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Pragma-semiotische Textarbeit und der hermeneutische Nutzen von ...

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162 Ekkehard Fel<strong>der</strong><br />

sicht“ <strong>und</strong> „Mauer“ ergibt mehrere Ergebnisse, allerdings gilt auch hier:<br />

das Zitat als solches wird wörtlich wie<strong>der</strong>holt o<strong>der</strong> zumindest paraphrasiert.<br />

Bei indirekten Zitatverweisen kommt es vor, dass das Verb errichten<br />

durch bauen ersetzt wird. Da aber die tatsächliche Anzahl <strong>der</strong><br />

Ergebnisse so gering ist, lassen sich im Hinblick auf Idiomatisierung<br />

keine weiteren verlässlichen Aussagen treffen.<br />

Auch die Recherche nach <strong>der</strong> Mehrwortkombination „Niemand<br />

hat“ bringt für unsere Fragestellung kein einschlägiges Resultat bzw.<br />

nur ein Ergebnis – nämlich Niemand hat ein Monopol auf Wahrheit –,<br />

welches annäherungsweise als bewusste Anspielung auf das Ulbricht-<br />

Zitat gedeutet werden könnte. Es ist im folgenden Auszug fett hervorgehoben.<br />

Selbst die heiligste Kuh des SED-Staates wurde öffentlich zur Notschlachtung<br />

freigegeben. ,Niemand hat ein Monopol auf Wahrheit‘, hallte es über den<br />

Wer<strong>der</strong>schen Markt. Die Auszählung <strong>der</strong> Kommunalwahlergebnisse vom 7.<br />

Mai nannten selbst die versammelten Genossen <strong>von</strong> <strong>der</strong> Basis unumw<strong>und</strong>en<br />

‚Wahlbetrug‘, für den die Parteiführung ‚verantwortlich‘ zeichne. (Der Spiegel<br />

13.11.1989)<br />

Die intendierte Nähe zum Ulbricht-Zitat bleibt natürlich Spekulation,<br />

allerdings findet sich die identische Formulierung Niemand hat ein<br />

Monopol auf Wahrheit auch in einer Äußerung des namentlich erwähnten<br />

SED-Mitglieds Marina Leischner (Der Spiegel 13.11.1989). Es<br />

bleibt abschließend festzuhalten: Es gibt keine Indizien für eine Verselbständigung<br />

des Zitats <strong>der</strong>gestalt, dass es ohne expliziten Bezug auf<br />

Walter Ulbricht Verwendung fände. Es haben sich auch keinerlei sedimentierte<br />

Spuren im Textkorpus finden lassen, die auf die Bildung einer<br />

idiomatischen Wendung schließen lassen.<br />

Methodologisches Fazit:<br />

Der <strong>hermeneutische</strong> <strong>Nutzen</strong> <strong>von</strong> Korpusanalysen auf Textebene besteht<br />

darin, dass mehrgliedrige Oberflächenphänomene (Ausdrucksmuster<br />

als soziale Gestalt im Sinne <strong>von</strong> FEILKE 1996) im intertextuellen Geflecht<br />

systematisch untersucht werden können <strong>und</strong> als Manifestation<br />

<strong>der</strong> Spurensuche (diskursive Spuren bei PÊCHEUX 1969, o<strong>der</strong> „Spurensuche“<br />

bei SCHERNER 1994) gedeutet werden können. Hier wurde mit<br />

<strong>der</strong> Suche nach Idiomatisierungen, die durch Zitate angestoßen <strong>und</strong><br />

ausgelöst werden, nur ein kleines Spektrum <strong>der</strong> Möglichkeiten auf<br />

Textebene skizziert. Diesem Vorhaben lag die folgende Fragestellung<br />

zugr<strong>und</strong>e: Welche Funktionen übernimmt ein Zitat o<strong>der</strong> eine häufig<br />

zitierte Sequenz in den jeweiligen Äußerungskontexten, <strong>und</strong> wie lassen<br />

sich diese systematisch kategorisieren?

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