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Sandra Lemburg, Jesper Sönksen, Mario Schuster, Christian Magaard

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<strong>Sandra</strong> <strong>Lemburg</strong>, <strong>Jesper</strong> <strong>Sönksen</strong>, <strong>Mario</strong> <strong>Schuster</strong>, <strong>Christian</strong><br />

<strong>Magaard</strong><br />

?


Einleitung<br />

Jeder profitiert von ihnen, sie werden oft benötigt und sie tun dies, ohne einen festen Lohn<br />

dafür zu erhalten – die Rede ist von Menschen, die eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben: sei<br />

es der beste Freund, der die örtliche Freiwillige Feuerwehr tatkräftig unterstützt, oder ein‐<br />

fach nur der Nachbar, der die Blumen gießt, wenn man selber im Urlaub ist – Wir alle kennen<br />

solch ehrenhafte Menschen. Doch was bedeutet eigentlich „Ehrenamt“? Was treibt einen<br />

Menschen an, der solch eine Tätigkeit ausübt? Gibt es diese Tätigkeiten auch im europäi‐<br />

schen Ausland? Und wenn ja, gibt es Unterschiede zwischen den Gewohnheiten in Deutsch‐<br />

land und in anderen europäischen Ländern? Wir haben uns mehrere Monate mit diesen Fra‐<br />

gen auseinandergesetzt und freuen uns nun, ein Ergebnis präsentieren zu können.<br />

Zur Ausarbeitung dieses Themas diente uns der zweiwöchige Schüleraustausch des Friedrich‐<br />

Schiller‐Gymnasiums Preetz mit der estnischen Partnerschule Reaalgümnaasium Rakvere im<br />

September 2010. Um einen Vergleich zu ermöglichen, haben wir einen Fragebogen entwi‐<br />

ckelt (s. Anhang) und diesen unseren Partnerschülern vorgelegt.<br />

Unsere Gliederung<br />

<strong>Mario</strong> wird über Ehrenämter in dem Dorf Postfeld berichten, <strong>Sandra</strong> über ehrenamtliche<br />

Tätigkeiten beim Tanzsport, <strong>Christian</strong> über das freiwillige Blutspenden. Mit diesen Beispielen<br />

aus Deutschland klären wir, wozu überhaupt ein Ehrenamt gut ist und wie sich die Jugend<br />

dabei einbringen kann. Als nächstes werten wir die Antworten auf unseren Fragebogen aus<br />

und ziehen so einen Vergleich zwischen freiwilligen Tätigkeiten in unseren Wohnorten und<br />

den Wohnorten unserer europäischen Partner. <strong>Jesper</strong> stellt die Situation in Finnland dar und<br />

<strong>Sandra</strong> in Estland. Das Fazit hat <strong>Christian</strong> verfasst. In den Anhang stellen wir den Fragebogen<br />

in der deutschen und englischen Version, den E‐Mail‐Wechsel mit einer Austauschschülerin<br />

und am Schluss das Foto der Austauschgruppe in Estland.<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Magaard</strong><br />

Das Dorf Postfeld<br />

In meinem Wohnort Postfeld gibt es zahlreiche Ehrenämter – vom Bürgermeister Wolfgang<br />

Menzel bis zum Platzwart Michael Krüger mit dem Spitznamen „King Arthur”. Wolfgang<br />

Menzel ist Mitte 30 und lebt in Postfeld mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Da die gan‐<br />

ze Familie gemeinsam anpackt, bereitet ihm der Bürgermeisterberuf Vergnügen. Denn die<br />

1


Familie sieht dies keinesfalls als Belastung, sondern als interessante und großartige Aufgabe.<br />

Und die Kinder kommen auch nicht zu kurz, denn die Mutter ist nicht berufstätig. Somit kann<br />

sie ihren Mann auch gut unterstützen. Können die Kinder nicht stolz auf einen Vater sein,<br />

der Bürgermeister ist?<br />

Gemeindevertretung<br />

Wolfgang Menzel und Michael Krüger organisieren Feste, welche die Dorfgemeinschaft am<br />

Leben erhalten. An diesen Festen werden freiwillige Tätigkeiten von einigen Dorfbewohnern<br />

ausgeübt. Dort werden Essen und Getränke verkauft und dadurch das Defizit, das durch den<br />

Einkauf entstanden ist, ausgeglichen. Ehrenamtliche Tätigkeiten in Postfeld werden auch in<br />

