29.09.2021 Aufrufe

forward – WU Alumni Magazin 2/2021

Die Ausgabe 2/2022 beschäftigt sich mit Steuern und Gerechtigkeit und damit verbundenen Themen wie dem Gender Pay Gap oder einer fairen Verteilung der Steuerlast. Außerdem gehen Expert/inn/en der Frage nach, was Pandemien kosten und wer die Coronarechnung Österreichs bezahlt. Die WU Wien sucht die Antworten auf die großen Fragen der Zeit und präsentiert die neu ins Leben gerufene WU Foundation zur Exzellenzsteigerung der Lehre und Forschung. Das WU Alumni Magazin forward erscheint zwei Mal pro Jahr. Mehr Infos unter www.wu-alumni.at

Die Ausgabe 2/2022 beschäftigt sich mit Steuern und Gerechtigkeit und damit verbundenen Themen wie dem Gender Pay Gap oder einer fairen Verteilung der Steuerlast.

Außerdem gehen Expert/inn/en der Frage nach, was Pandemien kosten und wer die Coronarechnung Österreichs bezahlt.

Die WU Wien sucht die Antworten auf die großen Fragen der Zeit und präsentiert die neu ins Leben gerufene WU Foundation zur Exzellenzsteigerung der Lehre und Forschung.

Das WU Alumni Magazin forward erscheint zwei Mal pro Jahr. Mehr Infos unter www.wu-alumni.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SCHULDEN ABBAUEN | OVERCOMING DEBT<br />

Die Coronapandemie hat die Staatshaushalte enorm<br />

belastet. Die Steuereinnahmen sind gesunken und<br />

der Staat hat viel Geld in die Hand genommen, um<br />

schlimme wirtschaftliche und soziale Folgen zu verhindern.<br />

In Österreich stieg das Budgetdefizit, das 2019 noch bei 0,6<br />

Prozent des BIP lag, 2020 auf 8,9 Prozent. Der öffentliche<br />

Schuldenstand belief sich Ende 2020 auf 315 Milliarden Euro<br />

<strong>–</strong> um 34,8 Milliarden mehr als 2019, die Schuldenquote stieg<br />

