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sporting RADius Sommer 2021

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Interview<br />

© Foto: Hamburger Senat<br />

Anjes Tjarks (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Juni 2020 Senator für Verkehr und Mobilitätswende.<br />

© Foto: <strong>sporting</strong> hamburg<br />

Strecke machen<br />

© Foto: Henning Angerer<br />

mit Anjes Tjarks!<br />

Wenn man ein Fahrrad-Special auflegt, ist es mal gar nicht (Achtung:)<br />

verkehrt, wenn man sich dazu mit dem Verkehrssenator<br />

auseinandersetzt. Und zwar mit Anjes Tjarks, dem Senator für<br />

Verkehr und Mobilitätswende, und warum setzt man sich dann<br />

nicht auch gleich noch gemeinsam aufs Rad?<br />

Wir treffen uns am Ortseingang Blankenese, <strong>sporting</strong> mit geliehenem<br />

Rad und Helm, er, durchaus im Radsportbereich unterwegs, will im Herbst<br />

noch mit Kumpels in Frankreich die Seealpen bis Nizza durchfahren, im<br />

Schnitt 1.000 Höhenmeter. OK, er fährt vor. Während der ersten Kilometer<br />

klärt er auf – und wir sind mitten im Thema, er gefühlt mitten auf der<br />

Fahrbahn. „Zu eng am Rand schummeln sich die Autos auf der gleichen<br />

Fahrbahn sehr an einem vorbei, das ist gefährlich. Bedenkt man die 1,5<br />

Meter Abstand, die eingehalten werden müssen, müssen Autos also<br />

schlichtweg warten, um an uns vorbeizufahren, und auf die andere Spur<br />

rüber“, macht Sinn, wieder was dazugelernt, und wir machen Strecke<br />

nach Wedel, kurze Abendrunde. In Wedel, in der Kehre an der Elbe,<br />

finden wir Platz, Zeit und Atem für die Kernfrage. Seine drei größten<br />

Herausforderungen in Sachen Radfahren in Hamburg, wollen wir wissen:<br />

„Infrastruktur, Abstellmöglichkeiten, Waseberg“, seine Antwort.<br />

Waseberg ist schnell abgehandelt, überraschend steile Auffahrt in<br />

Hamburg, bekannt von den Cyclassics oder wenn man mal am Elbstrand<br />

war – immer zu lang. Findet Ihr albern? Runterfahren ist easy, aber fahrt<br />

den mal rauf, schafft es wenigstens bis zur Holzbrücke, und dann könnt<br />

Ihr mitreden ;-). Infrastruktur ist nicht so schnell erledigt: „Strecke<br />

machen ist das Ding, wir haben im letzten Jahr 62 Kilometer Radwege<br />

gebaut, das ist sensationell viel“, erklärt Anjes Tjarks „Mit der Zahl 62<br />

sind wir in Deutschland spitze“, und das soll so weitergehen. Warum<br />

es dann in der HafenCity kaum Fahrradwege gibt, wollen wir wissen.<br />

Er so: „Kommt, ändern wir, zunächst mal mit Pop-up Lanes, Beispiel<br />

Sandtorkai.“ Er erklärt weiter: „Das Wie der Radwege, wenn man sich<br />

mehr Radverkehr wünscht, ist hierbei ein wichtiger Punkt: Früher waren<br />

Radwege teils 50 cm breit, jetzt am liebsten 2,25 m, optimal wären für<br />

mich 2,50 m plus 50 cm Protektion mittels Kantstein. Macht 3 Meter, das<br />

ist fast eine ganze Fahrbahn – natürlich nicht überall umzusetzen, aber<br />

´ne Messlatte brauchen wir.“ Dazu kommt die Frage des Belags, Asphalt ist<br />

wünschenswert. Und: „Bei der Einrichtung unseres Radschnellwegenetzes<br />

müssen ja überall da, wo sie langgeführt werden sollen, entsprechend<br />

Maßnahmenblätter für jeden Straßenzug erstellt werden, das sind über<br />

