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Grimselwelt Magazin 2020

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grimselwelt<br />

DAS MAGAZIN <strong>2020</strong><br />

Lernwelt KWO<br />

Berufe im Zeichen<br />

der Wasserkraft<br />

Jörg Spicker, Swissgrid<br />

Stromnetz – das<br />

heikle Gleichgewicht<br />

Dakota – Wanderung zur Absturzstelle<br />

Ein Flugzeugwrack<br />

schreibt Geschichte


grimselwelt3 3<br />

editorial<br />

Das Coronavirus brachte unseren<br />

Alltag schlagartig<br />

durcheinander und rüttelt an<br />

unseren Gewohnheiten und<br />

am wirtschaftlichen Gefüge.<br />

Gleichzeitig gilt es die Chance<br />

zu packen, Dinge zu hinterfragen<br />

und neu zu ordnen. Doch<br />

vorerst müssen wir alle einen<br />

Gang zurückschalten. Ich<br />

hoffe, dass Ihnen unser <strong>Magazin</strong> als Zeitvertreib<br />

gelegen kommt und die vielseitigen<br />

Beiträge zum Nachdenken anregen. Zum<br />

Beispiel über die Art und Weise, wie wir die<br />

Energieversorgung der Zukunft gestalten<br />

wollen. Doch das <strong>Grimselwelt</strong> <strong>Magazin</strong> bietet<br />

nicht nur mentales Kraftfutter, sondern<br />

auch eine gute Portion analoge Wellness,<br />

Geschichten, die das Herz öffnen und Fotos,<br />

die zum Träumen anregen – das brauchen<br />

wir alle mehr denn je.<br />

2019 war für die KWO in mancher Hinsicht<br />

ein intensives Jahr. Die bewegten Zeiten<br />

auf dem europäischen Strommarkt<br />

sind herausfordernd und verlangen uns<br />

höchste Flexibilität ab. Ein besonderer<br />

Moment war der Beginn der Bauarbeiten<br />

für den Ersatz der Staumauer Spitallamm<br />

am Grimselsee. Dass die erste Bausaison<br />

erfolgreich verlief, verdanken wir all jenen<br />

Menschen, die auf der Baustelle im Einsatz<br />

standen und unter teilweise schwierigsten<br />

Umständen, mit viel Können und kühlem<br />

Kopf, arbeiteten. Ihnen gebührt grösste Anerkennung<br />

und aufrichtigen Dank. Welche<br />

Herausforderungen es auf einer Gebirgsbaustelle<br />

täglich zu meistern gibt, zeigen<br />

wir Ihnen auf einem Besucherrundgang,<br />

der ab Juni <strong>2020</strong> offen ist. Die Reportage<br />

auf den Seiten 22 bis 27 vermittelt Ihnen<br />

einen ersten Einblick.<br />

Gut gebildete Fachkräfte sind für eine Unternehmung<br />

das A und O. Unsere grössten<br />

Trümpfe diesbezüglich sind die vielfältigen<br />

Themen im Berufsalltag, die breite Palette<br />

an Berufen, die bei uns erlernt werden können,<br />

wie auch die Investitionen in die Ausund<br />

Weiterbildung unserer Mitarbeitenden.<br />

Besonders am Herzen liegen uns die<br />

Lernenden – einige von ihnen portraitieren<br />

wir in der diesjährigen Titelgeschichte. Es<br />

ist uns wichtig, die Perspektiven für junge<br />

Mitarbeitende optimal zu gestalten. Wir<br />

wollen ihnen ein reales Bild des Arbeitsalltags<br />

vermitteln und sie mit viel Wissen<br />

und Praxiserfahrung für die berufliche<br />

Zukunft rüsten.<br />

Nun wünsche ich Ihnen gute Gesundheit<br />

und spannende Momente bei der Lektüre.<br />

Ich freue mich, Sie bald wieder in der<br />

<strong>Grimselwelt</strong> zu begrüssen.<br />

Herzlich Ihr<br />

Daniel Fischlin, CEO KWO<br />

Willkommen in der <strong>Grimselwelt</strong><br />

Luftiger Arbeitsplatz: Leonardo Masero, Lernender Seilbahnmechatroniker, und sein<br />

Berufsbildner Walter Schläppi hoch über dem Grimselsee.<br />

Titelgeschichte Seite 4–7<br />

Hoch in der Luft oder tief im Berg: Lehrberufe bei der KWO<br />

Elf verschiedene Berufe können bei der KWO erlernt werden – und<br />

zwar ziemlich unterschiedliche: von der Polymechanikerin bis<br />

zum Restaurantfachmann. Vier Lernende erzählen über ihren Alltag<br />

in der Berufsausbildung.<br />

Sternenlauf Seite 8–9<br />

Zwei Schwestern sammeln auf besondere Art<br />

Der «Göttanner Stärnenloif» ist eine Erfindung von Sina und<br />

Aina Scherling – sie motivieren jährlich Dutzende von Läuferinnen<br />

und Läufer für einen guten Zweck.<br />

Persönlich Seite 10–11<br />

Portraits aus der <strong>Grimselwelt</strong><br />

Manche Tätigkeiten gehören untrennbar zu den Bergen: Schneefräse<br />

fahren, Gäste beraten oder ein Hotel führen – drei kleine<br />

Portraits.<br />

Im Gespräch Seite 12–13<br />

Jörg Spicker, Swissgrid<br />

Das Stromnetz im Gleichgewicht zu halten, ist unter den aktuellen<br />

Umständen keine leichte Aufgabe. Jörg Spicker, strategischer<br />

Berater der Swissgrid, erklärt wieso.<br />

Beitrag zur Energiewende Seite 16–17<br />

Das Ausbauprojekt Trift der KWO<br />

Der neue Stausee in der Trift ist ein wichtiges Puzzlestück für die<br />

sichere Stromversorgung. Dazu leistet das Projekt einen bedeutenden<br />

Beitrag zur Energiewende.<br />

Gletscherdrama im Gauli Seite 18–19<br />

Wanderung zum Dakota-Wrack<br />

1946 ist auf dem Gauligletscher ein amerikanisches Flugzeug abgestürzt<br />

– jetzt gibt der Gletscher Jahr für Jahr neue Geheimnisse<br />

dieser dramatischen Geschichte frei.<br />

Auf du und du mit den Geistern Seite 20–21<br />

Altjahrswoche im Oberhasli<br />

In den Gemeinden im Oberhasli kümmern sich jeweils Ende Jahr<br />

Hunderte von Personen darum, die bösen Geister zu vertreiben.<br />

Der alte Brauch ist im Aufwind.<br />

Spitallamm Baustelle Seite 22–27<br />

Momentaufnahmen der ersten Bausaison<br />

2019 ging die erste Etappe der Bauarbeiten für den Ersatz der<br />

Staumauer Spitallamm über die Bühne – Impressionen einer sehr<br />

aussergewöhnlichen Baustelle.<br />

Impressum<br />

Herausgeber KWO Kommunikation, Innertkirchen<br />

Gestaltung und Realisation Laufwerk, Bern<br />

Konzept und Projektleitung Thomas Huber<br />

Bilder David Birri und KWO<br />

Texte Annette Marti und KWO<br />

Druck Jordi AG, Belp<br />

Auflage 20’000 Exemplare<br />

Die <strong>Grimselwelt</strong> ist ein Engagement der<br />

KWO, Kraftwerke Oberhasli AG<br />

Mix<br />

Produktgruppe aus vorbildlicher<br />

Waldwirtschaft und<br />

anderen kontrollierten Herkünften<br />

Cert no. SQS-COC-023903, www.fsc.org<br />

SQS-COC-100061<br />

© 1996 Forest Stewardship Council


4<br />

grimselwelt4<br />

grimselwelt · berufsausbildung 5<br />

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine<br />

Lehre als Polymechaniker zu absolvieren?<br />

Fabian Fahner: Ich war im Rahmen der<br />

Hasliolympiade zum ersten Mal bei der<br />

KWO, um eine zweitätige Schnupperlehre<br />

zu besuchen. Da hat mir das Betriebsklima<br />

sehr gefallen. Für den Beruf Polymechaniker<br />

habe ich mich entschieden, weil ich das<br />

Drehen und Fräsen sehr interessant fand.<br />

Auch das Programmieren der CNC-Maschinen<br />

gefällt mir. Ich weiss nicht, ob ich<br />

mit 40 Jahren immer noch als Polymechaniker<br />

arbeiten werde, denn es gibt ja noch<br />

viele andere Möglichkeiten. So haben auch<br />

viele sehr gut ausgebildete Berufsleute, die<br />

bei der KWO arbeiten, irgendwann mit einer<br />

Lehre begonnen.<br />

Wieso hast du entschieden, ausgerechnet<br />

bei der KWO deine Lehre zu absolvieren?<br />

Bei der KWO bin ich nahe an der Realität:<br />

Jedes Stück, das ich fertige, wird im Anschluss<br />

verkauft. Das finde ich grossartig.<br />

Ich stelle mechanische Teile her, die an-<br />

Es bedingt eine grosse Willensleistung, Berufslehre<br />

und Leistungssport unter einen<br />

Hut zu bringen. Viele ambitionierte Sportler<br />

in meinem Alter besuchen eine Sportmittelschule;<br />

eigentlich die allermeisten. In<br />

einem solchen Rahmen ist der Alltag optimal<br />

organisiert. Wir hingegen müssen unsere<br />

Tage selber einteilen, was bedeutet,<br />

die Präsenzzeit bei der Arbeit und dem<br />

Training so einzurichten, dass weder die<br />

Ausbildung noch der Sport zu kurz kommen.<br />

Es tönt danach, als müsstest du selber viel<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

Auf jeden Fall, ja. Man muss das wirklich<br />

wollen, denn es ist anstrengend. Ich arbeite<br />

mehr als acht Stunden am Tag und muss<br />

davor oder danach noch mein Training absolvieren.<br />

Da muss man sich schon reinknien.<br />

Ich bin dankbar, dass mir die KWO<br />

eine Sportlerlehre überhaupt ermöglicht.<br />

Und wenn ich nicht so einen guten Berufsbildner<br />

wie Hans Thöni hätte, dann wäre<br />

alles viel schwieriger. Ich fehle ungefähr 20<br />

«Die CNC-Maschinen faszinieren mich»<br />

Rebecca van Dilst aus Schwanden beginnt im August ihre Lehre als Polymechanikerin<br />

bei der KWO. Als junge Frau wird sie eine Exotin sein in der Werkstatt. Für<br />

Rebecca ist das kein Hindernis, sie war schon immer technisch interessiert und<br />

träumt vom Motorradfahren und schnellen Autos.<br />

«Hier bin ich richtig nahe an der Realität»<br />

Fabian Fahner aus Meiringen ist Lernender Polymechaniker bei der KWO und steht<br />

im dritten Lehrjahr. Nebenher verfolgt er eine Karriere als Langläufer – ein Arrangement,<br />

das ihm einiges abverlangt.<br />

DIE FACHKRÄFTE<br />

DER ZUKUNFT<br />

Text: Annette Marti, Fotos: David Birri Ohne gut ausgebildete Berufsleute geht auch bei der KWO gar nichts.<br />

