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freilauf — Magazin für Fahrradkultur - Ausgabe 2021

Wenn man dem bekannten Spruch "Aller guten Dinge sind drei" Glauben schenken kann, dann dürfte unsere dritte Ausgabe des Magazins "freilauf" wieder gut ankommen. Wir haben eine bunte Palette an Themen, Bildern, Inspirationen gesammelt und freuen uns, einmal mehr viele Künstler und ihre Werke rund ums Fahrrad vorstellen zu dürfen.

Wenn man dem bekannten Spruch "Aller guten Dinge sind drei" Glauben schenken kann, dann dürfte unsere dritte Ausgabe des Magazins "freilauf" wieder gut ankommen. Wir haben eine bunte
Palette an Themen, Bildern, Inspirationen gesammelt und freuen uns, einmal mehr viele Künstler und ihre Werke rund ums Fahrrad vorstellen zu dürfen.

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Nummer 3<br />

<strong>freilauf</strong><br />

<strong>Magazin</strong> <strong>für</strong> <strong>Fahrradkultur</strong><br />

Preis: 9,80 Euro


„ALLER<br />

GUTEN DINGE<br />

SIND DREI“<br />

Wenn man dem bekannten Spruch Glauben schenken<br />

kann, dann dürfte unsere dritte <strong>Ausgabe</strong> des <strong>Magazin</strong>s<br />

Freilauf wieder gut ankommen. Wir haben eine bunte<br />

Palette an Themen, Bildern, Inspirationen gesammelt und<br />

freuen uns, einmal mehr viele Künstler und ihre Werke<br />

rund ums Fahrrad vorstellen zu dürfen.<br />

Farbexplosionen verspricht der fantasievolle Fotograf<br />

und Künstler Robby Becker, Carole B. Perret fasziniert<br />

mit ihren kleinen Nonnen auf Rädern, Marc Locatelli<br />

lässt mit seinen Cartoons in die vergangene Welt der<br />

Sechstagerennen der Siebzigerjahre wieder aufleben.<br />

Kreative Poster umschreiben kunstvoll die Welt des<br />

Fahrrades.<br />

Wir stellen Ihnen die Fahrradstadt Münster aus einer ganz<br />

eigenen Perspektive vor. Der Verein Historische Fahrräder<br />

e. V. entführt in längst vergangene Zeiten. Und auch<br />

die Touren durch das Altmühltal führen zu den Spuren<br />

der Erdgeschichte. Paul Sonn erzählt von seiner großen<br />

Leidenschaft und seiner unbeschreiblichen Sucht nach<br />

den großen Alpenpässen. Eine Bikepackinggeschichte<br />

der besonderen Art schreibt Markus Stitz, der an der<br />

ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang fuhr und seine<br />

Grenzerfahrungen im Video festhielt. Sehr beeindruckend<br />

berichtet Kilian Reil von seiner Bikeraftingtour in<br />

Yakutien, während Tobias Traunecker den Jakobsweg auf<br />

Abwegen erlebte.<br />

BILD: ALEXANDER ESPIG<br />

In unserer Firmengeschichte stellen wir Ihnen die zwei<br />

starken Frauen bei KTM vor, die mit großem Mut, viel<br />

Kraft und sympathischer Bodenständigkeit ein florierendes<br />

Unternehmen führen.<br />

Mit Renaud Poutot präsentieren wir Ihnen ein echtes<br />

Multitalent. Der ehemalige Rallyefahrer entwirft und baut<br />

heute hochwertige Designer Räder. Beeindruckend sind<br />

auch die aufsehenerregenden eBikes, die die Edelschmiede<br />

Ruff Cycles in unserer schönen Stadt Regensburg<br />

produziert. Aus dem fernen Australien stammen die<br />

individuellen Fahrradschuhe von VeloKicks, die mit<br />

ihren unvergleichlichen Designelementen ein absoluter<br />

Hingucker sind.<br />

Wir hoffen, dass auch wir die Blicke auf und in unser<br />

neues <strong>Magazin</strong> ziehen können und wünschen viel Spaß<br />

und „Freilauf“ beim Lesen.<br />

JOHANN FINK, HERAUSGEBER<br />

TITELBILD: LISA ESPIG


INHALT<br />

06<br />

54<br />

06 ARTCRANK<br />

bringt Kunst und Radfahren zusammen. Eine<br />

kleine feine Auswahl mit von Fahrrädern<br />

inspirierten Postern<br />

14 ERFOLGSLEITER<br />

Bei KTM in Mattinghofen gehen Mutter und<br />

und Tochter ihren Weg und schreiben eine<br />

eindrucksvolle Firmengeschichte<br />

22 STADTRADELN<br />

Lebensgefühl und tiefe Verbundenheit zum<br />

Fahrrad setzt Monika Belting mit Fotos und<br />

Porträts aus Münster ausdrucksstark in Szene<br />

30 EDDY MERCKXS COMIC<br />

Marc Locatelli holt Atmosphäre und<br />

Emotionen aus der Welt der Sechstagerennen<br />

in den Siebzigerjahren zurück<br />

34 RASANTE RÄDER<br />

Spielspaß mit Holzfahrrädern aus<br />

dem Erzgebirge<br />

36 UNITED CRUISER<br />

Vom Rallyepiloten zum Fahrrad-Designer:<br />

Renaud Poutot im Interview<br />

42 GRANDURANCE PRIDE<br />

Ein Fahrrad inspiriert von den Regenbogenfarben<br />

der berühmten Pride Flag von Gilbert Baker<br />

44 MADONNA DEL GHISALLO<br />

Der Ghisallo-Pass wird <strong>für</strong> seine 14 Prozent-<br />

Steigung ge<strong>für</strong>chtet, doch oben wartet die<br />

Schutzpatronin der Radsportler<br />

48 LEUCHTSTARK<br />

Die neue Norco Reflect-Serie strahlt und schützt<br />

designstark im Dunkeln<br />

50 CAROLE B. PERRET<br />

Die Künstlerin verzaubert mit ihren kleinen<br />

Nonnen auf Rädern<br />

54 ZEITREISE<br />

Der Verein Historische Fahrräder e.V. lässt längst<br />

vergangene Tage wieder aufleben<br />

60 BEZAUBERNDES ALTMÜHLTAL<br />

Abwechslungsreiche Radwege zu den Spuren<br />

der Erdgeschichte<br />

04


Fotos: Eliza Southwood, Verein Historische Fahrräder e.V., Ruff Cycles, Velokicks<br />

68 78<br />

66 BLACK EDITION<br />

Die Inspiration <strong>für</strong> Brompton: Das Leben in<br />

der Stadt am Tag und in der Nacht<br />

68 VELOKICKS<br />

Radschuhe individuell wie die<br />

Radsportler selbst<br />

72 LEIDENSCHAFT<br />

Mehr als 40 Alpenpässe hat Paul Sonn<br />

erklommen und sich damit seinen größten<br />

Wunsch erfüllt<br />

78 RUFF CYCLES<br />

Einzigartige Bikes, tolles Team – Die Regensburger<br />

Edelschmiede wächst und fasziniert<br />

86 PILGERN & BLOGGEN<br />

Unterwegs auf dem Jakobsweg mit Leidenschaft<br />

<strong>für</strong>s Schreiben, Reisen und das<br />

Gespür <strong>für</strong> gute Photos<br />

92 4FOREST<br />

Take a walk on the Wald Side mit dem<br />

Gravelbike unter den Lastenrädern<br />

94 GRENZERFAHRUNGEN<br />

Die Bikepacking-Reise von Markus Stitz ist<br />

zugleich eine Tour der Freiheit, die er in<br />

einem Video festgehalten hat<br />

100 ROBBY BECKER<br />

Der Künstler bringt seine Liebe zum Radsport<br />

in seinen Bildern zum Ausdruck<br />

104 YAKUTIEN MIT BIKE & BOOT<br />

Bikerafting-Projekt mit Expeditionspotenzial<br />

durch beeindruckende Landschaften und<br />

unberührte Natur<br />

112 URBANER CHIC<br />

Sicher gut aussehen mit dem Casco Roadster Plus<br />

114 VORSCHAU / IMPRESSUM<br />

05


ARTCRANK<br />

FAHRRADKUNST<br />

Fahrräder sind die unterhaltsamste und zugänglichste Art,<br />

sich auf der Welt fortzubewegen. Poster sind die unterhaltsamste und<br />

zugänglichste Kunstform der Welt. ARTCRANK bringt sie zusammen.<br />

Explore – The Half & Half<br />

ARTCRANK® veranstaltet Pop-up-Kunstshows<br />

mit von Fahrrädern inspirierten Postern lokaler<br />

Künstler. Seit der ersten Show in Minneapolis im<br />

Jahr 2007 wurden mehr als 75 Veranstaltungen<br />

in den USA und darüber hinaus durchgeführt.<br />

Weltweit haben mehr als 150.000 Menschen an<br />

ARTCRANK-Veranstaltungen teilgenommen,<br />

darunter Shows in Austin, Boston, Chicago,<br />

Denver, Los Angeles, New York, Portland, Seattle,<br />

San Francisco und Washington DC sowie internationale<br />

Shows in London, Bournemouth, Bristol,<br />

Manchester, USA und Paris. ARTCRANK verkauft<br />

das ganze Jahr über Poster über artcrank.com,<br />

wo auch Fotos, Videos und Geschichten über die<br />

Schnittstelle von Fahrrädern und Kunst zu finden<br />

sind. Die nächste Show ist <strong>für</strong> die Heimatstadt<br />

Minneapolis Ende September <strong>2021</strong> geplant.<br />

Farbtheorie in Aktion – Das Coolste an diesem Poster ist die Art und Weise, wie sich<br />

die transparenten Links überlappen, um alle Arten von Farben zu erzeugen. Am liebsten<br />

ist es den Künstlern einfach aufs Fahrrad zu steigen und ohne einen wirklichen<br />

Plan loszufahren. Das Fahrrad kann einen zu allen möglichen neuen und aufregenden<br />

Orten bringen, selbst wenn der sich im eigenen Garten befindet. The Half the Half<br />

hoffen, dass dieses Bild die Menschen dazu ermutigt, auf ihr Fahrrad zu steigen und<br />

die Umgebung zu erkunden – sie werden möglicherweise überrascht sein, was sie<br />

finden. artcrank.comcollectionsoriginalartproductshheplore<br />

06


Champs Élysées by Eliza Southwood<br />

„Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen,<br />

das Ende der Tour de France in Paris zu sehen.<br />

Seitdem wollte ich ein Kunstwerk schaffen,<br />

das die Atmosphäre und die Aufregung<br />

widerspiegelt, die Radfahrer in ihrer letzten<br />

Runde um die Champs-Élysées kommen zu<br />

sehen.“<br />

artcrank.comcollectionsdigitalprintsproductseschampselyseesdigital


The Delivery by Moon Light Speed /Joe Triscari<br />

„Außerhalb des Üblichen –<br />

Ich wollte Spaß mit diesem Poster<br />

haben, mit dem Medium herumspielen<br />

und außerhalb meines üblichen Stils<br />

arbeiten. Ich dachte, es würde Spaß<br />

machen, einen Siebdruck zu machen,<br />

der einen Engel zeigt, der ein Fahrrad<br />

vom Himmel liefert. Vielleicht ist es<br />

nur die Idee, dass das Fahrrad ein ideales<br />

Transportmittel ist, die es <strong>für</strong> mich<br />

attraktiv gemacht hat, aber ich fand<br />

das Konzept angemessen.“<br />

moonlightspeed.tumblr.com;<br />

artcrank.comcollectionsoriginalart<br />

productsmlsthedelivery


„Ich liebe es, durch Minneapolis zu radeln und die versteckten Bereiche der<br />

Stadt zu erkunden, die man mit dem Auto nicht erreichen kann.<br />

Minnesota hat so viele schöne Trails. Ich war inspiriert von dem Gefühl, die<br />

erste Frühlingsfahrt zu machen. Ich liebe auch Jugendstil-Poster, daher ist<br />

dieses Bild stark von Alphonse Mucha und alten Grateful Dead-Postern aus<br />

den 0er und 70er Jahren beeinflusst. Ich liebe die Blumen in ihren Haaren.<br />

nd ihre Haare im Allgemeinen.“ artcrank.comcollectionsdigitalprintsproductsctleprintempsarrivedigital<br />

Le Printemps Arrive by Courtney Thomas<br />

9


Bebe the Saboteur by Meher Khan<br />

„Ich arbeite sowohl als Designerin als auch<br />

als Illustratorin, aber meine persönlichen<br />

Projekte enthalten normalerweise viele<br />

komplizierte Illustrationen. Ich neige dazu,<br />

Themen einzubeziehen, die ich persönlich<br />

liebe und sie als geschätzt und intelligent<br />

darzustellen, und ich schließe oft subversiven<br />

Humor ein.<br />

Ich habe ein Kätzchen namens Bebe, das<br />

jetzt 7 Monate alt ist und gerne alles beißt.<br />

Als meine Freundin „ein <strong>für</strong> Bebe gebautes<br />

Fahrrad“ als mein Thema vorschlug, dachte<br />

ich: „Bebe würde kein Fahrrad fahren,<br />

sie würde es beißen.“<br />

artcrank.comcollectionsoriginalartproductsmkbebethesaboteur


Inseparable by Todd Zerger<br />

„Als Kinder war das Zusammenschließen<br />

von Fahrrädern ein<br />

Zeichen der Freundschaft. Wir<br />

verlieben uns in das Radfahren, das<br />

uns auf viele Abenteuer mitnimmt<br />

und uns als Gemeinschaft verbindet.<br />

Schließlich verlieben wir uns in<br />

einen Partner, mit dem wir „bis der<br />

Tod uns scheidet“ fahren wollen und<br />

haben wieder jemanden, mit dem<br />

wir Fahrräder abschließen können.“<br />

Was inspiriert Todd Zerger?<br />

„Leben als Abenteuer – Ich bin<br />

inspiriert, wenn ich mich dem<br />

Leben als Abenteuer nähere. Auch<br />

wunderbares Design, Wissenschaft,<br />

Architektur, Natur, kluge Leute,<br />

überzeugende Ideen.“ artcrank.com<br />

collectionsdigitalprintsproducts<br />

tz-inseparable-digital<br />

11


Ellen Schofield liebt es, fröhliche, bunte,<br />

geometrische Designs zu entwerfen.<br />

Das Poster war eine Anspielung auf die<br />

Idee, das Radfahren zum Mittelpunkt<br />

des Universums (oder Sonnensystems)<br />

zu machen. Das Coolste an dem Poster:<br />

Star Clash – Wenn man genau hinsieht,<br />

sieht man einen winzigen Kampf zwischen<br />

den Schiffen aus Star Wars und<br />

Star Trek.<br />

artcrank.comcollectionsdigitalprints<br />

productsessolcycledigital<br />

Sol Cycle by Ellen Schofield


Orange Dreamcycle by Sam Schuna<br />

„Einfache Blöcke und Formen – Ich habe<br />

mich entschieden, bei diesem Druck keine<br />

großen Schlüssellinien zu verwenden, wie es<br />

normalerweise bei meinen anderen Arbeiten<br />

der Fall ist, sondern einfache Farbblöcke und<br />

Formen zu verwenden. Ich wollte einfach eine<br />

gesunde, alternative Frau aus dem Mittleren<br />

Westen zeichnen, die ein Fahrrad fährt.<br />

Am Fahrrad gefällt mir: Fahrradfahren gibt<br />

Zeit zum Denken, Reflektieren, Reagieren.<br />

Es gibt auch eine intimere Interaktion mit der<br />

Landschaft, durch die man fährt.“<br />

artcrank.comcollectionsoriginalartproductsssorangedreamcycle<br />

13


» JEDER ERFOLG<br />

GILT IMMER NUR<br />

FÜR DEN<br />

MOMENT. «


ERFOLGS<br />

GESCHICHTE<br />

Vor 25 Jahren nahm Carol Urkauf-<br />

Chen die Feder bei KTM Fahrrad<br />

in die Hand und schrieb mit viel<br />

Mut, großer Kraft, ausgeprägtem<br />

Geschäftssinn und Verantwortungsgefühl<br />

eine ausgesprochen beeindruckende<br />

Firmengeschichte. Sie machte<br />

aus KTM ein international anerkanntes,<br />

sehr erfolgreiches, florierendes<br />

Unternehmen. Tochter Johanna<br />

Urkauf schreibt nun die Fortsetzung<br />

und steht in der Geschäftsführung<br />

ihre Frau.<br />

Nicht immer waren die Zeiten bei KTM rosig. Im Jahr 1995<br />

stand die Firma praktisch vor dem Konkurs. Viele Mitarbeiter<br />

mussten um ihren Job bangen. Am 7. Januar 1996<br />

schließlich übernahm Frau Urkauf-Chen die Leitung und<br />

konnte mit großartigem Einsatz und unternehmerischem<br />

Geschick das Ruder herumreißen. Frau Urkauf-Chen hatte<br />

zum damaligen Zeitpunkt zwei kleine Kinder und sprach<br />

kaum ein Wort Deutsch. Ihre 18-jährige Erfahrung in der<br />

Fahrradbranche in Taiwan und ihre zahlreichen guten Beziehungen<br />

waren neben ihrem Mut ihr Kapital.<br />

„Es war sehr schwer, aber ich hatte nie Angst! Für mich<br />

gab es nie die Frage, ob ich es schaffe, ich musste einfach.“,<br />

erzählt sie uns in einem Interview. Sie begann damals im<br />

Dezember Geld zu sammeln, um die Mitarbeiter mit Weihnachtsgeld<br />

in den Urlaub schicken zu können. Dass auch<br />

heute noch die Fluktuation der Belegschaft sehr gering ist<br />

und viele Mitarbeiter – teils seit drei Generationen – der<br />

Firma die Treue halten, spricht <strong>für</strong> sich. „Wir mussten alle<br />

sehr viel arbeiten“, meint Frau rkaufhen, „um eine<br />

eziente roduktion zu bewerkstelligen und die Mitarbeiter<br />

zogen mit.“<br />

Bevor sie nachts in Eigenregie ihr Deutsch verbesserte,<br />

sprach man die internationale „Fahrradsprache“ mit Händen<br />

und Gesten. Ihre Devise „Jeder Erfolg gilt immer nur<br />

<strong>für</strong> den Moment“, drückt aus, dass die Rettungsaktion nicht<br />

