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Gravelbike<br />
© Foto: Nadine Pohl<br />
Anders<br />
Radfahren<br />
Mal eben von Hamburg nach Berlin und zurück. Unten: Nächtliche Runde um den Bodensee, pünktlich zum Frühstuck zurück.<br />
© Fotos: privat<br />
schneller.“ Denn: „Eine Fahrradgeometrie schreit nach Modifizierungen“,<br />
sagt er, und wir wundern uns. Gebraucht macht sie<br />
günstig, „kein Rad kostet mehr als 1.000 Euro“ sagt er, aber da<br />
steckt auch eine andere Haltung dahinter: „Für mich muss nichts<br />
neu produziert werden“, und er sieht nicht aus wie ein Asket.<br />
Corona hat ihn aber sehr kreativ gemacht, er baut sich im Kopf<br />
seine eigenen Challenges, die entwickeln sich ´ne Zeitlang, und<br />
dann brettert er los.<br />
und Verpflegungsstationen alle 5 km. „Ich habe alle Verschleißteile<br />
dabei, Pausen – am besten nicht.“ Als nächstes will er durch<br />
Deutschland radeln, von Norden nach Süden, 1.000 km. In diversen<br />
Städten, auch ein paar von denen, in denen er schon gelebt hat,<br />
stoppen, wenn´s geht überflüssig – für die Tour nach Berlin und<br />
zurück hat er sich auch nur 4 Min. Schlaf gegönnt, das muss reichen.<br />
Ob jemand ein Freak ist, liegt ja immer im Auge des Betrachters.<br />
Aber was Thorsten Graf so auf seinem Fahrrad<br />
zu Wege/Straße bringt, ist schon sehr speziell.<br />
Er ist Arbeitspädagoge, hat eine tolle<br />
Tochter und eine tolle Frau, mit wahrscheinlich<br />
dickem Fell, die sich entspannt,<br />
weil sie ihn machen lässt, noch mal<br />
umdreht, wenn er um 1 Uhr nachts aufsteht,<br />
um mit dem Rad nach Berlin oder<br />
so zu fahren. Wie fast jede*r fährt er<br />
schon immer Rad, aber vor 10 Jahren<br />
hat er festgestellt, dass er zu viel sitzt.<br />
Er entschied, sich dann nunmehr nur<br />
noch mit dem Fahrrad fortzubewegen,<br />
in Hamburg, denn er ist an diversen<br />
Standorten in unserer schönen Stadt im<br />
Einsatz. Und er liebt es sowieso, in Großstädten<br />
Rad zu fahren. „Auch Hamburg ist eine tolle Fahrradstadt“,<br />
sagt er, und Anjes Tjarks wird es freuen.<br />
Dabei meint Thorsten gar nicht so sehr das wachsende<br />
Radwegenetz, sondern die Urbanität, das<br />
Fließen des Verkehrs, die Gerüche, die Atmo, und<br />
er mittendrin. „Und man ist genauso schnell wie<br />
mit dem Auto.“ Dabei fotografiert er auch noch<br />
– sehr gern und sogar gut, vom Rad aus, auch in<br />
Wien, Barcelona, und das so klasse, dass er Wettbewerbe<br />
gewinnt. Zur Preisverleihung nach Bremen<br />
fährt er mit dem Rad, ist klar. Die Strecke ist er jetzt mit dem<br />
Gravelbike gefahren, für ihn „ein Rennrad mit breiteren Reifen,<br />
ideal bei buckeligen Pisten in hohem Tempo. Ich entscheide,<br />
welches Rad ich nehme, immer entsprechend des Untergrunds“,<br />
erklärt er. Längere Touren fährt er aber mit dem Rennrad, und<br />
länger meint länger. In Summe hat er 8 Räder zuhause: 2 Falträder,<br />
„ich liebe Falträder, die sind nicht zu verachten, sehr praktisch,“<br />
natürlich, 1 Rennrad, 4 Gravelbikes und 1 Tandem. Die Räder haben<br />
einiges gemein. Zum einen sind alle Teile hierfür gebraucht, eBay<br />
lässt grüßen, wirklich alle. Und er baut sie selbstverständlich alle<br />
selbst zusammen. „So kenne ich jedes Detail und weiß, woran es<br />
liegen kann“, wenn´s klappert, sagen wir jetzt mal banal. „In der<br />
Regel modifiziere ich bei meinen Rädern den Antrieb, mache sie<br />
Grenzerfahrungen macht Thorsten öfter. Zum Beispiel: Als Ministerpräsident<br />
Günther die Einreise nach Schleswig-Holstein verboten<br />
hatte, hat Thorsten genau an der Landesgrenze, Innenkante<br />
natürlich korrekterweise, die Stadt umrundet (278,62 km). Oder<br />
er legt sich ein Rechteck auf die Karte von SH und fährt (als man<br />
wieder durfte) innerhalb von 24 Stunden 500 km. Hamburg,<br />
Ostsee, Nordsee, und zurück nach HH. Oder der Super Berlin<br />
Express, in die Hauptstadt und zurück, Nebenstrecken, 747 km<br />
in 33 Stunden. Über die zweieinhalb Stunden Pausen ärgert er<br />
sich fast. Da macht er dann Power Naps, für ein paar Sekunden<br />
(echt), an Haltestellen. Randbemerkung: Nach 350 km ist der<br />
Schaltzug gerissen, 400 km ist er also ohne Gangschaltung gefahren.<br />
„Manchmal kann ich über mich selber lachen“, sagt er<br />
zum Glück. „Ich will wohl testen, wozu ich imstande bin“, erklärt<br />
er, „will mich dabei aber auch um alles selber kümmern.“ Er braucht<br />
keine High-Fly-Events mit Schlafstatt für viel Euro, Finisher-Shirt<br />
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Unterwegs an der Ostseeküste.