Das Postfelder Dörphus<br />

den Bereichen Gemeindevertretung,<br />

Sportverein und Feuerwehr verrichtet. In<br />

diesem Punkt hebt sich Postfeld beispiels‐<br />

weise von Dörfern in Estland ab, denn in<br />

Estland gibt es keinen ehrenamtlichen Bür‐<br />

germeister und keine Freiwillige Feuer‐<br />

wehr, wie aus den Ergebnissen des Frage‐<br />

bogens hervorgeht. Nur die ehrenamtli‐<br />

chen Tätigkeiten im Sportverein gleichen<br />

sich. Außer für Feste setzt sich die Gemeindevertretung auch für die Aufwertung des Dorfes<br />

durch a) gesammelte Gelder und b) durch Gelder des Landes ein – zum Beispiel für die Reno‐<br />

vierung des Gemeindehauses (Dörphus) sowie die Errichtung einer BMX‐Bahn und den Auf‐<br />

bau einer Kletteranlage. Die Gemeindevertretung trifft sich zudem im Gemeindehaus zu poli‐<br />

tischen Sitzungen. Dies erfolgt ebenfalls freiwillig und ohne Entschädigung.<br />

Gründe für ehrenamtliche Tätigkeit – und wie die Jugend dazu steht<br />

Die Freiwillige Feuerwehr Postfelds trifft sich regelmäßig zu Sitzungen und natürlich zu<br />

Übungen. Sie ist dafür da, örtliche Brände schnell zu löschen und bekommt dafür keine fi‐<br />

nanzielle Entschädigung. Auch im Sportverein gibt es Freiwillige, wie den oben erwähnten<br />

„King Arthur”, der den Sportplatz regelmäßig pflegt. Die Freiwilligen sind meist im Alter von<br />

30 bis 60. Jugendliche beteiligen sich selten, höchstens an Besprechungen des Jugendrau‐<br />

mes. Dies sehe ich aber nicht als besonders ehrenamtliche Tätigkeit an, da es sie selbst be‐<br />

trifft und zu ihrem Vorteil ist. Die Beweggründe für die freiwilligen Tätigkeiten sind soziales<br />

2


Bewusstsein, der Wunsch nach einem attraktiven Dorf und die Freude daran, Arbeit im Kol‐<br />

lektiv zu verrichten. Zudem werden Freundschaften durch die gemeinschaftlichen Tätigkei‐<br />

ten gefördert und gepflegt.<br />

Die Ergebnisse sprechen für sich: Postfeld ist zu einem attraktiven Dorf geworden, in dem<br />

der Zusammenhalt und die Gemeinschaft sehr wichtig sind. Dadurch ist es für alle Dorfbe‐<br />

wohner ein Glück, in einem Dorf wie Postfeld zu wohnen, da öffentliche Plätze, wie der<br />

Sportplatz, der Spielplatz und das Dörphus,<br />

ohne Extra‐Kosten für jedermann nutzbar<br />

sind und sich in einem guten Zustand be‐<br />

finden. Allerdings ist fraglich, ob diese un‐<br />

eigennützigen Tätigkeiten auch von den<br />

Heranwachsenden weitergeführt werden.<br />

In dieser Angelegenheit müssen die Eltern<br />

mit gutem Beispiel vorangehen. So gibt es<br />

auch jetzt, wenn auch nur vereinzelt, die<br />

Perspektive, ihren Eltern zu folgen: Julian, der fünfzehnjährige Sohn von Michael Krüger,<br />

verrichtet schon jetzt freiwillige Tätigkeiten, indem er seinen Vater an Festen beim Verkauf<br />

und beim Aufbau unterstützt.<br />

Auch ich nehme mir meine Eltern zum Vorbild, die bei dem Postfelder Westwalddistrikt frei‐<br />

willige Arbeit verrichten. Der Westwalddistrikt ist ein Reitsportverein und deshalb optimal<br />

geeignet für meine Familie, da wir selber inständige Anhänger und Besitzer von Pferden sind.<br />

Da auch ich Mitglied im Verein bin, helfe ich gelegentlich beim Aufbau des Parcours an Tur‐<br />

nieren. Bei den übrigen Jugendlichen bin ich allerdings skeptisch, da diese ihre Freizeit kei‐<br />

nesfalls für uneigennützige Arbeit opfern wollen. Aber ich wünsche mir, dass diese Tätigkei‐<br />

ten für ein schönes, gemeinschaftliches Dorfleben aufrechterhalten werden, in der auch Na‐<br />

tionen aus ganz Europa integriert sind. Dies ist ansatzweise vorhanden, da wir in den Verei‐<br />

nen verschiedene europäische Nationen, zum Beispiel Tschechen und Polen, vertreten ha‐<br />

ben. Meiner Meinung nach könnte Postfeld so ein vorbildliches Dorf für ganz Europa sein.<br />