300 für das gesamte Projekt, ist so“, auf dem Weg zu einem Radwege-Netz.<br />

Wie Schnell- bzw. Einfallstraßen sollen die Radwege nämlich Hamburg<br />

sternförmig ansteuern, um auch ein Pendeln aus Rissen oder Bergedorf<br />

in die City per Rad zu ermöglichen.<br />

An Bahnstationen wird es<br />

sichere Abstellmöglichkeiten<br />

geben, damit man<br />

ggf. in die Öffis wechseln<br />

kann, bei gutem Wetter<br />

wie heute fährt man dann einfach weiter. Zumal das Schnellwegenetz<br />

innerstädtisch dann ins Veloroutennetz mündet, klingt auch nett, und in<br />

den Bezirken dann an die gleichermaßen auszubauenden Schulradwege<br />

angeschlossen werden soll. „Ein großer Teil der Fahrradfahrer, so rein<br />

statistisch, sind Schüler*innen, das unterschätzt man immer“, führt er<br />

weiter aus, als wir nach Fakten fragen. Mittlerweile beantwortet HaRa-<br />

ZäN, das Hamburger Radverkehrszählnetz, diese Fragen. Das sind über<br />

100 Wärmebildkameras an neuralgischen Punkten, die den Radverkehr<br />

messen. „Die Radnutzung hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt“,<br />

erklärt Anjes Tjarks, was ja einer Bestätigung bzw. einer Verpflichtung<br />

gleichkommt, Stichwort: Henne/Ei. Und dann wird es auch noch grüner,<br />

was bei ihm ja nicht überrascht, Beispiel Königstraße in Altona: Bei der<br />

Errichtung der Bikelane dort, da werden nämlich auch gerade drei Schulen<br />

gleichzeitig gebaut, pflanzt er für die dafür zu fällenden drei Bäume 50<br />

neue Bäume, macht netto 47 plus – Deal. BlueGreenStreet ist da die<br />

Idee, denn recht aufwendig wird sogar Regenwasser zur Bewässerung<br />

dieser Bäume gesammelt. „Straßenplanung ist eben mehr“, erklärt er.<br />

„Lärmbelastung ist ein Thema, auch Genderfragen, warum fahren Männer<br />

in Hamburg doppelt so viel Auto wie Frauen?“, er weiter: „Fragt man die<br />

Frauen, fühlen sie sich im öffentlichen Raum, im Verkehr der Großstadt oft<br />

nicht gleichermaßen sicher.“ Viele Aufgaben bei der Infrastrukturplanung,<br />

sicherlich auch hinsichtlich der Nutzung des Fahrrads, viele Themen …<br />

und dabei müssen wir noch zurück nach Hamburg ...<br />

Abschließend, beim Aufsteigen, noch 10 Sprint-Fragen: Mit einem<br />

Polorad kann Anjes Tjarks nicht so viel anfangen, OK, er ist auch erst 40,<br />

die Cyclassics ist er mit 16 schon gefahren, aktuell ist da nichts geplant,<br />

E-Bikes findet er cool, haben für ihn Suchtpotenzial, „deswegen hab ich<br />

noch keins.“ Aber: „Toll, gerade für ältere Herrschaften, erst recht, wenn<br />

sie dafür das Auto stehen lassen“, grinst er. Radtour oder Wanderung?<br />

„Definitiv Radtour, da haben sogar unsere Kids Spaß.“ Reifen flicken, macht<br />

er, sonst kann er da nicht so viel, gibt er ehrlich zu. Wann er sich das<br />

letzte Mal über einen Autofahrer aufgeregt hat, können wir uns selber<br />

beantworten, wir waren nämlich dabei, also vor 15 Minuten. Anjes Tjarks:<br />

„Abstand ist das häufigste Thema, deswegen Protected Bike Lanes.<br />

Aber so grundsätzlich bin ich zum Glück niemand, der sich gern aufregt.“<br />

Oben: Ausfahrt mit <strong>sporting</strong>-Herausgeber Martin Blüthmann. Unten: Anjes Tjarks kommt zu fast allen Terminen mit dem Fahrrad.<br />

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