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EGTA-Journal 2021-12

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Hannah Wirmer

Warum instrumentaler

Gruppenunterricht?

Wird über die Vor- und Nachteile

von Einzel- oder Gruppenunterricht

gesprochen,

lässt sich häufig ein gewisser Radikalismus

beobachten. Es entsteht der Anschein,

als würden Argumente für die

eine Unterrichtsform automatisch als

Argumente gegen die andere gewertet.

Vor allem Verfechter*innen des Einzelunterrichts

erwecken in solchen Diskussionen

schnell den Eindruck, als wäre

eine Anerkennung von Möglichkeiten

des Gruppenunterrichts automatisch

mit einer Abwertung des Einzelunterrichtes

verbunden. Wenn ich im Folgenden

auch Vorteile des Gruppenunterricht

hervorhebe, so geht es mir nicht

darum, Vorteile des Einzelunterrichts abzuwerten.

Ich bin der Meinung, dass in

der außerschulischen Instrumentalausbildung

sowohl qualifizierter Einzelunterricht

als auch qualifizierter Gruppenunterricht

ermöglicht werden sollte und

Musikschullehrkräfte sich beim Erteilen

beider Unterrichtsformen wohlfühlen

sollten. Mir geht es im Folgenden um

die Bedingungen für qualifizierten

Gruppenunterricht.

Welches „Problemkind“, das

so viel Kopfzerbrechen bereitet,

ist gemeint? Ich

meine den Instrumentalunterricht,

in dem

Lernende mit zumeist

heterogenen Voraus-

setzungen (Lerntempi, physiologische

Dispositionen, Motivationslagen etc.)

unterrichtet werden.

Die Heterogenität hinsichtlich der Lernvoraussetzungen

von Gruppen ist eine

Herausforderung mit der Lehrkräfte an

allgemeinbildenden Schulen schon immer

umgehen mussten. Im Unterschied

zum Schulunterricht, der darauf ausgerichtet

ist, allen Schüler*innen einer

Klasse gleiche Inhalte in der möglichst

gleichen Zeit zu vermitteln, wird Instrumentalunterricht

im höchsten Maße individuell

gedacht. Jede*r lernt in seinem

oder ihrem Tempo, bekommt genau den

Unterricht, den er*sie braucht. Nur so sei

das Erlernen eines Instrumentes sinnvoll

möglich, so die feste Überzeugung vieler

Instrumentallehrer*innen. Überspitzt

formuliert wird also in der Schule das

Kind dem Unterricht und im Instrumentalunterricht

der Unterricht dem Kind

angepasst.

Ich denke allerdings, dass es nicht notwendig

sein muss, sich zwischen diesen

beiden Extremen zu entscheiden 5 . Ein

instrumentaler Gruppenunterricht, der

das gemeinsame Musikerleben und die

individuellen Lernwege nicht gegeneinander

ausspielt, könnte gemeinsames

Lernen ermöglichen, ohne den individuellen

Anspruch an den Instrumentalunterricht

aufzugeben. Darüber nachzudenken,

halte ich aus verschiedenen

Gründen erforderlich:

Erstens zeugt die große Nachfrage nach

einem breiten Angebot an Kinder- und

Jugendorchestern, Musikschulensembles

etc. von der Lust der Musikschüler*innen

am Zusammenspiel. (Ein wichtiges

Indiz dafür, dass nur ein kleiner Bruchteil

der Schüler*innen ihr Instrument lernt,

um später solistisch tätig zu sein.) Gemeinschaftliches

Musizieren scheint von

Seiten der Schüler*innen gewünscht zu

sein, gemeinsames Lernen hingegen

von Seiten der Lehrkräfte nicht.

Zweitens lautet die Aufgabe von Musikschulen

im Verband deutscher Musikschulen:

Musikunterricht für alle

anzubieten, d.h. nicht nur für jede sozioökonomische

Schicht, sondern auch

für Schüler*innen mit verschiedenen

Motivationslagen, Leistungsbedürfnissen

oder Interessen. Dies verdeutlichte

kürzlich Wolfhagen Sobirey in einem

Artikel in der Zeitschrift „Üben&Musizieren“.

6

Drittens gibt es verschiedene Gründe

aus denen Schüler*innen einen Gruppenunterricht

bevorzugen können: Es ist

die ihnen bekannte Lernform. Sie wollen

das Instrument gerne zusammen mit

Freunden lernen. Oder vielleicht empfinden

sie auch die starke Aufmerksamkeit,

die in einem Einzelunterricht auf sie gerichtet

wird, weniger angenehm als die

geteilte Aufmerksamkeit eines Gruppenunterrichts.

Viertens sind Lehrkräfte von dem Anspruch,

Gruppenunterricht zu erteilen,

immer wieder überfordert.

Dass es einige Kinder gibt, die sich z.B.

aus den genannten Gründen bewusst für

einen Gruppenunterricht entscheiden

5 Auch im Unterricht an allgemeinbildenden Schulen wird ein höheres Maß an individuellen Lernangeboten im Klassenverband

angestrebt.

6 Sobirey beschäftigt in diesem Text vor allem der Mangel an qualifizierten Bewerber*innen für die Musikschularbeit.

Neben fehlenden Festanstellungen und zu geringen Gehältern benennt er aber auch die arbeitsmarktferne Ausbildung von

Instrumentalpädagog*innen, ebenso wie die nach wie vor vorherrschende Hierarchie im Ansehen zwischen künstlerischer

Ausbildung und instrumentalpädagogischer Ausbildung (vgl. Sobirey, Wolfhagen: Mind the Gap! Gedanken zum Mangel an qualifizierten

BewerberInnen an Musikschulen. In: Üben&Musizieren 5/21, S. 43f.). (Im Folgenden: Sobirey 2021).

Ausgabe 11 • 12/2021

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