<strong>Mario</strong> <strong>Schuster</strong><br />

Das Feuerwehrhaus des Dorfes Postfeld<br />

3


Ehrenamtliche Tätigkeiten beim Tanzsport<br />

http://www.tanzsportclub‐schoenberg.de/logos/TSC‐logo2.gif, (20.02.11)<br />

Im Tanzsportclub Ostseebad Schönberg von 1984 e.V. werden die ehrenamtliche Tätigkeiten<br />

großgeschrieben. Wir alle sind eine Gemeinschaft und helfen uns gerne gegenseitig. Vor al‐<br />

lem bei Veranstaltungen beteiligen sich sämtliche Mitglieder. Es gibt in unserem Verein auch<br />

einen Jugendvorstand, in dem ich einen Sitz innehabe. Er besteht derzeit aus vier Mitglie‐<br />

dern, und obwohl bis zu sechs Jahre Altersunterschied vorliegen, sind wir ein eingespieltes<br />

Team, was sich sehr gut versteht. Einmal im Monat findet ein Clubabend statt, den der Ju‐<br />

gendvorstand organisiert. Wir denken uns ein Motto aus und beziehen Geld von einem För‐<br />

derverein. Der Jugendvorstand selber verrichtet diese Arbeit unentgeltlich.<br />

Die Baltic Youth Open<br />

Am 26. und 27. November des letzten Jahres fanden in Rendsburg die Baltic Youth Open<br />

statt. Das ist ein großes Tanzturnier, für das Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus ganz<br />

Europa anreisen. Hauptsächlich sind jedoch<br />

Deutschland, Dänemark und Polen vertreten. Doch<br />

solch eine große Veranstaltung ist nichts, wenn es<br />

keine Helfer gibt: Meine Freundin Sina und ich sorg‐<br />

ten im „Kleinen Saal“ für Musik. Morgens um sechs<br />

Uhr reisten wir an und halfen beim Aufbauen. Es<br />

wurden Tische, Stühle, Podeste, Flaggen und Wer‐<br />

beplakate errichtet. Wir waren rund 150 Helfer und<br />

Helferinnen, die kräftig anpackten. Als das Turnier<br />

um neun Uhr begann, war zweifellos alles fertig.<br />

Sina und ich standen hinter unserem Tresen mit<br />

Laptop mit viel Musik auf CDs für Standard‐ und<br />

www.tanzen‐in‐sh.de/cms/index.php?id=250, (20.2.11)<br />

Lateintanz, Kopfhörern und Mischpult bewaffnet. Wir mussten für jeden Tanz passende Mu‐<br />

sik abspielen und herausfinden. Zu unserem Glück bekamen wir von anderen Helfern Bröt‐<br />

4


chen und Getränke gestellt. Als Aufwandsentschädigung gab es eine Menge Applaus, da es<br />

ohne Musik auch kein Tanzen gäbe, und eine große Merci‐Packung von der TSJSH (Tanz‐<br />

sportjugend Schleswig‐Holstein). Solch eine große Veranstaltung ist anstrengend, aber es<br />

bringt sehr viel Spaß, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen, neue Menschen kennen zu<br />

lernen und andere Menschen glücklich zu machen. Vorher wird man von den Veranstaltern<br />

gefragt, ob man helfen möge. Dahinter ist keine Tradition versteckt, aber es werden gerne<br />

neue junge Helfer gesucht, damit sie die Älteren ablösen können.<br />

Diese Beispiele kann man auf ganz Europa beziehen: Kein Verein kann ohne freiwillige Helfer<br />

oder Vorsitzende bestehen, genauso wenig wie ein Turnier ohne sie ausgerichtet werden<br />

kann. Auch der Landestanzsportwart Jes Christophersen reist von einem Turnier zum nächs‐<br />

ten, wobei diese nicht nur in Deutschland stattfinden, sondern auch in allen umliegenden<br />

Ländern und somit in Europa. Wir alle sind froh, dass es solche Menschen gibt, die gerne<br />

freiwillig Tätigkeiten übernehmen. Sonst könnte ein Landesverband gar nicht funktionieren,<br />

geschweige denn existieren. Ich finde, eine ehrenamtliche Tätigkeit zeichnet sich vor allem<br />

dadurch aus, dass man Spaß daran hat und sie gerne praktiziert, ohne eine Aufwandsent‐<br />

schädigung zu erwarten.<br />

<strong>Sandra</strong> <strong>Lemburg</strong><br />

Freiwilliges Blutspenden<br />

Laut dem Deutschen Roten Kreuz ist mittlerweile ein Großteil der Deutschen mindestens<br />

einmal im Leben auf das Blut anderer angewiesen. So ist die Bevölkerung immer mehr im<br />

