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Der Philosoph<br />
und sein Schüler<br />
Von Adrian Fricke<br />
DDie Wissenschaftsleugnung war und<br />
ist eines der größten gesellschaftlichen<br />
Probleme in der Covid-19-Pandemie.<br />
Besonders im vergangenen<br />
Winter wurde in den Medien den<br />
Positionen und Ansichten von Wissenschaftsleugnern<br />
viel Raum geboten. Es ist gar nicht<br />
abzuschätzen, wie viele zusätzliche Infektionen<br />
und somit Todesfälle darauf zurückzuführen sind,<br />
dass Menschen aufgrund dieser vermeintlich fundierten<br />
Ansichten ihr Verhalten geändert haben.<br />
Der Philosoph ist bei Zeus auf dem Olymp zu Gast<br />
und führt dem Gott mithilfe seines Schülers vor<br />
Augen, wie die Argumente der Wissenschaftsleugnung<br />
funktionieren. Die Erklärung basiert auf der<br />
sogenannten PLURV-Taktik. Unter folgendem Link<br />
können die wesentlichen Aspekte dieser Strategie<br />
noch einmal zusammenfassend betrachtet werden<br />
(empfohlen nach der Lektüre des Textes):<br />
https://www.klimafakten.de/sites/default/files/<br />
downloads/plurvgrundkurs-desinformationa-<br />
3<strong>web</strong>.pdf<br />
Die Beschwerde oder<br />
Wie moderner Sophismus<br />
funktioniert<br />
Zeus: Ich grüße dich, Hermes! Ein wunderschöner<br />
Morgen auf dem Olymp, findest du nicht? Was<br />
steht denn heute auf der Tagesordnung?<br />
Hermes: Nicht allzu viel, Sohn des Kronos. Wir<br />
bekommen allerdings gleich Besuch vom Philosophen,<br />
und seinen Schüler will er auch mitbringen.<br />
Zeus: Welch eine angenehme Überraschung! Ich<br />
lausche gerne den geistreichen Gedanken dieses<br />
Mannes, jedes Mal schafft er es aufs Neue,<br />
mich zu verblüffen.<br />
Hermes: Ich muss dir leider mitteilen, dass<br />
dir der Grund seines Besuchs nicht gefallen<br />
dürfte. Er hat angekündigt, höchstpersönlich<br />
eine Beschwerde vorzutragen. Er<br />
schien recht ungehalten, als er sich bei mir<br />
angemeldet hat.<br />
Zeus: Wie? Wagt er es<br />
etwa, sich gegen mich,<br />
den Göttervater, den<br />
Blitzeschleuderer und<br />
Herrscher über den<br />
Olymp aufzulehnen?<br />
Ich werde ihm eine gewaltige Lektion erteilen.<br />
Danach wird er es sich gut überlegen, ob er noch<br />
einmal diese Dreistigkeit an den Tag legen möchte.<br />
Hat er denn gesagt, worum es geht? Ich nehme an,<br />
es geht um die neu entstandenen Virusvarianten,<br />
die die gegenwärtige Pandemie wieder anfachen.<br />
Damit braucht er nicht zu mir zu kommen, denn<br />
ich habe nichts damit zu tun! Soll er den Asklepios<br />
fragen, was man dagegen unternehmen könnte.<br />
Denkt der Dummkopf etwa, ich sei dafür verantwortlich,<br />
nur weil die Sterblichen sich erdreistet<br />
haben, die Varianten mit griechischen Buchstaben<br />
zu benennen?<br />
Hermes: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine<br />
verstanden zu haben, dass es ihm um etwas<br />
ganz anderes geht. Wir werden es gleich sehen. Ah,<br />
da kommt er ja schon, zusammen mit seinem Schüler!<br />
Zeus: Ich muss mich doch sehr wundern, mein<br />
geschätzter Philosoph! Obwohl wir schon viele<br />
inspirierende Gespräche hatten und du so regelmäßig<br />