Das Unternehmen legt deshalb besonderen Wert auf die Ausbildung von<br />

Lernenden. Elf verschiedene Berufe können bei der KWO erlernt werden:<br />

indoor, outdoor, oberirdisch, unterirdisch, in Kraftwerken, Werkstätten<br />

und Kavernen, in Büros oder Gastronomiebetrieben und sogar frei hängend<br />

an den Stützen verschiedener Seilbahnen mitten im Hochgebirge.<br />

Vier der insgesamt 23 Lernenden der KWO geben Auskunft, was sie an<br />

ihrem Beruf fasziniert und weshalb sie sich für den entsprechenden<br />

Beruf entschieden haben.<br />

schliessend eingesetzt werden. So geht<br />

man doch mit einer ganz anderen Einstellung<br />

an die Arbeit. Es ist schön zu wissen,<br />

dass dieses oder jenes Teilchen, welches ich<br />

hergestellt habe, in einem Kraftwerk im<br />

Einsatz ist. Auch das ganze Umfeld der<br />

Wasserkraft finde ich spannend; man versteht<br />

plötzlich gewisse Zusammenhänge<br />

und bekommt erst noch viel vom Maschinenbau<br />

mit.<br />

Du machst eine Sportlerlehre, weil du aktiver<br />

Langläufer bist. Wie ist das, Sport<br />

und Ausbildung in dieser Art zu kombinieren?<br />

Prozent im Betrieb und habe deshalb auch<br />

weniger Erfahrung im Vergleich zu anderen<br />

Drittjahrlernenden. Hans schaut sehr<br />

gut zu mir und hat Verständnis für meinen<br />

Sport, so komme ich trotzdem gut vorwärts.<br />

Du hättest auch den «einfacheren» Weg wählen<br />

können über eine Sportmittelschule…<br />

Das wollte ich nicht, denn ich könnte mir<br />

kaum vorstellen, im Alter von 20 Jahren<br />

noch ohne Beruf dazustehen. Mit dieser<br />

Berufsausbildung habe ich etwas im Rucksack,<br />

ganz egal, ob es mit dem Spitzensport<br />

aufgeht oder nicht.<br />

Im Moment gehst du noch in die Schule<br />

und im Sommer beginnst du deine Lehre<br />

bei der KWO. Was erwartest du von diesem<br />

Übertritt?<br />

Rebecca van Dilst: Das wird spannend.<br />

Natürlich bedeutet es für mich eine grosse<br />

Umstellung, aber ich freue mich darauf.<br />

Ich habe mich sehr intensiv mit der Berufswahl<br />

auseinandergesetzt, war viel unterwegs<br />

und in den Ferien oft irgendwo am<br />

Schnuppern. Jetzt geht es endlich los…<br />

und ich muss dann auch nicht mehr so viel<br />

in die Schule gehen.<br />

Du hast dich für Polymechanik entschieden,<br />

das ist für ein Mädchen eher aussergewöhnlich.<br />

Was fasziniert dich an diesem<br />

technischen Beruf?<br />

In der Werkstatt der KWO haben sie mich<br />

schon vorgewarnt, dass es dort nur wenige<br />

Frauen gibt. Auch in der Berufsschule gibt<br />

es vielleicht nur ein Mädchen pro Klasse,<br />

habe ich mir sagen lassen. Aber das stört<br />

mich nicht. Ich war immer eher technisch<br />

interessiert und in der Schule hier in Hofstetten<br />

waren für mich die handwerklichen<br />

Arbeiten immer etwas vom Besten. Zur<br />

Zeit bauen wir ein kleines Dampfschiff mit<br />

Motor, einmal schweissten wir einen Grill<br />

und in meinem Freifach bauten wir eine<br />

Seifenkiste. Zum Glück hat die Schule<br />

auch schon vor Jahren meinen Antrag bewilligt,<br />

dass ich häufiger ins Werken als ins<br />

Nähen gehen kann.<br />

Was erwartest du von der Berufslehre bei<br />

der KWO?<br />

Die Maschinen, beispielsweise die CNC-<br />

Fräsen, faszinieren mich. Das sind Hightech-Geräte<br />

und ich werde lernen, sie zu<br />

programmieren. Ich freue mich auch,<br />

massgeschneiderte Teile zu fertigen, die<br />

ganz präzise hergestellt werden müssen.<br />

Beim Schnuppern im Betrieb hat mir die<br />

Vorstellung besonders gefallen, dass alles<br />

im Auftrag von Kunden produziert wird.<br />

Es geht nicht darum, irgendwelche Ersatzteile<br />

zu fertigen, sondern hydromechanische<br />

Komponenten zu bearbeiten, die<br />

anschliessend in Kraftwerken eingesetzt<br />

werden.<br />

Hast du auch Hobbys, die mit Technik zu<br />

tun haben?<br />

Ja, aber nicht nur. Früher bin ich oft geritten<br />

und heute bin ich begeisterte Rettungsschwimmerin.<br />

Ich liebe es aber auch, mit<br />

meinem Vater Gokart zu fahren und mit<br />

ihm an seinem alten 125er-Motorrad herumzuschrauben.<br />

Irgendwann möchte ich<br />

unbedingt selber Motorrad fahren oder ein<br />

starkes, schnelles Auto. Im Moment muss<br />

ich noch mit meinem «Töffli» Vorlieb nehmen,<br />

aber das ist auch schon sehr cool.


6 grimselwelt · berufsausbildung<br />

grimselwelt · berufsausbildung 7<br />

Beinahe wäre aus dir ein studierter Historiker<br />

geworden, jetzt stehst du im vierten<br />

Lehrjahr als Seilbahnmechatroniker. Was<br />

ist passiert?<br />

Leonardo Masero: Ich habe in England<br />

studiert und einen Bachelor in Geschichte<br />

gemacht. Aber irgendwie war das nicht so<br />

mein Ding; obschon das Leben als Student<br />

auch seine schönen Seiten hat. Während<br />

der Sommerferien war ich jeweils bei meinen<br />

Eltern in Luzern und hatte einen Hilfsjob<br />

bei den Pilatusbahnen. Da kam ich viel<br />

in Kontakt mit «Bähnlern» und dachte, mit<br />

Seilbahnen zu arbeiten, wäre eigentlich ein<br />

toller Beruf.<br />

Ich bin in Malaysia aufgewachsen und danach<br />

lebte ich in England. Die Ferien verbrachte<br />

ich oft in den Schweizer Bergen –<br />

aber nie im Winter! Als ich das erste Mal<br />

vor einer grossen Schneewand stand, sind<br />

mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen.<br />

Da staunt man schon, wieviel Schnee liegt –<br />

und das ist richtig cool! Vor drei Jahren<br />

habe ich sogar mit Skifahren begonnen.<br />

Ich kann es noch nicht sehr gut, aber es<br />

macht richtig Spass.<br />

Als Seilbahnmechatroniker kletterst du<br />

unter anderem aufs Kabinendach und<br />

turnst an Stützen herum…<br />

«Mit der Kabine zu einer Stütze zu fahren, ist<br />

ein Highlight.»<br />

Leonardo Masero hat ein paar Jahre in England studiert, bevor er sich entschied,<br />

bei der KWO eine Lehre als Seilbahnmechatroniker zu machen. Von seinem neuen<br />

Beruf ist er begeistert.<br />

Oft hört man, im Schweizer Gastgewerbe<br />

würden kaum noch Einheimische arbeiten.<br />

Du bist aber ganz offensichtlich begeistert<br />

von diesem Beruf, weshalb?<br />

Moritz Burkhardt: Das macht mir nicht<br />

viel aus, für mich ist es genau die richtige<br />

Ausbildung. Ich wusste von Anfang an, als<br />

es um die Berufswahl ging, dass ich gerne<br />

im direkten Kontakt bin mit Menschen.<br />

Ausserdem mag ich die unregelmässigen<br />

Arbeitszeiten. Es hat mich nie gereizt, von<br />

Montag bis Freitag zu arbeiten und am<br />

Wochenende frei zu haben. Jetzt habe ich<br />

am Montag frei und kann dann skifahren,<br />

wenn alle anderen arbeiten.<br />

Es ist vielleicht komplizierter, mit Kollegen<br />

abzumachen…<br />

Den Winter über arbeite ich im Grimsel<br />

Hospiz, immer von Mittwoch bis Sonntag,<br />

Montag und Dienstag habe ich frei und so<br />

weiss ich auch, wann ich Zeit habe zum<br />

Abmachen. Im Sommer bin ich im Hotel<br />

Handeck, das ist ein 7-Tage-Betrieb und da<br />

sind die Freitage nicht immer gleich. Aber<br />

klar, solche Arbeitszeiten liegen nicht allen.<br />

Wenn ich vergleiche mit anderen Branchen,<br />

dann arbeiten wir wohl auch länger als viele,<br />

aber das stört mich nicht.<br />

Was magst du besonders an deinem Beruf?<br />

Mir liegt der Umgang mit Menschen und<br />

in unserem Beruf kriegen wir immer direktes<br />

Feedback, nicht nur von den Vorgesetzten.<br />

Wenn man im Service arbeitet und den<br />

Job gut macht, dann hört man das in der<br />

Regel am gleichen Abend und das finde ich<br />

genial. Ich denke, ich merke unterdessen<br />

sehr gut, ob sich die Gäste wohlfühlen.<br />

Umgekehrt merken auch sie, ob ich meinen<br />

Job gerne mache oder ob ich ihn nur einfach<br />

so erledige.<br />

Im Winter bist du fünf Tage die Woche im<br />

Grimsel Hospiz und kannst nicht kurz<br />

nach Hause. Wie ist das Leben da oben?<br />

Der Arbeitsort ist fantastisch, das war für<br />

mich auch ein Grund, weshalb ich mich bei<br />

der KWO für die Lehre beworben habe. Ich<br />

war mit der Familie mal im Winter oben,<br />

die Atmosphäre und die Winterwelt haben<br />

mich völlig überwältigt. Von da an wollte<br />

ich unbedingt dort arbeiten. Klar, an einem<br />

solchen Ort erhält das Team einen anderen<br />

Stellenwert. Es ist alles sehr familiär, man<br />

spielt vielleicht zusammen ein Spiel, wenn<br />

man frei hat, oder wenn jemand krank ist,<br />

kümmern sich die anderen um ihn. Das ist<br />

schon speziell. Ich bin sehr glücklich über<br />

diese Verhältnisse. Nach einem Praktikum<br />

in einem anderen Betrieb habe ich nämlich<br />

festgestellt, dass es längst nicht selbstverständlich<br />

ist, dass man Verantwortung<br />

übernehmen darf und dass alles funktioniert<br />

wie am Schnürchen!<br />

DIE LERNWELT KWO<br />

DIE KWO MIT DEN DREI MARKEN GRIMSELSTROM, GRIMSEL HYDRO UND GRIM-<br />

SELWELT, GEHÖRT ZU DEN GRÖSSTEN ARBEITGEBERINNEN IN DER REGION<br />

HASLITAL-BRIENZ UND BIETET EINE BREITE AUSWAHL AN LEHRBERUFEN AN.<br />

AUTOMATIKERIN ODER<br />

AUTOMATIKER EFZ<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

KAUFFRAU ODER<br />

KAUFMANN EFZ<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

4 2<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

3 4<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

KONSTRUKTEURIN ODER<br />

KONSTRUKTEUR EFZ<br />

Das Unternehmen beteiligt sich jedes Jahr an<br />

Berufswahl-Veranstaltungen wie dem Zukunftstag,<br />

dem Brünig Dialog oder der Hasliolympiade. Für<br />

Jugendliche ab der 8. Klasse sind zudem mehrtätige<br />

Schnupperlehren möglich.<br />

KÖCHIN ODER<br />

KOCH EFZ<br />

3 0<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

POLYMECHANIKERIN ODER<br />

POLYMECHANIKER EFZ<br />

4 7<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

RESTAURANTFACHFRAU ODER<br />

RESTAURANTFACHMANN EFZ<br />

3 1<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

«Ich habe frei, wenn alle arbeiten, das ist<br />

herrlich!»<br />

Moritz Burkhardt aus Goldswil bei Interlaken wird diesen Sommer seine Lehre als<br />