Sinne der Allgemeinheit gefragt zu spenden. Die Resonanz aus den Kommunen ist durchaus<br />

positiv: Nicht wenige von ihnen verzeichnen einen stetigen Zuwachs an Blutspendern. Füh‐<br />

rend in Sachen Blutspendedienste ist das Rote Kreuz. Gibt man die internationale Bezeich‐<br />

nung „Blood Donation“ (engl. Blutspende)<br />

bei der Internet‐Suchmaschine Google ein,<br />

erscheinen über zwei Millionen Ergebnisse.<br />

Doch wie sieht es hinter dieser gigantischen<br />

Zahl aus? Inwiefern ist Blutspenden ein Ge‐<br />

schäft oder ehrenamtlich? Ich werde nun diese Fragen anhand eines konkreten Beispiels<br />

erläutern:<br />

http://www.drk‐blutspende.de/startseite/index.php (10.2.2011)<br />

5


Meine Schwester, 19 Jahre alt, besucht drei Mal im Jahr die örtliche Wilhelminenschule, um<br />

dort ihr Blut zu spenden. Diese Tätigkeit ist auf unserem Fragebogen bei der Frage „In wel‐<br />

chen Bereichen wird eine ehrenamtliche Tätigkeit in deiner Region ausgeübt?“ in die Katego‐<br />

rie „Sonstiges“ einzuteilen. Doch bevor sie zum ersten Mal die Prozedur durchging, musste<br />

sie sich einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Schließlich dürfen nur diejenigen<br />

spenden, die mit einem gesunden Körper, vor allem aber mit gesundem Blut gesegnet sind.<br />

Anschließend werden dem Spender 500 Milliliter Blut entnommen und verschiedene blut‐<br />

gruppenserologische und klinisch‐chemische Untersuchungen durchgeführt. Das Blut wird<br />

auch auf Aids geprüft. Die Untersuchungen dienen später der Analyse des Blutserums sowie<br />

der Bekämpfung von Krankheiten, wie zum Beispiel des Blutkrebses. Insofern kann man gu‐<br />

ten Gewissens behaupten: Blutspender handeln ehrenhaft, auch wenn es außer dem Roten<br />

Kreuz andere Blutspendedienste gibt, die für die Blutabnahme eine „finanzielle Belohnung“<br />

erteilen. Auch diese Menschen handeln, wie meine Schwester mir bestätigt, „um anderen<br />

Menschen in einer Ausnahmesituation zu helfen.“<br />

Nach verschiedensten Untersuchungen gelangt das Blut in sogenannte Blutbanken, in denen<br />

das Blut, mittlerweile in die verschiedenen Einzelteile Blutplasma, Blutzellen und Blutplätt‐<br />

chen zerlegt, je nach Haltbarkeit der Bestandteile gelagert und anschließend bei Bedarf an<br />

Krankenhäuser geschickt wird, die meist selber auch kleinere Blutbanken unterhalten. Das<br />

Deutsche Rote Kreuz ist auch in dieser Hinsicht das Maß aller Dinge und besitzt eine der<br />

größten Blutbanken in Deutschland. Doch auch innerhalb der Europäischen Union wird Blut‐<br />

spenden großgeschrieben: „Der Europarat hat ein Netz nationaler Bluttransfusionszentren<br />

und eine europäische Blutbank für tiefgekühlte Blutkonserven seltener Blutgruppen in Ams‐<br />

terdam geschaffen.“<br />

(http://www.europa‐infoshop.de/Die_Union/Organe/Europarat/europarat.html, 10.2.2011)<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Magaard</strong><br />

Freiwillige Tätigkeiten in Uusikaupunki, Finnland<br />

Während unseres Schüleraustausches vom 6. bis 10. September 2010 in Rakvere, Estland,<br />

trafen wir nicht nur auf Esten, sondern machten auch die Bekanntschaft mit einer Gruppe<br />

Finnen, die dort auch im Zusammenhang eines Schüleraustauschs gastierten. Wir haben sie<br />

also gleich vor Ort im Sinne des Europäischen Wettbewerbs mit einigen Fragen zu ihrer Er‐<br />

6


fahrung mit freiwilligen Arbeiten konfrontiert. Vor allem Sofia Kerkola, eine 17‐jährige Fin‐<br />

nin, gab uns sehr viele Antworten zu dem Thema. Hier in Deutschland haben wir dann all die<br />