<strong>für</strong> den schnellen Fortschritt ausgelegt war, sondern in<br />

Etappen auf langfristiges, sicheres, stetiges Wachstum setzte.<br />

„Ich kann immer nur kleine Schritte gehen, aber wenn<br />

diese Schritte eine Richtung haben, dann stellt sich der<br />

Erfolg ein.“ Frau rkaufhens guter Name in der Branche,<br />

die vielen Kontakte und die Erfahrungen aus Taiwan kamen<br />

ihr zugute. „Ich habe 18 Jahre in der Fahrradindustrie<br />

gearbeitet. Ich wusste dadurch, welche rodukte der Markt<br />

benötigt. Aber wichtig war es, so schnell wie möglich eine<br />

eziente roduktion zu bewerkstelligen.“<br />

Ein großer Faktor <strong>für</strong> den Erfolg war die Stilllegung der<br />

alten Stahlfertigung 1998 und die Umstellung auf Alu-Rahmen<br />

aus Taiwan. Mit der Schließung der eigenen Rahmenproduktion<br />

<strong>für</strong> gemuffte und gelötete Stahlrahmen ging<br />

ein KTMKapitel zu Ende. Aber <strong>für</strong> die Fahrradfirma KTM<br />

– der Name steht übrigens <strong>für</strong> Kronreif, Trunkenpolz (beide<br />

Firmengründer) und den Standort Mattinghofen – war es<br />

ein guter Anfang. „Ich musste das durchsetzen. Die roduktionsweise<br />

war nicht mehr zeitgemäß“, erklärt sie den<br />

schwierigen, aber notwendigen Schritt.<br />

015


Carol Urkauf-Chen setzt auf hochwertige Räder, Innovationen,<br />

Weitblick. Schon damals war das Thema E-Bike präsent. In<br />

Taiwan gehörten Fahrräder mit Antrieb als Transport- und<br />

Verkehrsmittel bereits seit längerem zum Straßenbild. Und<br />

Carol Urkauf-Chen hat das E-Bike nie aus den Augen verloren,<br />

auch wenn es noch einige Zeit dauern sollte, bis die ersten<br />

Modelle 1994 an den Start gingen. Die Testversuche verliefen<br />

nicht wirklich erfolgreich und schließlich sogar im Sand. Mit<br />

einem edelec mit nur Kilometern Reichweite und einem<br />

recht hohen Gewicht konnte man keinen Stern gewinnen.<br />

Doch heute zählen edelecs zu den Verkaufsschlagern im<br />

KTMSortiment und viele Auszeichnungen und reise belegen<br />

hohe Qualität und starkes Design. Vor allem mit der<br />

Sparte E-MTB, in der KTM als Vorreiter gilt, konnte<br />

man das damalige Image vom „Seniorenrad“ kräftig<br />

aufpolieren. Oft zieht die KTMhefin auch selbst ihre<br />

Kreise durch die schöne österreichische Landschaft. So<br />

hat sie auch an der Entwicklung entscheidend mitgewirkt,<br />

ihre Erfahrungen und Ideen eingebracht.<br />

Auf die Frage, ob Sie eine owerfrau in einer Männerdomäne<br />

sei, meinte Frau Urkauf-Chen im Interview,<br />

dass man es als Frau in einer Führungsposition schon<br />

doppelt schwer habe, man müsse doppelt Einsatz<br />

» ICH MAG DAS ARBEITEN IM FAHRRAD-<br />

BEREICH SEHR GERNE. MAN IST HIER<br />

SEHR BODENSTÄNDIG, WAS ICH<br />

PERSÖNLICH SEHR SCHÄTZE. «


zeigen. Trotzdem betont sie: „Ich selbst würde mich nie als<br />

Siegerin oder owerfrau bezeichnen. Ich habe in meinem<br />

ganzen Leben nie einen solchen Gedanken gehabt.“ Sie ist<br />

der Ansicht, dass Frauen sehr stark sein können, wenn sie<br />

ein Ziel haben, <strong>für</strong> das es sich zu kämpfen lohnt. „Frauen<br />

haben die Kraft und den Willen, den Weg zu gehen, den sie<br />

gehen müssen, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Das liegt in<br />

ihrer Natur.“<br />

Seit 1. Januar 2018 ist Frau Urkauf-Chen nun in den Aufsichtsrat<br />

bei KTM gewechselt und ihre Tochter Johanna<br />

hat die Geschäftsführung des millionenschweren Unternehmens<br />

übernommen. Die 31-Jährige ist bewusst in die<br />

großen Fußstapfen der Mutter gestiegen, sie hat im Vorfeld<br />

alle Abteilungen bei KTM durchlaufen und wertvolle<br />

Erfahrungen gesammelt. Sie kennt die Mitarbeiter und die<br />

Mitarbeiter kennen sie. Die junge, ausgesprochen sympathische<br />

Frau geht mit vollem Einsatz, beeindruckender<br />

Bodenständigkeit und auch einer gesunden ortion Respekt<br />

an ihre herausfordernde Aufgabe heran.<br />

017


Warum sie sich <strong>für</strong> die Bikebranche entschieden hat? „Ich<br />

mag das Arbeiten im Fahrradbereich sehr gerne. Man ist<br />

hier sehr bodenständig, was ich persönlich sehr schätze.<br />

Was mich auch beeindruckt, ist die Innovationskraft der<br />

Sparte.“<br />

Johanna Urkauf weiß das Lebenswerk ihrer Mutter zu<br />

würdigen und erinnert sich mit großer Wertschätzung<br />

und Achtung an die herausfordernde Zeit, als es um KTM<br />

schlecht stand. „Ich war noch sehr jung. Die Kindergartenund<br />

Volksschulzeit war schon ziemlich turbulent“, sagt sie.<br />

Die Mutter war oft müde, aber sie hat sich immer Zeit <strong>für</strong><br />

die Töchter genommen, war immer <strong>für</strong> sie da. Wenn sie<br />

zurückblickt, wie ihre Mutter das alles gemeistert hat, gibt<br />

ihr das Mut und Willenskraft. Und sie sieht darin auch eine<br />

gewisse Vorbildfunktion.<br />

» OHNE<br />

QUALITÄT IST<br />

QUANTITÄT<br />

SINNLOS UND<br />

VERGEBENE<br />

MÜH. «<br />

Für die motivierte Frau in der Chefetage gilt es gerade jetzt<br />

in Zeiten von orona viele Hürden und Widerstände zu<br />

meistern. „Momentan ist es meine größte Herausforderung,<br />

die Firma wie ein Schiff durch die stürmische hase zu<br />

bringen. Mit Flexibilität, gutem Überblick und lösungsorientiertem<br />

Arbeiten muss ich versuchen, Mitarbeiter und<br />

Unternehmen durch diese ungewöhnliche Zeit zu führen.<br />

aradoerweise macht der erfreuliche Fahrradboom die<br />

Arbeit derzeit nicht einfacher, sondern bringt die gesamte<br />

Branche mächtig ins Schwitzen. Nicht nur der E-Bike Bereich<br />

wächst außerordentlich, auch Fahrräder ohne Antrieb<br />

sind stark gefragt aber lanung und Organisation werden<br />

schwieriger. Eine gute Organisation der Supply-Chain ist so<br />

wichtig wie noch nie.<br />

Dennoch meint Johanna Urkauf: „Wir arbeiten eng mit<br />

unserer Mannschaft zusammen und setzen auf intensiven<br />

Austausch.“<br />

Besonders darin sieht die aufgeschlossene Geschäftsführerin<br />

eine sehr positive Seite ihres Jobs, denn selbst wenn es<br />

momentan nicht einfach ist, so sind die tagtägliche Zusammenarbeit<br />

und die Gespräche mit den Mitarbeitern, dem<br />

Management und auch ihrer Mutter immer wieder eine<br />

Freude und sorgen <strong>für</strong> Motivation.<br />

Gerade jetzt muss man motiviert und sehr engagiert an die<br />

Aufgaben herangehen. Auch Kreativität ist gefragt. Messen


sind nicht möglich, so muss die räsentation der Fahrräder<br />

und rodukte zum Beispiel mit Renderings anders gestaltet<br />

werden. Erst kürzlich wurde die Homepage relauncht, neu<br />

aufgebaut und ein B2BShop <strong>für</strong> die Händler eingerichtet.<br />

Auch die Investitionen, wie etwa in die neue roduktionshalle,<br />

machen sich bezahlt. Die Leute haben genug latz und<br />

können entsprechend Abstand halten. Die neue Logistikhalle<br />

wurde fertiggestellt, ein Materiallager und ein Lager <strong>für</strong><br />

den Großhandel sind in lanung. Alle Investitionen basieren<br />

auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Dabei spielt die<br />

erneuerbare, selbsterzeugte Energie eine besonders große<br />

Rolle. Die klaren Trumpfkarten hierbei sind die hotovoltaik<br />

und die Nutzung von Erdwärme. Mit einer Leistung von<br />

bis zu 0.000 Watt pro Stunde ist die hotovoltaikAnlage<br />

bei idealen Bedingungen in der Lage, einen Großteil des<br />

Strombedarfs <strong>für</strong> den roduktionsbetrieb zu erzeugen.<br />

019


» MAN VERBIN-<br />

DET MIT DEM<br />

FAHRRAD VIELE<br />

ERINNERUNGEN.«<br />

Und ganz wichtig, man muss weiterhin auf Innovation und<br />

Qualität setzen. Der Leitsatz stand in der Vergangenheit im<br />

Vordergrund und wird auch in Zukunft großgeschrieben.<br />

Meine Mutter hat mir mal gesagt: „Innovation und Qualität<br />

zeichnen uns aus, Kapazitätswachstum muss sinnvoll<br />

sein. Sinnvoll und nachhaltig ist dieses Wachstum nur mit<br />

Qualität. Ohne Qualität ist Quantität sinnlos und vergebene<br />

Müh. Das ist die Seele unserer Firma.“ „Das werde ich nicht<br />

mehr vergessen, der Moment hat mich sehr berührt und<br />

beeindruckt, als sie mir damit wirklich die Seele unserer<br />

Firma vermittelt hat.“<br />

Eine sehr große Stärke von KTM sind auch Auftritte bei<br />

Bikefestivals, Events und Workshops. Da<strong>für</strong> sind zwei<br />

Eventfahrzeuge, bestückt mit Ausstellungs- und Testrädern,<br />

das ganze Jahr über unterwegs. Die Testfahrt ist<br />

noch immer der wichtigste Schritt hin zur Kaufentscheidung.<br />

Das rodukt Fahrrad ist zudem selbst das beste<br />

Marketinginstrument, denn man verbindet damit viele<br />

Erinnerungen und schöne Erlebnisse: Das erste Mal<br />

radeln, Trekkingtouren mit Freunden und Familie, Abenteuer<br />

auf wilden Trails, die Gleichheit auf dem Fahrrad.<br />

Neben dem Außenauftritt bei Events sind es die digitalen<br />

Medien, die großartige neue Möglichkeiten bieten, um<br />

emotionalen Kontext zu liefern und ein breites Spektrum<br />

an Kunden zu erreichen.


„Das Fahrrad ist an sich ein emotionales rodukt und ich<br />

fahre selber sehr gerne, wenn es die Zeit erlaubt. Den Weg<br />

zur Arbeit nutze ich häufig, um neue rodukte zu testen<br />

und auszuprobieren. Im Sommer liebe ich Trekkingtouren.<br />

Ich bin überhaupt gerne an der frischen Luft, auch zum<br />

Wandern oder einfach Spazierengehen mit meiner Familie.<br />

Das ist entspannend und gibt mir viel Kraft. Und ich freue<br />

mich wirklich sehr darauf, wenn man sich endlich wieder<br />

unter normalen Umständen, also ohne Maske und Coronaeinschränkungen,<br />

mit Freunden in einem Gastgarten<br />

treffen kann.“<br />

Tex t: G . O b erm eier B ilder: KTM<br />

021


FAHRRAD<br />

KULTUREN<br />

Ein symbolisch-emotionales<br />

Momentum zwischen<br />

Mensch und Rad, so beschreibt<br />

Monika Belting Ihr<br />

Buch. In Doppel-Porträts<br />

werden fahrradbegeisterte<br />

Individualisten, Enthusiasten<br />

und Freigeister mit Ihren<br />

geliebten Drahteseln – die<br />

schon mal zum "Bratesel"<br />

werden – aus der Fahrradstadt<br />

Münster vorgestellt.<br />

Die Leeze, wie in Münster das Fahrrad auch<br />

genannt wird, spielt in der Universitätsstadt<br />

eine Hauptrolle. Es ist das meistgenutzte Verkehrsmittel.<br />

Selbst Kommissar Thiel vom bekannten<br />

Münsteraner Tatort-Duo schwingt sich<br />

bei seinen Ermittlungen bevorzugt aufs Bike.<br />

Das Radwegenetz ist sehr gut ausgebaut, auf der<br />

Promenade, die ringförmig um die gesamte Altstadt<br />

führt, haben Radlerinnen und Radler freie<br />

Fahrt. Nicht nur die Infrastruktur wird <strong>für</strong> eine<br />

Fahrradstadt passend gestaltet, auch zahlreiche<br />

Stellplätze, sogar Fahrradparkhäuser und Angebote<br />

rund ums Rad machen den Leuten Lust<br />

aufs Pedalieren. Schon öfter wurde Münster<br />

zur fahrrdfreundlichsten Stadt in Deutschland<br />

gekürt.<br />

Dieses Lebensgefühl Stadtradeln, diese tiefe<br />

Verbundenheit zum Fahrrad wird in beeindruckenden<br />

Fotos und Geschichten über Menschen<br />

und ihre Oldtimer, Vintage-Klassiker, Rennräder<br />

oder ityflitzer von Monika Belting ausdrucksstark<br />

in Szene gesetzt.<br />

23


» Es gibt eine lange Rennrad Offroad Tradition in<br />

Schottland und England.<br />

Die Räder, die Klamotten und die Landschaften<br />

versprühen einen Charme von Abenteuerlust.<br />

Die fahren mit ihren Rädern überall hin und das hab<br />

ich auch vor... «


Martin ist selbstständiger Friseurmeister. In<br />

seinem individuellen, exklusiv gestalteten Salon<br />

"Kaiserschnitt" vertritt er das gute alte Handwerk<br />

mit Leib und Seele. Sein Fahrrad, der englische<br />

Rennradklassiker Jack Taylor 1987 UK dient im<br />

"Kaiserschnitt" als Raumteiler, Wegführer und<br />

Abstandshalter. Man munkelt, die Farbe des<br />

Rahmens stammt noch original aus dem Jahre<br />

1923/Australien. Geschont wird das gute Stück<br />

nicht. Und peu à peu wird es um schöne Dinge<br />

ergänzt. Wie etwa die Satteltaschen von Carradice<br />

und die Ledersättel von ardiff oder Brooks.<br />

Alles alte Englische Traditionsmarken. In den<br />

kleinen Werkstätten sind die Briten nicht nur<br />

auf Ersatzteile, Aufkleber, Label spezialisiert,<br />

sie übernehmen auch die komplette Restauration<br />

inklusive der originalgetreuen Lackierung.<br />

Hier bestellt Martin vieles und arbeitet alles<br />

selber auf. Ein Faible, das ihn nach Feierabend<br />

völlig entspannt. Martin inspiriert vor allem der<br />

Vintage Outdoor Style. Inspiration bedeutet <strong>für</strong><br />

ihn aber auch Kunst – Gestaltung – Ausstellung.<br />

So gab es im Salon die Ausstellungseröffnung<br />

„Memory oder die Pixel der Erinnerung“ von Stephan<br />

US mit anschließender Performance. Der<br />

Tausendsassa bietet auch Klassikerausfahrten<br />

Münster an, zu denen alle eingeladen sind, die<br />

Spaß an alten Rädern haben und sie auch chauffieren<br />

möchten, natürlich nur bei Kaiserwetter.<br />

Martin bereitet die Strecke vor und fährt sie<br />

mit dem Jack Taylor Rad ab. Als Hobbymusiker<br />

musiziert er zusammen mit seinen Freunden an<br />

Münsters Promenade. Alles, was dazu gebraucht<br />

wird, wird mit den Fahrrädern transportiert. Mit<br />

den Musikinstrumenten wiederum eine kunstvolle<br />

und ziemlich sportliche Aktion.<br />

25


Für Marika steht das Fahrrad als Transportmittel<br />

an erster Stelle, weit vor dem Auto – wie <strong>für</strong> viele<br />

Münsteraner. Selbst die Geschäftsleute, Oberbürgermeister<br />

Markus Lewe und andere fahren per<br />

Leeze mit ihrem feinen Zwirn täglich zur Arbeit.<br />

Das ist urbanes Wohnen, verbunden mit einem<br />

guten Lebensgefühl. Mit dem Fahrrad wird alles<br />

leicht, es öffnet den Geist und das Gefühl <strong>für</strong> die<br />

schönen Dinge.<br />

Immer wieder gibt es etwas neues zu entdecken,<br />

zufällige Begegnungen, Lachen, man ist stets nah<br />

am Puls des Lebens. Radfahren in Münster kann<br />

süchtig machen.<br />

Ihr erstes heißersehntes Fahrrad erhält Marika<br />

1947, kurz nach Kriegsende, der innere<br />

Kern Münsters lag in Schutt und Asche. Das<br />

gebrauchte Fahrrad mit einer schmalen Hartgummibereifung<br />

fuhr mehr auf den Stahlfelgen<br />

als auf dem Gummi. Heute hat Marika mit dem<br />

neuen Quitmann Modell ist ihre große Liebe<br />

und zwar auf den ersten Blick gefunden. Leicht,<br />

grazil, elegant, reduziert, ohne Gepäckträger,<br />

schwarz mit braunem Leder. Es stand im<br />

Schaufenster, wie <strong>für</strong> Sie gemacht. "Nun genieße<br />

ich auf meinen Landpartien ein herrliches<br />

Fahrgefühl. Viele Leute sprechen mich immer<br />

wieder an, denn grazil und reduziert fällt auf."