Restaurantfachmann abschliessen. Er liebt seine Ausbildung. Trotz der unregelmässigen<br />

Arbeitszeiten sieht er auch die Vorzüge dieses Berufs.<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

4 3<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

INFORMATIKERIN ODER<br />

INFORMATIKER EFZ<br />

FACHFRAU ODER FACHMANN<br />

BETRIEBSUNTERHALT EFZ<br />

3 0<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

4 2<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

SEILBAHN-MECHATRONIKERIN ODER<br />

SEILBAHN-MECHATRONIKER EFZ<br />

Was gefällt dir besonders in der neuen<br />

Ausbildung?<br />

Durch die verschiedenen Bahnen, welche<br />

die KWO hat, ist die Vielfalt gross und die<br />

Arbeit sehr abwechslungsreich. Bei gutem<br />

Wetter sind wir oft draussen und müssen<br />

Tragseile putzen, Schrauben kontrollieren,<br />

Stützen schmieren, sowie Seile filmen. Im<br />

Winter erledigen wir Kontrollen und Revisionen.<br />

Auch Elektrotechnik und Mechanik<br />

sind spannende Themen. Ich bin gerne<br />

in der Natur und es ist jedes Mal ein Highlight,<br />

mit der Kabine zu einer Stütze zu fahren.<br />

Besonders abenteuerlich wird es, wenn<br />

wir im Kraftwerk in einem Druckschacht<br />

eine mobile Winde installieren. Das ist richtig<br />

spannend!<br />

Wie findest du das Leben in den Bergen im<br />

Gegensatz zu England?<br />

Das mache ich sehr gerne. Man sieht immer<br />

wieder Neues und kann zwischendurch das<br />

geniale Panorama geniessen. Höhenangst<br />

habe ich keine, was bei diesem Beruf von<br />

Vorteil ist. Beispielsweise wenn man vom<br />

Kabinendach auf eine Stütze klettert.<br />

Du bist mit deinen 25 Jahren im Vergleich zu<br />

anderen Lernenden, die gleich nach der obligatorischen<br />

Schulzeit eine Lehre machen,<br />

eher ein «alter Hase» – wie fühlt sich das an?<br />

Das stört mich nicht besonders. In der Berufsschule<br />

sind noch ein paar andere, die<br />

nicht mehr ganz so jung sind. Ich denke, bei<br />

uns Quereinsteigern ist die Motivation sehr<br />

gross. Ich gehe das Ganze etwas anders<br />

an – im Vergleich zu meinem Studentenleben<br />

bewegen wir uns hier in einer realen<br />

Arbeitswelt, in der andere Erwartungen<br />

bestehen. Das schätze ich sehr.<br />

AUTOMOBIL-MECHATRONIKERIN ODER<br />

AUTOMOBIL-MECHATRONIKER EFZ<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

LOGISTIKERIN ODER<br />

LOGISTIKER EFZ<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

4 1<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

3 1<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

Weitere Informationen<br />

Ansprechperson<br />

4 1<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

KAUFFRAU ODER KAUFMANN EFZ<br />

IN DEN GRIMSELHOTELS<br />

3 1<br />

ANZAHL<br />

LEHRJAHRE<br />

ANZAHL<br />

LERNENDE <strong>2020</strong><br />

www.grimselstrom.ch/jobs<br />

Barbara Tännler, Verantwortliche<br />

Berufsbildung, personal@kwo.ch<br />

ANZAHL LERNENDE: DIE ANGABEN ENTSPRECHEN DEM STAND APRIL <strong>2020</strong>


8<br />

grimselwelt · sternenlauf<br />

grimselwelt · sternenlauf 9<br />

«Sina (links) und ihre Schwester Aina Scherling<br />

sind beide aktive Läuferinnen, deshalb kamen<br />

sie auf die Idee, mit einem eigenen Lauf Geld<br />

zu sammeln für UNICEF.»<br />

Das gute Echo auf den Lauf freut die zwei<br />

Schwestern sehr, denn die gesamte Summe,<br />

die Sina und Aina über die Startgelder und<br />

den Erlös aus der Kaffeestube einnehmen,<br />

spenden sie im Rahmen der Sternenwoche<br />

von Unicef an ein Kinderprojekt in Ruanda.<br />

«Zuerst haben wir Süssigkeiten gebacken<br />

und verkauft, um Geld zu sammeln»,<br />

erzählt Aina. «Irgendwann fragte unsere<br />

Mutter, wieso organisiert ihr nicht einen<br />

Lauf?» Zuerst seien sie skeptisch gewesen,<br />

so erinnern sich beide, ob sie so etwas hinkriegen<br />

würden, aber unterdessen sind sie ein gut eingespieltes<br />

Team. Während der Vorbereitungen herrscht eine leicht angespannte,<br />

aber ruhige Geschäftigkeit. Die zwei Mädchen im Alter<br />

von 15 und 17 Jahren überlassen nichts dem Zufall. Alles, was sie<br />

brauchen für die Wettkämpfe, haben sie selber hergestellt: Die<br />

Startnummern, die Signalisationen, die bunt bemalten Staffelstäbe<br />

für die Teams, der Sieger-Blumenstrauss, die Kuchen für die<br />

Kaffeestube und vieles mehr. Die einzig wirklich grosse Herausforderung<br />

ist die Zeitmessung, die sie mit zwei Tablets vornehmen,<br />

wobei sie bei zunehmender Teilnehmerzahl aufpassen müssen,<br />

keine Verwechslung zu machen. Sina und Aina wissen, was Sportlerinnen<br />

und Sportler schätzen. Beide sind aktive Läuferinnen und<br />

nehmen an zahlreichen Wettkämpfen teil. Was sie unter dem Jahr<br />

gewinnen, sammeln sie als Geschenke und geben es an ihrem eigenen<br />

Lauf an die Teilnehmenden weiter.<br />

Sina und Aina Scherling, zwei Schülerinnen aus<br />

Guttannen, bringen mit ihrer Leidenschaft das halbe<br />

Dorf auf Trab. Einmal im Jahr organisieren sie den<br />

«Göttanner Stärnenloif» und sammeln mit dem<br />

Laufwettkampf Geld für Kinderprojekte von Unicef.<br />

Es ist ein sonniger Samstag im Oktober. Die Bauern von Guttannen<br />

rumpeln mit ihren Traktoren über die Wiesen und<br />

bringen Mist aus, letzte Motorräder schmettern ihre röhrenden<br />

Grüsse durchs Tal. Bald schon wird die Winterruhe im Dorf<br />

am Grimselpass einkehren. Zuerst kommt aber nochmals Spannung<br />

auf: Das halbe Dorf ist am «Göttanner Stärnenloif» auf den<br />

Füssen. Viele helfen mit, schnüren selber die Laufschuhe, stehen<br />

als Fans am Strassenrand oder gönnen sich ein Stück Kuchen in<br />

der Kaffeestube in der Turnhalle. Der von zwei Schülerinnen ins<br />

Leben gerufene Lauf erfreut sich unterdessen<br />

grösster Beliebtheit – gestartet haben<br />

die Schwestern Sina und Aina Scherling<br />

im Jahr 2014 mit 14 Teilnehmenden. Sechs<br />

Jahre später ist ihr grösstes Problem am<br />

frühen Morgen die Anzahl Läuferinnen<br />

und Läufer. «Es ist alles gut», sagt Sina mit<br />

einem breiten Lachen im Gesicht, «wir haben<br />

nur langsam etwas viele Anmeldungen.»<br />

102 sind es schon morgens um 9 Uhr, bis<br />

zum Start am Mittag kommen noch vierzehn<br />

weitere dazu – Teilnehmerrekord.<br />

Bald rennen die jüngsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer über<br />

die Strecke auf einem Feldweg hinter dem Dorf. In ihrem eigenen<br />

Lauf-Trainingsgebiet rund um Guttannen haben Sina und Aina<br />

unterschiedlich lange Etappen für die verschiedenen Kategorien<br />

ausgewählt. Die erwachsenen Läuferinnen und Läufer absolvieren<br />

eine Runde von sieben Kilometern. Sie verläuft ein Stück passaufwärts<br />

und enthält an diesem Tag sogar einen Abschnitt im Windkanal,<br />

denn weiter oben im Tal bläst der Föhn. Der Höhepunkt<br />

ist das Staffelrennen in Teams von je vier Teilnehmenden. Hier<br />

wird der Grundgedanke des Sternenlaufs besonders deutlich:<br />

Kleine und grosse Läuferinnen und Läufer geben alles, um für ihr<br />

Team das Beste herauszuholen. Und sie alle scheinen beflügelt vom<br />

Gedanken, für einen guten Zweck zu laufen. Am Ende des Tages<br />

können Sina und Aina mit strahlenden Gesichtern verkünden,<br />

dass sie insgesamt 1800 Franken für Flüchtlingskinder in Ruanda<br />

spenden werden.<br />

Der nächste «Göttanner<br />

Stärnenloif» findet am<br />

24. Oktober <strong>2020</strong> statt.<br />

Weitere Informationen:<br />

staernenloif.weebly.com/


10 grimselwelt · persönlich<br />

grimselwelt · persönlich 11<br />

andy luchs<br />

schneestürme sind sein element<br />

Ein milder Winter ist nichts für Andy Luchs. Wenn es nicht richtig<br />

schneit, dann ist der junge Landwirt und Zimmermann aus<br />

Gadmen unglücklich. Seit Jahren ist er im Winter mit der Schneefräse<br />

unterwegs, um das Dorf vom Schnee zu befreien. Diesen Job<br />

liebt er so sehr, dass es ihm nichts ausmacht, mitten in der Nacht<br />

aufzustehen. Im Gegenteil: «Ich mag es zu arbeiten, wenn alle<br />

noch schlafen», sagt er. Er erledigt in aller Ruhe seinen Job in der<br />

nächtlichen Bergwelt und freut sich über alles, was er in der Natur<br />

entdeckt. Bei Schneefall wird er um 3.30 Uhr von der Gemeinde<br />

aufgeboten, die Gemeindestrassen von Obermad bis Schaftelen<br />

zu räumen. Damit ermöglicht er den Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

von Gadmen, bis zu ihrem Haus zu- oder wegfahren zu können.<br />

Die Kantonsstrasse wird vom Tiefbauamt des Kantons geräumt.<br />

Nach über 10 Jahren im Dienst weiss Luchs genau, wo auf seiner<br />

Rundtour ein tückischer Schacht lauert oder ein kleines Mäuerchen<br />

steht, bei dem er besonders aufpassen muss, um mit seiner<br />

Schneefräse nicht anzuhängen. Ebenso kennt er die Vorlieben der<br />

Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner. Er achtet darauf, den<br />