Antworten ausgewertet und daraus einen Text verfasst.<br />

Sofia Kerkola, wohnhaft in Uusikaupunki, einer kleinen Stadt nahe Helsinki<br />

(http://de.wikipedia.org/wiki/World_Geodetic_System_198460° 47′ N, 21° 25′ O, knapp 16.000<br />

Einwohner), erzählte uns, dass es in ihrer Umgebung ausschließlich ältere Leute gebe, die<br />

eine freiwillige Arbeit praktizieren. Die Politiker der Stadt, die ihre Profession weitgehend<br />

freiwillig verrichten, befänden sich im Alter zwischen 30 und 60 Jahren. Es gebe dort, genau‐<br />

so wie hier, Gemeindearbeiter oder Stadtarbeiter, die für die Reinigung der Umgebung ver‐<br />

antwortlich seien. Im Gegensatz zu dem Dorf Lilienthal, in dem ich wohne, würden die Arbei‐<br />

ter dort jedoch bezahlt. Die Menschen, welche freiwillig in der Kirche arbeiten oder Selbsthil‐<br />

fegruppen leiten, seien ebenfalls zwischen 30 und 60 Jahre alt. In Uusikaupunki gebe es nur<br />

zwei freiwillige Tätigkeiten, die von etwas jüngeren Personen betrieben werden: die Freiwil‐<br />

lige Feuerwehr sowie Sportvereine. Die Menschen, die für dieses Tun in Frage kämen, seien<br />

alle im Alter von etwa 20 Jahren. Sofia erzählte, es könnten ebenfalls Jugendliche dort aus‐<br />

helfen, jedoch kenne sie keinen, der dies leistet. Die freiwillige Arbeit ist in Uusikaupunki also<br />

genauso weit verbreitet wie in der hiesigen Region, jedoch verrichten ausschließlich ältere<br />

Leute diese Arbeiten.<br />

Familie<br />

Sofia berichtete, dass es in ihrer Familie keinen gebe, der eine freiwillige Arbeit ausübe. Auch<br />

in ihrem Freundeskreis gebe niemanden, der gemeinnützige Arbeit praktiziert. Nur ihr Nach‐<br />

bar übe eine kleinere Arbeit freiwillig aus. Er bekomme dafür eine kleine Gage, sage aber, er<br />

mache es freiwillig. Seine Arbeit ist es, in öffentlichen Saunen aufzupassen. Es sei keine<br />

schwierige Arbeit, man sitze nur herum und passe auf die Leute auf, die die Sauna benutzen.<br />

Man könne sogar während dieser Zeit selbst ein bis zwei Saunagänge machen. Diese Funkti‐<br />

on ist also ein sehr beliebter Nebenjob in Finnland.<br />

Schule<br />

Sofia erklärte uns, dass es in ihrer Schule eine Cafeteria gebe, genau wie an der hiesigen. In<br />

Uusikaupunki seien die Menschen im Gegensatz zu Preetz jedoch offiziell angestellt. Es sei<br />

eine Art Nebenjob für diese Leute. Hier im Friedrich‐Schiller‐Gymnasium Preetz praktizieren<br />

es die Eltern der Schüler freiwillig. Außerdem gebe es Reinigungskräfte an ihrer Schule, die –<br />

7


wie in unserer Schule – bezahlt werden. In ihrer Schule gebe es auch viele Clubs, wie zum<br />

Beispiel eine Theatergruppe, welche von den Lehrern freiwillig geleitet werden. In unserer<br />

Schule bekommen die Verantwortlichen für die Arbeitsgemeinschaften (kurz: AGs) pro Stun‐<br />

de eine finanzielle Entschädigung von 10 Euro.<br />

Eine besondere Eigenschaft unserer Schule sind die Klassenämter. Wir haben uns gefragt, ob<br />

es in Finnland nicht auch etwas Ähnliches gebe. Hier in unserer Schule werden diese Ämter<br />

freiwillig von den Schülern ausgeübt. In ihrer Schule, so erzählten es uns Sofia und zwei wei‐<br />

tere Finnen, gebe es ausschließlich die Pflicht, einmal in der Woche bestimmte Bereiche der<br />

Schule zu reinigen. Pro Klasse werde eine Gruppe eingeteilt, die sich dann, ausgerüstet mit<br />

den entsprechenden Utensilien, verpflichtet, einen bestimmten Bereich der Schule einen Tag<br />

lang zu säubern. Sie erzählten uns jedoch auch, dass nur sehr wenige Schüler dieser Pflicht<br />

nachgingen. Allerdings sei es ein gutes Konzept, die Schule sauber zu halten.<br />