auf 84 Prozent des BIP.<br />

Auch wenn Schulden aktuell wegen der niedrigen Zinsen sehr<br />

günstig sind, sollten sie möglichst rasch reduziert werden.<br />

Schließlich können die Zinsen wieder steigen, und es gibt<br />

auch keine Garantie dafür, dass neue Krisen ausbleiben. Prof.<br />

Rupert Sausgruber, Vorstand des Instituts für Finanzwissenschaft<br />

und Öffentliche Wirtschaft an der <strong>WU</strong>, sagt: „Wenn es<br />

gelingt, die Förderprogramme zu beenden, sollte es Toppriorität<br />

haben, auch die Staatsschulden wieder zu senken.“ Er<br />

betont aber, dass Schulden nichts Schlechtes sind: „Staatsverschuldung<br />

ist in Krisenzeiten ein wichtiges Instrument,<br />

um die akute Belastung<br />

In modernen<br />

Staaten kommen<br />

die zukünftigen<br />

Steuerzahlerinnen<br />

und -zahler für<br />

die Schulden auf.<br />

über die Zeit zu verteilen.<br />

Der Staat kann so<br />

weiter in Bildung und<br />

Infrastruktur investieren<br />

und Konsummöglichkeiten<br />

aufrechterhalten.“<br />

Doch<br />

wer soll das bezahlen?<br />

„In modernen Staaten<br />

kommen die zukünftigen<br />

Steuerzahlerinnen<br />

und -zahler für die Schulden auf“, sagt Prof. Sausgruber.<br />

Knifflig wird es allerdings bei der Frage, woher genau, also<br />

von welchen BürgerInnen, das Geld kommen soll.<br />

Sparen vorerst verschoben<br />

Es gibt grundsätzlich 2 Möglichkeiten: Staatsausgaben kürzen<br />

oder Staatseinnahmen erhöhen. Dass die Regierung zum<br />

Beispiel Pensionen kürzt oder das Pensionsalter anhebt, um<br />

die Ausgaben zu senken, ist eher unwahrscheinlich. Teilweise<br />

ist sogar das Gegenteil zu beobachten, wie in den USA,<br />

wo Präsident Joe Biden ein billionenschweres Investitionsprogramm<br />

angekündigt hat, das die Wirtschaft ordentlich<br />

ankurbeln soll. Rupert Sausgruber: „Das hat mit Sparen<br />

nichts zu tun, im Gegenteil, es kostet zunächst sehr viel<br />

Geld.“ Auch wenn sich erst in vielen Jahren zeigen werde, ob<br />

solche Programme die Kosten wieder hereinspielen, rechnet<br />

er damit, dass die meisten anderen Staaten ebenfalls mit<br />

Ausgabenprogrammen reagieren werden: „Einsparungen,<br />

falls sie irgendwann notwendig werden, verschieben sich<br />

damit ziemlich weit in die Zukunft.“<br />

Eher deutet sich an, dass an der Einnahmenschraube gedreht<br />

und Steuern erhöht oder neue eingeführt werden. Doch wer<br />

wird in welchem Ausmaß zur Kasse gebeten werden? Um das<br />

zu beantworten, ist es noch zu früh, wie Prof. Jeffrey Owens,<br />

Leiter des <strong>WU</strong> Global Tax Policy Center am Institut für Österreichisches<br />

und Internationales Steuerrecht, betont: „Ich<br />

denke, die Regierungen werden erst dann Steuern erhöhen,<br />

wenn es einen deutlichen Aufschwung gibt.“ Doch in der<br />

öffentlichen Debatte ist schon jetzt ein Paradigmenwechsel<br />

zu sehen, und zwar hin zur Besteuerung von Kapital,<br />

also etwa von Erbschaften, Vermögen und multinationalen<br />

Konzernen, sowie von Kapitalwachstum. Prof. Owens: „Seit<br />

der Wahl von Präsident Biden hat sich die internationale<br />

Debatte verändert. Er hat sich explizit dafür ausgesprochen,<br />

dass sehr Wohlhabende ihren Beitrag zur Bekämpfung dieser<br />

Krise leisten sollen, und Maßnahmen wie zum Beispiel Vermögenszuwachssteuern<br />

(capital gains taxes) vorgeschlagen.“<br />

Selbst Organisationen wie der IWF empfehlen mittlerweile<br />

sogenannte Solidaritätssteuern.<br />

Die Zeiten, wo<br />

hochvermögende<br />

Personen ihr<br />

Geld an sonnigen<br />

Orten in Übersee<br />

verstecken konnten,<br />

gehen zu Ende.<br />

Signal der Fairness<br />

Jeffrey Owens hält diese Entwicklung für gut: „Vermögensund<br />

Erbschaftssteuern sind ein Signal an die Durchschnittsbürgerinnen<br />

und -bürger, dass auch hochvermögende Personen<br />

ihren fairen Beitrag leisten.“ Im Artikel „Dealing<br />

With Tax Populism“ (in: Tax Notes International, 8.6.2020)<br />

schreibt er gemeinsam mit seiner <strong>WU</strong> Kollegin Marta Olowska:<br />

„Die Erfahrung hat gezeigt, dass dort, wo der politische<br />

Wille da ist, Regierungen Ungleichheiten bei den Einkommen<br />

und Vermögen reduzieren und die Steuersicherheit verbessern<br />

können, was zu einem größeren sozialen Zusammenhalt<br />

und einem Rückgang des Populismus führen kann.“<br />

Sowohl Jeffrey Owens als auch Rupert Sausgruber wissen nur<br />

zu gut, dass Erbschafts- und Vermögenssteuern nicht das<br />

große Geld in die Kassen spülen. Dagegen hätte die Erhöhung<br />

der Mehrwertsteuer zum Beispiel auf 22,5 Prozent, selbst<br />

für eine begrenzte Zeit, einen signifikant positiven Einfluss<br />

auf den Staatshaushalt. Rupert Sausgruber hält es aber für<br />

unwahrscheinlich, dass diese Maßnahme kommen wird,<br />

denn sie würde regressiv wirken, also Menschen mit geringeren<br />

Einkommen überproportional belasten: „Ich glaube,<br />

das ist politisch nicht<br />

machbar, außer wenn<br />

zugleich die Einkommenssteuer<br />

würde.“<br />

erhöht<br />

Jeffrey Owens beobachtet,<br />

dass viele<br />

Staaten, darunter<br />

auch Österreich, das<br />

Thema Tax-Compliance<br />

angehen, also<br />

daran arbeiten, dass<br />

BürgerInnen ihren<br />

steuerlichen Pflichten besser nachkommen. Die Europäische<br />

Kommission schätzt, dass den EU-Mitgliedsstaaten 2020<br />

durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung oder -umgehung<br />

und aus anderen Gründen etwa 164 Milliarden Euro an<br />

Mehrwertsteuer entgangen sind. Höhere Transparenz hilft.<br />

Prof. Owens: „Die Zeiten, wo hochvermögende Personen<br />

5<br />

88391_<strong>WU</strong>_<strong>Alumni</strong>_Forward_2_<strong>2021</strong>_ICv2.indd 5 30.08.21 13:30

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!