Gabys Natur-Tagebuch Die Ebereschenbeeren – ein Genuss nicht nur für Vögel. Herbstliche Verführungen Was Tarzan und Übelkeit mit der Niele zu tun haben und weshalb die Vogelbeeren für die Vögel einst gefährlich waren.
Die Niele in Harmonie mit Brombeeren. Die Gemeine Waldrebe (Niele) mit wollener Blütenpracht. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber irgendwie fehlen mir dieses Jahr ein paar Wochen. Es begann damit, dass der Wonnemonat Mai partout keine wonnigen Gefühle aufkommen liess, denn er war um einiges kälter als üblich, sonnenarm und nass. So kam es, dass der Frühling fast nahtlos in den Sommer überging, und ehe man sich versah, ging es nach dem 21. Juni, der Sommersonnenwende, bereits wieder «nidsi». Ja und dann kam der grosse Regen im Juli… aber lasst uns nach vorne blicken, wo wir – quasi als Wiedergutmachung – hoffentlich mit einem prächtigen Spätsommer und Herbst rechnen dürfen. In den Hecken verführen uns nun die schwarz glänzenden Brombeeren zum Naschen. Ebenfalls verführt, aber zu etwas anderem, hat die einen oder anderen von uns wohl einst in der Jugend die Gemeine Waldrebe (Clematis vitalba). <strong>Das</strong> den meisten als Niele bekannte Schlinggewächs breitet seine wollene Blütenpracht wie luftige Decken über die Sträucher aus. Da seine strickähnlichen Stängel von vielen luftdurchlässigen Gefässen durchzogen sind, eignen sie sich seit jeher bestens für die ersten heimlichen Rauchversuche. Meistens endeten die mit grauenhafter Übelkeit und so dürften wohl auch sie noch manchen in Erinnerung geblieben sein. Die Stämmchen können sich bis zu 15 Meter in die Höhe ranken und gehören zu den wenigen Lianen, die bei uns in Mitteleuropa wachsen. Leider sind sie dann aber doch nicht so stark, wie die von Tarzan. <strong>Das</strong> mussten wir in der Kindheit bei unseren Abseilaktionen schmerzlich erfahren. Ebenfalls verführerisch leuchten die korallenroten Beerendolden der Eberesche (Sorbus aucuparia). Hartnäckig hält sich leider der falsche Glaube, dass diese Wildfrüchte giftig sind. Doch die Vogelbeeren, wie sie im Volksmund genannt werden, sind alles andere als giftig. Sie sind sogar sehr gesund, da sie mehr Vitamin C als die Zitrone enthalten. Aus diesem Grund wurden sie einst zur Heilung von Skorbut, einer Vitamin-C-Mangelkrankheit, eingesetzt. Wegen ihres Gehaltes an Parasorbinsäure sollten die Beeren jedoch keinesfalls roh, sondern nur gekocht, in der Form von Mus oder Kompott, verzehrt werden. Durch das Kochen wird die Parasorbinsäure, die Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann, zerstört. Abgesehen davon schmecken Ebereschenbeeren roh auch nicht wirklich gut. So heisst es in einem alten Kräuterbuch: «… sie sind eines seltsamen unlustigen geschmacks/so man deren zuvil isset/mache sie unwillen.» Leider ziehe ich bei meiner Eberesche im Wettrennen mit den Vögeln um die Beeren stets den Kürzeren. Sobald sie reif sind, machen sich vornehmlich Drosseln und Amseln in Scharen über sie her und im Nu ist der Baum rübistübis leergeräumt. Leider wurde den Vögeln ihre Vorliebe für diese schmackhaften Beeren in alten Zeiten nicht selten zum Verhängnis. Da diese bekannt war, wurden sie bei der Vogeljagd gezielt zum Anlocken eingesetzt. Daher stammt vielleicht auch der Name Vogelbeere. Dort, wo einst solche Vogel-Fanganlagen gestanden haben – meistens auf natürlichen Geländeerhebungen –, erinnert noch heute die Flurbezeichnung «Vogelherd» daran. Woher ich das weiss? Weil ich just neben einem solchen Vogelherd wohne und mal nachgeforscht hatte, woher diese Bezeichnung eigentlich stammt. Alte Ortsund Flurbezeichnungen sind ein wichtiges Kulturgut, denn sie geben uns interessante Aufschlüsse über die Verhältnisse und Bedingungen in der Vergangenheit. – Jetzt aber blicke ich in die Zukunft und wünsche Ihnen einen farbenprächtigen, erntereichen Spätsommer. Herzlichst, eure Gaby Gaby Kistler – Naturvermittlerin mit Leib und Seele Auf ihrer Homepage www.naturtagebuch.ch und der gleichnamigen Facebook-Seite zeigt Gaby, was es im Laufe der Jahreszeiten in Wäldern und Wiesen vor unserer Haustüre so alles zu entdecken gibt. Sie lebt am Ricken - pass, wo sie einen Gemüse-, Obst-, Beeren- und Heilkräutergarten pflegt. So findet man auf ihren Seiten auch Tipps für den Garten, zum Einmachen, zur Verwertung von Wildfrüchten und vieles mehr. <strong>NATURZYT</strong> 19