Fazit<br />

Sofias Meinung gegenüber freiwilliger Arbeit war, dass es zwar immer einem guten Zweck<br />

diene, es jedoch nicht mehr lange diese Arbeit geben werde. „Man kann die jungen Leute<br />

nur mit Geld locken, und sei es bloß ein bisschen“, sagte sie. Jedoch stellte sie nach unserem<br />

Gespräch klar, dass sie sich in nächster Zeit überlegen werde, ein freiwilliges Amt zu über‐<br />

nehmen. Es gibt also nur wenige Unterschiede zwischen den freiwilligen Arbeiten im Preet‐<br />

zer Umland und denen in Uusikaupunki. Hier geht man jedoch mit mehr Elan an die Dinge<br />

heran, denke ich, woraus ich schließe, dass hier die freiwillige Arbeit noch lang erhalten<br />

bleibt.<br />

<strong>Jesper</strong> <strong>Sönksen</strong><br />

Auswertung des Fragebogens an die estnischen Austauschschüler<br />

Alise Randmaa wohnt in Rakvere. Die Stadt liegt im Norden Estlands und hat 16.988 Einwoh‐<br />

nern (Stand 2008). Alise antwortete mir auf meine E‐Mail, in der im Anhang der Fragebogen<br />

zu finden war, dass es in ihrer Heimat keinen ehrenamtlichen Bürgermeister, jedoch ehren‐<br />

amtliche Stadtvertreter im Alter von 31 bis 60 Jahren, ehrenamtliche Tätigkeiten in der Kir‐<br />

che und in Sportvereinen gebe. Es gebe keine Freiwillige Feuerwehr und auch keine Men‐<br />

schen, die ehrenamtlich Selbsthilfegruppen leiten. In ihrer Familie werden keine ehrenamtli‐<br />

chen Tätigkeiten ausgeübt, da keine Zeit vorhanden sei und in Estland auf Grund von Zeit‐<br />

8


mangel generell wenig Freiwilliges getan werde. Ohne einen guten Abschluss können die<br />

Schüler in Estland nicht viel erreichen. Deshalb verbringen sie ihre Freizeit nicht mit ehren‐<br />

amtlichen Tätigkeiten, sondern lernen für die Schule. Sie sei sich nicht sicher, ob die Men‐<br />

schen, die ehrenamtlich tätig sind, Geld oder nur eine kleine Aufwandsentschädigung erhal‐<br />

ten. Jedoch kenne sie keine Jugendlichen in ihrem Alter, die ehrenamtlich tätig sind, ohne<br />

dass sie Geld bekämen. Auf ihrer Schule gebe es Personen, die für die Sauberkeit zuständig<br />

seien: Lehrer, die Arbeitsgemeinschaften leiten, und Schüler, die die Tafel reinigen oder den<br />

Boden sauber halten. Dies sind die Klassenämter, die es bei uns in der Schule auch gibt. Je‐<br />

doch gehe sie davon aus, dass die Lehrer Gehalt für die Arbeitsgemeinschaften erhalten. Sie<br />

gab abschließend zu Protokoll, dass die Jugendlichen in Estland keine ehrenamtlichen Tätig‐<br />

keiten ausüben, da es für sie schwer genug sei, einen Nebenjob zu finden, um Geld zu ver‐<br />

dienen, und sie deshalb nicht viel Zeit hätten. Der Hauptpunkt sei, wie oben genannt, dass<br />

man in Estland hart für die Schule arbeiten müsse, um später einen gut bezahlten Arbeits‐<br />

platz zu bekommen, und somit keine Zeit für Anderes bleibt.<br />

Vergleich<br />

Reaalgümnaasium Rakvere Friedrich‐Schiller‐Gymnasium, Preetz<br />

Im schulischen Bereich gibt es kleine Unterschiede zwischen Deutschland und Estland: Unse‐<br />

re Schule hat auch Angestellte, die für die Sauberkeit zuständig sind, Lehrer, die gegen Geld<br />

Arbeitsgemeinschaften leiten, und die sogenannten „Klassenämter“, bei denen jede Woche<br />

ein anderer Schüler für die Sauberkeit der Tafel zuständig ist und jeder Schüler für ein ganzes<br />

Jahr einen Auftrag übernimmt, wie zum Beispiel darauf zu achten, dass die Klasse sauber<br />

gehalten wird oder das Neuigkeiten, zum Beispiel Stundenplanänderungen, der Klasse<br />