Mit Leon fing alles an gemeint ist das roekt FahrradKulturen.<br />

Monika Belting lernte ihn auf dem Parcours der Münster School<br />

of Design kennen. Der Parcours dient seit Jahren als Plattform <strong>für</strong><br />

Austausch, <strong>für</strong> Inspiration und <strong>für</strong> die geteilte Liebe zum Design.<br />

Unter den vielfältigen Abschlussarbeiten der Absolventen der<br />

Münster School of Design stellte er den Bratesel – Thema seiner<br />

Bachelorarbeit – vor. Und begeisterte nicht nur die Autorin.<br />

In Münster mit rund 60.000 Studenten wird nicht nur viel gelernt,<br />

es wird auch viel gefeiert und gegrillt. Vor allem rund um den<br />

Aasee trifft man sich und das roblem Einmalgrill war Leon ein<br />

gewaltiger Dorn im Auge. So machte sich der Designer und Freelancer<br />

an die Arbeit und heute verbindet sich Grillvergnügen nicht<br />

nur mit dem Drahtesel, der den Transport von Gästen, Getränken<br />

und Nahrhaftem übernimmt, sondern auch mit dem Bratesel,<br />

der <strong>für</strong> die nötige Glut und Hitze sorgt. Denn der Bratesel ist ein<br />

leichter, transportabler Grill und zugleich ein All-In-One Allrounder,<br />

der auf eden handelsüblichen Gepäckträger passt. Aufgebaut<br />

bietet er eine Grillfläche, die schon mal saftige Steaks und andere<br />

Schmankerl <strong>für</strong> eine sechsköpfige Feierrunde liefert. Nachhaltiges,<br />

umweltfreundliches Grillen sowie eine faire und nachhaltige<br />

Bratesel-Produktion in Münster werden bei Leon großgeschrieben.<br />

Genau so groß wie Fahrradfahren und Feiern mit Freunden.<br />

27


» So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr beim Biken,<br />

ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt.<br />

Das Fahrgefühl ist mit nichts vergleichbar,<br />

es fasziniert einfach.<br />

Und es sieht verdammt cool aus. «


Seit Jahrzehnten ist Rudi mit Leib und Seele Motorbiker<br />

und etzt seit mehreren Jahren Fatbiker. Mit<br />

seinem Bulls Monster Fatbike E-MTB 2014 USA lebt<br />

der Gitarrenhändler, Gastronom und Musikfan auf<br />

großem Fuße. Die Reifen sind eine wahre Wucht und<br />

sie rollen durch edes Terrain. Wenn meine Muskeln<br />

ihr Training hinter sich haben, geht es aufs Motorrad.<br />

Mit diesem Glücksgefühl kann der Arbeitstag beginnen.“<br />

So sieht ein toller Start in den Tag und ins Berufsleben<br />

aus, das im selbst aufgebauten Münsteraner<br />

Kultladen "Rare Guitar" von Leidenschaft geprägt<br />

"Rare Guitar" ist ein Ort, in dem Musik gelebt wird<br />

und „fünf Generationen zusammenkommen“. Ich<br />

habe ein gewisses Stammpublikum bei Konzerten<br />

und auch eine gewisse Stammkundschaft im Handel<br />

und in der Gastronomie“, sagt der stolze Inhaber.<br />

Am Alten Güterbahnhof hat Rudi den passenden<br />

Standort und damit seinen Lieblingsort gefunden.<br />

Neben fast 80 Proberäumen gibt es eine Werkstatt,<br />

in der sowohl Instrumente als auch Verstärker und<br />

Effekte optimiert, umgebaut, repariert und restauriert<br />

werden. Rare Guitar arbeitet stets mit der<br />

lokalen Musikerszene zusammen.<br />

ist. Rudis seltene Gitarren, seine Kneipe und seine<br />

Konzert-Location sind legendär und einzigartig. ex t: nik a Belting Fotos: nik a Belting<br />

29


30


„DIE NACHT,<br />

IN DER ICH<br />

EDDY MERCKX<br />

BEZWANG“<br />

MARC LOCATELLI<br />

ENTFÜHRT IN SEINEM BEEINDRUCKENDEN<br />

CARTOON-BUCH IN DIE VERGANGENE WELT<br />

DER SECHSTAGERENNEN IM ZÜRCHER<br />

HALLENSTADION DER SIEBZIGERJAHRE.


Tatsächlich wird der Amateurfahrer Loki alias<br />

Locatelli am 10. Februar 1978 zur Nacht der Superstars<br />

am Sechstagerennen im Zürcher Hallenstadion<br />

eingeladen. Wenn auch als Lückenbüsser tritt<br />

er gegen Radsportgrößen wie Gregor Braun, Didi<br />

Thurau und sein großes Idol Eddy Merckx an. Von<br />

einem Sieg hatte Locatelli ohnehin nicht geträumt,<br />

aber unter den ersten zehn wollte er sich platzieren.<br />

Doch während des Rennens merkt er, obwohl<br />

vor Ehrfurcht fast erstarrt, dass auch Superstars<br />

wie Eddy Merckx ein Formtief haben können, und<br />

er nutzt seine Chance.<br />

Marc Locatelli gelingt es in seinem ausdrucksstark<br />

gestalteten Comic-Buch, die verrauchte Atmosphäre,<br />

die Bierseligkeit und die Emotionen des<br />

ublikums aufleben zu lassen. Dank seiner großen<br />

Erfahrung im Radrennsport kommen auch Anspannung<br />

und Konzentration der Akteure gut zur<br />

Geltung.<br />

D ie N acht, in der ich E ddy M erckx b ezwang,<br />

4 8 Seiten, Geb unden, V erlag: E dition M odern,<br />

I SB N - 1 0 : 3 0 3 7 3 1 1 9 3 2 , I SB N - 1 3 : 9 7 8 3 0 3 7 3 1 1 9 3 6<br />

MARC LOCATELLI<br />

Geboren 1954 in<br />

Zürich, war 20 Jahre<br />

als Radrennfahrer und<br />

Trainer aktiv. Seit 1989<br />

ist er selbstständiger<br />

Illustrator, Cartoonist<br />

und Grafiker.<br />

Er ist Kurator der<br />

KUNSTKABINE,<br />

der Galerie auf der<br />

offenen Rennbahn<br />

in Zürich-Oerlikon,<br />

wo Illustrationen,<br />

Comics, Cartoons und<br />

Kunst zum Thema<br />

Radrennsport gezeigt<br />

werden.<br />

www.marclocatelli.ch<br />

Bilder: M<br />

arc L o c atelli<br />

33


034


RASANT<br />

Schon der Name lässt vermuten, dass die neuen Spielzeugfahrräder<br />

aus Holz so richtig abgehen. Aus einer Idee des<br />

Designers Alex Rex entstand eine Alternative zum klassischen<br />

Spielzeugauto. Und die Flitzer-Familie wächst.<br />

Bilder: Rasant, Lisa Espig<br />

Die hölzernen Spielzeugfahrräder werden im Erzgebirge<br />

von einer traditionellen Drechslerei komplett aus Hainbuche<br />

aus deutscher Rodung hergestellt. Den Machern<br />

ist es außerdem wichtig, dass die Transportwege von<br />

Rohstoffen, so kurz wie möglich gehalten werden. Kinder<br />

ab 12 Monaten haben ihren Spaß an den schönen<br />

Holzgefährten. Neben dem einfachen Flitzer gibt es ein<br />

historisches Hochrad und verschiedene Lastenfahrräder,<br />

die in unterschiedlichen natürlichen Farbtönen<br />

daherkommen. Dank des gebogenen Rahmens und es<br />

angenehmen Materials liegen die kleinen Fahrräder sicher<br />

und kommod in der Kinderhand. Die breiten Räder<br />

bleiben auch bei heißen Rennen in der Spur. Erfinder<br />

der kleinen Bikes ist Alex Rex. Der Designer hat sich<br />

lange mit Entwürfen und Entwicklung beschäftigt. Das<br />

Ergebnis kann sich sehen lassen, es ist robust und kindgerecht.<br />

Jedes Modell hat zwei Räder, einen Rahmen,<br />

einen Sattel, einen Lenker und selbstverständlich eine<br />

Klingel. www.Spielzeugfahrrad.de


VOM<br />

AUTO<br />

ZUM<br />

BIKE<br />

United Cruiser-Gründer<br />

United Cruiser-Gründer<br />

Renaud Poutot<br />

im Interview<br />

Renaud Poutot ist ein echtes Multitalent: Erst<br />

BMX-Biker, dann professioneller Rallyefahrer<br />

und schließlich Firmengründer. Mit seinem<br />

Unternehmen United Cruiser entwirft und<br />

baut der 47-jährige im französischen Valence<br />

hochwertige Designer-Räder. Jetzt möchte er<br />

auch in Deutschland durchstarten. Mit Pendix,<br />

dem Marktführer <strong>für</strong> E-Bike-Nachrüstsätze,<br />

hat er da<strong>für</strong> bereits einen Partner gefunden, um<br />

seine Fahrräder zu elektrifizieren. Warum er so<br />

spezielle Räder baut, und was E.T., Walt Disney<br />

und Jules Verne damit zu tun haben, verrät er<br />

im Interview.


W<br />

U<br />

Sie hatten schon einige interessante K arrierestationen.<br />

W ie kam es dazu?<br />

Eigentlich eher zufällig. Wenn mich das emand fragt,<br />

antworte ich immer: Mein Weg ist echt seltsam und dazu<br />

noch ungewöhnlich. Geschwindigkeit war schon immer<br />

mein Ding, deswegen wurde ich mit 20 Jahren professioneller<br />

Rallyefahrer und trat in verschiedenen Klassen an.<br />

Nach meiner aktiven Karriere blieb ich der Autowelt treu<br />

und arbeitete als Journalist, Testfahrer, Rallye-Coach und<br />

Teammanager. Hin und wieder habe ich auch später noch<br />

an Rennen teilgenommen. Das war wirklich eine schöne<br />

Zeit, in der ich einiges erlebt habe, das würde aber den Rahmen<br />

dieses Interviews sprengen (lacht).<br />

as waren die grö ßten E rfolge im Rally esp ort?<br />

1993 wurde ich in Italien Europameister bei der Fiat<br />

Cinquecento-Challenge im Einzelfahren. Im selben Jahr<br />

habe ich meinen ersten Vertrag als rofiFahrer unterschrieben<br />

und wurde von der Branche in Frankreich zum<br />

Newcomer des Jahres gewählt. Bei der Rallye Monte Carlo<br />

stand ich in den Kategorien GrN und WR mehrmals auf<br />

dem Treppchen. Das sind alles Momente, an die ich mich<br />

sehr gerne erinnere.<br />

nd wie sind Sie dann b ei den Z weirä dern gelandet?<br />

Da bin ich im Grunde wieder bei meinen Wurzeln angekommen.<br />

Ich gehöre zu der Generation, die mit E.T.<br />

037


aufgewachsen ist. Die Szenen, in denen die Jungs mit E.T.<br />

auf ihren Rädern vor den Agenten flüchten, haben mich<br />

unheimlich beeindruckt. Das mit dem Fliegen ist zwar so<br />

eine Sache, aber so eine Action wollte ich auch mal erleben.<br />

Also fing ich mit dem Fahren von BMRädern an und<br />

nahm an Turnieren teil. Ich war wirklich verrückt – immer<br />

furchtlos, kein Sprung war zu gefährlich. Genau das<br />

setzte sich dann in den Auto-Rallyes fort, da gab ich auch<br />

immer 110 Prozent. Minimum. Abteilung Attacke würde<br />

Uli Hoeneß sagen. Nach meiner Rallyezeit arbeitete ich<br />

dann ab 2003 als Vertriebspartner bei der Electra Bicycle<br />

Company. Und 2007 habe ich schließlich mein eigenes<br />

Unternehmen, United Cruiser, gegründet.<br />

D as klingt nach einem gewagten Schritt. W as war<br />

die V ision fü r U nited C ruiser?<br />

Gewagt war es wirklich. Wir starteten ohne größere Erfahrung,<br />

ohne Infrastruktur, ohne Ahnung von Produktion<br />

oder Design. Wir haben uns dann alles mit der Zeit selbst<br />

beigebracht artner finden, die Lieferungen organisieren<br />

und auch das Zeichnen. Meine Herangehensweise war<br />

wieder mal untypisch, aber ich gehe Dinge gerne anders als<br />

andere an. Ich wollte Fahrräder <strong>für</strong> Träumer bauen, denn<br />

schließlich bin ich selbst einer. Ich bin ein großer Bewunderer<br />

von Walt Disney und Jules Verne, die mit ihren Werken<br />

ganz neue Welten erschaffen haben. Auch auf meinen<br />

Reisen in die USA sammle ich immer wieder Inspiration an<br />

Farben und Formen. Mit diesen Einflüssen mache ich mich<br />

an die Arbeit und designe unsere Räder.<br />

hr entikelt a irklih ehr auffällige Räder in<br />

knalligen Farb en. Fü r wen eignen sie sich b esonders?<br />

Mit unseren Rädern wollen wir möglichst viele Menschen<br />

erreichen, sie sind <strong>für</strong> jedermann und <strong>für</strong> jede Situation<br />

geeignet. Wir haben nicht nur ityräder und Mountainbikes<br />

im Angebot, sondern auch Tandems und Kinderräder<br />

in verschiedenen Größen. Bei der Entwicklung legen wir<br />

großen Wert auf die Formen. nsere Fahrräder sollen<br />

nicht nur cool aussehen, sondern sie sollten auch technisch<br />

038


ezient und ausbalanciert sein. Schöne Dinge zu entwerfen,<br />

ist aus meiner Sicht auch immer ein Indiz <strong>für</strong> Verlässlichkeit.<br />

Da zählt jedes Detail, jede Form hat einen Sinn.<br />

Gleichzeitig ist es auch ein Zeichen <strong>für</strong> unsere Kunden,<br />

dass wir mit Leidenschaft kreierte ualität bieten. nd<br />

die bunten Farben sind einfach mein persönlicher Touch.<br />

Ich denke immer positiv. Das Leben ist nicht nur schwarz<br />

und weiß, sondern es sollte bunt sein. Diese Einstellung<br />

übertrage ich auch auf unsere Fahrräder.<br />

Stichwort J edermann: U nited C ruiser sitzt ja im<br />

franzö sischen V alence. W ie wollen Sie den deutschen<br />

M arkt erob ern?<br />

Valence ist wirklich ein toller Ort, ich kann mir keinen<br />

besseren Platz <strong>für</strong> unsere Arbeit vorstellen. Überall um<br />

uns herum gibt es wunderschöne Strecken, auf denen ich<br />

mit dem Rad unterwegs bin. Wir sind aber natürlich nicht<br />

nur auf den französischen Markt fokussiert. Unsere Räder<br />

sind auch in Deutschland erhältlich, allerdings noch nicht<br />

in dem Umfang, wie ich es mir wünsche. Es würde mich<br />

wirklich stolz machen, wenn es United Cruiser in jedem<br />

Fahrradgeschäft in Deutschland gäbe. Durch die Kooperation<br />

mit Pendix haben wir einen ersten Schritt unternommen,<br />

um auch in Deutschland präsenter zu werden.<br />

W ie kam es zur Z usammenarb eit mit P endix ?<br />

Als ich zum ersten Mal einen Pendix-Antrieb sah, hat er<br />

mich sehr an die Bauteile während meiner Zeit als Rennfahrer<br />

erinnert: Robust, zuverlässig, clever designt und<br />

konstruiert. Als ich mich mit Geschäftsführer Thomas Herzog<br />

traf, hat dies meinen Eindruck bestätigt. Pendix ist ein<br />

verlässlicher Partner, mit dem wir gerne zusammenarbeiten.<br />

Vor allem bietet uns die ualität und Fleibilität noch<br />

mehr Möglichkeiten <strong>für</strong> unsere Räder und letztlich auch<br />

<strong>für</strong> unsere Kunden. Inzwischen verkaufen wir bereits rund<br />

70 Prozent unserer Fahrräder in der elektrischen Variante<br />

– den Pendix-Antrieb bieten wir natürlich auch in mehr<br />

Farben als dem klassischen Schwarz an. Meines Erachtens<br />

erreichen wir damit in Deutschland mehr Kunden als bei<br />

uns in Frankreich.


W<br />

Jede Kleinigkeit wird gleich zum roblem. Das betrifft<br />

zwar auch andere Bereiche, aber bei Gesprächen mit Kollegen<br />

aus der Fahrradbranche merke ich das besonders.<br />

Oft wird das Fahrrad mit ‚Öko‘ gleichgesetzt. Dabei ist das<br />

Fahrrad in jeder Hinsicht, in allen Gesellschaftsschichten<br />

auf dem Vormarsch, da sollten wir groß denken und uns<br />

nicht ständig über jede Bagatelle beschweren.<br />

W as sind denn U nterschiede zwischen den Radlern<br />

in Frankreich und D eutschland?<br />

Da liegen zum Teil Welten dazwischen. Der Fahrradmarkt<br />

in Frankreich ist ziemlich enttäuschend – zumindest im<br />

Vergleich mit Deutschland oder den USA. Dort gibt es eine<br />

ganz andere Einstellung zur Mobilität und zum Radfahren.<br />

Vielen Franzosen geht es nur um Geschwindigkeit und<br />

Performance. Als würden sie jeden Tag ein Rennen fahren<br />

– dabei ist die Tour de France doch nur einmal im Jahr<br />

(lacht). Deutsche dagegen machen sich viel mehr Gedanken<br />

um den täglichen Nutzen. Kommen sie mit dem Rad<br />

zuverlässig zur Arbeit, zum Einkaufen oder können sie am<br />

Wochenende einen Familienausflug damit unternehmen<br />

Diese Einstellung gefällt mir wirklich gut.<br />

U D nd gib t es auch inge, die Sie in der Fahrradwelt<br />

stö ren?<br />

Es stört mich, dass viele Leute die Welt zu negativ sehen.<br />

ie sehen I hre Z ukunftsp lä ne aus?<br />

Insgesamt bin ich mit der Entwicklung von United Cruiser<br />

schon sehr zufrieden. Mit jedem Rad verwirklichen<br />

wir unseren Traum und erleben auch nebenbei tolle Geschichten.<br />

Zum Beispiel haben wir 2012 und 2018 zusammen<br />

mit Canal+ und dem Hotel Martinez das Filmfestival<br />

von annes ausgerichtet und sogar einen Kurzfilm über<br />

unser Unternehmen gedreht. In Zukunft möchte ich vor<br />

allem fröhlich bleiben und mit unserem Team neue Räder<br />

entwickeln, mit denen wir unsere Kunden immer wieder<br />

überraschen können. Wir sind zuversichtlich, dass wir immer<br />

mehr Menschen in Deutschland von unseren Rädern<br />

überzeugen können. Wir glauben, dort gibt es viele, die<br />

unsere Vision teilen. Die Corona-Krise hat natürlich auch<br />

bei uns ihre Spuren hinterlassen, auch wenn das Interesse<br />

an Fahrrädern stieg. Jetzt ist es aber an der Zeit, nach<br />

vorne zu schauen.<br />

T ex t: C o ns tanz e v o n Kettler Fotos: U<br />

nited C ruis er


Jeder schimpft über<br />

das Wetter, aber keiner<br />

tut was dagegen.<br />

Mark Twain<br />

Bild: Marco Massimo/Pixabay


042


GRANDURANCE<br />

PRIDE<br />

Unikat mit klarer Haltung<br />

Bergamont hat seine Wurzeln in St. Pauli, ein Viertel, in dem sich<br />

Gegensätze magnetisch anziehen und eine energiegeladene Atmosphäre<br />

schaffen. Die Macher lieben die Kreativität an diesem Ort genauso wie die<br />

Vielfalt und Toleranz, die hier gelebt und gefeiert wird. Deshalb unterstützt<br />