Schnee tatsächlich zu entfernen und ihn nicht vor einem Zugang<br />

oder einer Garage aufzuschichten. Fehlgeschaufelte oder -gefräste<br />

Schneehaufen bescheren schnell eine Menge Ärger im Dorf. «Ich<br />

kenne die Menschen hier und arbeite deshalb sogar noch<br />

etwas genauer, als es die Gemeinde eigentlich verlangt», sagt<br />

Luchs und schmunzelt. Zum Spezialservice von Andy Luchs gehört<br />

auch, notfalls ein Auto aus einer Schneeverwehung zu ziehen,<br />

wenn jemand steckengeblieben ist oder sich sonst irgendwie nützlich<br />

einzusetzen.<br />

Schon als kleiner Junge war Luchs von Landmaschinen begeistert.<br />

Zum Glück gab es auf dem Bauernhof seines Vaters das eine oder<br />

andere Modell und auch die Gelegenheit, sie auszuprobieren. Unterdessen<br />

hat er zusammen mit seinem Bruder und dem Vater eine<br />

Betriebsgemeinschaft für den Hof gegründet. «Als ich sah, dass<br />

mein jüngerer Bruder eine landwirtschaftliche Ausbildung macht,<br />

wusste ich, auch ihm ist es ernst», erinnert sich Luchs. So war es<br />

für ihn in Ordnung, in die Landwirtschaft einzusteigen. In der<br />

Betriebsgemeinschaft ist er nicht so stark angebunden, wie wenn<br />

er den Hof alleine führen würde. Das möchte er schon nur seiner<br />

Frau und seinen drei Kindern zuliebe nicht. Die Affinität für die<br />

Technik ist wichtig für den Nebenjob in Schnee und Dunkelheit.<br />

Luchs kennt seinen «Reform Mounty» in- und auswendig. Es ist<br />

eine Mischung zwischen Zweiachs-Mäher und Traktor, an dem<br />

vorne eine Schneefräse angebracht ist. Sollte<br />

etwas nicht funktionieren, hat er selber<br />

Ersatzteile auf Lager und einen Mechaniker<br />

zur Seite, der ihm das Fahrzeug nicht<br />

nur gut wartet, sondern notfalls auch morgens<br />

um 4 Uhr das Telefon abnimmt, falls<br />

ein technisches Problem auftaucht. Normalerweise<br />

geht aber alles gut und Luchs<br />

ist je nach Schneemenge zwischen 9 und 11<br />

Uhr mit dem Schneeräumen fertig. Dann<br />

fährt er nach Nessental in den Holzbaubetrieb,<br />

wo er seinen Arbeitstag als Zimmermann<br />

beginnt.<br />

www.alpkaeserei-steingletscher.com<br />

tamara brog<br />

das hotel am pass – ein familienabenteuer<br />

brigitte leuthold<br />

sie hat die bergwelt im blut<br />

Der Wind reisst an den Fahnen, über dem<br />

See tanzt das Sonnenlicht und zaubert ein<br />

blau-silbernes Farbspiel auf die Wasseroberfläche.<br />

«Als ich zum ersten Mal hier<br />

oben stand, in diesem Haus direkt am See»,<br />

erzählt Tamara Brog, «war ich sprachlos.»<br />

In der Tat ist man auf der Grimselpasshöhe<br />

mit Bergspitzen und See auf Augenhöhe.<br />

Das vermittelt eine beschwingte Leichtigkeit. Gegen die Kraft der<br />

Bergwelt ist fast niemand immun, das bestätigen jedenfalls die<br />

Gäste im Hotel Grimsel Passhöhe. Und auch Tamara Brog konnte<br />

dieser Faszination als frisch diplomierte Abgängerin der Hotelfachschule<br />

Thun nicht widerstehen. Ihre Familie hatte das lange<br />

leerstehende Hotel auf der Passhöhe erworben und sie stieg ins<br />

Abenteuer ein. Mit der Unterstützung ihrer Mutter stemmt sie<br />

heute den Betrieb am Pass als Geschäftsführerin, weitere Familienmitglieder<br />

helfen tatkräftig mit, wenn es<br />

nötig ist. Die Sommersaison ist geprägt vom<br />

Rummel am Pass, im Winter hingegen<br />

kehrt Ruhe ein und die Gäste geniessen ein<br />

exklusives Angebot weit ab von aller Hektik.<br />

«Die Gastronomie ist ein hartes Business»,<br />

sagt Tamara Brog, «aber unglaublich<br />

schön.» So kämpft auch sie mit den in<br />

der Branche verbreiteten Personalproblemen<br />

und den langen Präsenzzeiten. Wenn<br />

sie am frühen Morgen einen Kaffee auf der<br />

Terrasse mit dem überwältigenden Panorama<br />

trinkt oder abends einen Blick auf den<br />

Sternenhimmel wirft, entschädigt sie das<br />

für Vieles. Das Beste seien aber die begeisterten<br />

Rückmeldungen der Gäste. «Das<br />

gibt enorme Kraft», findet Tamara Brog.<br />

www.hotel-grimselpass.ch<br />

Brigitte Leutholds Begeisterung ist ansteckend. Wenn sie von den<br />

Wanderungen im Grimsel- und Sustengebiet erzählt oder Biketouren<br />

sowie anderen Abenteuern, dann scheint es völlig unsinnig,<br />

Zeit im Büro zu verbringen – ab nach draussen! Das ist<br />

Leutholds Botschaft als Leiterin des Tourist Centers in Innertkirchen<br />

und es ist auch ihr persönliches Credo. «Besser, man weiss<br />

wovon man redet, wenn man die Begeisterung weitergeben möchte»,<br />

meint sie. Weil sie selber praktisch jede freie Minute in der<br />

Natur unterwegs ist, kann sie den Gästen<br />

viele gute Tipps geben. Leuthold liebt den<br />

Kontakt mit den Menschen. «Alle möglichen<br />

Personen kommen bei uns im Grimseltor<br />

vorbei», sagt sie und fügt an: «Sie<br />

fragen uns alles mögliche.» Hin und wieder<br />

komme sie sich vor wie die Troubleshooterin<br />

der Region, denn die Telefonnummer<br />

des Tourist Centers finde man immer.<br />

Leuthold, die auf einem Bauernhof in Guttannen<br />

gross geworden ist, absolvierte zuerst<br />

eine Kochlehre, danach die Handelsschule,<br />

bevor sie in verschiedenen Tourist-<br />

Büros zu arbeiten begann. Sie ist Feuer<br />

und Flamme für ihre Tätigkeit – es sei der<br />

schönste Job der Welt. Und das Pünktchen<br />

auf dem «i» ist für Brigitte Leuthold, dass<br />

sie seit vielen Jahren jeden Winter in St.<br />

Moritz als Skilehrerin arbeiten kann. In<br />

der ohnehin ruhigeren Wintersaison erledigt<br />

sie per Computer Arbeiten im Backoffice<br />

und unterrichtet nebenbei im Schnee.<br />

«Die Gegensätze sind riesig, aber genau<br />

diese Kombination ist genial», sagt sie.<br />

www.grimseltor.ch


14<br />

grimselwelt · im gespräch<br />

grimselwelt · im gespräch 13<br />

VOM<br />

GLETSCHER<br />

ZUM<br />

STROM<br />

Greifen Ihre Massnahmen nicht, dann sitzt die Schweiz im Dunkeln.<br />

Schätzen Sie eine Strommangellage auch als grosses Risiko ein?<br />

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz stuft eine ausgedehnte<br />

Strommangellage als das grösste Risiko ein, dem die Schweiz derzeit<br />

ausgesetzt ist. Das ist wohl eine realistische Einschätzung.<br />

Aus meiner Sicht denke ich, dass es in den nächsten zehn Jahren<br />

durchaus kritisch werden könnte und wir tatsächlich irgendwann<br />

an einem Punkt stehen, wo wir als Netzbetreiber nicht mehr dagegen<br />

halten können.<br />

AUF EINER ABENTEUERLICHEN<br />

TOUR VOM WASSERSCHLOSS<br />

ZUM KRAFTWERK<br />

Links und rechts grün und grau schimmerndes<br />

Granitgestein – vom Gletscher rund geschliffen,<br />

ganz oben schroff und kantig. Dazwischen kristallklare<br />

Bergseelein, Moorlandschaften, pfeifende<br />

Murmeltiere. Ganz hinten die Gletscherzunge,<br />

ein milchfarbener Stausee mit seiner<br />

imposanten Talsperre: Im Oberaargebiet geben<br />

sich Natur und Technik die Hand. Auf einer Tour<br />

vom Wasserschloss Kessiturm zur Staumauer<br />

Oberaar bis zum Kraftwerk Grimsel 2 erhalten<br />

Sie Einblick in die Faszination der Wasserkraft.<br />

Und unterwegs – im Spitallamm-Bistro beim<br />

Grimsel Hospiz – steht zur Stärkung ein währschaftes<br />

Kraftwerks-Zmittag bereit.<br />

Programm 9.30 – 16.30 Uhr Treffpunkt beim<br />

Hauptgebäude KWO in Innertkirchen, Besichtigung<br />

Wasserschloss Kessiturm, Spaziergang<br />

über die Staumauer Oberaar, Mittagessen Kraftwerksmenü<br />

im Spitallamm-Bistro, Besichtigung<br />

Kraftwerk Grimsel 2 und Kristallkluft Transport<br />

ab Innertkirchen mit KWO-Shuttle Personenzahl<br />

Gruppen ab 10 bis max. 15 Personen Daten<br />

27. Juni bis 27. September <strong>2020</strong>, Dienstag bis<br />

Sonntag Dauer 7 h Preis Erwachsene CHF 98.-,<br />

Kinder 6 - 16 Jahre CHF 66.- inkl. Mittagessen und<br />

Transport Sprache Deutsch Wichtige Hinweise<br />

Unsere Anlagen sind nicht kinderwagentauglich.<br />

Das Mindestalter<br />

beträgt 10 Jahre.<br />

Zutritt für Tiere ist nicht erlaubt.<br />

Annette Marti: Herr Spicker, Sie gehören<br />

als strategischer Berater der Swissgrid sozusagen<br />

zu den «Troubleshootern» im<br />

Schweizer Stromnetz. Was sind die aktuellen<br />

Herausforderungen?<br />

Jörg Spicker: Ein Stromnetz verhält sich<br />

nach physikalischen Gesetzen und muss in<br />

jeder Sekunde im Gleichgewicht sein, das<br />

heisst, Frequenz und Spannung müssen<br />

stabil sein. Als Netzbetreiber sind wir verpflichtet,<br />

den Händlern und den Erzeugern<br />

ein Stromnetz mit entsprechenden Transportkapazitäten<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Doch die Engpässe nehmen zu. Sie können<br />

