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Denkfabrik Scriptio<br />
Continua – Antike<br />
und Gegenwart:<br />
Ein besonderes<br />
Stipendienformat<br />
an der Universität<br />
Potsdam<br />
Foto: Nina Mindt<br />
Von Nina Mindt<br />
152 JAHRGANG LXV · LGBB <strong>03</strong> / <strong>2021</strong><br />
Die Beschäftigung mit dem Altertum<br />
und den Klassischen Sprachen und<br />
Texten kann für (fast) alles auch im<br />
modernen Leben Ausgangspunkt für<br />
vertiefte Reflexion sein. Das Spektrum<br />
reicht von Krieg und Frieden, über Liebe und Hass,<br />
über Politik und Demokratieverständnis, über Ethik<br />
und Ästhetik bis hin zu Kunst und Kultur. Die Universität<br />
Potsdam hat daher mit der Denkfabrik<br />
Scriptio Continua – Antike und Gegenwart einen<br />
solchen Schwerpunkt innerhalb der Potsdamer<br />
Universitätsstipendien gesetzt und fördert in diesem<br />
besonderen Format seit dem 1.10.<strong>2021</strong> für<br />
ein Jahr lang zehn leistungsstarke Studierende, die<br />
sich für die Antike begeistern. Die Arbeit der Denkfabrik<br />
wird durchgehend von Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern des Historischen Instituts<br />
begleitet und unterstützt (Lehrstuhl Geschichte<br />
des Altertums: Prof. Dr. Filippo Carlà-Uhink und<br />
Dr. Eike Faber; Lehrstuhl Klassische Philologie:<br />
PD Dr. Nina Mindt und Dr. Hedwig Schmalzgruber).<br />
Die Denkfabrik verknüpft die altsprachliche<br />
Forschung des Lehrstuhls für Klassische Philologie<br />
eng mit den Forschungs- und Lehrschwerpunkten<br />
der Geschichte des Altertums. Ihr gemeinsames<br />
Anliegen ist es, zu einem besseren Verständnis der<br />
Antike beizutragen und in Fallbeispielen das Potenzial<br />
der Antike-Rezeption aufzuzeigen.<br />
Drei Fragekomplexe bilden die thematischen<br />
Schwerpunkte:<br />
1) Antikerezeption, Kultur und Identität<br />
2) Medien und kultureller Wandel<br />
3) Schrift und Öffentlichkeit<br />
1) Antikerezeption – der Bezug auf die Kultur,<br />
Sprache und Literatur des antiken Griechenland<br />
und Rom – ist viel mehr als nur ein ästhetisches<br />
Phänomen. Die Antike, gedacht als klassisches<br />
Ideal und Ursprung abendländischer Kultur, war<br />
Referenzpunkt für kulturelle Identität, diente als<br />
politische Legitimationsstrategie oder wurde für<br />
politische Rhetorik in Anspruch genommen. Die<br />
LGBB <strong>03</strong> / <strong>2021</strong> · JAHRGANG LXV<br />
Antike ist aber auch heute gegenwärtig, von Popkultur<br />
(u.a. in Filmen, Comics, Graphic Novels, Videospielen)<br />
bis Politik. Die Denkfabrik will Formen<br />
und Funktionen des Bezugs auf die Antike für Kultur<br />
und Identität nachgehen.<br />
2) Mediendiskussionen fanden bereits in der Antike<br />
statt (etwa Gedächtnis vs. Schriftlichkeit bei<br />
Platon), die „Speicher“-Medien und Materialien<br />
der Schrift änderten sich – können wir antike Entwicklungen<br />
mit den heutigen Veränderungen ins<br />
Digitale hinein vergleichen? Auch Mehrsprachigkeit<br />
und Interkulturalität sind antike Phänomene,<br />
die wir heute kennen. Die Denkfabrik möchte Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschiede zwischen Antike<br />
und Gegenwart hinsichtlich Medien und kulturellem<br />
Wandel aufzeigen und auch Impulse in Schule<br />
und Wissenschaft geben.<br />
3) Schrift im öffentlichen Raum ist uns vertraut –<br />
als Werbung, Informationstext oder Logo. Inschriften<br />
und epigraphische Dokumente gehören aber<br />
auch zu den Aspekten der antiken Sprachen und<br />
Kulturen, denen man in der heutigen Lebenswelt<br />
besonders häufig auch im Alltag begegnet, sei es<br />
an Gebäuden, Monumenten oder etwa auf Grabsteinen.<br />
Ins preußische Königreich importierte antike<br />
Inschriften sind als steinerne Textfragmente<br />
nicht nur Zeugnisse der Römerzeit, sondern stehen<br />
vor allem für die Rezeption und Instrumentalisierung<br />
der Antike in der Neuzeit. Über den Text hinaus<br />
sind sie symbolische Kommunikationsmittel,<br />
mit deren Hilfe sich preußische Könige im Sinne<br />
der römischen und der christlichen Tradition inszenieren.<br />
In Potsdam und Umgebung knüpfen zahlreiche<br />
antike Inschriften, die an öffentlichen und<br />
repräsentativen Orten auf das römische Kaiserreich<br />
oder das frühe Christentum verweisen, ein materielles<br />
„Band“ zu einer Epoche, die man als ideal<br />
und klassisch empfand.<br />
Ein regionaler Bezug (Potsdam und Umgebung)<br />
ist bei der Arbeit in der Denkfabrik möglich, aber<br />
nicht zwingend, um die oben genannten Aspekte<br />
auch in einem größeren Kontext zu diskutieren.<br />
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