BREMER-SPORT-2021-Herbst-Web
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AUSPROBIERT<br />
Voll K.O.<br />
Ausprobiert: Boxtraining bei TURA Bremen e. V.<br />
28<br />
Eigentlich ist die Vorfreude auf unsere<br />
Rubrik „Ausprobiert“ immer sehr groß.<br />
Egal ob Wingsurfen, Pilates oder Parcours<br />
– die Neugierde auf bisher Unbekanntes<br />
macht schon im Vorfeld Spaß. Nur dieses<br />
Mal kommt ein neues Gefühl dazu: Ich habe<br />
auch ein bisschen Angst, als ich zum Boxtraining<br />
bei TURA Bremen gehe.<br />
Der hat gut lachen, denke ich mir, als<br />
wir an einem Freitagabend auf dem Parkplatz<br />
vor der Trainingshalle vom Sportverein<br />
TURA Bremen e. V. aussteigen und uns<br />
auf den Eingang zubewegen. „Der“ ist Klaus<br />
Becker – er hat die Boxabteilung des Vereins<br />
seit 2007 neu aufgebaut und begrüßt<br />
uns lächelnd aus dem Fenster der Halle.<br />
Immerhin hat er gleich die Aufgabe, mich<br />
in die Kunst des Boxens einzuführen oder –<br />
wie ich es mir vorstelle – mich darauf vorzubereiten<br />
mal so richtig eins auf’s Maul zu<br />
bekommen.<br />
Dumpfe Schläge<br />
„Na wer von euch darf heute ran“, fragt er.<br />
Auweia, da habe ich mir ja was eingebrockt,<br />
denke ich mir und stelle mich bei ihm vor.<br />
Ob ich denn auch ordentliche Schuhe dabeihabe<br />
und sportlich sei, möchte Becker<br />
wissen und schaut dabei prüfend zu meinen<br />
Füßen runter, denn auf die Trainingsmatten<br />
im Aufwärmbereich darf ich nur<br />
mit Hallenschuhen. An die habe ich zum<br />
Glück gedacht. Doch wo ich meine körperliche<br />
Fitness die letzten Jahre gelassen<br />
habe, frage ich mich tatsächlich auch, während<br />
im Hintergrund dumpfe Schläge und<br />
auch ein paar Schreie seiner Boxschüler<br />
ertönen. Becker gibt mir die Anweisung in<br />
kleinen Runden loszujoggen. Wenigstens<br />
beim Aufwärmen darf ich mir nicht schon<br />
anmerken lassen, dass ich die Kondition<br />
eines fußlahmen Elefanten habe, denke ich<br />
mir, während mir die Hitze langsam in den<br />
Kopf steigt.<br />
Meine Konzentration ist zu diesem<br />
Zeitpunkt schon durch die lauten Boxgeräusche<br />
hinter uns und meine Nervosität<br />
vor dem, was mir noch bevorsteht, geschmälert,<br />
dabei geht es danach erst richtig<br />
los. Während des Joggens bekomme ich<br />
von Becker immer wieder neue Übungen,<br />
wie meine Arme abwechselnd nach vorne<br />
und hinten kreisen zu lassen oder schnell<br />
von links nach rechts zu springen. Das Aufwärmen<br />
sei ein wichtiger Bestandteil des<br />
Boxens und wer nicht topfit ist, der komme<br />
gar nicht erst in den Ring, erklärt Becker<br />
mir. Für die Fitness und das Wohlbefinden<br />
seiner Schützlinge sorgt er sehr gewissenhaft.<br />
Die selbe Gewichtsklasse, Größe und<br />
die Anzahl der Kämpfe sind Voraussetzungen<br />
für einen fairen Kampf.<br />
Bandagen und Kopfschutz<br />
Nach dem Aufwärmen werde ich von einem<br />
jungen Mann, der die Halle beaufsichtigt,<br />
freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen,<br />
meine Schuhe im Boxbereich auszuziehen.<br />
Dort wird nämlich nur barfuß, in<br />
meinem Fall als blutige Anfängerin auch mal<br />
auf Socken, oder mit richtigen Boxschuhen<br />
trainiert. Becker reicht mir Bandagen, die<br />
ich mir sorgfältig um meine Handgelenke,<br />
Daumen und die Handfläche binden soll, um<br />
diese zu schützen. Er macht es mir vor und<br />
ich versuche mir dabei nicht vorzustellen,<br />
welche Körperteile ohne diesen Schutz alle<br />
gebrochen werden können. Wahrscheinlich<br />
wurden meine Hand- und Fingergelenke<br />
noch nie so sehr beansprucht wie heute. Danach<br />
kommen der Kopfschutz und die Boxhandschuhe.<br />
Für mich gibt es entsprechend<br />
meines Anfängerlevels weichere Handschuhe.<br />
Danach soll ich mit einem Boxhandschuh<br />
vorne gegen den anderen hauen. Diese Geste<br />
kommt nicht von ungefähr: Der Trainier erklärt<br />
mir, dass ich damit sicherstelle, dass<br />
die Handschuhe optimal sitzen. Ein roter<br />
Kopfschutz, den Becker mir aufsetzt, rundet<br />
meine „Boxuniform“ ab.<br />
In voller Montur laufe ich mit ihm zum<br />
Ring an den anderen Trainierenden vorbei<br />
und fühle mich dabei dezent albern, in<br />
Anbetracht dessen, dass ich keine Ahnung<br />
habe, wie ich gleich vernünftig meine Fäuste<br />
benutzen soll. Aber dafür habe ich ja<br />
einen erfahrenen Trainer an meiner Seite.<br />
Ich bin nicht die erste Frau, die beim ihm<br />
das Boxen lernt. Bereits 2009 etablierte<br />
Becker das Frauenboxen bei TURA und half<br />
der deutschen Meisterin Nadine Apetz zum<br />
Boxerfolg. Unter seinen Schüler:innen ist<br />
heute auch die zwölfjährige Lea, welche seit<br />
fast einem Jahr dabei ist.