sich das vorstellen wie bei einem Stau auf<br />

einer Autobahn. Dann sind wir gezwungen<br />

einzugreifen, um das Netz zu stabilisieren.<br />

Zuviel oder zuwenig Strom, beides stellt<br />

im Stromnetz ein Probelm dar – was sind<br />

die genauen Gründe für die Engpässe?<br />

Es sind zwei Dinge passiert in den letzten<br />

Jahren: Zum einen hat die Einspeisung erneuerbarer<br />

Energien zugenommen. Sie unterliegt<br />

aber Schwankungen und beeinflusst<br />

so die Netzstabilität. Zum anderen wird viel<br />

Energie über die Grenzen der Schweiz hinweg<br />

gehandelt. Die Schweiz ist von der sogenannten<br />

Marktkopplung in Europa ausgeschlossen<br />

und so sind wir mit zahlreichen<br />

ungeplanten Energieflüssen in unserem Netz<br />

konfrontiert. Tatsächlich haben die Massnahmen,<br />

die wir ergreifen müssen, in den<br />

letzten 6 Jahren zeitweise um den Faktor<br />

8-10 zugenommen. Wir werden häufiger<br />

aktiv. Auch die Leistung, die wir zur Stabilisierung<br />

aufbringen müssen, wird grösser.<br />

Die Wasserkraft spielt in den Stabilisierungsmassnahmen eine<br />

wichtige Rolle. Treten akute Probleme im Stromnetz auf, klingelt<br />

nicht selten in der Zentrale der KWO das Telefon.<br />

In der Tat bieten Wasserkraftwerke eine gute Möglichkeit, das<br />

Netz zu stabilisieren. Bei einem sogenannten «Redispatch» wird<br />

die KWO zum Beispiel angewiesen, sofort zusätzliche Energie zu<br />

produzieren, indem sie Wasser aus den Stauseen einsetzt, oder im<br />

umgekehrten Fall Energie zu vernichten, indem gepumpt wird und<br />

damit überschüssiger Strom aus dem Netz verwertet wird. Die<br />

Wasserkraftwerke weisen eine hohe Flexibilität auf und ihre Speicherfunktion<br />

ist sehr wichtig, um die Fluktuationen auszugleichen.<br />

Sie sind so etwas wie die «Batterien der Alpen». Die KWO<br />

trifft es aufgrund ihrer geografischen zentralen Lage relativ häufig,<br />

in solchen Fällen einzuspringen.<br />

Welche Möglichkeiten bieten sich sonst, das Netz im Gleichgewicht<br />

zu halten?<br />

Es wären andere Speicher denkbar, etwa grossräumige Batterien,<br />

aber die sind noch nicht genügend weit entwickelt. Zudem modernisiert<br />

Swissgrid das Leitungsnetz, dazu haben wir verschiedene<br />

Ausbauvorhaben vorgezogen. Das braucht aber viel Zeit, wegen<br />

der Bewilligungsverfahren und Einsprachen, die oft erst vor<br />

Bundesgericht enden. Auch der Einsatz von flexiblen Gaskraftwerken<br />

oder Gasturbinen wäre denkbar. Man kann nicht so tun,<br />

als hätten wir unbegrenzte Netzkapazitäten.<br />

ZUR PERSON<br />

Jörg Spicker ist Astrophysiker und landete<br />

«durch Zufall» – wie er selber sagt – in der<br />

Energiebranche. Er war in verschiedenen<br />

Funktionen in Deutschland und in der USA<br />

tätig und lernte dabei alle Elemente der<br />

Wertschöpfungskette im Energiebereich<br />

kennen: Erzeugung, Handel und Vertrieb.<br />

Spicker war mehrere Jahre Geschäftsleitungsmitglied<br />

der Swissgrid, bis er vor zwei<br />

Jahren entschied, sein übergrosses Pensum<br />

auf ein grosses Pensum zu verkleinern.<br />

Heute ist er als Senior Strategic Advisor für<br />

die Swissgrid tätig. Er beschäftigt sich vor<br />

allem mit den Beziehungen zwischen der<br />

Schweiz und der EU aus der Sicht der Netzbetreiber.<br />

Ende 2019 wurde das Kernkraftwerk Mühleberg vom Netz genommen.<br />

Erhöht dies das Risiko, dass ein<br />

Blackout in der Schweiz schneller auftreten<br />

könnte?<br />

Mit dem Ende des Kernkraftwerks Mühleberg<br />

sind rund 370 Megawatt Energieproduktion<br />

weggefallen. Deswegen müssen<br />

wir die eigene Produktion entweder<br />

steigern oder Strom importieren. Die Veränderung<br />

bringt uns aber nicht gleich in<br />

die Nähe eines Blackouts. Wir hatten Anfang<br />

Winter eine Rekordfüllmenge in den<br />

Stauseen, das war eine gute Ausgangslage.<br />

Was mir eher Sorge bereitet, ist die Untätigkeit<br />

der Politik. Ich habe in meiner<br />

Funktion häufig mit Politikerinnen und<br />

Politikern zu tun, und was ich höre, erweckt<br />

den Eindruck, als würden alle denken,<br />

«die Swissgrid regelt das Problem<br />

dann schon.»<br />

Tut sie das nicht?<br />

Sehen Sie, das kontinentaleuropäische<br />

Stromsystem ist das grösste zusammenhängende<br />

Netz der Welt. Wir sind eng vermascht<br />

von Schweden bis in die Türkei,<br />

von Portugal bis nach Polen. Das Problem<br />

ist nun, dass wir aus dem europäischen<br />

Markt in vielerlei Hinsicht ausgeschlossen<br />

sind. Die grenzüberschreitenden Transaktionen<br />

sind in der EU erhöht worden, das<br />

heisst, es wird zusätzliche Energie gehandelt<br />

und die Schweiz ist von diesem Verfahren<br />

ausgeschlossen, weil das Stromabkommen<br />

nicht steht. Ein Teil des gehandelten<br />

Stroms fliesst im Transit ungewollt durch<br />

unser Netz und belastet es, ohne dass wir<br />

davon wissen. Wie oben erwähnt, folgt der<br />

Strom universellen physikalischen Gesetzen<br />

und nicht politischen Ideen. Die Strommärkte der EU und der<br />

Schweiz driften immer weiter auseinander, das ist ein Problem.<br />

Wir müssen uns bewusst sein, das wird so weitergehen, denn der<br />

Binnenmarkt ist der grösste Erfolgsfaktor für die EU.<br />

Wie erklären Sie sich die Untätigkeit der Politik?<br />

Das ist schwer zu verstehen, vielleicht ist die Bedrohung Blackout<br />

einfach zu abstrakt, um sie sich wirklich vorstellen zu können oder<br />

sie ist zu weit weg. Dabei scheint es mir wirklich wichtig, dass die<br />

Politiker das Heft in die Hand nehmen. Die Umsetzung der Energiestrategie<br />

2050 ist schwierig. Es gilt gewisse Fakten zu behandeln,<br />

zum Beispiel die Frage der zunehmenden Importabhängigkeit<br />

der Schweiz. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die<br />

Exportwilligkeit von Nachbarländern wie Deutschland oder<br />

Frankreich unbeschränkt vorhanden ist.<br />

Und in dieser Umsetzung der Energiestrategie kann die Wasserkraft<br />

als Speichermedium eine wichtige Rolle spielen…<br />

Auf jeden Fall! Die Speicherfunktion der Wasserkraft ist wichtig,<br />

wir müssen diesen Ausgleich haben, nur alleine mit erneuerbarer<br />

Energie aus Sonne und Wind geht es nicht. Hinsichtlich der Wasserkraft<br />

sehe ich eine zentrale Rolle, die die Schweiz in Europa<br />

einnehmen kann. Wenn die EU ihren «green deal» umsetzen und<br />

ihre klimaneutralen Ziele erreichen will, dann geht das nicht ohne<br />

die Schweiz mit ihrer flexiblen, CO2-freien Stromproduktion. Das<br />

könnte ein strategisches Ziel sein, ja, eine grosse Chance.<br />

Interview: Annette Marti, Fotos: David Birri<br />

Jörg Spicker ist strategischer Berater<br />

der Swissgrid und hat in dieser<br />

Funktion alle Hände voll zu tun,<br />

um das Schweizer Stromnetz im<br />

Gleichgewicht zu halten. In der<br />

aktuellen politischen Lage wird<br />

diese Aufgabe immer<br />

schwieriger.


