gauges ist dankbar, während der Pandemie in<br />
einem so privilegierten Land wie der Schweiz wohnen<br />
und arbeiten zu dürfen. Wenn sie nicht auf der Intensivstation<br />
arbeitet, dann ist die Unterländerin viel draussen<br />
in der Natur: im Sommer auf dem Vierwaldstättersee<br />
und im Winter in den Bergen beim Skifahren. Seit<br />
bald 18 Jahren ist sie mit dem Gemeindepräsidenten<br />
von Neerach, Markus Zink, liiert. «Markus hat mich für<br />
Läufe begeistert: Wir haben gemeinsam an etlichen<br />
Wettkämpfen teilgenommen. Zudem begleite ich ihn<br />
und meine Tochter Sarah an Wettkämpfe, zum Beispiel<br />
an Waffenläufe. Zum Abschalten und Energie tanken<br />
fahre ich öfters nach dem Dienst mit einem meiner<br />
Oldtimer-Traktoren durch die Natur und geniesse so ein<br />
wenig das Cabriolet-Feeling», erzählt Margret Gauges.