mein Gast bist, dass ich dich als einen<br />
echten Freund bezeichnen möchte, kommst du<br />
auf einmal daher und möchtest eine Beschwerde<br />
einreichen? Was soll ich denn Schlimmes getan<br />
haben?<br />
Philosoph: Sei gegrüßt, blitzeschleudernder Göttervater!<br />
Zunächst möchte ich mich für die Unannehmlichkeiten<br />
entschuldigen, die ich dir anscheinend<br />
bereitet habe. Keinesfalls will ich den<br />
Eindruck erweckt haben, ich würde deine Gastfreundschaft<br />
unter üblen Verleumdungen mit<br />
Füßen treten. Nein, das hatte ich ganz gewiss<br />
nicht vor! Ich möchte dich vielmehr auf einige<br />
Missstände auf der Erde aufmerksam machen,<br />
die mich sehr betrüben.<br />
Zeus: Mit deiner kleinen Rede hast du mich fürs<br />
Erste besänftigt, doch ich verlange nun zu wissen,<br />
aus welchem Grund du und dein Schüler heute zu<br />
mir gekommen seid.<br />
Philosoph: Selbstverständlich. Es verhält sich so,<br />
dass ich einfach nicht verstehe, wie es passieren<br />
kann, dass ihr Götter uns so etwas Wertvolles<br />
wie die Wissenschaft schenkt – die uns schon so<br />
viel Gutes und Schönes gebracht hat! – , und uns<br />
dann so eine unsägliche Plage wie die Wissenschaftsleugnung<br />
hinterher schickt. Es ist einfach<br />
kaum zu glauben! Es besteht tagtäglich die reelle<br />
Gefahr, dass das filigrane Konstrukt, das die<br />
Wissenschaft mit viel Mühe und Liebe zur Wahrheit<br />
über Jahrhunderte hinweg aufgebaut hat,<br />
von den Leugnern mit einem groben Schlag mit<br />
dem Holzhammer unwiederbringlich zertrümmert<br />
wird. Diesem gefährlichen Wahnsinn muss endlich<br />
Einhalt geboten werden!<br />
Zeus: Erkläre mir, mein lieber Philosoph, was das<br />
denn genau ist – Wissenschaftsleugnung. Es<br />
klingt merkwürdig.<br />
Philosoph: Es handelt sich dabei, Zeus, eigentlich<br />
um eine ganz lächerliche Sache, die allerdings<br />
sehr erfolgreich und populär ist. Wenn ich es dir<br />
gleich erkläre, dann wirst du merken, dass die<br />
Wissenschaftsleugnung eigentlich nicht mehr ist<br />
als eine blanke und alberne Sophisterei, und noch<br />
dazu ganz einfach zu durchschauen. Aber wie so<br />
oft erweist sich der Sophismus als kompetitiv und<br />
erfolgreich, wenn er seinen Weg in die breite Bevölkerung<br />
findet. Um dir seine Gefährlichkeit vor<br />
Augen zu führen, würde ich dir gerne eine kleine<br />
Kostprobe davon anbieten. Ich warne dich allerdings<br />
im Voraus: Ich werde dich dabei gehörig aufs<br />
Glatteis führen. Sei dir versichert, es geht mir nur<br />
darum, dir zu zeigen, wie die Wissenschaftsleugnung<br />
funktioniert. Mein Schüler hier wird dir im<br />
Nachgang erklären, welche Taktiken und Kniffe<br />
zur Anwendung gekommen sind. Du wirst also,<br />
versprochen, nicht im Unklaren gelassen. Ich habe<br />
meinen Schüler sehr lange ausgebildet; er weiß<br />
genau, wie er meine schmutzigen Sophistereien<br />
aufdecken kann.<br />
Zeus: Sei froh, dass ich dich als Freund betrachte,<br />
denn sonst bin ich nicht so nachgiebig, wenn man<br />
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LGBB <strong>03</strong> / <strong>2021</strong> · JAHRGANG LXV<br />
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