16 grimselwelt · aussicht<br />

grimselwelt · impressionen 15<br />

René Berndts Aufnahme «Brücke zwischen<br />

zwei Welten» ist im Rahmen eines<br />

Projektes des Fotoclubs Haslital entstanden.<br />

Verschiedene Teilnehmende befassten<br />

sich mit dem Thema Natur und Technik in der<br />

<strong>Grimselwelt</strong>. Hobbyfotograf René Berndt ist<br />

dieses Thema wie auf den Leib geschnitten: Als<br />

gelernter Flugzeugmechaniker arbeitet er als<br />

Qualitätsmanager bei den Pilatus Flugzeugwerken<br />

in Stans. «Früher galt meine Leidenschaft<br />

der Restauration von Flugzeugoldtimern», erklärt<br />

Berndt. Seit ein paar Jahren fasziniert ihn<br />

aber auch das Fotografieren, insbesondere die<br />

Landschaftsfotografie. Das Foto der Reichenbachfallbahn<br />

auf der alten Brücke zeigt die Ästhetik<br />

der alten Brückenkonstruktion, eingebettet<br />

in einer urchigen Landschaft. Zusätzliche<br />

Spannung ergibt sich durch die spezielle Lichtstimmung.<br />

«Das Foto ist an einem Sonntagnachmittag<br />

auf einem Ausflug mit meiner Familie<br />

entstanden», sagt Berndt. Der 37-Jährige<br />

lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern<br />

in Meiringen.<br />

fotoclubhaslital.ch


grimselwelt · bauprojekt trift 17<br />

TRIFT –<br />

PUZZLETEIL DER<br />

ENERGIEWENDE<br />

Eines der wichtigsten Ausbauvorhaben für die nächsten<br />

Jahre liegt für die KWO im Triftgebiet. Es ermöglicht<br />

nicht nur Perspektiven für die Zukunft der Unternehmung,<br />

sondern trägt eine besondere Bedeutung für<br />

die Umsetzung der Energiestrategie 2050.<br />

Neubau Speichersee und<br />

Kraftwerk Trift<br />

Das Wassereinzugsgebiet der KWO umfasst 450 Quadratkilometer<br />

– das entspricht einem Prozent der Fläche der<br />

Schweiz. Jährlich fallen hier 980 Millionen Kubikmeter Wasser<br />

an. Von diesen Wasserzuflüssen kann die KWO heute nur<br />

gerade rund einen Viertel in ihren Seen speichern. Mit 94<br />

Millionen Kubikmetern Wasser ist der Grimselsee der grösste<br />

Speicher.<br />

Fakten zum Projekt<br />

Speichervolumen Triftsee 85 Millionen Kubikmeter/215<br />

Gigawattstunden, Mauerhöhe 170 Meter, Bauzeit 8 Jahre,<br />

Investitionen 387 Millionen Franken<br />

Ausführliche Informationen zum Ausbauvorhaben<br />

finden sie auf unserer<br />

Webseite unter www.grimselstrom.ch/<br />

ausbauvorhaben/zukunft/<br />

kraftwerk-trift/<br />

Wie ist die Energiewende<br />

in der Schweiz zu schaffen?<br />

Diese Frage schiebt<br />

sich stets von neuem in den<br />

Fokus der öffentlichen Diskussion.<br />

Energieproduzenten<br />

und Netzbetreiber sind<br />

derzeit stark gefordert.<br />

Auch die Politik dürfte<br />

dieses Thema noch ein<br />

Weile in Atem halten (siehe<br />

dazu auch Interview mit<br />

Jörg Spicker, Senior Strategic Advisor<br />

Swissgrid, Seite 12/13). Für die Konsumentinnen<br />

und Konsumenten würde es ungemütlich,<br />

käme es aufgrund einer Panne im<br />

Stromnetz zu einem längeren Ausfall. Die<br />

Umsetzung der Energiestrategie von Bund<br />

und Kanton ist ein wichtiger Faktor im geplanten<br />

Ausbauprojekt der KWO im Triftgebiet.<br />

Zwar fügt sich das Projekt eines<br />

neuen Stausees gut in das bestehende Wasserkraftsystem<br />

der KWO ein und eröffnet<br />

damit neue Perspektiven für die Unternehmung.<br />

Für Daniel Fischlin, CEO der KWO,<br />

beinhaltet das Vorhaben aber darüber hinaus<br />

eine wichtige Funktion für die Netzstabilität<br />

und die Sicherheit der Stromversorgung.<br />

Das heisst, es ist eine zusätzliche<br />

«Versicherung» für den Winter.<br />

«Der neue Speichersee in der Trift würde<br />

uns erlauben, mehr Wasser zu speichern<br />

und dann Energie zu produzieren, wenn<br />

der Bedarf am grössten ist – nämlich im<br />

Winter», erklärt Fischlin. Tatsächlich gebe<br />

es im Winter je länger je mehr Lücken zwischen<br />

Angebot und Nachfrage und diese<br />

Strommangellage könne zu kritischen Situationen<br />

führen. Die erhöhte Verletzlichkeit<br />

des Systems begründet sich in der Liberalisierung<br />

des Strommarkts wie auch<br />

im vermehrten Einspeisen erneuerbarer<br />

Energien. Scheint die Sonne nicht oder<br />

fehlt der Wind, kann es zu ungeplanten Ereignissen<br />

im Stromnetz kommen, die wiederum<br />

gezielte Massnahmen bedingen,<br />

um das Netz zu stützen. «Da wir bis heute<br />

keine guten Speicher-Alternativen haben,<br />

sind Stauseen ein sehr wichtiges Puzzleteil<br />

im Gefüge der Energiewende», sagt Fischlin.<br />

Mit einem neuen Speichersee könnte<br />

die KWO ihr Speichervolumen des gesamten<br />

Systems von heute 195 Millionen auf<br />

280 Millionen Kubikmeter steigern. Damit<br />

wären auch die Reserven für Notmassnahmen<br />

grösser, beziehungsweise könnte die<br />

KWO noch öfter einspringen, um das Netz<br />

zu stabilisieren. Zukünftig, so ist Fischlin<br />

überzeugt, bestehe im Sommer eine deutlich<br />

geringere Nachfrage an Energie aus<br />

den Speicherkraftwerken, da dann viel Solarstrom<br />

produziert wird.<br />

Die Perspektive, den Talkessel im Triftgebiet<br />

für einen neuen Stausee zu nutzen,<br />

hat sich erst mit dem rasanten Wandel der<br />

Landschaft ergeben. Der Triftgletscher hat<br />

sich in den letzten Jahren stark zurückgezogen,<br />

geblieben ist ein Geländebecken mit<br />

einem See. An der engsten Stelle beim Abfluss,<br />

ungefähr dort, wo die Trift Hängebrücke<br />

verläuft, würde eine neue Staumauer<br />

gebaut. Dahinter ergibt sich ein<br />

Stauvolumen für den neuen Speichersee<br />

von ungefähr 85 Millionen Kubikmeter.<br />

Umgerechnet auf den Betrieb des neuen<br />

Kraftwerkes Trift würde dies bedeuten,<br />

pro Jahr ungefähr 145 Gigawattstunden<br />

Energie produzieren zu können. Bereits<br />

heute nutzt die KWO Wasser aus dem Gadmental<br />

für die Stromproduktion. Da aber<br />

keine Speichermöglichkeit besteht, fliesst<br />

das Wasser vor allem in den Sommermonaten<br />

ab. Genau dann, wenn bereits viel<br />

Energie im Netz vorhanden ist.<br />

Die KWO pflegt seit Jahren einen offenen<br />

Dialog mit Naturschutzkreisen und<br />

hat die Umweltorganisationen in den Planungsprozess<br />

miteinbezogen. Bevor im<br />

September 2017 das Konzessionsgesuch<br />

bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion<br />

des Kantons Bern eingereicht worden<br />

ist, haben sich alle Beteiligten inklusive<br />

Naturschutzverbände auf einen Konsens<br />

geeinigt. Dies unter anderem, weil im Konzessionsgesuch<br />

zahlreiche Ersatz- und<br />

Ausgleichsmassnahmen für Eingriffe in<br />

Natur und Landschaft vorgesehen sind.<br />

Auch wenn in den letzten Monaten einzelne<br />

kritische Stimmen laut wurden, ist für<br />

Daniel Fischlin diese breite Abstützung ein<br />

positives Signal. «Ich hoffe sehr darauf»,<br />

sagt er, «dass in den künftigen Diskussionen<br />

Solar- und Windenergie nicht gegen<br />

die Wasserkraft ausgespielt werden. Denn<br />

nur mit beiden Quellen sind in meinen Augen<br />

die Herausforderungen der Zukunft<br />

zu stemmen.»


18 grimselwelt18<br />

· dakota<br />

grimselwelt · spitallamm baustelle 19<br />

Teddy Zumstein, Bergführer und<br />

Hüttenwart in der Gaulihütte, führt<br />

Gäste zu den Wrackteilen des<br />

amerikanischen Flugzeugs, das<br />

1946 auf dem Gauligletscher abgestürzt<br />

ist – eine spektakuläre Wanderung<br />

auf den Spuren einer abenteuerlichen<br />

Geschichte.<br />

Dakota-Touren<br />

Wer das Dakota-Wrack besichtigen möchte,<br />

steigt am Samstag selbständig von Innertkirchen<br />

durch das Urbachtal in die Gaulihütte<br />

auf. Jeweils am Sonntag im Juli und August<br />

führt Teddy Zumstein Gäste über die Gletscherzunge<br />

zur Fundstelle. Da Auf- und<br />

Abstieg zur Hütte lang sind, ist es angenehm,<br />

nach der Dakota-Tour eine weitere Nacht in<br />

der Hütte zu schlafen und erst dann abzusteigen.<br />

Die Tour braucht Ausdauer, setzt aber<br />

keine Bergerfahrung voraus.<br />

Weitere Informationen und Reservation:<br />

www.gaulihuette.ch; www.hasliguides.ch<br />

Der Gletscher hat etwas Geheimnisvolles an sich, wie er weit<br />

ausgebreitet zwischen den buckligen Granitfelsen liegt.<br />

Die Oberfläche schimmert an manchen Stellen gräulich,<br />

kleinste Steinpartikel und Sand zeichnen ihre eigenen Muster ins<br />

Weiss. In den Gletscherspalten leuchtet das Eis in allen Nuancen<br />

von Hellblau und verliert sich in der Tiefe im Dunkeln. Die Steigeisen<br />

knirschen leicht beim Gehen. Teddy Zumstein vorne am<br />

Seil deutet hangabwärts zum See unterhalb des Gletschers. Er<br />

kennt das Gauligebiet gut. Vor 25 Jahren sei er als Jugendlicher<br />

erstmals hierher gekommen, da habe es noch keinen See gegeben,<br />

sagt er. Später arbeitete Teddy als Gehilfe in der Gaulihütte, heute<br />

führt er die Hütte zusammen mit seiner Partnerin Fränzi Vontobel.<br />

Die Veränderungen geben ihm als Bergführer zu denken,<br />

das Eis zieht sich beinahe täglich weiter zurück. Die Gletscherschmelze<br />

hat der Region aber eine neue Attraktion geschenkt.<br />

2012 fanden drei junge Bergsteiger einen Propeller des amerikanischen<br />

Flugzeuges vom Typ Dakota, das im November 1946 auf<br />

dem Gauligletscher abgestürzt ist. Seither sind immer neue<br />

Wrackteile aufgetaucht, obschon die Schweizer Armee mehrfach<br />

kommunizierte, alles aufgeräumt zu haben, bringt der Gletscher<br />

jährlich neue Fundstücke an die Oberfläche.<br />

Teddy unternimmt jeweils an den Wochenenden mit Gästen Touren<br />

von der Hütte zur Fundstelle. Auch diese Position verändert<br />

sich laufend. Abgestürzt ist die Dakota, die von München nach<br />

Marseille unterwegs war, auf rund 3350 m ü. M. Seither hat der<br />

Gletscher die Wrackteile viele hundert Meter talwärts getragen.<br />

An Bord der Maschine befanden sich hohe Vertreter der amerikanischen<br />

Besatzungstruppen, Generalsgattinnen und ein elfjähriges<br />

Mädchen. Zunächst konnte niemand das Flugzeug orten und<br />

die Zuständigkeiten waren so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

unklar. Erst am dritten Tag nach dem Absturz wurde das Wrack<br />

erstmals gesichtet, alle zwölf Insassen hatten überlebt, waren aber<br />

teilweise verletzt. Nun setzte sich eine beispiellose Rettungsaktion<br />

in Gang. Bei Schnee, Kälte und Sturm brauchten die Retter lange,<br />

um zum Flugzeug vorzudringen. Das Drama hatte das Interesse<br />

Text: Annette Marti, Fotos: David Birri<br />

der Weltöffentlichkeit auf sich gezogen. Als es dann zwei Piloten<br />

vom Militärflugplatz Unterbach glückte, erstmals überhaupt mit<br />

einem Flugzeug auf dem Gletscher zu landen, um die Passagiere<br />

zu bergen, war die Sensation perfekt.<br />

«Processed American Cheese» steht auf einem zerbeulten Deckel<br />

einer Metalldose, die auf dem Eis liegt. Ein paar Schritte weiter<br />

türmen sich alle möglichen Blechteile auf, grosse und kleine, zerknüllte<br />

und angeschwärzte, ein Rad mit Gummi, Stücke von Teppichen<br />

oder Polstern, ein Teil hat die Form eines Pedals, ein anderes<br />

muss zu einer Hydraulik gehören – das Ganze sieht aus wie<br />

das Rückgrat eines verendeten Wals. Obschon mehr als 70 Jahre<br />

vergangen sind, ist die Dramatik jener Tage im November 1946<br />

für einen Augenblick sehr nahe. Wie muss es für diese Menschen<br />

gewesen sein, verletzt und frierend in der Kälte auszuharren?<br />

Ohne zu wissen, ob man sie je finden würde? Auch für die Retter<br />

dürfte es äusserst anstrengend gewesen sein, überhaupt bis zu den<br />

Verletzten vorzudringen. Die Nähe zu diesem Schauplatz hat etwas<br />

Beklemmendes, lässt aber auch Raum für geheimnisvolle und<br />

lustige Anekdoten. So erzählt Teddy beispielsweise, im Hasli seien<br />

in einigen Haushalten auch Jahre nach dem Absturz plötzlich Gegenstände<br />

aufgetaucht, bei denen niemand so genau wusste, woher<br />

sie stammten. Da und dort hatte ein Retter ein Souvenir mitlaufen<br />

lassen, schliesslich fallen auch hier nicht alle Tage<br />

Generalsgattinnen vom Himmel. Und dank dem Happy-End der<br />

effektiven Ereignisse ist es nicht verwunderlich, bietet die Sache<br />

Stoff für alle möglichen Gerüchte, Berichte, Bücher und Filme und<br />

definitiv auch für unvergessliche Wanderungen.


