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Nachwuchs auf Rädern<br />
© Foto: Leo Diekmann<br />
© Foto: Selma Lantzsch<br />
© Foto: Mario Vonhof<br />
Marla sieht man eher selten stehend und ohne Fahrradhelm - für Euch ausnahmsweise einmal (rechts).<br />
© Foto: Marcus Kaben<br />
„Komplett<br />
leerfahren.“<br />
© Foto: Fabienne Jährig<br />
© Foto: Wolfgang Stärke<br />
Wer im Radsport mitreden will, und es gibt ja von<br />
Sattelhöhen über Socken bis Trainingsstrecken<br />
ex trem viel zu besprechen, wird dann in den nächsten<br />
Jahren Marla kennenlernen.<br />
Marla Sigmund ist der Lichtblick des Hamburger Radsport-Verbands,<br />
so in Sachen Leistungssport. Derweil Leon Rohde Tokio rocken<br />
will, rockt Marla denn vielleicht Paris, denn sie ist gerade erst<br />
18 geworden. Wir sprechen mit ihr zwei Tage später als geplant,<br />
sie war im Trainingslager in Nieder-Österreich gestürzt, fast Gehirnerschütterung,<br />
Marla grinst die irgendwie weg: „Geht schon<br />
wieder.“ Marla ist tough, heißt das. Sie ist im U19-Kader Bahn UND<br />
Straße des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), noch nicht mal<br />
TEAM HAMBURG-Mitglied, obwohl sie wohl könnte. Alex Harms,<br />
aufgepasst, Marla kommt :-).<br />
Marla ist die Tochter von Kathi Sigmund, und die ist Vizepräsidentin<br />
im Verband und Trainerin beim FC St. Pauli. Und wer jetzt denkt,<br />
Marla ist auf dem Rad zur Welt gekommen, ein vergleichbares<br />
Schicksal erleiden ja z. B.<br />
viele Segler*innen, der<br />
fährt auf dem Holzweg,<br />
denn Familie Sigmund<br />
ist gemeinsam beim Radsport<br />
gelandet. „Ich habe<br />
erst mit 14 angefangen“,<br />
sagt sie, „fahre erst seit<br />
vier Jahren.“ Ihre größten<br />
Erfolge in ihren jungen<br />
Radler-Jahren sind aber beachtlich:<br />
EM-Dritte U19 im<br />
Bahnrad-Vierer, Deutsche<br />
Meisterin U17 und 7. Platz<br />
bei einer sehr angesagten<br />
niederländischen Radrundfahrt,<br />
der Watersly<br />
Ladies Challenge, als<br />
Nesthaken sozusagen. Wer<br />
also in Mathe nicht immer<br />
krank war, stellt fest, dass sie nach<br />
nicht mal zwei Jahren Radsport Deutsche<br />
Meisterin wurde. Talent geht/<br />
fährt so. Sie ist zurückhaltend und<br />
relativiert im wahrsten Wortsinne:<br />
„Ich war relativ schnell relativ gut“,<br />
meint sie ernst. „Meine Lehrer*innen<br />
und Schulkamerad*innen haben das,<br />
was ich mache, lange gar nicht als Sport verstanden“, erzählt sie,<br />
„aber ich habe mein Ding durchgezogen.“ „Harte Arbeit“, sagt sie<br />
selbst. Beeindruckend. Dennoch sieht sie entspannt aus. Verbissen<br />
geht anders. „Ich mache keine halben Sachen“, ihr Kiez, ihre Party<br />
am Wochenende: auf dem Rad, ihre Freundinnen und Freunde sind<br />
ihre Trainingsparter*innen. Auf die Schule nimmt sie Rücksicht, die<br />
Schule offensichtlich auch auf sie: „Mein Abi war trotzdem ganz gut,<br />
obwohl ich selten da war.“ Gruß an das Helene-Lange-Gymnasium,<br />
well done. 1,7 der Notendurchschnitt, ein beeindrucktes well done<br />
auch für Marla. Sie startet für die Radsport-Gemeinschaft Hamburg<br />
(RG-Hamburg), ihr Trainer in Hamburg ist Leo Diekmann. „Mich reizt<br />
die Geschwindigkeit“, sagt sie, von Beginn an, was im Grunde ja<br />
die Fähigkeit, sich quälen zu können, impliziert. „Ich kann mich<br />
komplett leerfahren“, sagt sie dann auch. Mit 18.<br />
Was ihr mehr liegt, wollen wir wissen, Straße oder Bahn, denn<br />
man könnte ja denken das schließt sich aus. Tut es aber nicht.<br />
„Beides“, sagt Marla natürlich, weil so unterschiedlich: „Die kurzen<br />
Strecken auf der Bahn tun von Anfang an weh“, sagt sie, „da musst<br />
Du durchballern.“ Sie weiter: „Auf der Straße ist vielmehr Taktik im<br />
Spiel: Windschatten, Sprintstrecken, flach, bergauf, wo überhol ich,<br />
wo nehme ich raus, da wird immer wieder neu gedacht.“ Das ist<br />
alles ihrs, man spürt es mit jeder ihrer Schilderungen. Die Frage<br />
nach Vision erübrigt sich fast, denn sie fährt ja beides, auf der<br />
Bahn könnte es mal olympisch werden, auf der Straße entwickelt<br />
sich sogar gerade eine World Tour für Frauen, „denn die sind im<br />
Radsport im Kommen.“ Da will sie mit einem/ihrem Team dann in<br />
die Weltspitze. Selbstverständlich. In diesem Jahr hat sie in jeder<br />
Disziplin noch Deutsche Meisterschaften vor der Nase (Zeitfahren,<br />
Straße, Bahn, also drei), je nach Abschneiden dann Europameisterschaften<br />
(macht sechs) und ggf. Weltmeisterschaften (wären dann<br />
neun). Schluck. Musst Du „durchballern“, Marla.<br />
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