Bergamont die LGBTQIA+ Community und spricht sich gegen jede<br />

Art von Diskriminierung aus.<br />

Aus dieser Haltung entstand das Grandurance Pride. In individuellem<br />

Design, inspiriert von den Regenbogenfarben der berühmten Pride Flag<br />

von Gilbert Baker.<br />

Das Grandurance Pride ist ein absolutes Unikat, Straight from St. Pauli.<br />

Die multifunktionelle All-Road-Maschine ist eine echte Stilikone im Pride<br />

Sonderdesign. Der Allroad Aluminium Rahmen gepaart mit Premium-<br />

Shimano-Gravel-Ausstattung machen das Rad zum perfekten Begleiter auf<br />

allen Wegen jenseits der Norm.<br />

www.bergamont.com<br />

Bilder: Bergamont


MADON<br />

DEL GHISA


NA<br />

LLO<br />

FÜRCHTET EUCH NICHT VOR<br />

DIESEM ANSTIEG. AUCH WENN<br />

UNZÄHLIGE RADSPORTBEGEISTERTE<br />

DEN GHISALLO-PASS FÜR SEINE 14<br />

PROZENT-STEIGUNG VERTEUFELN.<br />

OBEN WARTET MADONNA DEL<br />

GHISALLO, SCHUTZPATRONIN DER<br />

REISENDEN, UND SEIT 1949 AUCH<br />

GLÄUBIGER RADSPORTLER/INNEN.<br />

045


Vor dem Trost das Leiden. Der Weg hinauf nach Magreglio<br />

ist mühselig, 750 Meter hoch über dem Comer See führt<br />

eine schmale Straße, mit Steigungen, die selbst einen Giro<br />

dItaliarofi an die Grenzen seiner Leistung bringen. Die<br />

bescheidene Höhe und die bis zu 14 Prozent Steigung sind<br />

<strong>für</strong> manche zwar herausfordernd aber bei weitem nicht das<br />

Schlimmste im Dasein eines Radrennprofis. Wer allerdings<br />

zuvor den Comer See umradelt hat, der wird die strenge<br />

Nordauffahrt auf der Giro di Lombardia, dem Rennen<br />

der fallenden Blätter, schätzen lernen. Das Leiden nimmt<br />

also schon lange vorher seinen Anfang. Und ein Sieg ohne<br />

Schmerzen ist eben kein Sieg.<br />

Für Radrennveranstalter Grund und Anlass genug, dort<br />

eine Etappe hinauf zu planen – mit dem Ziel, das kleine<br />

600-Seelen-Dorf am Ghisallo-Pass zu erreichen. Ghisallo ist<br />

etwas Besonderes der prestigeträchtigen Strecke. Zum einen<br />

entlohnt die Aussicht über den nördlichen Teil des Comer<br />

Sees und den Seearm von Lecco, zum anderen fordert der<br />

Weg nach oben auch von rofis seinen Tribut. Trost der Gescheiterten<br />

bietet dann Madonna del Ghisallo, die dort oben<br />

seit dem 17. Jahrhundert in einer kleinen Kapelle ruht.<br />

Treffpunkt gläubiger Radrennfahrer<br />

Die kleine Wallfahrtskirche musste dort erbaut werden.<br />

Immerhin erschien an genau jener Stelle dem Graf Ghisallo<br />

während einer Reise das Bild der Jungfrau Maria. Verfolgt<br />

von Räubern sah er sie in einem Straßenschrein, suchte dort<br />

Zuflucht, betete um Schutz und entkam seinen Verfolgern.<br />

Weil dies auf wundersame Art und Weise gelang, wurde ihr<br />

im Jahr 1623 eine Kapelle gewidmet. Seit jener Zeit ist Madonna<br />

del Ghisallo die Schutzpatronin der Reisenden. Pilger<br />

empfangen dort Trost und werden mit einem faszinierenden<br />

Ausblick auf das Bergpanorama des 1686 Meter hohen<br />

Monte San Primo belohnt? Radsportbegeisterte hingegen<br />

beten Fahrradrahmen und getragene Trikots an.<br />

Hinterm Sicherheitsglas hängen huldvoll angeordnet<br />

die ehrbaren Räder, Trikots und sonstige Devotionalien<br />

berühmter Männer aus den unterschiedlichen Epochen des<br />

professionellen Radrennsports. Seit dem Jahr 2006 dient<br />

die Kapelle als Museum <strong>für</strong> Rennradfahrer. Auch deshalb<br />

ist die Wallfahrtskirche ein Mythos, ein Muss <strong>für</strong> jeden<br />

Radsportfan wie auch <strong>für</strong> den gläubigen Freizeitradfahrer.<br />

Die Mühen und Qualen des Aufstiegs sind vergeben und<br />

vergessen.<br />

D er Glaub e des P ater E rmelindo V igano<br />

Magréglio ist nunmehr die Pilgerstätte im radsportverrückten<br />

Italien. Die Bewohner des Bergdorfs sind nicht<br />

weniger euphorisch. Nicht nur, dass sie begeistert die Giro<br />

d’Italia oder die Giro di Lombardia begleiten. Pater Ermelindo<br />

Vigano, der ehemalige Pfarrer von Magréglio, hat sie<br />

alle übertrumpft. Gleich nach dem zweiten Weltkrieg hatte<br />

er die Idee, die Kapelle dem Radsport zu weihen. Und<br />

die Jungfrau Maria (Madonna) wollte er vom Vatikan als<br />

erste „Principale Patrona di Ciclisti Italiani“ (Patronin der<br />

italienischen Radsportler) segnen lassen. Er fand Gehör<br />

beim Papst Pius XII. Der ernannte am 13. Oktober 1949<br />

Madonna del Ghisallo zur Schutzpatronin der Radfahrer.<br />

Ermelindo zu Ehren wurde dann auch vor der Kirche eine<br />

Bronzebüste aufgestellt. Ebenso im Übrigen von Fausto<br />

Coppi und Gino Bartali. Beide gehören zu den erfolgreichsten<br />

und populärsten Radfahrern der Geschichte. Coppi<br />

auch Il Campionissimo (Weltmeister der Weltmeister)<br />

genannt, war dreifacher Weltmeister. Bartali gewann<br />

zweimal die Tour de France und dreimal den Giro d’Italia.<br />

Bemerkenswert aber war, dass er an der Rettung verfolgter<br />

Juden während des Zweiten Weltkriegs beteiligt war.<br />

Posthum erhielt er 2013 da<strong>für</strong> die Ehrung eines Gerechten<br />

unter den Völkern.<br />

Einige der besten Rennradfahrer sind gläubige Katholiken<br />

Die Kapelle sowohl Gotteshaus als auch Pilgerstätte auszubauen,<br />

ist schlussendlich richtig. Seit Jahrzehnten radeln<br />

dort die großen Stars des italienischen Radsports zum<br />

Beten hin: Alfredo Binda, Gianni Motta, Fausto Coppi,<br />

Francesco Moser, Ercole Baldini, Gino Bartali, Marco Pantani<br />

oder Mario Cipollini, um nur einige zu nennen. Unter<br />

denen, die dort Beistand suchten sind aber die Verlierer<br />

großer Rennen. Auch ihnen wurde ein Denkmal gesetzt.<br />

Das dem gegensätzlichen Paares: Der Sieger auf seinem<br />

Rennrad streckt zum Triumph die linke Faust gen Himmel<br />

während der Verlierer enttäuscht am Boden sitzt. Vereint<br />

im Glauben an das Gute.<br />

Gino Bartali war im Übrigen nicht nur ein begnadeter<br />

Radrennfahrer und Retter von etwa 800 Juden im Zweiten<br />

Weltkrieg. Er war auch gläubiger Katholik. Wie viele Italiener<br />

und Spanier. Auch heute sind einige der besten Sportler<br />

der Tour de France, die traditionell auf dem Champs-<br />

lyses in aris ihren Abschluss findet, katholisch.<br />

Text: A ndreas Burk ert<br />

F o to s : M us eo del C ic lis m o M ado nna del G h is allo , A do b e S to c k<br />

w w w . m us eo delg h is allo . it<br />

046


„OH MADRE DEL SIGNORE GESÙ, TI PREGHIAMO DI<br />

VOLERCI BENIGNAMENTE ASSISTERE E PROTEGGE-<br />

RE NELLE NOSTRO ATTIVITÀ CICLISTICHE!“<br />

„OH MUTTER UNSERES HERRN JESUS, WIR BITTEN<br />

DICH, UNS GÜTIG BEISTEHEN ZU MÖGEN UND UNS<br />

ZU BESCHÜTZEN BEI UNSEREM<br />

RADSPORTLICHEN TUN!“<br />

EIN RADFAHRERGEBET


048


PACKENDE<br />

LICHTBLICKE<br />

Volle Leuchtkraft voraus – Mit desingstarken<br />

Reflektoren sicher und sichtbar unterwegs<br />

Bilder: Asista<br />

Die neue Norco Reflect-Serie mit der Lenkertasche Taymore, der Commutertasche<br />

Kinross, der Melfort Citytasche und der Dunfort Gepäckträgertasche Topklipp sorgt<br />

ausgesprochen stilvoll <strong>für</strong> Sichtbarkeit und Sicherheit. Sowohl Front- als auch<br />

Seitenteile sind mit großflächig reflektierendem Dekor versehen, das die Modelle<br />

in Dämmerung und Dunkelheit zum Leuchten bringt. Im Tageslicht halten sich die<br />

strahlenden Muster dezent zurück. Taymore und Dunbar sind mittlerweile preisgekrönt.<br />

Man freut sich im Hause Norco über den German Design Award Special <strong>2021</strong>.<br />

Daneben hat die Taymore Lenkertasche auch bei der Universal Design Competition<br />

abgeräumt und den Universal Design Award Expert <strong>2021</strong> gewonnen.<br />

Allen Modellen der Serie gemeinsam ist das robuste Norco Nylongewebe mit feiner<br />

Textur, die formstabile Konstruktion, das große Hauptfach, Tragegriff und Schultergurt<br />

sowie Regenüberzug. Die Fronttasche ist zusätzlich mit integriertem Smartphone-Fach,<br />

zahlreichen Organizer-Fächern, Schlüsselring und Magnetverschluss ausgestattet.<br />

Mit klarem Design, durchdachter Einteilung und gepolstertem Laptop-Fach<br />

überzeugt die moderne Kinross Commutertasche. Auch die Melfort Citytasche ist<br />

praktisch unterteilt mit Organizer-Fächern und einem leicht zugänglichen Hauptfach<br />

mit Innenfach. Abgerundet wird die Serie von der eleganten Dunfort Gepäckträgertasche<br />

mit Klickfix TopKlip Schnellbefestigung passend <strong>für</strong> alle gängigen Gepäckträger,<br />

Deckel mit Spannkordel <strong>für</strong> zusätzliches Gepäck, großem Hauptfach mit Innenfächern<br />

und robustem, gummiertem Boden. www.norco-bags.de


NONNEN AUF<br />

Seit ich klein war,<br />

habe ich gezeichnet.<br />

Buntstifte, Aquarell,<br />

Gouache, Neocolor, Tinte,<br />

aber auch gemischte Collagen<br />

und Modellierungen.<br />

Dies erlaubte mir zu fliehen,<br />

zu träumen, meine Welt zu<br />

erschaffen.<br />

RÄDERN<br />

51


CAROLE<br />

B. PERRET


Geboren wurde ich in Bern und habe dort 65 Jahre gelebt.<br />

Jetzt lebe ich auf dem Larzac in Aveyron in Frankreich – ein<br />

ideales Land <strong>für</strong> Radtouren.<br />

Ich arbeitete als Grafikdesignerin, im Laufe der Zeit habe<br />

ich mich auf Werbeillustrationen spezialisiert, bis zu dem<br />

Tag, an dem ich mein Leben der Malerei zuwandte. Zuerst<br />

habe ich Stillleben in Acryl und Öl gemalt. Dann lernte ich<br />

die Technik von Tempera auf Holz. Um mich auszudrücken,<br />

musste ich haraktere finden. Da wir alle im Leben<br />

„ein Kostüm“ tragen und darunter eine andere, einzigartige<br />

erson auf der Suche nach der eigenen Identität sind,<br />

erfand ich „die kleine Nonne“. Sie öffnete mir die Türen zu<br />

internationalen Galerien und Messen. Ich habe die Möglichkeit,<br />

in wichtigen Galerien und internationalen Messen in<br />

ganz Europa, aber auch in der Türkei, Brasilien, Florida und<br />

Japan auszustellen.<br />

Meine Bilder können auf verschiedene Arten gelesen<br />

werden. Das Kind sieht es als grafisches und farbiges Bild.<br />

Der Erwachsene sieht je nach seiner persönlichen Entwicklung<br />

symbolische Obekte, wie zum Beispiel: Die Schlüssel<br />

öffnen, aber schließen auch Türen. Die Fische, die aus dem<br />

Wasser kommen, sind das nbewusste, das bewusst wird.<br />

Die Nonnen, die auf apier navigieren, zeigen ihren Mut<br />

und das Vertrauen, das sie in ihrem Leben haben. So kann<br />

eder sehen, was seine Augen, sein Herz und seine persönlichen<br />

Erfahrungen ihm erlauben, zu entdecken.<br />

Ich liebe meine kleinen Nonnen, die die Welt und das Leben<br />

erobern. So sitzen sie auf dem ferderücken, auf Vögeln<br />

oder Hühnern, Fischen, Schnecken und auf dem Fahrrad,<br />

egal ob Dreirad, Tandem, modernen oder altertümlichen<br />

Fahrrädern. Mit dem Fahrrad können sie überall hinfahren,<br />

ohne Lärm zu machen, alleine oder mit anderen. Fallen<br />

ist kein roblem, es gehört zum Leben, wir stehen auf, wir<br />

reparieren und wir fahren wieder.<br />

Ich hoffe, dass ich nach dem ovid im Jahr 2022 mit meiner<br />

Tochter eine einwöchige Tour entlang der Atlantikküste in<br />

der Bretagne mit einem Elektrofahrrad unternehmen kann.<br />

Es wird wundervoll sein!<br />

brigens: Ich habe eine rivatgalerie und empfange mit<br />

Freude Besucher, Mas arlinaLa Liuisse Haute1220<br />

Nant 20 km von Millau mit dem weltbekannten Viadukt.<br />

Bilder/ Text: C aro le B. P erret<br />

53


ZEITREISE<br />

Ob hochbetagte eisenbereifte Drahtesel, edle Hochräder, gestrickte,<br />

wollige Fahrradbekleidung, l, Kerzen oder Karbidlampe,<br />

bei gemeinsamen Aus und Wettfahrten bezaubern die<br />

altehrwürdigen Schmuckstücke Akteure und Zuschauer.<br />

Organisiert werden die Fahrten mit diesen faszinierenden<br />

Fahrradoldtimern vom Verein Historische Fahrräder e.V..<br />

Bei den Vereinstreffen gehen die Mitglieder im edlen Zwirn<br />

von anno dazumal an den Start und begeistern nicht nur<br />

optisch mit ihren Raritäten und Lieberhaberstücken. Sprichwörtlich<br />

der Renner und der Höhepunkt vieler Events sind<br />

die HochradRaces. Man glaubt es kaum, wie viel Speed die<br />

betagten Drahtesel an den Tag legen können.<br />

Die Treffen und Veranstaltungen sind häufig der Lohn <strong>für</strong> viele<br />

Arbeitsstunden, in denen an den alten Rädern geschraubt<br />

und getüftelt wird, um sie möglichst wieder in den originalen<br />

und fahrbaren Zustand zu bringen. Hochräder und o gehen<br />

auf Hochglanz poliert an den Start. Die Radfahrer und stolzen<br />

Besitzer schwingen sich in der original getreuen Ausstattung,<br />

die wenig mit Funktionskleidung gemein hat, auf die edlen<br />

Ledersättel. Bei Nachtausfahrten wird historisch beleuchtet<br />

gefahren. Mit l, Kerzen, Karbidlichtern und auch uralter<br />

elektrischer Beleuchtung geht es im Flackerlicht durch die<br />

Dunkelheit. Wobei die elektrischen Lampen an Fahrrädern<br />

tatsächlich viel älter sind als das Karbidlicht, das erst 1897 auf<br />

den Markt kam. Bereits 188 wurde in England das erste atent<br />

einer dynamo-elektrischen Beleuchtung <strong>für</strong> ein Hochrad<br />

veröffentlicht. Der Leipziger Richard Weber, ein begeisterter<br />

Hochradfahrer und Technikionier, befasste sich schon<br />

länger mit der Entwicklung elektrischen Lichts <strong>für</strong> das<br />

Fahrrad und fertigte mehrere Modelle. Bemerkenswert,<br />

da erst kurz vorher die Glühlampe erfunden wurde, doch<br />

<strong>für</strong> den Fahrrad-Dynamo war es noch zu früh.<br />

Rund 800 Mitglieder, die meisten davon aus Deutschland,<br />

den angrenzenden Ländern und vereinzelte aus<br />

der ganzen Welt zählen mittlerweile zum Verein „Historische<br />

Fahrräder e.V., der im Oktober 1997 in Dresden<br />

gegründet wurde. Hier gab es schon zu DDR Zeiten eine<br />

starke Sammlergemeinschaft, die sich mit historischen<br />

Rädern beschäftigte. Mit der Wende und der ffnung<br />

der Grenzen entstanden Kontakte zu weiteren Sammlern<br />

aus Westdeutschland. So wurde ein gemeinsamer Verein<br />

gegründet, der sich die Erforschung und Bewahrung der<br />

Fahrradgeschichte zum Ziel setzte. Es geht dabei um<br />

den Austausch von Wissen und Erkenntnissen, um die<br />

Zusammenführung von Historikern und Sammlern, aber<br />

auch um gemeinschaftliche Aktionen. Die fachgerechte<br />

Reparatur und Restaurierung der in die Jahre gekommenen<br />

Räder, die alte Technik wieder aufleben zu lassen,<br />

die damit verbundene Suche und der Tausch von benötigten<br />

Teilen und ganz besonders das Fahren mit diesen<br />

historischen Fahrrädern vereint.<br />

055


056


Die zahlreichen Fans der antiken Fahrräder kommen bei<br />

den ährlichen Winter und Sommertreffen zusammen.<br />

Das Meeting im Februar findet in Bad Hersfeld statt.<br />

Es ist sehr beliebt und edes Mal ausgebucht. Zwei Tage<br />

Fachvorträge zu den unterschiedlichsten Thematiken<br />

rund ums Fahrrad, eine Ausstellung, Teilemarkt und<br />

viele gemeinsame Gespräche zählen zum rogramm. Es<br />

stellt sich immer wieder heraus, dass es unendlich viele<br />

Themen gibt und die Zeit viel zu schnell verfliegt.<br />

Zum Sommertreffen namens Velocipediade, trifft man<br />

sich stets an einem anderen Ort, um die schönsten<br />

Ecken Deutschlands zu entdecken. Die drei Tage dauernde<br />

Veranstaltung findet im August statt und beginnt<br />

freitags mit einer Auktion hochwertiger Fahrräder,<br />

Teile und Zubehör. Dann geht es auf zur Nachtausfahrt.<br />

Am Samstag folgt eine große Ausfahrt auf historischen<br />

Rädern in entsprechender Kleidung und am Nachmittag<br />

Rennen in verschiedenen Klassen, bevor der Tag<br />

schließlich mit einem imposanten Festabend endet. Der<br />

Sonntag ist einer Mitgliederversammlung vorbehalten<br />

und einer öffentlichen räsentation und Vorführung<br />

besonderer „Oldtimer-Räder“. Über alle Tage wird ein<br />

üppiger und gut besuchter Teilemarkt durchgeführt.