20<br />

grimselwelt · hinter den kulissen<br />

grimselwelt · altjahrswoche 21<br />

Text: Annette Marti, Fotos: David Birri<br />

Die Altjahrswoche im Oberhasli ist Wissenschaft und<br />

Mysterium zugleich. Es gibt unzählige Details und<br />

Geschichten zu diesem Brauch, der für Aussenstehende<br />

so gut wie nicht zu verstehen ist. In den Dörfern erlebt<br />

die Tradition jedoch einen Höhenflug.<br />

Jahr für Jahr, in den langen Nächten<br />

zwischen Weihnachten und Neujahr,<br />

ziehen die Trychelzüge durch die Dörfer<br />

im Oberhasli. Mit lauten Schellen,<br />

Glocken und Trommeln werden die bösen<br />

Geister vertrieben. Der Brauch reicht weit<br />

zurück und erlebte Höhen und Tiefen.<br />

Derzeit scheint die Teilnahme schon fast<br />

ein Muss zu sein: Die beiden Trychelmajore<br />

der Dörfer Gadmen und Guttannen,<br />

mit je einer Einwohnerzahl um die 250<br />

Personen, zählten an ihrem Spitzenabend<br />

70 beziehungsweise 90 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer im Trychelzug. «In der<br />

Altjahrswoche kommen alle zurück, die<br />

irgendeinen Bezug zu Gadmen haben»,<br />

sagt Remo von Weissenfluh. Das Trycheln<br />

sei einfach ein Highlight. Er freue sich besonders,<br />

sagt der 30-jährige Gadmer<br />

Trychelmajor, dass auch die jüngere Generation<br />

wieder eifrig mithilft. «Es könnte<br />

sein, dass auch deswegen die Älteren wieder<br />

fleissiger mitmachen», freut sich von<br />

Weissenfluh. Reto Schläppi, Trychelmajor<br />

des Trychelzugs Guttannen, macht ähnliche<br />

Beobachtungen. «Der Brauch lebt»,<br />

sagt er, «es ist weder Show noch reine Unterhaltung<br />

für die Zuschauer, man schätzt<br />

besonders das Zusammenkommen.»<br />

Die Besonderheiten der Altjahrswoche,<br />

die jeweils am 25. Dezember um Mitternacht<br />

beginnt und bis zum Ubersitz (letzter<br />

Arbeitstag im Jahr) dauert, sind gross. In<br />

jedem Dorf oder in jedem Zug gibt es Eigenheiten:<br />

so schreiten die einen anders als<br />

die anderen, die einen trycheln schnell, andere<br />

langsam, einige tragen Trycheln, andere<br />

Glocken, es gibt Züge mit und ohne<br />

Trommeln, an manchen Abenden ist man<br />

verkleidet unterwegs, an anderen nicht. Eines<br />

haben aber alle Trychlerinnen und<br />

Trychler gemeinsam: die Pflege des Zusammenhalts.<br />

Man ist gemeinsam unterwegs,<br />

sitzt beieinander, tauscht sich aus,<br />

geschlafen wird kaum. An einem Abend<br />

besuchen die Züge meistens auch Meiringen,<br />

um dort zu trycheln, wobei wieder eigene<br />

Regeln bestehen, wer wann nach Meiringen<br />

fährt und wie sich die Züge dort<br />

treffen. Höhepunkt ist für alle der Ubersitz.<br />

Auch hier feiern die Dörfer nach ihrem ganz spezifischen<br />

Brauchtum. Am 31. Dezember jedoch, wenn der Rest der Schweiz<br />

das Jahr ausklingen lässt und den Start ins Neue feiert, liegen die<br />

meisten Haslerinnen und Hasler im Bett, schlafen und erholen<br />

sich von der Altjahrswoche.<br />

Für Aussenstehende ist es faszinierend, dem Treiben zuzusehen.<br />

Die Kraft der geheimnisvollen Klänge in der dunkeln Nacht lässt<br />

kaum jemanden unberührt. Das ganze Ausmass der Geschichte<br />

bleibt zu einem gewissen Grad aber den Einheimischen vorbehalten.<br />

Viele von ihnen haben den Klang der Trycheln schon in den<br />

Ohren, bevor sie geboren werden. Für manche bietet das Trycheln<br />

denn auch eine besondere Art von Stillwerden oder gar Meditation,<br />

auf den langen Märschen durch die Nacht bleibt<br />

Zeit für viele Gedanken. «Meine ersten Trychelklänge vernahm<br />

ich im Bauch meiner Mutter», erzählt etwa Reto Schläppi. Als er<br />

im Januar auf die Welt kam, gab es eine kleine Pause – sobald der<br />

Junge selber laufen konnte, war er mit einer<br />

eigenen Glocke wieder mit dabei. Seither hat<br />

er keinen Ubersitz verpasst. «Undenkbar»,<br />

sagt er dazu. «Das gemeinschaftliche Erlebnis<br />

ist einfach gewaltig», fügt er an, «ein<br />

ganzes Dorf ist im Einklang.» Auch Remo<br />

von Weissenfluh hat nie gefehlt und sehnt<br />

sich jedes Jahr nach jenem Kribbeln, das<br />

sich in der Magengrube ausbreitet, wenn<br />

die letzte Woche des Jahres näher rückt.<br />

Und so schweifen die Haslerinnen und<br />

Hasler jedes Jahr wieder aus und erledigen<br />

ihren wichtigen Job, indem sie die bösen<br />

Geister zurück in ihre dunkeln Winkel<br />

treiben und für einen aufgeräumten Start<br />

ins neue Jahr sorgen.<br />

SAISONALER BRAUCH –<br />

SAISONALES MUSEUM<br />

Im Dezember, wenn bei allen Trychlerinnen und Trychlern im Oberhasli<br />

der Puls steigt, öffnet Martha Kolodziej die Türen ihrer temporären<br />

Ausstellung im ehemaligen Hotel Anderegg in Meiringen. Die Polin,<br />

die in Meiringen wohnt und von Beginn weg fasziniert war vom alten<br />

Brauch des Trychelns, realisierte auf den Dezember 2019 hin das erste<br />

Trychler- und Ubersitzmuseum. Sie sammelte zahlreiche Gegenstände,<br />

Raritäten und Dokumente zur Altjahrswoche, die sie der Öffentlichkeit<br />

während eines Monats präsentierte. Ergänzt hat sie die Ausstellung<br />

mit eigenen, ausdrucksstarken Gemälden, die Eigenheiten des Oberhasli<br />

wie auch Motive aus dem Brauchtum zeigen. Die Künstlerin beabsichtigt,<br />

das Trychler- und Ubersitzmuseum auch im Dezember <strong>2020</strong><br />

wieder zu öffnen. www.kunsthotel.art


22 grimselwelt · spitallamm baustelle<br />

grimselwelt · ersatz staumauer spitallamm 23<br />

Seit dem Frühsommer 2019 laufen die Bauarbeiten für die<br />

neue Spitallamm-Staumauer am Grimselsee. In der ersten<br />

Bausaison wurden vor allem Vorbereitungsarbeiten getätigt,<br />

doch auch die waren äusserst anspruchsvoll, erforderten<br />

Geduld, gute Nerven und viel Knowhow. Und so wird es nun<br />

noch einige Jahre weitergehen.<br />

Ein lautes Quietschen und Kratzen tönt von der Plattform herauf.<br />

Im Scheinwerfer des Schreitbaggers blitzt loses Geröll auf. Nebel<br />

dimmt das Licht der starken Baulampen, die die Spitallamm-<br />

Baustelle während der Nacht von der Staumauer aus beleuchten.<br />

Direkt vor den Lampen leuchten die schweren Regentropfen wie<br />

ein Vorhang aus Glasperlen. Jetzt hallt ein lautes Poltern von den<br />

Felswänden. Der Maschinist hat mit der Baggerschaufel einen grossen<br />

Stein gelöst und über die Felswand in die Tiefe gewuchtet.<br />

Stück für Stück wird die Arbeitsplattform gesäubert. Bei besonders<br />

schweren Brocken bäumt sich der kräftige Bagger auf, rüttelt,<br />

schüttelt und zittert, kleinere Steine fegt er über die Felskante wie


24 grimselwelt · ersatz staumauer spitallamm<br />

grimselwelt · ersatz staumauer spitallamm 25<br />

Brotkrümelchen. Es ist Massarbeit am<br />

Abgrund. Für den Bau der neuen Staumauer<br />

muss der Fels für die Fundamente<br />

seitlich abgetragen werden, Meter für Meter,<br />

von oben nach unten. «Die oberste,<br />

verwitterte Schicht des Gesteins muss weg,<br />

so dass wir die neue Mauer links und<br />

rechts im kompakten Fels verankern können»,<br />

erklärt Christof Frutiger, einer der<br />

vier Bauleiter der KWO. Die Besonderheit<br />

der doppelt gekrümmten Bogenstaumauer,<br />

die hier gebaut wird, liegt darin, dass die<br />

Kräfte nicht primär in den Boden am Talgrund<br />

abgeleitet werden, sondern in die<br />

Talflanken. Frutiger, der in Innertkirchen<br />

aufgewachsen ist, war als Bauingenieur<br />

bereits bei jener Unternehmung tätig, die<br />

die Mauer geplant hat, und kennt das Projekt<br />

bestens. «Aus Sicht des Bauingenieurs<br />

hat die Mauer eine sehr elegante Form»,<br />

sagt er, «und sie ist obendrein interessant,<br />

weil es für diesen Typ von Staumauer am<br />

wenigsten Beton braucht.»<br />

rau», räumt Kehrli ein, «und ich bin froh, habe ich gute Leute.»<br />

Ende Oktober beginnt die Nacht früh und endet spät, so dass viele<br />

Aufgaben im Dunkeln erledigt werden müssen. Gearbeitet wird<br />

in zwei Schichten, die eine dauert von morgens um 5 bis um 14 Uhr,<br />

die zweite geht von 14 bis um 23 Uhr. «Mit der Zeit gewöhnt man<br />

sich an alles», sagt Kehrli, «ans Wetter, den knappen Platz und<br />

die kalten Finger.»<br />

Die anspruchsvolle Baustelle braucht nicht nur Nerven und<br />

Geduld, sondern auch eine gut abgestimmte Zusammenarbeit.<br />

Die verschiedenen Bereiche der Baustelle stehen in direkter Abhängigkeit<br />

von einander und manche Arbeitsschritte haben Folgen<br />

für andere Beteiligte. Ohne Rücksicht aufeinander wäre das<br />

Chaos an der Spitallamm innert Stunden gross. So sind beispielsweise<br />

die Arbeiter im Fundamentaushub auf die Seilexperten angewiesen,<br />

die Zugänge installieren oder Sicherungsnetze anbringen,<br />

um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Unten, am Fuss<br />

der Mauer, ist eine weitere Truppe mit Vorbereitungen für die<br />

Betonanlage beschäftigt, die künftig dort stehen wird. Jedes Mal,<br />

wenn oben an den Felsflanken gesprengt wird, müssen sich unten<br />

alle in Sicherheit bringen und ihre Arbeit unterbrechen. Am<br />

Wandfuss befindet sich auch der Eingang zur sogenannten La-<br />

JAHRHUNDERTBAUWERK AM GRIMSELSEE<br />

2019 war die erste Bausaison für die Erstellung der neuen Spitallamm-Staumauer<br />

