24.12.2012 Aufrufe

Pragma-semiotische Textarbeit und der hermeneutische Nutzen von ...

Pragma-semiotische Textarbeit und der hermeneutische Nutzen von ...

Pragma-semiotische Textarbeit und der hermeneutische Nutzen von ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

160 Ekkehard Fel<strong>der</strong><br />

zugeschrieben werden, so können auf verschiedenen sprachlichen Ebenen<br />

(Lexik, Syntagma, Satz, Text) sowohl Perspektivierungstendenzen<br />

als auch Formulierungsbeson<strong>der</strong>heiten im interpretativen Orientierungsgerüst<br />

<strong>der</strong> agonalen Zentren verortet werden.<br />

4.4 Textebene: intertextuelle Transformation<br />

Im Folgenden soll exemplarisch an dem Potential <strong>von</strong> textuell auffindbaren<br />

Idiomatisierungen skizziert werden, welche intertextuelle Transformationen<br />

denkbar sind. An<strong>der</strong>e Verfahren zum Nachzeichnen intertextueller<br />

Transformationen können aus Platzgründen nicht ausgeführt<br />

werden.<br />

Am 15. Juni 1961 fand in Ost-Berlin eine internationale Pressekonferenz<br />

statt. Ihre Medienrezeption stellt ein Parade-Beispiel <strong>der</strong> Text-<br />

Transformation dar <strong>und</strong> ist zugleich ein Beleg dafür, wie Sachverhalte<br />

erst in <strong>der</strong> politischen Medienberichterstattung – also mittels des Medientextes<br />

– konstituiert werden <strong>und</strong> nicht schon ontisch gegeben sind.<br />

Auf dieser Pressekonferenz äußerte Walter Ulbricht den berühmten<br />

Satz „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ In diversen<br />

Printmedien wurde anschließend behauptet, Ulbrichts Ziel sei es gewesen,<br />

einerseits zu drohen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits den Flüchtlingsstrom zur<br />

Massenflucht anwachsen zu lassen, damit die Regierung <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

einer totalen Absperrung zustimme.<br />

Schon ein Blick auf die Überschriften <strong>der</strong> Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung <strong>und</strong> Frankfurter R<strong>und</strong>schau in den Folgetagen macht deutlich,<br />

dass die entsprechenden Westmedien diesem Ausspruch des DDR-<br />

Staatsratsvorsitzenden eine direktive Sprachhandlung des Drohens zuschreiben.<br />

Der Staatsbürger erfährt also <strong>von</strong> dem Ausspruch Walter<br />

Ulbrichts in den kommunikativen Deutungsroutinen institutioneller<br />

Medienkommunikation (also ausschließlich im „Verarbeitungsmodus“,<br />

nicht als „Rohdaten“). Die FAZ beispielsweise titelt am 16./17.6.1961:<br />

„Ulbricht möchte den Flüchtlingsstrom abwürgen“ <strong>und</strong> ergänzt den<br />

Untertitel: „Drohungen auf einer internationalen Pressekonferenz“. Die<br />

FR formuliert am 16./17./18.6.1961 die Informationsschlagzeile wie<br />

folgt: „Ulbricht verlangt volle Lufthoheit“. Ergänzt wird <strong>der</strong> Untertitel<br />

„DDR will Berlin-Frage <strong>und</strong> Flüchtlingsproblem gleichzeitig lösen“.<br />

Das Wochenmagazin Der Spiegel (33/1961 vom 9. August 1961,<br />

also wenige Tage vor dem sog. Mauerbau) interpretiert die Aussage wie<br />

folgt:<br />

Den letzten Anstoß zu <strong>der</strong> sommerlichen Massenflucht hatte allerdings Walter<br />

Ulbricht selbst gegeben. Auf einer internationalen Pressekonferenz nannte er,<br />

allen Zonen-Bürgern unüberhörbar, die Konsequenzen seiner Freistadtpläne:<br />

Schließung <strong>der</strong> Westberliner Flüchtlingslager <strong>und</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Passagierlis-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!