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Grimselwelt-Magazin 2022

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26 grimselwelt26<br />

· spitallamm baustelle<br />

grimselweltgrimselwelt · erlebnis natur 27<br />

Seit Juni 2021 prägen zwei riesige rote<br />

Kräne die Baustelle an der Staumauer Spitallamm.<br />

Ohne die beiden Giganten wäre Funkstille<br />

am Fusse der neuen Staumauer. Im Sommer geben<br />

die Kräne einen hohen Takt an beim Betonieren, im<br />

Winter vollführen die zwei Giganten täglich eine Kür,<br />

um im Winterschlaf nicht steif zu werden.<br />

Text: Annette Marti, Fotos: David Birri<br />

Während an der Olympiade in Peking die Eiskunstläuferinnen ihre<br />

Kür zeigen, vollführen zwei rote Riesen andernorts still und unbeachtet<br />

ein Synchron-Ballett der besonderen Art: Immer morgens um 4 Uhr und<br />

mittags ungefähr um 13 Uhr drehen sich die roten Wolff-Kräne auf der<br />

Baustelle an der Staumauer Spitallamm am Grimselpass um ihre eigene<br />

Achse. Nicht nur im Olympiade-Februar, sondern den ganzen Winter<br />

über vollführen die Kräne ihre Nummer. Es dreht jeweils der oberste Teil<br />

mit Kabine und Ausleger. Der Grund für diese stumme Kran-Kür, die<br />

höchstens vom Pfeifen des Winds begleitet wird, ist natürlich nicht ein<br />

Wettkampf, sondern die regelmässige Bewegung gewährleistet, dass die<br />

Kräne nicht vereisen und somit unbeschadet über den Winter kommen.<br />

Die Konstruktion der zwei 90 Meter hohen, freistehenden Kräne hat den<br />

Planungsingenieuren von Wolffkran alles abverlangt. Vieles musste von<br />

Grund auf neu berechnet und geprüft werden. Windgeschwindigkeiten<br />

von bis zu 200 Kilometern pro Stunde oder der Druck von Schnee und<br />

Eis machten es unmöglich, auf die üblichen Komponenten zurückzugreifen.<br />

So entwickelte die Firma neue, speziell robuste und grosse Turmstücke<br />

für die Basis der beiden Kräne. Auch die Kranfundamente<br />

waren aussergewöhnlich stark betoniert und verankert<br />

worden. «Wir bewegen uns am Grimselpass<br />

in ganz anderen<br />

Dimensionen als bei einer Standardbaustelle», fasst es Rolf<br />

Mathys, Managing Director Wolffkran Schweiz, zusammen.<br />

Gearbeitet wird auf der Baustelle den Winter über nicht. Dennoch<br />

sah man davon ab, wie bei anderen Baustellen üblich, die Kräne zu demontieren<br />

und im Frühjahr wieder neu aufzubauen. Das Auseinandernehmen<br />

der Teile, der Abtransport und die Lagerung wären zu aufwendig<br />

und nicht wirtschaftlich gewesen, erklärt Mathys. Immerhin werden die<br />

beiden 90 Meter hohen Wippkräne vom Typ 1250 B bis zur Fertigstellung<br />

der Mauer im Jahr 2024 im Einsatz bleiben. Man hätte sie also<br />

mehrmals auseinandernehmen und wieder aufbauen müssen. Anlieferung<br />

und Aufbau der Kräne im Juni 2021 war ein logistisches Meisterwerk.<br />

Allein für den Transport standen insgesamt 70 Lastwagen im Einsatz.<br />

Mithilfe eines gigantisch grossen 500-Tonnen-Mobilkrans der Emil<br />

Egger AG und eines zweiten 150-Tonnen-Mobilkrans wurden die verschiedenen<br />

Teile auf der engen Baustelle zusammengesetzt. Dabei schien<br />

es fast unwirklich, wie die Kräne Stück für Stück in die Höhe wuchsen<br />

und wie es die im Vergleich zu den grossen Stahlteilen winzig kleinen<br />

Menschen schafften, Hand und Kopf so einzusetzen, dass zum Schluss<br />

alles stimmte. Es brauchte Präzision und Teamarbeit, um voranzukommen,<br />

einerseits bei Mobilkran-Profi Jonas Bösch, andererseits beim Team<br />

der Kranmonteure. «Wenn man gut zusammenarbeitet, ist es schon einfacher.<br />

Trotzdem muss man den Kopf beieinanderhaben», sagt Kranmonteur<br />

Robert Bürgi, der mit seinen Kollegen in höchster Höhe auf den<br />

Kranelementen herumtanzt, als wäre nichts dabei. «Da oben vergisst du<br />

die Höhe», schmunzelt er. Das sei nicht für alle. Aber wer mal dabei ist<br />

und die strenge Arbeit bewältigt, wird so wie es aussieht von einer Art<br />

Kran-Virus erfasst. Am meisten Angst habe er anfänglich gehabt, etwas<br />

fallen zu lassen, so Bürgi, der praktisch täglich irgendwo in der Schweiz<br />

einen Kran aufstellt oder wieder abbaut. «Aber das passiert nicht, da<br />

lässt du nichts fallen», sagt er. «Diejenigen, die da<br />

oben sind, wissen, was sie tun.»

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