an der Grimsel. Die Bauarbeiten werden bis ins<br />

Jahr 2025 dauern, wobei die Aktivitäten in den Wintermonaten<br />

eingestellt bleiben. Die alte Mauer mit den charakteristischen<br />

«Treppenstufen», die in den Jahren 1925 – 1932 errichtet wurde,<br />

ist sanierungsbedürftig. Die neue Mauer wird direkt vor dem historischen<br />

Bauwerk hochgezogen, somit muss die KWO die Stromproduktion<br />

auch während der Bauarbeiten nicht unterbrechen.<br />

Sobald die neue Mauer fertig ist, wird die alte geflutet.<br />

Die neue Mauer ist eine doppelt gekrümmte Bogenstaumauer<br />

mit einer Höhe von 113 Metern. Die Kronenlänge beträgt 212<br />

Meter. Das Volumen umfasst 220'000 Kubikmeter Beton, welche<br />

ohne Armierung verbaut werden, da das Bauwerk nur Druckund<br />

keinen Zuglasten ausgesetzt ist.<br />

gerkaverne. Dort sind Männer im Untertagbau damit beschäftigt,<br />

einen Zugang zu sprengen, der zum neuen Lift in der Staumauer<br />

führen wird. Zwar scheint auf den ersten Blick im Dunkel des<br />

Stollens die übrige Welt ausgeschlossen. Doch auch hier ist es<br />

nicht unwesentlich, was die andern in der Höhe tun, denn die<br />

Untertag-Equipe stellt beispielsweise ihre Maschinen ausserhalb<br />

des Stollens ab und ist gut beraten, dies nicht im schlimmsten<br />

Steinschlag zu tun. Die Untertag-Equipe wiederum muss Rücksicht<br />

nehmen auf den laufenden Kraftwerksbetrieb. «Wir haben<br />

hier in unmittelbarer Nähe sensible Anlagen, die erschütterungsempfindlich<br />

sind», erklärt Andreas Baumann, Bauführer Untertagbau,<br />

ARGE Grimsel, «das bedeutet, dass wir sehr sanft vorgehen<br />

müssen beim Sprengen.» Es ist nicht in erster Linie die alte<br />

Staumauer selber, der man Sorge tragen muss, vielmehr sind es<br />

die Steuerungsanlagen in einer Regulierkammer am Wandfuss,<br />

die einem sonst üblichen Sprengvortrieb nicht standhalten würden.<br />

Schliesslich läuft im Untergrund der normale Kraftwerksbetrieb<br />

weiter, Baustelle hin oder her. Nach jedem Meter, den die<br />

Untertag-Truppe aus dem Berg sprengt, wird gemessen und neu<br />

beurteilt. «Die Sache ist diffizil wegen des Zünd- und Ladeschemas,<br />

die natürlich einen direkten Einfluss auf die Erschütterungen<br />

hat», verdeutlicht Baumann. Trotz der täglichen Herausforderungen<br />

empfindet es auch Andreas Baumann als Ehre, an<br />

einem Jahrhundertbauwerk wie der Staumauer Spitallamm beteiligt<br />

sein zu können.<br />

Oben auf der Mauer machen sich die Spätschichtler auf den<br />

Weg zum Nachtessen. Anstatt die vielen Treppen zur Kantine oben<br />

neben dem Grimsel Hospiz hinaufzusteigen, holen sie sich jeweils<br />

vor Arbeitsantritt ihr Essen ab und wärmen es im ehemaligen<br />

Bootshaus mitten auf der Staumauer auf. Das Häuschen ist für die<br />

Bauarbeiten zu Garderobe und Pausenraum umfunktioniert worden.<br />

Für einen Augenblick kommt behagliche Gemütlichkeit auf,<br />

während der Wind draussen über die Mauerkrone pfeift und der<br />

Regen an die Fenster prasselt. Die Männer schälen sich aus ihren<br />

vielen Kleiderschichten, schieben die vorbereiteten Teller in den<br />

Mikrowellenherd und setzen sich an den Tisch. Keiner murrt, keiner<br />

jammert; die meisten hier lassen sich nicht so leicht aus der<br />

Ruhe bringen. «Ich bin an der Kante gross geworden und habe<br />

nicht so schnell Höhenangst», sagt Walter Brunner und lacht. Er<br />

lebt in Gimmelwald über den Felsen des Lauterbrunnentals. Auch<br />

David Brand, Schreitbagger-Fahrer, pflichtet ihm bei. Angst sei ein<br />

schlechter Ratgeber. Respekt ja, aber Angst könne man nicht brauchen<br />

bei der Arbeit am Abgrund. Unter diesen extremen Bedingungen<br />

kommt es auf die Erfahrung an, auf das Knowhow und<br />

aufs Gefühl. Der einzige Aspekt, der hier tatsächlich zu etwas<br />

Nervosität führt, ist der Gedanke an möglichen Schneefall. Auf<br />

dieser Höhe kann es jederzeit weiss werden und dann, so sind sich<br />

alle einig, würde es richtig anspruchsvoll,<br />

was übersetzt aus der Berglersprache wohl<br />

ungefähr soviel bedeutet wie «kaum machbar».<br />

Doch für den Augenblick sind alle zufrieden,<br />

dass der Koch heute zum Glück kein<br />

Gericht geliefert hat mit brauner Sauce –<br />

die mögen die Arbeiter nicht besonders,<br />

aber sonst, so murmeln alle zustimmend,<br />

sei es immer sehr lecker, was der Frank<br />

oben in der Küche zubereite.<br />

ERLEBEN SIE DIE BAUSTELLE<br />

Der Bau einer Staumauer ist auch in der<br />

Schweiz nicht alltäglich. Die KWO bietet Interessierten<br />

die Gelegenheit, die Baustelle<br />

auf 1900 m ü. M. näher anzuschauen. Ab<br />

Juni <strong>2020</strong> sind eine Aussichtsplattform und<br />

ein Baustellenrundgang offen, die es ermöglichen,<br />

die Dimensionen dieses Baus<br />

zu erfassen und Informationen zum Jahrhundertbauwerk<br />

zu erhalten.<br />

www.grimselwelt.ch/besichtigungen<br />

Jürg Kehrli, Polier Felsabtrag, ARGE<br />

Grimsel, schiebt sich den Helm aus der<br />

Stirn. Er ist soeben über eine luftige Leiter<br />

von der Plattform zur Mauerkrone hochgeklettert<br />

und funkt nun mit dem Kranführer,<br />

der die Materialbahn bedient. Er<br />

könne das Bohrgerät bringen, meldet<br />

Kehrli durch das Funkgerät. Wie im Theater<br />

schiebt sich langsam ein dunkler<br />

Schatten in die Szenerie, schwebt über den<br />

Talgrund bis zur Plattform. Das Bohrgerät<br />

ist rund sechs Tonnen schwer und muss jedes<br />

Mal, wenn gesprengt wird, mit der<br />

Materialseilbahn in Sicherheit gebracht<br />

werden. Derzeit sprenge man ungefähr einmal<br />

pro Tag, erklärt Kehrli, dessen Funkgerät<br />

bereits wieder rauscht. Einmal am<br />

Tag wird der Koloss also über die Schlucht<br />

gehoben. Dazwischen bohren die Arbeiter<br />

Löcher in den Felsen, laden nach genauem<br />

Plan Sprengstoff ein, sichern vor der eigentlichen<br />

Sprengung die Geräte und beginnen<br />

danach mit dem Wegräumen des<br />

Materials. Wenn alles gesäubert ist, beginnt<br />

der Prozess von neuem. «Es ist schon<br />

Informationen zum Projekt


26<br />

grimselwelt · ersatz staumauer spitallamm<br />

grimselwelt · erlebnis natur 27<br />

Lorenz Rufibach<br />

Seilexperte<br />

«Diese Art von Arbeit mag<br />

ich einfach. Man ist praktisch<br />

immer in der Luft, aber da<br />

fühle ich mich zuhause. Und<br />

irgendwann gewöhnt man<br />

sich auch an das Wetter.»<br />

Christof Frutiger<br />

Bauleiter<br />

«Der Bau von Staumauern ist<br />

in der Schweiz nicht gerade<br />

alltäglich. Dass ich als Ingenieur<br />

mithelfen kann, ein solches<br />

Projekt zu realisieren und dies<br />

noch direkt vor der eigenen<br />

Haustüre, macht viel Freude<br />

und erfüllt mich auch mit Stolz.»<br />

Bereits in der ersten Bauphase sind zeitweise bis zu 100<br />

Personen auf der Spitallamm-Baustelle im Einsatz gewesen.<br />

Für die meisten dieser Spezialisten sind Arbeiten im Hochgebirge<br />

Routine – und doch ist der Bau einer Staumauer<br />

kein alltägliches Unterfangen.<br />

Johann Riesslegger<br />

Polier Untertagbau<br />

«Manchmal ist der Berg sehr<br />

gnädig mit uns, manchmal<br />

sind die Umstände schwierig<br />

und man wird laufend<br />

überrascht. Hier unten ist kein<br />

Tag gleich und man kommt<br />

immer wieder an Orte, wo<br />

noch nie jemand war. Das<br />

mag ich ganz besonders.»<br />

Andreas Baumann<br />

Bauführer Untertagbau<br />

«Wir müssen sanft sprengen<br />

wegen der nahen Staumauer<br />

und den vielen sensiblen<br />

Armaturen. Das ist diffizil,<br />

darum müssen wir langsam<br />

und sorgfältig vorgehen.»<br />

Jürg Kehrli<br />

Polier Felsabtrag<br />

«Der Platz ist schon sehr<br />

knapp, neben der Plattform<br />

geht es 80 bis 100 Meter<br />

runter bis zum Wandfuss.<br />

Da braucht es gute Leute,<br />

geübte Maschinisten, die auf<br />

keinen Fall Angst haben.»<br />

Simon Graber<br />

Maurer<br />

«Es sind raue Bedingungen,<br />

denn häufig arbeiten wir im<br />

Nebel oder Wind. Aber daran<br />

gewöhnt man sich. Es ist einfach<br />

so in der hochalpinen Welt.<br />

Mir gefällt es hier, das ist meine<br />

Heimat. Und wenn die Arbeiten<br />

im Winter ruhen, dann<br />

habe ich Zeit zum Skifahren.»<br />

Jeremias Tinner<br />

Installateur Materialseilbahn<br />

«Ich sehe es als Privileg an,<br />

an derart schönen Orten<br />

arbeiten zu dürfen. Die ganze<br />

Woche im Büro zu sitzen<br />

wäre nichts für mich.»<br />

Christian Willener<br />

Schreitbagger-Fahrer<br />

«Es ist eine raue Geschichte<br />

hier, du machst einen kleinen<br />

Fehler und dann bist du weg.»


LAUFWERKBERN<br />

ONLINE<br />

BUCHBAR<br />

www.grimselwelt.ch<br />

Neu ab Sommer <strong>2020</strong><br />

Dem Pioniergeist auf der Spur<br />

Auf der Kraftwerksbesichtigung durch unser Stollenlabyrinth<br />

erleben Sie drei Generationen Kraftwerke und bald 100 Jahre<br />

Kraftwerksgeschichte. Vieles hat sich geändert – aber noch mehr<br />

ist gleich geblieben. Die neue Kristallausstellung, in einem der<br />

verwinkelten Stollen, zeigt einen weiteren Höhepunkt des Kraft-<br />

werkbaus: Die schönsten «Strahlen», welche bei Sprengarbeiten<br />

für den Ersatzbau der neuen Spitallamm Staumauer im 2019<br />

gefunden wurden, werden hier den Kraftwerksbesuchern zugänglich<br />

gemacht. Kommen Sie mit uns auf eine abenteuerliche<br />

Reise in die Tiefe des Berges.

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