Neben diesen beiden größeren Veranstaltungen<br />

gibt es viele kleine regionale<br />

Zusammenkünfte, verschiedene Oldtimerveranstaltungen<br />

und Messen wie die<br />

Veterama in Mannheim, die Bremen lassic<br />

Motorshow, die Oldtimer Märkte in Ost und<br />

West, das Fahrradfest in Bad Brückenau.<br />

Mit den Jahren sind vielfältige Interaktionen<br />

und Bekanntschaften entstanden zu<br />

weiteren Vereinen und Organisationen, zu<br />

Museen und Ausstellern und es findet ein<br />

reger Austausch von Inforamtionen und<br />

Zeitschriften statt. Es bestehen Kontakte zu<br />

vielen Nachbarländern und einige sogar in<br />

anderen Kontinenten. Das vom Verein geschaffene<br />

und weltweit einsehbare Online<br />

Archiv von Fahrraddokumenten „Velopedia“<br />

ist bisher einmalig und bringt die Sammler<br />

und Historiker zusammen. Ein Muss <strong>für</strong> alle<br />

Fahrradsammler und die Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> eine gute, originale Restaurierung von<br />

Fahrrädern. Neben der Suche nach Informationen<br />

und Wissen haben eine ganze<br />

Reihe an Mitgliedern größere Sammlungen<br />

von historischen Rädern bis hin zu eigenen<br />

Museen.


„ Der K nochenschü ttler“<br />

Das Mitgliederournal „Der Knochenschüttler“<br />

– Spottname in der Vergangenheit<br />

<strong>für</strong> die vollgummibereiften Räder, die die<br />

Fahrer ordentlich auf den alten Straßen und<br />

Wegen durchrüttelten – wird von Vereinsmitgliedern<br />

gestaltet, die auch die meisten<br />

Beiträge liefern. Die Artikel sind in der Regel<br />

Zusammenfassungen und Erkenntnisse aus<br />

Nachforschungen zu den unterschiedlichsten<br />

Themen rund um das Fahrrad. Es gibt viel<br />

zu berichten, wenn das eine Heft erscheint,<br />

sind die Artikel <strong>für</strong> die nächste <strong>Ausgabe</strong> meist<br />

schon da. Das Thema „historisches Fahrrad“<br />

ist schier unerschöpflich.<br />

Text: G . E g g ers<br />

Bilder: V o n M itg liedern und V erans taltung en des V erein<br />

„ H is to ris c h e F ah rrä der e. V . “<br />

059


PER RAD<br />

IN DIE WELT<br />

VOR UNSERER ZEIT<br />

Ein riesiges Urzeitmeer schuf<br />

die Landschaften des Altmühltals:<br />

Dort, wo vor Millionen von<br />

Jahren wilde Wellen wogten,<br />

führen heute Radwege zu den<br />

Spuren der Erdgeschichte. Mitten<br />

hinein ins Erdinnere und in<br />

die Welt der Dinosaurier, dann<br />

– in einem Zeitsprung – weiter<br />

zu den Römern und bis hinein<br />

in die quirligen und lebensfrohen<br />

Städte der Gegenwart.


61


Wunderschön liegt der Naturpark Altmühltal in der Mitte<br />

Bayerns. Eingebettet zwischen den Städten Nürnberg,<br />

Regensburg und Ingolstadt umspannt er den südlichen Teil<br />

der Frankenalb. Die Altmühl durchzieht ihn malerisch von<br />

West nach Ost. Ruhige Landschaften mit weiten Wäldern<br />

und tiefeingeschnittenen Tälern prägen sein Gesicht.<br />

Bizarre Felsformationen mit Karsthöhlen, Trockenrasen<br />

und Wacholderheiden sind typisch <strong>für</strong> die ursprüngliche<br />

Mittelgebirgslandschaft. Im Westen begrenzt der Nördlinger<br />

Ries den Naturpark. Er entstand vor über 14 Millionen<br />

Jahren durch den Einschlag eines mehr als einen Kilometer<br />

großen Meteoriten. Die Spuren, die diese Naturkatastrophe<br />

hinterlassen hat, sind auch heute noch sichtbar. Deutlich<br />

hebt sich der kreisförmige, tieferliegende Ries ab von dem<br />

Juragebirge, das ihn umgibt. Seltene, nur in dieser Region<br />

vorkommende Gesteinsarten zeugen von der Entstehung<br />

des Beckens und auch seine üppige Vegetation steht im<br />

krassen Gegensatz zu der kargen Landschaft der Fränkischen<br />

Alb.<br />

Auf den Spuren des Archyopteryx<br />

Mitten im Einschlagskrater des Meteoriten liegt der<br />

Geopark Ries. Hier beginnen die beiden Hauptrouten<br />

des neuen Georadwegs, der im Sommer <strong>2021</strong> oziell<br />

eingeweiht wird. Nicht selten begegnen Radler auf den<br />

ersten Kilometern Gesteinsbrocken, die beim Einschlag<br />

des Meteoriten hinausgeschleudert wurden. Auch mehrere<br />

Steinbrüche, in denen immer wieder Fossilienfunde<br />

ans Tageslicht kommen, zeugen von diesem Ereignis. Der<br />

Urvogel Archaeopteryx ist einer davon.<br />

Die mit rund 200 Kilometern längere der beiden Hauptrouten<br />

des Georadwegs führt über Treuchtlingen und<br />

Pappenheim nach Solnhofen, wo im gleichnamigen Museum<br />

drei Originale des Archaeopteryx ausgestellt sind.<br />

In mehreren Fossiliensteinbrüchen entlang der Strecke<br />

haben Hobbysammler Gelegenheit, selbst auf die Suche<br />

nach Versteinerungen zu gehen. Zusätzlich geben der<br />

Dinopark Altmühltal mit seinen lebensgroßen Dinosaurier<br />

Nachbildungen, das Fossilienmuseum Berger und das


Juramuseum auf der Willibaldsburg in Eichstätt spannende<br />

Einblicke in die Erdgeschichte lange vor unserer Zeit.<br />

Apropos Eichstätt: Die imposante Bischofsstadt ist nicht<br />

nur das geografische Zentrum des Naturparks Altmühltal,<br />

ihre prunkvollen barocken Bauwerke und weitläufigen,<br />

sonnigen Plätze strahlen zudem südländische Lebenslust<br />

und Leichtigkeit aus. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich<br />

auf jeden Fall die Zeit nehmen, bei einem Bummel die<br />

Kulisse der Stadt auf sich wirken zu lassen oder in einem<br />

der zahlreichen Cafés ihren Charme zu genießen. Natürlich<br />

ist auch <strong>für</strong> Kulturinteressierte die Stadt der Kirchen und<br />

Klöster ein absolutes Juwel.<br />

In die Welt der Römer<br />

Entlang der Altmühl führt der Georadweg aus der Stadt<br />

und weiter Richtung Osten. Durch eine ruhige Flusslandschaft,<br />

gesäumt von Wacholderheiden, geht es dann wieder<br />

weit zurück in die Vergangenheit: Bei Pfünz erzählt das<br />

Kastell Vetoniana vom Leben der römischen Soldaten.<br />

Eine Toranlage und ein Teil der Wehrmauer mit Eckturm<br />

konnten von der Anlage rekonstruiert werden. Sie war<br />

an der strategisch günstigen Lage auf dem Bergplateau<br />

errichtet worden, um den Limes zu bewachen. Unten im<br />

Tal gab es eine Zivilsiedlung und ein römisches Bad, <strong>für</strong><br />

das der nahegelegene Bach genutzt wurde. Bei Grabungen<br />

wurden Waffen, Ausrüstungsgegenstände und sogar ein<br />

Münzschatz gefunden. Besonders eindrucksvoll ist die<br />

Wachstube, in der zwei Soldaten in voller Kleidung und<br />

Bewaffnung zu sehen sind. Weitere Sehenswürdigkeiten<br />

aus der Zeit sind im Römer- und Bajuwarenmuseum in<br />

Kipfenberg ausgestellt. In dem attraktiven Ort mit der hoch<br />

aufragenden Burg befindet sich auch ein Infozentrum zum<br />

heutigen Welterbe Limes.<br />

63


Quirlige Städte<br />

Wer lieber in der Gegenwart weilt, der genießt die<br />

lebensfrohen Städte des Altmühltals. Neben dem<br />

prächtigen Eichstätt locken auch die anderen historischen<br />

Städte des Altmühltals zu einem Besuch. Am<br />

westlichen Rand des Naturparks liegt das schwäbische<br />

Nördlingen mit seinen Fachwerkhäusern und<br />

der begehbaren Stadtmauer, die den gut erhaltenen<br />

mittelalterlichen Stadtkern wie ein Ring umgibt. Weiter<br />

führt die längere Variante des Georadwegs in die<br />

Wallfahrtstadt Wemding, wo die mächtigen Türme der<br />

Basilika Maria Brünnlein den historischen Stadtkern<br />

von Weitem sichtbar überragen. Vorbei am Hahnenkammsee,<br />

einem der sieben Stauseen des Fränkischen<br />

Seenlandes, geht es dann in die Kurstadt Treuchtlingen<br />

und ins beschauliche Pappenheim mit seiner imposanten<br />

Burganlage. Wer es bunt mag, besucht den Hundertwasser-Turm<br />

in Abensberg. Die Liste charmanter<br />

Orte könnte hier noch lange fortgeführt werden,<br />

denn auch die historischen Städtchen Dietfurt an der<br />

Altmühl, Beilngries und Riedenburg mit gleich drei<br />

Burgen locken mit ihrem lebensfrohen Charme. Sie alle<br />

verbindet die etwas kürzere Variante des Georadwegs,<br />

die auf rund 180 Kilometern ebenfalls von Nördlingen<br />

nach Kelheim verläuft.<br />

Grandioses Finale am Schluss<br />

Ziel – oder auch Startpunkt – beider Touren ist die<br />

ehemalige Herzogsstadt Kelheim mit der mächtigen<br />

Befreiungshalle und dem nahegelegenen Donaudurchbruch.<br />

Auch wenn eine Route des Georadwegs fast direkt<br />

am Kloster Weltenburg, mit seiner prächtigen barocken<br />

Asamkirche und der fast tausendjährigen Brautradition<br />

vorbeiführt, kann man das einzigartige Naturschauspiel<br />

der „Weltenburger Enge“ am eindrucksvollsten vom<br />

Wasser aus bestaunen. Die Weltenburger Enge entstand<br />

vor rund 200 000 Jahren, als sich die Donau ihren Weg<br />

schuf durch das hoch aufragende Kalkgestein – Überbleibsel<br />

des Urzeitmeeres, das einst die Region bedeckte.<br />

Das Naturschutzgebiet zählt zu den hundert schönsten<br />

Geotopen Bayerns. Auf einer Strecke von ungefähr fünf<br />

Kilometern lässt sich vom Schiff aus hautnah erleben, wie<br />

sich der Fluss seinen Weg durch bis zu 70 Meter hohe,<br />

steil abfallende Felswände bahnt.<br />

Text: C o rnelia Bub b / Bilder: N aturp ark A ltm ü h ltal


N<br />

A<br />

W<br />

aturp ark<br />

ltmü hltal<br />

L age: Südliche Fränkische Alb, im Städtedreieck<br />

von Nürnberg, Regensburg,<br />

Ingolstadt<br />

Grö ße: 2962 Quadratkilometer<br />

Sehenswert:<br />

Nördlinger Ries, Dinopark Altmühltal,<br />

Museum Solnhofen, Juramuseum in<br />

Eichstätt und weitere Fossilienmuseen<br />

und Steinbrüche, Römerkastell Vetoniana<br />

bei Pfünz, Römer- und Bajuwarenmuseum<br />

in Kipfenberg, der römische Limes, vorgeschichtliches<br />

Erlebnisdorf Alcmona bei<br />

Dietfurt an der Altmühl, Kloster Weltenburg,<br />

Weltenburger Enge, sowie die lebendigen<br />

und historischen Städte der Region.<br />

T ourenv orschlag: Georadweg mit zwei<br />

Hauptrouten und mehreren Möglichkeiten<br />

zu Tages- und Rundtouren<br />

eitere I nfo: Naturpark Altmühltal<br />

www.naturpark-altmuehltal.de,<br />

www.georadweg-altmuehltal.de<br />

65


066


THE<br />

BLACK EDITION<br />

IS BACK<br />

„London ist eine Stadt der Ikonen und das<br />

Brompton ist eine von ihnen.“<br />

Bilder: Velototal/ Lisa Espig<br />

Bilder: Brompton<br />

Das Leben in der Stadt am Tag und in der Nacht – das<br />

ist die Inspiration <strong>für</strong> die Brompton Black Edition <strong>2021</strong>.<br />

Stadtmenschen inspirieren, auf zwei kleinen Rädern urbane<br />

Abenteuer erleben und neue Wege gehen oder besser gesagt<br />

fahren. Als einmalige Aktion gedacht, war die Black Edition<br />

der ikonischen Faltradmarke Brompton Bicycle aus London<br />

so erfolgreich, dass sie <strong>2021</strong> bereits das fünfte Jahr in Folge<br />

aufgelegt wird. Jede neue Edition glänzt – im wahrsten Sinne<br />

des Wortes – mit neuen Akzenten. Immer in limitierter<br />

Stückzahl und immer nur <strong>für</strong> kurze Zeit. Mit Farben abseits<br />

des Mainstreams und schnittigen Komponenten in schlichtem<br />

Schwarz unterstreichen sie den urbanen Charakter der Serie.<br />

Das erste Brompton-Faltrad wurde 1975 von Andrew Ritchie<br />

in seiner Wohnung mit Blick auf das Brompton Oratory im<br />

Londoner Stadtteil South Kensington entworfen – daher der<br />

Name. Auch heute noch wird edes einzelne Rad in der firmeneigenen<br />

Manufaktur von Hand gelötet. Folglich ist jedes Rad<br />

ebenso einzigartig wie stabil. Konzipiert wurde es, um (Stadt-)<br />

Menschen ein Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit im urbanen<br />

