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Leseprobe_DTÖ Studien 61

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gegen Ende des Jahrhunderts, als die kirchliche Aufklärung eine Entschlackung<br />

barocker Zeremonien bewirkt hatte, griff der Hype auch auf Katholiken über.<br />

Welch breite Resonanz Allegris Miserere nachfolgend erfuhr, lässt sich einer 1935 an<br />

der Universität Freiburg (CH) approbierten, von Julius Amann verfassten Dissertation<br />

mit dem Titel Allegris Miserere und die Aufführungspraxis in der Sixtina […]<br />

entnehmen.6 Für die Zeit ihrer Abfassung vorbildlich, diente sie zahlreichen weiteren<br />

<strong>Studien</strong> als Ausgangspunkt, während ergänzende philologische Untersuchungen<br />

zur näheren Erhellung der Quellenstreuung weitgehend unterblieben<br />

sind. Das bringt mit sich, dass Allegris Miserere als Gegenstand der ‚historischen<br />

Musikwirkungsforschung‘ nachgerade zum Exempel gerät und die zahlreich vorliegenden<br />

Reiseberichte vor allem des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts entsprechend<br />

ausgewertet werden.7 Dagegen wird der Überlieferungsgeschichte der<br />

Vorzeit wenig Augenmerk geschenkt und diese weiterhin von offenen, bei Amann<br />

ungelöst gebliebenen Fragen begleitet. Das gilt – wie sich im Folgenden zeigen<br />

wird – auch für die Rezeption des Werkes im Gebiet des heutigen Österreich.<br />

Amann zog dazu nämlich – bedingt durch die seinerzeitigen Erreichbarkeiten –<br />

für seine Untersuchung nur die an der Musiksammlung der Österreichischen<br />

Nationalbibliothek vorhandenen Quellen heran und unterließ es zudem, die bei<br />

Burney überlieferte Anekdote auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.<br />

III. DIE RÖMISCHE TRADITION<br />

Bei Gregorio Allegris zwischen 1630 und 16528 für die Cappella Sistina in Rom<br />

geschaffenem, doppelchörigem Miserere9 handelt es sich um eine von vielen Vergen<br />

S. 372–377, ferner Bernhard Schrammek, „Die Capellmusik ist undenkbar schön“ –<br />

Exotisch-sinnliche Musikvergnügen „aufgeklärter“ Reisender, in: Über den Klang aufgeklärter<br />

Frömmigkeit. Retrospektive und Progression in der geistlichen Musik, hg. v. Boje E. Hans<br />

Schmuhl und in Verb. mit Ute Omonsky (Michaelsteiner Konferenzberichte 78) Augsburg<br />

2014, S. 307–316, sowie Stefano Ragni, Il Miserere di Allegri nella tradizione della Cappella<br />

Sistina. Le suggestioni letterarie, in: Studi e documentazioni 38 (2000) S. 25–30.<br />

6 Julius Amann, Allegris Miserere und die Aufführungspraxis in der Sixtina nach Reiseberichten<br />

und Musikhandschriften (Freiburger <strong>Studien</strong> zur Musikwissenschaft [Fribourg, CH] 4)<br />

Regensburg 1935.<br />

7 Zuletzt Anne Holzmüller, Konfessioneller Transfer und musikalische Immersion im späten<br />

18. Jahrhundert, in: KmJb 101 (2017) S. 75–99; vgl. auch David R. M. Irving, „For whom the<br />

bell tolls“. Listening and its Implications. Response to John Butt, in: Journal of the Royal Musical<br />

Association 135 (2010) S. 19–24, insbesonders S. 20 f.<br />

8 Während dieser Zeitspanne wirkte Gregorio Allegri (1582–1652) in der Cappella Sistina.<br />

9 Vermutet wird für die Entstehung das Jahr 1638 – siehe Laurenz Lütteken, Perpetuierung des<br />

Einzigartigen: Gregorio Allegris ‚Miserere‘ und das Ritual der päpstlichen Kapelle, in: Barocke<br />

9

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