übermittelt werden. In Rakvere, so beschreibt Alise, werden diese Klassenämter wöchentlich<br />

ausgewechselt. Außerhalb der Schule werden keine ehrenamtlichen Tätigkeiten ausgeübt,<br />

weil die Schüler keine Zeit haben, da der Unterricht meist bis 16 Uhr dauert und sie danach<br />

9


noch Hausaufgaben erledigen müssen. In Deutschland hingegen gibt es doch etliche Jugend‐<br />

liche, die sich außerhalb der Schule ehrenamtlich in ihrem Sportverein, der Politik oder An‐<br />

geboten der Kirche betätigen. Wenn ich die ehrenamtlichen Tätigkeiten in Deutschland und<br />

Estland vergleiche, muss ich feststellen, dass es in Estland nicht so viele freiwillige Helfer gibt<br />

wie in Deutschland, was auf den Zeitmangel und das harte Arbeiten zurückzuführen ist.<br />

<strong>Sandra</strong> <strong>Lemburg</strong><br />

Fazit zu unserer Untersuchung der freiwilligen Tätigkeiten in Europa<br />

Mehrere Monate Auseinandersetzung mit dem Thema Hier und Anderswo sind vorbei und wir<br />

haben viele neue Erkenntnisse gewonnen: Es gibt im Vergleich zu der Altersgruppe zwischen 30<br />

und 60 Jahren weniger Jugendliche, die ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben, wenn man die schuli‐<br />

schen Ämter nicht rechnet. Man könnte es darauf zurückführen, dass die meisten Jugendlichen für<br />

die Schule lernen müssen, eine Ausbildung absolvieren oder einfach zu bequem sind, um etwas Eh‐<br />

renhaftes zu tun, ohne dafür Geld zu erhalten. Jedoch lernt man durch ehrenamtliches Engagement<br />

andere Menschen kennen und hilft im Sinne der Gemeinschaft. Wir glauben, dass auch das Sozial‐<br />

verhalten durch freiwillige Tätigkeiten verbessert wird, was durch eigene Erfahrung bestätigt wird. –<br />

Jeder von uns kann etwas Ehrenhaftes tun!<br />

Das Ehrenamt ist wird in den drei Staaten Estland, Finnland und Deutschland durchaus diffe‐<br />

renziert wahrgenommen. Während es in Deutschland mehr oder weniger häufig Anklang<br />

findet, ist die Resonanz in den beiden anderen Staaten begrenzt. Gerade dieser letzte Aspekt<br />

ist uns durch die Arbeit an dem Projekt deutlich geworden, auch weil wir vorher kaum über<br />

Ehrenämter unserer europäischen „Mitbürger“ Bescheid wussten. Auch sonst war das Inte‐<br />

resse am Leben der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten begrenzt vorhanden. Durch die Teil‐<br />

nahme wurden uns ein Stück weit die Augen geöffnet, was das Leben unserer Mitbürger<br />

innerhalb Europas angeht.<br />

Um ein geeintes Europa zu werden, müssen wir uns aber gegenseitig tiefer in die<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Magaard</strong><br />

Augen schauen.<br />

10


Anhang<br />

Fragebogen zum Europäischen Wettbewerb<br />

1. In welchem Alter und in welchen Bereichen wird eine ehrenamtliche Tätigkeit in<br />

deiner Region ausgeübt?<br />

(Kreuze an!)<br />

2. Welche ehrenamtliche Tätigkeit üben deine Eltern, Geschwister oder Großeltern<br />

aus?<br />

Tätigkeit<br />

Ehrenamtlicher Bürgermeister<br />

Kirche<br />

Sportverein<br />

Feuerwehr<br />

Gemeindevertreter<br />

Selbsthilfegruppen<br />

Sonstige:<br />

3. Erkläre, wie diese Tätigkeit ausgeübt wird!<br />

4. Gibt es auch Menschen, die diese Tätigkeit für Geld ausüben?<br />

5. Kennst, du Jugendliche in deinem Alter, die eine ehrenamtliche Tätigkeit auch ohne<br />

Geld ausüben?<br />

Ja Nein<br />

Wenn ja, aus welchem Grund?<br />

Alter<br />

11‐18 18‐30 30‐60 60<<br />

…………………………………………………………………………………………………...<br />

11<br />

Keine Aus‐<br />

übung


6. Welche ehrenamtlichen Tätigkeiten gibt es an deiner Schule?<br />

Sonstige:<br />

bei der Essensversorgung<br />

bei der Reinigung (Gebäude, Gelände)<br />

bei der Aufsicht<br />

7. Gibt es Klassen‐ oder Schülerämter bei euch?<br />

Wenn ja, welche?<br />

Ja Nein<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Magaard</strong><br />