Raum (zurück) zu geben. Diese Mission treibt Brompton<br />

bis heute an. w w w . brom p ton. com


VELOKICKS<br />

UNVERWECHS<br />

Kein Schuh von der „Stange“ –<br />

Die Gründer von VeloKicks aus<br />

Australien haben es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, Fahrradschuhen<br />

eine ganz besondere individuelle<br />

Note zu verleihen. Einer der<br />

Grundgedanken bei der Gründung<br />

der Marke war, gut aussehende<br />

und trotzdem bequeme<br />

Schuhe zu schaffen, die kein Vermögen<br />

kosten.<br />

068


ELBAR


070


Im Dezember 2015 startete VeloKicks als einfaches Instagram<br />

Account. Ziel war es, auf Neuheiten und Innovationen<br />

in der Welt des Rennradschuhs aufmerksam zu machen.<br />

Als Podologe und Radrennfahrer waren Schuhe jeglicher<br />

Art daher schon immer von großem Interesse <strong>für</strong> mich<br />

– insbesondere Rennradschuhe. Womit ich jedoch nicht<br />

gerechnet habe, war, dass der noch relativ unbekannte<br />

Trend handbemalter Schuhe bald so beliebt sein würde. Vor<br />

noch nicht einmal fünf Jahren ging es einfach noch darum,<br />

verschiedene Kreationen zu zeigen und eine Plattform <strong>für</strong><br />

diese Kunst – und die Künstler –, zu bieten. Die Instagram<br />

Gemeinde wurde bald aufmerksam und die Zahl der Abonnenten<br />

wuchs schnell. Als ich schließlich am Silvesterabend<br />

2016 mit einem engen Freund chattete, schlug dieser mir<br />

vor: „Warum tun wir uns nicht zusammen und entwickeln<br />

gemeinsam Schuhe? Du kümmerst dich um das Design und<br />

die Tests, das ist doch perfekt.“ Luke hatte Erfahrung mit<br />

Freizeitschuhen, kannte die Logistik. Es war eine ideale<br />

Kombination. Es folgte ein aufregendes Jahr mit Produkttests<br />

rund um Schuhform, Schuhgrößen und Festigkeit. Ziel<br />

war es, einen Rennradschuh zu kreieren, der eine hervorragende<br />

Qualität bot und bei dem gleichzeitig die verschiedenen<br />

Designelemente beibehalten wurden.<br />

Im November 2017 war es dann soweit, die VeloKicks<br />

Rennradschuhe der ersten Generation mit Blanco Schnürsenkeln<br />

kam auf den Markt. Und obgleich wir im Folgejahr<br />

auch den Blanco Dial zu unserem Sortiment zählten, waren<br />

unsere Schnürschuhe weiterhin der beliebteste Artikel <strong>für</strong><br />

die Gemälde der Künstler.<br />

Dazwischen brachten wir noch unser ‚Nero‘ Sortiment auf<br />

den Markt, einen Black-on-Black Straßenschuh (der so<br />

beliebt war, dass er zu einem dauerhaften Modell wurde) –<br />

ebenso wie die ‚Lactic‘ Mountainbike-/Gravelbike-Schuhe.<br />

Lactic ist der Name einer berühmten MTB-Strecke dort, wo<br />

unsere Marke ihren Anfang nahm, in Geelong, Australien<br />

(Gastgeber der 2010 UCI Straßen-Weltmeisterschaften). Die<br />

enge Verbindung zu dem Ort aufrecht zu erhalten, an dem<br />

sich die VeloKicks Wurzeln befinden, ist uns wichtig. Auch<br />

wenn wir jetzt weltweit agieren, werden wir nie vergessen,<br />

wo wir herkommen.<br />

Die Planungen <strong>für</strong> <strong>2021</strong> haben bereits letztes Jahr begonnen,<br />

und auch wenn wir nur eine kleine Marke (im Vergleich<br />

zu allen anderen Rennradschuhmarken weltweit<br />

sind), ist die Einführung eines Knit-Upper Schafts, eines<br />

einzelnen Dials und eines ganz weißen Straßenschuhs geplant<br />

– zusätzlich zu den Schuhen der fünften Generation.<br />

Als weitere Option wird an der Entwicklung eines Fußbetts<br />

unter podologischen Aspekten gearbeitet.<br />

Bilder/ Text: V elo Kic k s – N<br />

ic k S q uillari


PAUL<br />

SONN


SUCHT<br />

ALPENPÄSSE<br />

Alpe d´Huez, Galibier,<br />

Madeleine, Stilfser Joch –<br />

Paul Sonn kennt sie alle<br />

und er hat sie bezwungen.<br />

Mehr als 40 Alpenpässe<br />

hat er unter die Reifen<br />

genommen, sich damit<br />

seinen größten Wunsch<br />

erfüllt und eine unbeschreibliche<br />

Leidenschaft<br />

entwickelt.<br />

Der Grundstein <strong>für</strong> die Liebe zum Radsport beginnt im Jahr<br />

1957, Paul Sonn erhält sein erstes Fahrrad. Er ist acht Jahre<br />

alt und schustert sich gemeinsam mit seinem Vater ein Modell<br />

aus zwei altgedienten zusammen. Einiges an Akrobatik<br />

ist gefragt beim Fahren, denn das Herrenrad entspricht<br />

nicht ganz der Größe des kleinen Jungen. Den Lenker fest<br />

im Griff, müssen die edale genau getroffen werden. Der<br />

kleine Paul ist dennoch voll begeistert, er liebt das Gefühl<br />

der „großen“ Freiheit, das ihm das Fahrrad bietet.<br />

Mit etwa sechzehn Jahren kann er nach eifrigem Sparen das<br />

erste sogenannte Rennrad sein Eigen nennen. Das hellblaucremefarbene<br />

Modell mit Dreigangschaltung unterscheidet<br />

sich von den anderen Rädern allerdings nur durch<br />

den Rennradlenker. Immerhin erweitert sich der Radius<br />

auf Tagestouren von fünfzig bis sechzig Kilometern. 1975<br />

kommt dann das Rennrad Union Sapporo mit Shimano 600<br />

Schaltung und 12 Gängen und ist <strong>für</strong> den jungen Paul der<br />

ganze Stolz.<br />

Zu dieser Zeit träumt Paul Sonn bereits den große Traum,<br />

wenigstens einmal mit einem „richtigen Rennrad“ einen<br />

Alpenpass zu bezwingen. Doch mit der Erfüllung sollte es<br />

noch bis zum Jahr 1992 dauern. Im zarten Alter von 43<br />

Jahren nimmt <strong>für</strong> Paul Sonn eine Rennradgeschichte ihren<br />

Anfang, die sein Radfahrerleben gründlich verändert: Rennradfahren<br />

und Alpenpässe werden zur Sucht.<br />

Mehr als vierzig Pässe bezwingt der Radsportfan zwischen<br />

1992 und 2005. Die bekannten Alpenpässe der Tour de<br />

France, der Tour de Suisse, des Giro dItalia und viele mehr,<br />

die der Radsportfreak bisher nur aus dem Fernsehen kennt<br />

und liebt, werden sprichwörtlich zur eigenen Erfahrung.<br />

73


74


Mit einer kleinen Gruppe, aber hauptsächlich mit dem<br />

besten Freund Franco, auch ,,Pantani“ genannt, meistert er<br />

Pass um Pass.<br />

Gestartet wird mit der Strecke des legendären „Ötztaler-<br />

Radmarathon. Ausgesucht von einem guten Freund mit<br />

,,Alpenpasserfahrung“. Veranschlagt sind drei Tage, denn<br />

das Gepäck fährt mit. Und zwar im Rucksack. 238 Kilometer<br />

und 5500 Höhenmeter mit rund 12 Kilogramm Gewicht<br />

auf dem Rücken stellen sich schon bald als kaum machbar<br />

heraus. Doch es gibt kein Zurück. Für Paul Sonn wird die<br />

Strecke des Ötztal Marathons nicht nur die erste, sondern<br />

auch die schlimmste seiner immerhin mehr als 45 Pässetouren.<br />

Trotz allem kommt die Truppe ins Ziel und Paul Sonn<br />

schwärmt in seinem Buch von unbeschreiblichen Glücksgefühlen,<br />

trotz Flüchen, die unterwegs den Frust etwas abbauen<br />

helfen und unzähligen Spritzen, die ihm sein Orthopäde<br />

im Anschluss an diese Tour verabreicht. Eine Lehre wird<br />

aus dem Abenteuer gezogen: Nie mehr mit Rucksack auf die<br />

Alpenhöhen. acktaschen werden angeschafft. Die Strapazen<br />

sind schnell vergessen, – bereits zwei Monate später<br />

steht die nächste Alpentour auf dem Plan. Ein Nein kommt<br />

nicht in Frage!<br />

Text und Bilder: P aul S o nn/ G . O b erm eier<br />

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76


77<br />

P aul S onn wurde 1949 geboren und lebt in Mönchengladbach.<br />

Beruflich war er in der Tetilbranche<br />

unterwegs und machte sich 1984 selbstständig. Doch<br />

Erfolg hatte der Tausendsassa nicht nur beruflich,<br />

er erfüllte sich seinen großen Radfahrer-Traum und<br />

ging im Ruhestand unter die Schriftsteller. Und er<br />

schreibt ungefähr so schnell und ausdauernd, wie er<br />

mit dem Rad unterwegs war. Seine Radsportkarriere<br />

musste er leider krankheitsbedingt an den Nagel<br />

hängen, nachdem er bei einer seiner letzten Touren<br />

bemerkte: „Da timmt war nit!“<br />

14 Bücher hat er bereits geschrieben, darunter<br />

Werke über sein Leben, seine Erfahrungen, seine<br />

Erlebnisse und viele Kinderbücher. Er hält Lesungen<br />

und begeistert damit viele Menschen auch in Altenheimen<br />

und Kindergärten. Dass er seinem großen<br />

Traum und seiner Sucht nach Alpenpässen ein Buch<br />

widmet, versteht sich von selbst. So kam 2018 das<br />

Werk „Alpenpässe – die Sucht sie zu meistern – dem<br />

Mythos Tour de France begegnet“ in Eigenregie<br />

und im Eigenverlag heraus. In seiner rheinischen<br />

Schreibweise, wie er sie selber nennt, sind viele<br />

Touren in Erlebnisform entstanden. 100 Fotos aus<br />

der Zeit von 1992 bis 2005 veranschaulichen und<br />

untermalen die Erlebnisse mit einem ganz besonderen<br />

Charme.


RUFF CYCL<br />

Die Regensburger eBike-<br />

Schmiede Ruff ycles<br />

baut aufsehenerregende<br />

eBikes. In mehr als 0<br />

Ländern weltweit finden<br />

sich Fans und Kunden,<br />

darunter auch Fußballikone<br />

ristiano Ronaldo.


ES<br />

079


» FREUNDSCHAFTLICH UND<br />

Ruff ycles wurde 2012 anfangs nur als<br />

Rahmenhersteller <strong>für</strong> die ustomFahrrad<br />

Szene von etar „ero“ Desnica gegründet.<br />

MIT SPASS IN EINEM<br />

Drei Jahre später verkauft man die ersten<br />

Komplettbikes. Die Intention: Leidenschaft <strong>für</strong><br />

Lowrider ruiser und die Faszination <strong>für</strong> BM<br />

Bikes aus Kindertagen. Der Visonär ero<br />

ERREICHEN.«<br />

steht hinter den roduktideen. Talentierte roduktdesigner<br />

und Ingenieure unterstützen ihn.<br />

Generell herrscht im Hause Ruff ycles aber eine kreative Atmosphäre. Jeder ist eingeladen, sich einzubringen.<br />

Die Firmenphilosophie: „Freundschaftlich und mit Spaß in einem familiären mfeld etwas erreichen.“<br />

Das Team ist über die Jahre zusammengewachsen und auch privat gut befreundet. Es wird sehr professionell<br />

und zielorientiert gearbeitet, denn der „Luus“ Spaß an der Arbeit ist nicht selbstverständlich. 2 Mitarbeiter<br />

sind im Büro und in der Montage in Regensburg und in der Rahmenfertigung in BosnienHerzegowina<br />

beschäftigt. Das eher beschauliche, wunderschöne Regensburg ist Heimat und Firmensitz. Der Gedanke, in<br />

eine größere Stadt zu gehen, wurde gespielt, aber schnell verworfen. Ein mzug steht zwar an, aber innerhalb<br />

Regensburgs, denn der latzbedarf hat sich mittlerweile verdreifacht. Kein Wunder, denn es passiert so ziem-<br />

lich alles Inhouse: Montage, Endkontrolle, Einkauf, Marketing, Vertrieb, Admin, Website, IT, Design, R.<br />

FAMILIÄREN UMFELD ETWAS<br />

081


Die Erfolgsstory begann mit dem Flaggschiff Ruan,<br />

dem wohl auffälligsten eBike, das auch eingestandene<br />

MotorradFans überzeugt. Eine Herausforderung, ein<br />

derart außergewöhnliches rodukt in diesem umkämpften<br />

und etablierten Markt zu platzieren. Damit<br />

verbunden auch den Supplyhain, die Arbeit mit dem<br />

Fachhandel, eine beständige ualität sowie eine eigene<br />

Manufaktur aufzustellen. Das Team wurde anfangs<br />

belächelt, weil der Ruan doch etwas teurer war. Aber<br />

mit dem authentischen und einzigartigen rodukt sind<br />

schnell viele Sympathien der Kunden und der Händler<br />

gesichert. Individuelle Kundenwünsche werden beim<br />

Ruan gerne erfüllt. Sei es die Wahl der Reifen, Griffe,<br />

Sättel als auch Farb und LogoWünsche.<br />

nd wer sind die Kunden uerbeet. Die Ruff ycles<br />

Kunden sehnen sich nach etwas Besonderem und sind<br />

nicht gerade schüchtern, denn wer mit den Bikes unterwegs<br />

ist, fällt einfach auf, soviel ist sicher. Der Ruan<br />

ist besonders bei den männlichen Kunden beliebt. Auch<br />

ristiano Ronaldo als Besitzer von 2 Ruans sowie<br />

Bekannte aus der Musikszene zählen zu den Fans. Das<br />

Funbike LilBuddy, das klein und kompakt mit großem<br />

Spaßfaktor aufwartet, spricht so ziemlich alle Altersgruppen<br />

von 10 bis 7 Jahren an. Das Modell ist eine Hommage<br />

an die wilden Fahrräder und Minibikes der 70er<br />

Jahre. Das LilBuddy rockt die Staßen ob in der Natur,<br />

beim endeln oder einfach auf ein Date.<br />

Doch dem Ideenreichtum und der Innovationskraft sind<br />

im Hause Ruff ycles keine Grenzen gesetzt und man<br />

darf gespannt sein, was die Regensburger Edelschmiede<br />

als nächstes präsentiert. Sicher ist schon etzt die Zusammenarbeit<br />

mit „American hopper“Star aul Teutul Jr..<br />

083


„AMERICAN CHOPPER“-STAR &<br />

RUFF CYCLES<br />

Neu im Hause Ruff ycles: Man startet eine enge Zusammenarbeit<br />

mit Sustom Bike Legende aul Teutul Jr..<br />

und präsentiert das vom „American hopper“Star designte<br />

JDE Ruan.<br />

Bekannt wurde aul Teutul Jr. als der hief Designer von<br />

einigen der weltbekanntesten Motorrädern in der beliebten<br />

TV Reality Show „American hopper“. aul Jr. initiierte den<br />

Kontakt zu Ruff ycles. Beide Seiten sind sich schnell einig<br />

geworden, sodass schon bald die ersten Designs ausgearbeitet<br />

werden konnten.<br />

“nsere Beziehung ist ein großartiges Zusammenspiel<br />

zwischen deutscher Ingenieurskunst und amerikanischem<br />

Design. Ruff ycles ist authentisch und hebt sich mit dem<br />

eigenen Stil in der Fahrradindustrie ab. Ich wusste sofort,<br />

dass ich mit den Jungs zusammen arbeiten will“, sagt aul<br />

Teutul Jr..<br />

Ruff ycles Gründer, etar „ero“ Desnica meint: „Wir fühlen<br />

uns geehrt, dass aul Jr. uns als artner ausgewählt hat.<br />

Als er uns kontaktierte und uns seine Ideen präsentierte,<br />

waren wir sofort begeistert, da es wohl kaum einen bekannteren<br />

Designartner <strong>für</strong> uns gibt als aul. nser Team hat<br />

gemeinsam mit aul Jr. in kürzester Zeit seine Designs umsetzen<br />

können. Es gab schon etliche Vorbestellungen, ohne<br />

dass es e ein Bild vom JDE zu sehen gab.“<br />

nd schon kurze Zeit später freuen sich beide, das neue<br />

JDE eBike präsentieren zu dürfen. Beim Design hat sich<br />

aul Jr. von seinem “Build off 2“ Motorrad inspirieren<br />

lassen. Mit dem besagten Aufbau konnte er sich in einer Spezialfolge<br />

2012 von „American hopper“ in einem BuildOff<br />

gegen seinen Vater aul Sr., Gas Monkey Garage und Jesse<br />

James durchsetzen.<br />

et ar uon au bereer, oto uff ce<br />

084


Das Leben<br />

ist eine Reise.<br />

Glück findest du<br />

auf dem Weg,<br />

nicht am Ziel.<br />

Bild: MF97iabay


„Alfred! Auf! Wir schaffen das!“,<br />

rief ich meinem Bike zu, als es<br />

bei knapp 0 Hitze mal wieder<br />

den Berg hochging. Alfred ist der<br />

Name meines Rades, und auch<br />

wenn Alfred kaum etwas an Temperatur<br />

und Steigung ändern<br />

kann, motiviert es doch, einen<br />

Kumpel während der Radtour zu<br />

haben insbesondere wenn man<br />

alleine unterwegs ist.<br />

JAKOBSWEG<br />

AUF ABWEGEN<br />

87


Nachdem ich mein Rad also bereits vorgestellt hab, kommen<br />

wir kurz noch zu mir: Ich bin Tobi aus dem Schwabenländle.<br />

Seit knapp zehn Jahren hat mich nun schon das Radreise<br />

Fieber gepackt. Kaum hatte ich meine erste 2.000 KilometerTour<br />

in der Tasche, war es während der Sommermonate<br />

fortan wahrscheinlicher, mich irgendwo in Südwesteuropa<br />

auf dem Sattel anzutreffen, als in meinen eigenen vier Wänden.<br />

Meine dritte große Radreise stand schließlich unter dem<br />

Motto „Jakobsweg auf Abwegen“. Der Titel ist mir damals<br />

einfach so zugeflogen. Ich hatte mir vorgenommen, endlich<br />

einen ordentlichen Reiseblog zu erstellen, und da braucht<br />

eine Reise eben auch eine fesche berschrift. Den Titel fand<br />

ich sehr passend, denn selbst wenn ich mir als Ziel Santiago<br />

de ompostela gesteckt hatte, würde mich der Weg dorthin<br />

unter anderem auf dem amino del Norte sicherlich oft<br />

von der OriginalRoute wegführen und über ein paar Straßen<br />

leiten vor allem in Anbetracht des schwer bepackten<br />

Fahrrads. Stellenweise ist das Gelände dann doch etwas zu<br />

unwegsam <strong>für</strong> ein simples Tourenrad. Alfred hat es in dieser<br />

Hinsicht zwar faustdick hinter den Lenkerhörnchen, aber<br />

ich wollte eben auch ein bisschen Strecke machen. Zudem<br />

waren meine Beweggründe <strong>für</strong> die Reise nicht wirklich religiöser<br />

Natur. Es ging mir um die spirituelle Erfahrung, die<br />

sportliche Herausforderung und den Anreiz, Spanien mal<br />

von einer anderen Seite kennenzulernen.<br />

Die Vorbereitungen starteten, der Blog wurde erstellt, der<br />

Job gekündigt, das meiste Euipment war eh schon vorhanden<br />

und im Juni 201 war es dann soweit. Insgesamt hatte<br />

ich <strong>für</strong> die Reise ein halbes Jahr angesetzt. Was danach<br />

kommt, würde sich ergeben. nd wer weiß, vielleicht würde<br />

auch ich eine Weisheit aus dem Abenteuer ziehen können,<br />

wie schon viele andere ilger vor mir. Die Streckenplanung<br />

war klar und gleichermaßen dem Zufall überlassen. „Von<br />

Deutschland bis Südfrankreich“, so nannte ich den ersten<br />

Abschnitt meiner Reise. Da ich diesen Teil der Tour bereits<br />

früher mal mit dem Rad befahren hatte, war ich sehr<br />

gespannt, was die nunmehr bekannte Strecke <strong>für</strong> berraschungen<br />

<strong>für</strong> mich bereit halten würde. nd davon gab es<br />

einige, schließlich befand ich mich auf dem Jakobsweg.<br />

„Gastfreundschaft“ ist immer ein sehr groß geschriebenes<br />

Wort auf dem amino. Vielleicht ist es das Ziel Santiago,<br />

bei dem die Leute hellhörig werden, vielleicht ist es der<br />

Spirit des Radreisens, vielleicht ist es eine Aura, die dich<br />

als Alleinreisenden umgibt, vielleicht ist da auch noch ein<br />

bisschen mehr. Ich war edenfalls nicht selten fasziniert von<br />

dem Vertrauen, das mir auf dem Weg entgegengebracht<br />

wurde, und dabei wussten die meisten Menschen in dem<br />

ersten Moment noch nicht einmal, dass ich ein ilger bin. In<br />

Frankreich erfreute ich mich der Einladung in das Dachgeschoss<br />

einer Bar, um dort die Nacht zu verbringen ein<br />

Gewitter war im Anmarsch. Revanchieren konnte ich mich<br />

mit meiner Hilfe bei dringend benötigten Renovierungsarbeiten.<br />

Tags darauf traf ich eine mir hektisch zuwinkende<br />

Frau am Straßenrand. Zuerst dachte ich, sie hätte eine Autopanne.<br />

Dann verstand ich: Sie wollte mir in ihren eigenen<br />

vier Wänden eine Bleibe <strong>für</strong> die Nacht anbieten und mich<br />

zum Essen einladen. Ich hatte in keinster Weise damit gerechnet<br />

oder danach gefragt. Dementsprechend überrascht<br />

und auch ein wenig skeptisch hatte ich reagiert. In Spanien<br />

eröffnete sich mir ein Schlafplatz im Garten eines älteren<br />

Ehepaars, genau da, als ich ihn am meisten brauchte: Die<br />

Nacht brach herein und keine Herberge war in Sicht. Da<strong>für</strong><br />

gab es einen grandiosen Blick auf den Atlantischen Ozean<br />

inklusive Sonnenuntergang und Gartendusche. Schließlich<br />

war da noch der kleine Hinterhof eines Gehöfts in Asturien.<br />

Ich war eigentlich nur auf der Suche nach einem kleinen<br />

Snack, aber mich erwartete eine ganze ilgerschar unger<br />

Leute, ein Festmahl, Gitarrenmusik und Sidra en masse.<br />

All das gegen den vertrauensvollen Wunsch einer einfachen<br />

Spende. Wer emals Filme über den Jakobsweg gesehen<br />

oder Bücher darüber gelesen hat, dem kann ich versichern:


Das ist kein HollywoodKitsch oder irgendwelche Schönmalerei,<br />

das passiert wirklich und es hinterlässt einen bleibenden<br />

Eindruck.<br />

In Frankreich sattelte ich im Tal der Ardche kurzerhand<br />

auf ein Kaak um, denn wer sagt, dass man sich als ilger<br />

nicht auch mal etwas treiben lassen darf. Selbst wenn das<br />

Kaak in der Liste der akzeptierten Verkehrsmittel <strong>für</strong> die<br />

ilgerreise noch keinen latz gefunden hat, eine ilgerurkunde<br />

gab es trotzdem. Etwas später auf meiner Reise<br />

Santiago und das Ende der Welt waren bereits erreicht,<br />

stellte ich mich der Herausforderung, die Sierra Nevada<br />

zu überueren. Das Motto „Abwege“ traf auch hier voll ins<br />

Schwarze, denn mit einem schwer beladenen Tourenrad auf<br />

Wanderwegen einen .000er zu bezwingen ist kein leichtes<br />

nterfangen. Aber, wie ich herausfand, absolut möglich.<br />

Ein Abenteuer im Abenteuer war es allemal.<br />

Meine Streckenplanung während der gut fünfeinhalb tausend<br />

Kilometer passte ich unterwegs immer wieder neu an<br />

meine Bedürfnisse oder Interessen an. Funny Fact: Während<br />

meines Rückwegs auf dem gut freuentierten amino<br />

Francs begegneten mir eden Tag ein paar ilger, die mich<br />

mit lauten Rufen und fuchtelnden Händen darauf aufmerksam<br />

machten, dass ich offensichtlich in die falsche Richtung<br />

fahre Santiago läge in der anderen.<br />

Auf dem letzten Teil meiner Tour entschied ich mich,<br />

Spanien entlang der Mittelmeerküste im Landesinneren<br />

zu erkunden. Ich kann es nur edem empfehlen, mal einen<br />

Abstecher dorthin zu wagen. Es gibt viel zu entdecken: Die<br />

Sierra Espua, das abo de Gata, die Alpuarras zusammen<br />

mit der Sierra Nevada, die Stauseen zwischen Granada und<br />

Sevilla und noch vieles mehr.<br />

Mein finales Ziel setzte ich schlussendlich in diz, eine der<br />

schönsten und authentischsten Städte Spaniens, eine der<br />

ältesten Europas zugleich. Dort blieb ich fast einen ganzen<br />

Monat, ehe ich mich zum Ende meiner Reise hin doch noch<br />

in Richtung Kanaren aufmachte, dieses Mal mit der Fähre.<br />

Bilder & Text: To b ias Traunec k er<br />

89


INFO<br />

M it L eidens c h af t f ü rs S c h reib en, der L ieb e z um Reis en und<br />

ener ntt ür ute otorae ete oba raunecer<br />

e a ür ene arrere a eeboer eben ehreren<br />

urztrp n er beret au er rere ouren ene<br />

rahrunen bechrebt er ntereant, aüant un anz<br />

etreu e otto e beten echchten chrebt a<br />

een n ene o ernerebene eben aere<br />

ützche au enen epehenerten acten, ührt er<br />

ort auch ne au, e enen ec erüen un eeen<br />

a beten ech zuhaue beben t ener rbet be ooot<br />

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rau n rüun eanen uch e our au e ano<br />

ranc hat e a e er uroeo or urze be ooot<br />

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P ilgern und Glaub e<br />

nzchen t e ree otaton au e aobe<br />

ncht ehr auchaeben n antao e opotea<br />

het an ae er oen, ea eche eerün-<br />

e un ene erente erurune ehrt azu nze<br />

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e ahrra üen zurüceet eren<br />

C amp ing- Reisefü hrer fü r den J akob sweg<br />

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au ene o enen unu an nteruntcheten<br />

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chen etcheten n en rten on erherberen<br />

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auetet, ehrhetch t ntereanten noratonen<br />

zu hrer utattun oer nchteeenen erce ne<br />

nterate arte ort ür en nten berbc<br />

u nen unter eetpp au ernerebene


Ein Fahrradsattel ist<br />

ein Wunderwerk.<br />

Egal wie alt er ist,<br />

er kommt mit jedem<br />

Arsch zurecht.<br />

Bild: Yakup Ipek/Pixabay


092


TAKE A WALK<br />

ON THE WALD SIDE<br />

4forest – das Gravelbike unter den Lastenrädern.<br />

Das Berliner Produktdesign-Büro Werksdesign hat das<br />

erste Offroad-Lastenfahrrad als Prototyp entwickelt.<br />

Bilder: www.werksdesign.de<br />

Bilder: Hersteller<br />

Volker Schumann, Geschäftsführer von Werkdesign, selbst<br />

leidenschaftlicher Gelände-Radfahrer, ärgerte sich, dass<br />

er sein Trekkingrad nur begrenzt beladen kann und die<br />

üblichen Lastenfahrräder nur <strong>für</strong> die Straße gebaut sind.<br />

So kam er mit seinem Berliner Designbüro auf die Idee,<br />

ein OffroadLastenradfahrrad zu entwickeln: forest das<br />

Gravelbike unter den Lastenrädern. Es ist Transportrad <strong>für</strong><br />

Wald und Wiese, voll geländetauglich und wendig.<br />

Dank des kräftigen E-Antriebs ist selbst bei hoher Gewichtsbelastung<br />

das Fahren auf unebenem Terrain besonders<br />

leicht. Außerdem ist das Gravel-Lastenrad leiser und<br />

umweltschonender als motorbetriebene OffroadGefährte<br />

wie uads oder Geländewägen, und verursacht deutlich<br />

weniger Bodenschäden. forest schließt so die Lücke zwischen<br />

Offroad und argobike.<br />

Das speziell <strong>für</strong> Naturliebhaber konzipierte forest bietet<br />

mit seiner vollgefederten Neigetechnik und leistungsstarkem<br />

Bosch E-Antrieb eine Zuladung von über 220 kg. Es<br />

hat latz <strong>für</strong> ein paar Festmeter Holz, die icknickAusrüstung<br />

oder das Schlauchboot. Alles bequem verstaubar<br />

in einer abnehmbaren Heck-Box und auf einem stabilen<br />

Gepäckträger.<br />

Hinten schnurrt die Schaltung von Rohloff, über zwei Riemenantriebe,<br />

Differenzial und zwei Kardangelenke aus dem<br />

GoKartBau wird die Kraft auf die Hinterräder übertragen.<br />

Damit forest gut transportiert werden kann, haben die<br />

Designer den Rahmen geteilt und eine versenkbare Lenkstange<br />

konstruiert. So lässt sich der Offroader unter den<br />

Lasteseln schnell und unkompliziert auf- und abbauen.<br />

Auf zum Walk on the Wald Side!


B<br />

GRENZ<br />

ERFAHRUNGEN<br />

ikep acking mit Geschichte<br />

Zum 30. Jubiläum der Wiedervereinigung im<br />

Oktober 2020 fährt Rad-Abenteurer Markus<br />

Stitz die ehemalige innerdeutsche Grenze<br />

entlang. Diese Bikepacking-Reise ist zugleich<br />

eine Tour der Freiheit, wie er in seinem<br />

Video beeindruckend beschreibt.<br />

094


„ A M 1 0 N<br />

v<br />

L<br />

P<br />

M<br />

Z D<br />

A<br />

T<br />

W U<br />

I<br />

v<br />

m orgen des . o-<br />

emb er stand ich mit meinem<br />

ieb lingsp lü schtier am<br />

Fenster unserer lattenb auwohnung<br />

als meine utter<br />

ins immer kam. ann ging<br />

alles sehr schnell. nziehen,<br />

Frü hstü ck, in unseren<br />

rab ant und auf einmal<br />

waren wir im esten. nd<br />

alles roch auf einmal wie im<br />

ntershop und die Regale<br />

waren oll.“<br />

Der Journalist und Filmemacher Markus Stitz ist<br />

im Eichsfeld aufgewachsen, und obwohl er seit fast<br />

12 Jahren in Schottland lebt, besucht er die Region<br />

immer wieder gerne, besonders mit dem Rad. Der<br />

Film „Grenzerfahrungen“ ist inspiriert von dem<br />

Interesse seines Vaters <strong>für</strong> die Geschichte des<br />

Eichsfelds, die untrennbar mit der innerdeutschen<br />

Grenze verbunden ist. Der Vater ist leider bereits<br />

verstorben, aber Markus Stitz ist dankbar <strong>für</strong> die<br />

väterliche Inspiration und meint: „Ich glaube,<br />

er hätte den Film mit Interesse unterstützt und<br />

geschaut.“<br />

Die Idee zur Bikepacking-Tour entstand, als der<br />

Radsportfan vor fünf Jahren die Welt mit einem<br />

Singlespeed-Rad umrundete. Als er bei seiner<br />

Rückkehr das erste Hinweisschild mit dem Verweis<br />

auf die ehemalige Grenze in der Rhön sah, wurde<br />

ihm unter Freudentränen bewusst, dass die<br />

ffnung der innerdeutschen Grenze schlichtweg<br />

das geschichtliche Ereignis war, das seine Weltreise<br />

erst ermöglicht hat. Die große Tour, die ihn<br />

ein Jahr lang rund um die Welt führte, hat gezeigt,<br />

dass es wesentlich mehr gibt, das die Menschen<br />

verbindet, als trennt. Diese Erfahrungen wollte<br />

Markus Stitz gerne nutzen, um seine Heimat mehr<br />

Menschen näher zu bringen. Insofern lag es nah,<br />

eine Route entlang des Eisernen Vorhangs zu wählen<br />

und sein erstes Bikepackingrouten-Projekt in<br />

Deutschland zu starten.


„ I ch kann mich noch sehr gut an die M ontagsdemonstrationen erinnern,<br />

und wie gesp annt die Stimmung unmittelb ar v or dem 9 . N o-<br />

v emb er war. M ein B ruder musste seinen W ehrdienst leisten,<br />

und meine E ltern waren aus guten Grü nden b esorgt, wie sich die<br />

Situation entwickeln wü rde.“<br />

Anfangs war nur die Strecke geplant. Die Idee zum<br />

Film entstand eher spontan. Insgesamt waren nur acht<br />

Tage Zeit, um die knapp 800 km zu radeln, dabei zu<br />

filmen und Fotos zu machen, da die Wiedereinführung<br />

der Quarantäne drohte und die Rückreise nach Schottland<br />

schwieriger gestaltet hätte. 100 Kilometer pro Tag<br />

radeln und dabei mindestens zwei Stunden mit Filmen<br />

zu verbringen, brachte Markus oftmals an seine Grenzen.<br />

Der Titel „Grenzerfahrungen“ ist daher bewusst<br />

zweideutig gewählt.<br />

Warum Gravelbike? Für den Filmemacher ist ein Gravelbike<br />

die beste Wahl, um das Umfeld auf und abseits<br />

der Straßen zu erkunden. Sein erstes Gravelbike hat er<br />

bereits 2010 erstanden und war damit seiner Zeit weit<br />

voraus. Für die Grenzerfahrungen war das „Schotterrad“<br />

bestens geeignet, um auf den längeren geteerten<br />

Abschnitten Strecke zu machen, aber gleichzeitig abseits<br />

der Straße mitten durch die Natur zu cruisen.<br />

Fotos: M<br />

096<br />

ark us S titz T ex t: M ark us S titz / G . O b erm eier


D<br />

I n dem gut zehnm inü tigen Film erzä hlt<br />

M arkus S titz, w ie er als Z ehnj ä hriger die<br />

rGrrr<br />

arrar-<br />

aarr<br />

Grakarra<br />

rGrrrrr<br />

rarGr-<br />

aaaaa<br />

arrr<br />

karrar<br />

Grrarraarr-<br />

kakra-<br />

rrG<br />

rrark<br />

rkrrar<br />

krar<br />

ara<br />

araa<br />

er Film Grenzerfahrungen ist auf Y outub<br />

e und auf b ikep ackinggermany .com/<br />

ironcurtain zu sehen.<br />

„ E s ist genau diese Freiheit,<br />

die ich am 9 . N ov emb er 1 9 8 9<br />

b ekommen hab e, die mich zu<br />

der P erson macht, die ich heute<br />

b in. D iese Freiheit erleb e ich<br />

am lieb sten auf dem B ike“


w<br />

„ W enn du niederg es c h lag en b is t,<br />

w enn dir die Tag e im m er dunk ler v o rk o m m en,<br />

w enn dir die A rb eit nur no c h m o no to n ers c h eint,<br />

enn es dir f as t s innlo s ers c h eint,<br />

überhaupt noch zu hoffen,<br />

dann setz dich einfach aufs Fahrrad,<br />

um die Straße herunterzujagen,<br />

ohne Gedanken an irgendwas<br />

außer deinen wilden Ritt.“<br />

Arthur Conan Doyle,<br />

Scientific American <strong>Magazin</strong>e,<br />

18.01.1896


099<br />

Foto: intographics auf Pixabay


ROBBY<br />

BECKER<br />

Ob kräftig oder dezent, abstrakt<br />

oder gegenständlich – Der fantasievolle<br />

Fotograf und Künstler<br />

versteht es, mit seinen Arbeiten<br />

zu faszinieren.<br />

101


FARBEXPLOSIONEN<br />

Robby Becker ist Maler und Fotograf. Der Künstler lebt und<br />

arbeitet in Südflorida. Stets kreativ und unkonventionell<br />

zeigt er bereits früh Interesse an künstlerischer Bildgebung.<br />

Seinen Abschluss als Bachelor of Arts in Massenkommunikation<br />

mit Schwerpunkt Fotografie macht er an der Idaho<br />

State niversity. Als Mittel des Ausdrucks seiner fantasievollen<br />

Kunst nutzt er seitdem auch Mied Media ainting.<br />

Der Sport, vor allem der Radsport spielen eine große Rolle<br />

bei seinen vielseitigen Motiven. Denn Rob Becker liebt<br />

Radfahren: „Das Abenteuer und die Freiheit auf dem Bike<br />

ist mit nichts vergleichbar. Es ist so ein großartiges Gefühl,<br />

dass ich, wenn möglich, jeden Tag fahre, – was mir meistens<br />

auch gelingt. Das Malen der farbenfrohen Action, Linie<br />

und Bewegung, die mit dem Radfahren verbunden sind,<br />

bietet mir ein ähnliches Abenteuer. Ich beobachte aufregende<br />

Rennaktionen, während ich versuche, die besten Szenen<br />

zu finden, die ich in meine skizzenhaften Bilder übersetzen<br />

kann.“<br />

Beckers Stil kann nicht an einem einzigen Beispiel erklärt<br />

werden. Seine Bandbreite erstreckt sich von beruhigenden<br />

Weinberg-Szenen mit dezenten Acrylfarben zu lauten,<br />

farbenfrohen abstrakten Darstellungen mit leuchtenden<br />

Sprühfarben. Es ist sein generelles Bestreben, edes Bild<br />

sowohl abstrakt als auch gegenständlich darzustellen.<br />

Oft findet man ihn in der Nähe des Wassers. Gerne arbeitet<br />

er an den wunderschönen, ruhigen Schauplätzen Floridas.<br />

Es ist keine berraschung, dass Meister des Handwerks wie<br />

Monet, ezanne und icasso zu Beckers Favoriten zählen.<br />

Die Art und Weise, wie Van Gogh Farbe verwendet, ollocks<br />

mutige Innovation und Warhols künstlerischer Ausdruck<br />

sind Attribute der Inspiration, die Becker bei seiner<br />

Ideenfindung und Gestaltung nutzt. Ihor Korotash, Richard<br />

Robinson, Michael Flohr, Kevin Macpherson und Robert<br />

Joyner sind weitere Künstler, die ihn täglich inspirieren.<br />

Die läne des Künstlers <strong>für</strong> die Zukunft sind offen. Er hofft,<br />