Questionnaire<br />

1. At which age and in which field voluntary work is done in your region? (Mark with a<br />

cross!)<br />

honorary mayor<br />

work<br />

city/region/municipality councillor<br />

church<br />

fire brigade<br />

sports club / ‐association<br />

self‐help group<br />

others<br />

age<br />

11‐18 19‐30 31‐60 >60<br />

12<br />

no work


2. Which voluntary work is done by your family?<br />

Parents: ………………………………………………………………………………………….<br />

Brothers and sisters: ………………………………………………………………………………………….<br />

Grand‐parents: ………………………………………………………………………………………….<br />

3. Please explain what they’re exactly doing and why they’re doing their voluntary<br />

work!<br />

…………………………………………………………………………………………………...<br />

4. Are there People who do these works by getting money?<br />

…………………………………………………………………………………………………...<br />

5. Do you know youths at your age who do a voluntary work without getting any<br />

money?<br />

Yes No<br />

If yes, for what reason?<br />

…………………………………………………………………………………………<br />

6. Which voluntary works are practised at your school?<br />

serving counter<br />

……………………………………………………………………………………….<br />

cleaning (building, terrain)<br />

………………………………………………………………………………………..<br />

being on duty during break<br />

……………………………………………………………………………………….<br />

clubs (chess, sports, cooking, handicraft etc.)<br />

……………………………………………………………………………………….<br />

Others:<br />

……………………………………………………………………………………….<br />

7. Are there something like „classes‐ or pupils’ responsibilities“ at your school?<br />

Yes No<br />

Quantity:<br />

Please explain these responsibilities!<br />

………………………………………………………………………………………<br />

13


8. Which bad experiences in case of voluntary work can you tell about?<br />

……………………………………………………………………………………………….<br />

9. Why do you think it’s nevertheless worthwhile for you to take on the job of volun‐<br />

tary work? ………………………………………………………………………………………………<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Magaard</strong><br />

Hey Alise!<br />

How are you? I hope fine.<br />

E‐Mail‐Wechsel mit meiner Austauschschülerin<br />

Englische Version<br />

We do in school a project about the volunteer work in Germany compared with the volun‐<br />

teer work in Estonia. It is part of a European competition. You may help us win a price.<br />

Therefore I have got some questions. I would be very happy if you answer them.<br />

When we were at school in Estonia we saw some women who gave us the food in your can‐<br />

teen. Is that a volunteer work (mothers of the pupils) or are they professionals?<br />

The miner in the underground, do you know if that is a volunteer worker or if he gets money<br />

for his job?<br />

Do you have volunteer work in your village? And if, what kind of work is it?<br />

In Estonia are there more young volunteers or more adults?<br />

In Germany we have got in our class a girl or a boy who is the classpresenter. Do you have<br />

some kind of that, too? Or a person who brings the books or does something other for the<br />

class?<br />

Thank you for reading and answering my letter.<br />

See you in September. Yours <strong>Sandra</strong><br />

14


Hey Alise!<br />

Wie geht es dir? Ich hoffe gut.<br />

Deutsche Version<br />

Wir machen in der Schule ein Projekt über ehrenamtliche Arbeit. Im Vergleich Deutschland<br />

mit Estland.<br />

Deshalb habe ich ein paar Fragen. Ich würde mich freuen, wenn du sie beantworten wür‐<br />

dest.<br />

Als wir in der Schule in Estland waren, waren da ein paar Frauen, die uns das Essen in der<br />

Kantine gegeben haben. Ist das eine ehrenamtliche Arbeit oder bekommen sie dafür Geld?<br />

Der Bergmann in dem Bergbau, weißt du, ob das eine ehren‐<br />

amtliche Arbeit ist oder ob er Geld bekommt?<br />

Habt ihr ehrenamtliche Arbeiten in eurem Dorf? Und wenn ja,<br />

was für welche?<br />

Machen in Estland mehr Jugendliche oder mehr Erwachsene<br />

ehrenamtliche Arbeiten?<br />

In Deutschland haben wir in unserer Klasse einen Klassenspre‐<br />

cher. Habt ihr so etwas auch? Oder eine Person, die die Bücher ausgibt oder die etwas ande‐<br />

res für die Klasse tut?<br />

Danke, dass du meinen Brief gelesen und beantwortet hast.<br />

Wir sehen uns im September. Deine <strong>Sandra</strong><br />

<strong>Sandra</strong> <strong>Lemburg</strong><br />

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