die Welt, die interessanten Schauplätze der Malerei und<br />

Fotografie bereisen und Leinwand mit originellen und unterhaltenden<br />

Farbeplosionen füllen zu können.<br />

Bilder: Ro b b y Bec k er<br />

103


BIKERAFTING IN<br />

YAKUTIEN<br />

ICH HABE LANGE KEIN DERARTIGES SCHMUNZELN UND<br />

STAUNEN GESEHEN. „JA, ROMAN UND ICH FAHREN<br />

DIESMAL IN SIBIRIEN RAD. KEIN SCHERZ. NEIN, ES IST<br />

DORT NICHT IMMER KALT! ÄH JA, ES GIBT DORT VIELE<br />

BÄREN. MIT BOOT? NA KLAR MIT BOOT!“<br />

Kilian Reil<br />

Mit Fahrrad und Schlauchboot nach Yakutien. Dies sollte<br />

unser zweites gemeinsames Abenteuer werden. Aufgrund<br />

unserer vorangegangenen Tour „Mit dem Fahrrad ins<br />

unbekannte Tadschikistan“ hatte man uns den Titel „Die<br />

Tadchicks“ angeheftet. Am Ende unserer damals vierwöchigen<br />

Tour durch den Pamir hatten wir uns etwas in die<br />

Haare bekommen. Der Grund war wahrscheinlich, dass wir<br />

unsere lieb gewonnene Freiheit und sieben Kilo Körpergewicht<br />

abgeben mussten. In Deutschland schrie die Arbeit<br />

und am tadschikischen Flughafen mussten wir uns noch mit<br />

korrupten Beamten herumschlagen. Ich habe Roman <strong>für</strong><br />

10 Dollar freigekauft, nachdem der Kontrolleur unsere gute<br />

Laune <strong>für</strong> überschwänglichen Alkoholkonsum gehalten hatte.<br />

Damals war eigentlich keine weitere gemeinsame Reise<br />

angedacht. Aber „Never say never“: Im Dezember 2017 fing<br />

das velodelische Fernweh wieder an zu wirken.<br />

Hier könnte man auch den klassischen Spruch „No good<br />

story starts with a glass of milk“ beifügen und damit bestätigen,<br />

dass gute Ideen nicht nur gelegentlich aus Bierlaune<br />

entstehen. Nach tagelanger Recherche im Internet stießen<br />

wir auf alte militärische Karten aus Zeiten der UdSSR. Also<br />

nicht die aktuellsten, aber immer noch sehr detailreich.<br />

Mit dem dicken Finger fuhren wir in sämtliche Ecken des<br />

ex-sowjetischen Reiches, die <strong>für</strong> uns von Interesse waren:<br />

Kamtschatka, die Mongolei, das Altaigebirge und die Region<br />

um den Baikalsee. Doch es machte alles nur bedingt Sinn,<br />

wenn wir auf Gabelflüge und übertriebene Transportkosten<br />

verzichten wollten. Roman erwähnte damals beiläufig das<br />

Thema „Bikerafting“, eine recht junge Kombination aus Fahrrad<br />

und Schlauchboot. Diese Verbindung schafft auf einmal<br />

ganz neue Möglichkeiten, da Routen neu kombiniert werden<br />

können. Wir stießen nach einigen Umwegen auf die ostrussische<br />

Teilrepublik Jakutien. Der Entschluss, dort hinzureisen,<br />

war schnell gefasst. Wir fanden auch eine durchaus nennenswerte<br />

Straße: Die Kolyma Trassa. Auch genannt die „Road<br />

of Bones“. Die Piste kam schon einmal in den Fokus internationaler<br />

Medien, als Ewan McGregor aka Obi Wan Kenobi,<br />

ein bekannter Star-Wars-Darsteller, mit einem Motorrad die<br />

gefährliche Strecke von Jakutsk bis Magadan fuhr. Für uns<br />

hieß das: Dort müssen wir hin!<br />

Unsere Planung zog sich dennoch, denn aus 10.000 Kilometern<br />

Entfernung und ohne brauchbare Reiseberichte, Landschaften<br />

und Strecken abzuschätzen, gestaltete sich mehr als<br />

schwierig. Unsere präferierte Route enthielt im Gesamten<br />

105


106


und 1300 km „Road of Bones“. Anschließend wollten wir<br />

200 km weit das Fahrrad durch die Pampa schieben, 20<br />

km über einen Gletschersee paddeln, 150 km strampelnd<br />

einen Pass überqueren, bis wir die letzten 500 km auf einem<br />

Fluss in Richtung Ochotskisches Meer hätten zurücklegen<br />

müssen. Soweit der Plan. Aber der erste Strich durch die<br />

Rechnung ließ nicht lange auf sich warten.<br />

Der geplante Rückflug aus Ochotsk wurde Anfang 2018<br />

eingestellt. Ein herber Rückschlag <strong>für</strong> uns, denn erreichbar<br />

war der schnuckelige Goldgräberort nun nur noch per Schiff<br />

oder per klapprigem Flugzeug aus dem noch weiter entfernten<br />

Khabarovsk. Scheinbar war das Dörfchen am Rande<br />

des ochotskischen Meeres kein Pauschalreiseziel <strong>für</strong> reiche<br />

Russen mehr.<br />

So mussten wir unsere Route wieder umkrempeln und waren<br />

mittlerweile bei Plan E oder F. Logistisch war die neue<br />

und finale Route auch kein Zuckerschlecken. Bike, Boot,<br />

Zelt, Sicherheitsequipment, Erste Hilfe und mehrere Kilo an<br />

Fertignahrung mussten nach Jakutsk verschifft beziehungsweise<br />

verflogen werden. Die russischen Transportbestimmungen<br />

wären hier ein eigenes Kapitel wert.<br />

Fast Forward<br />

Als wir am 29. Juli 2018 auf der Landebahn in Jakutsk aufsetzen,<br />

macht sich Erleichterung breit. Einmal um die halbe<br />

Welt mit 140 kg Gepäck. Mit dem Großraumtaxi fahren wir<br />

zu unserer Unterkunft: Nariyana, eine Couchsurferin, die<br />

sich bereit erklärt hat, unsere nicht benötigten Sachen <strong>für</strong><br />

eineinhalb Monate zwischenzulagern. Nach einigen letzten<br />

Einkäufen in Jakutsk geht es bereits am nächsten Tag los.<br />

Vor uns liegen fünf Wochen sibirische Einsamkeit, 2000 km<br />

Strecke und einige unvorhersehbare Ereignisse. Und viel<br />

Schotter.<br />

Der Weg aus der Stadt führt durch dichten russischen Verkehr.<br />

Wir merken schnell, dass der hiesige Autofahrer mit<br />

Radfahrern nichts anfangen kann. Knappe Überholmanöver<br />

und Hupen verfolgen uns. Nach rund zehn Kilometern<br />

stoßen wir auf die Fährstation, die wir ansteuern um das<br />

andere Ufer zu erreichen. Die Überfahrt mit der Fähre dauert<br />

etwa eine Stunde und die ersten neugierigen Mitfahrer<br />

fragen uns verblüfft, wo wir hin möchten. Ein älterer Mann<br />

schüttelt den Kopf und schenkt uns lachend eine halb volle<br />

Flasche Wodka <strong>für</strong> den Weg. Und dann sagt er noch die<br />

Worte, die wir häufig hören sollten: „Good luck!“<br />

Auf der anderen Seite des Flusses genießen wir noch ein<br />

kurzes Stück Asphalt, bevor sich die Straße in die erwartete<br />

Schotterpiste verwandelt. Die Trasse durch Niemandsland<br />

verbindet Jakutsk mit dem am Ochotskischen Meer<br />

liegenden Städtchen Magadan und hat eine furchterregende<br />

Historie. Erbaut wurde die „Road of Bones“ von tausen-


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den Strafgefangenen unter Stalins Herrschaft von 1930<br />

bis 1950. Politische Gefangene und Gulaginsassen starben<br />

durch Erschießungen, unmenschliche Bedingungen, Kälte<br />

und Unterernährung. Das Fundament der Straße besteht<br />

angeblich aus den Knochen der Gefangenen. Und warum<br />

der ganze Aufwand? Um die enormen Ressourcen und Gold<br />

und Diamanten in der Region zu befördern. Für Aufruhr<br />

während unserer Zeit dort sorgte übrigens scheinbar ein<br />

Flugzeug, das während der Startphase am Flughafen einen<br />

gehörigen Teil seiner wertvollen Ladung an Goldbarren<br />

verlor und über die Startbahn verteilte.<br />

Von Jakutsk schiebt sich die Trasse in nahezu kerzengeraden<br />

Passagen 600 km bis ins Werchojansker Gebirge. Wir<br />

fahren durch lichte Lärchen- und Kiefernwälder, passieren<br />

Birkenhaine und alte, zerfallene Kolchosen. Vorbei<br />

an verlassenen Gehöften und wilden Pferdeherden. Nach<br />

fünf Tagen erreichen wir Khandyga, ein etwas zerzaustes<br />

Städtchen am östlichen Ufer des Aldan. Ein weiterer riesiger<br />

Zustrom der Lena. Verrostete Überbleibsel alter Fabriken<br />

stehen herum und sind Zeitzeugen einer vergangenen Zeit.<br />

Wir werden mit hochgezogenen Augenbrauen begrüßt.<br />

Tags darauf erreichen wir ein heiß ersehntes Ziel: Die ersten<br />

Berge. Zeit ist es geworden, denn die letzten schnurgeraden<br />

Kilometer haben deutlich gezehrt. Allerdings mehr im Kopf<br />

als am Körper. Hier fahren vereinzelte Lkws um entlegene<br />

Dörfer wie das 200 km entferne Oymyakon zu versorgen.<br />

Mit Minus 70 Grad Rekordtemperatur gilt die Siedlung als<br />

Kältepol der Welt. Im Gebirge bauen sich tagsüber riesige<br />

Gewitterwolken auf, die sich am späten Nachmittag entladen<br />

und uns mit Unmengen Wasser aus sämtlichen Himmelsrichtungen<br />

beglücken. Für uns wichtiges, aber nasses<br />

Feuerholz wird deutlich aufwendiger zum Anzünden. Und<br />

die abendlichen Lagerfeuer werden etwas höher geschürt,<br />

als wir die ersten Bärenspuren im Sand entdecken.<br />

Mehr schiebend als fahrend verlassen wir am neunten Tag<br />

die „Road of Bones“ und bewegen uns nur langsam dem<br />

nächsten Etappenziel entgegen: Wir wollen in den Fluss<br />

Dyby einsteigen und diesen aus dem Gebirge heraus bis<br />

zum Aldan mit unseren Packcrafts befahren. Ein Unterfangen,<br />

das sich als durchaus gefährlich darstellt. Der Fluss in<br />

seiner ursprünglichsten Form mäandert durch die Gebirgslandschaft<br />

und beherbergt schwierige Wildwasserstellen.<br />

Zwar sind die Passagen technisch nicht schwer, aber extrem<br />

unübersichtlich. Als ich am zweiten Paddeltag einen unfreiwilligen<br />

Tauchgang hinlegen muss und mit samt des Bootes<br />

unter zwei Baumstämme gezogen werde, steht <strong>für</strong> uns eines<br />

fest: Gestorben wird hier nicht. Mit größter Vorsicht und<br />

aller Zeit inspizieren wir schwierige Stellen und umfahren<br />

diese zur Not. Nach einigen Tagen wird der Fluss merklich


weiter und ruhiger. Mit breitem Grinsen paddeln wir durch<br />

beeindruckende Landschaften und unberührte Natur. Im<br />

Umkreis von 200 km sind wir die einzigen Menschen. Aber<br />

hier wimmelt es von Bären und Elchen so scheu, dass wir<br />

sie lediglich flüchtig sehen, bevor sie wieder im Dickicht<br />

verschwinden. Ein Landstrich, der vor Expeditionspotenzial<br />

nur so strotzt. Vor allem <strong>für</strong> derartige Bikerafting Projekte.<br />

Und wir kratzen nur an der Spitze dieses Eisberges.<br />

Nach drei Wochen Einsamkeit erreichen wir den Aldan.<br />

Ein Fluss, der, wenn wir ihn weiter verfolgen würden, über<br />

die Lena ins Nordpolarmeer fließt. Da paddeln hier äußerst<br />

langwierig wird, bauen wir kurzerhand ein Floß aus Treibholz<br />

und unseren Booten. Ein Tarp wird als Segel gehisst<br />

und losgehts.<br />

Stolze 15 km/h stehen zeitweise auf dem „Tacho“ meiner<br />

GPS-Uhr. Vorbei an Fischerdörfern und vereinzelten Lastkähnen<br />

„schießen“ wir der Zivilisation entgegen. Am Ufer<br />

stehende Angler reiben sich die Augen. Als wir „Seebären“<br />

Ende August wieder Fuß an Land setzen, sind wir erleichtert.<br />

Die Temperaturen sind die vergangenen Tage gesunken<br />

und Dauerregen hat auch die von dem Dorf Ust-Tatta<br />

führende Straße zurück zur „Road of Bones“ in ein unpassierbares<br />

Schlammfeld verwandelt. Just in dem Moment<br />

kommt uns ein alter, klappriger Jeep russischer Bauart alias<br />

„Rennpappe“ entgegen. Freudig erregt schwingen sich drei<br />

Herren aus dem Vehikel und fragen uns, wohin wir fahren<br />

wollen. Sie erwidern unser Vorhaben mit Gelächter und<br />

packen unsere Fahrräder auf das Dach des Geländewagens.<br />

Zurück im Dorf werden wir im Haus der Mutter freundlich<br />

empfangen und zu Tisch gebeten. Mit etwas Eile werden wir<br />

noch zum Badezimmer geführt, bevor es zum Angeln gehen<br />

soll. Das Bad ist eine alte Holzhütte, die auch als Sauna<br />

verwendet wird.<br />

Es stellt sich kurze Zeit später heraus, dass der „Angeltrip“<br />

eine deutlich größere Veranstaltung wird. Mit Speedbooten<br />

fahren wir den Aldan hinab zu einer Gruppe an Blockhütten.<br />

Gefühlt fünfundzwanzig Männer mit Gewehren und<br />

Tarnausrüstung schleppen etwa die dreifache Menge an<br />

Wodkaflaschen zu den Hütten. Es scheint ein sportlicher<br />

Abend zu werden. Am nächsten Morgen starten wir mit etwas<br />

Katerkopfschmerz, welcher schnell verfliegt, als uns am<br />

Frühstückstisch der nächste Wodka untergeschoben wird.<br />

Dieser ist auch dringend nötig, denn auf dem Menü steht:<br />

Elchherzsuppe. Einen Tag später verlassen wir das Dorf<br />

und begeben uns auf den Weg zurück nach Jakutsk. Vor uns<br />

noch 350 km Piste und Schlamm.<br />

Jakutsk empfängt uns schließlich mit einem warmen Kaffee<br />

und einer Portion Pommes. Das Ende einer spannenden<br />

und teilweise nervenaufreibenden Reise und möglicherweise<br />

der Start eines neues Abenteuers, denn ich habe <strong>für</strong> mich<br />

schon beschlossen: Ich komme wieder.<br />

Text und Bilder: Kilian Reil<br />

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EIN HELM FÜR<br />

DEN URBANEN CHIC<br />

Der Casco Roadster Plus zeigt,<br />

wie chic die Fahrradmobilität wird.<br />

Der Helm, der auf diesem Bild in sand-glanz dargestellt ist, steht <strong>für</strong> den<br />

urbanen, modernen Lifestyle. Die Riemen in Lederoptik, vor allem aber das<br />

Carbonic-Visier prägen darüber hinaus das Design des Helms. Die reflektierenden<br />

Casco-Streifen dienen zwar auch als Designelement, sie haben jedoch als<br />

reflektierende Einlassungen einen bedeutenden Sicherheitsaspekt. Damit ist<br />

eine Rundumsichtbarkeit gewährleistet – ohne Batterie. Stabil und hochwertig<br />

ist im Übrigen auch der integrierte Aluminium-Mesh-Insektenschutz.<br />

Bilder: Lisa Espig<br />

Zur aktiven Sicherheit trägt die kopfumschließende Form des Helms mit dem<br />

erweiterten Schutz im Hinterkopfbereich bei. Die Augen werden durch das<br />

breitverlaufende Carbonic-Visier sehr effizient vor Zugluft, Insekten und Sonne<br />

geschützt. Die Filterkategorie 3 bietet einen hohen Schutz vor Sonneneinstrahlung,<br />

inklusive eines 100 % UV-Filters, so die Herstellerangaben. Dabei eröffnet<br />

das Visier eine beeindruckende Panoramasicht, ohne Einschränkungen durch<br />

Brillenrahmen und seitliche Verzerrungen. Anzumerken ist noch, dass, je nach<br />

Lieblingsfarbe oder Outfit, sich die Casco- Streifen austauschen lassen.<br />

20 Farben und Swarovski-Streifen stehen dabei zur Wahl.


pixabay.com/Mabel Amber<br />

VOM LICHT GEMALT<br />

Verlag<br />

VeloTotal GmbH<br />

Münchberger Straße 5<br />

D-93057 Regensburg<br />

Tel.: +49 (0)9 41/7 96 07-0<br />

Fax: +49 (0)9 41 / 7 96 07-10<br />

E-Mail: info@velototal.de,<br />

Webauftritt: www.velototal.de<br />

Herausgeber<br />

Johann Fink<br />

Nicht nur das Licht, auch Schatten<br />

können faszinieren. Die Natur<br />

versteht es immer wieder, uns zu<br />

verzaubern. So ist Radfahren oft wie eine<br />

Tour durch eine wundervolle abwechslungsreiche<br />

Galerie, die man am besten im<br />

Freilauf genießt. In diesem Sinne wünschen<br />

wir viel Spaß mit diesem Heft und freuen<br />

uns schon auf die nächste <strong>Ausgabe</strong>, die auf<br />

uns „zurollt“.<br />

Chefredaktion<br />

Johann Fink<br />

Redaktion<br />

Gerda Obermeier, Andreas Burkert,<br />

Marc Brodesser, Ulrich Fillies,<br />

Cornelia Bubb<br />

Grafik<br />

VeloTotal GmbH<br />

Brigitte Kraus, Lisa Espig<br />

Titelbild/Fotos<br />

Lisa Espig<br />

Anzeigenleitung<br />

Michael Wagner<br />

Tel.: +49 (0)9 41/7 96 07-44<br />

michael.wagner@velototal.de<br />

Anzeigen-Anlieferung<br />

per ISDN: +49 (0)9 41/7 96 07-67<br />

Vertrieb<br />

Print Media Group<br />

59069 Hamm<br />

Druck<br />

Print Media Group<br />

59069 Hamm<br />

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Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />

Fotos und Zeichnungen<br />

wird keine Haftung übernommen!


Bild: lenalensen/Pixabay<br />

Es gibt viele Möglichkeiten<br />

sich zu schützen.<br />

Wir Radfahrer sollten einen<br />

Helm da<strong>für</strong> nehmen.

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