SIEBEN: Juni Ausgabe 2022
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Wasser
Unser Wasser – Teil IV
Wasser ist eine begrenzte und zunehmend knappe Ressource. Für uns ist es selbstverständlich, dass Wasser in
trinkbarer Qualität aus dem Hahn kommt. In der Märzausgabe der SIEBEN: ging es um den Weltwassertag, die
Wasserwerk Alfeld GmbH und die Frage wie das früher mit der Wasserversorgung in Alfeld war. Die Aprilausgabe
beschäftigte sich mit der Trinkwasserenthärtung. Die Maiausgabe ging der Frage nach, wie das Wasser
zum Wasserwerk kommt, was dort mit dem Wasser passiert und wie es in die Haushalte gelangt. „Welche
Möglichkeiten der (Trink)-Wassereinsparung und der Regenwassernutzung gibt es?“, ist die Frage, um die es
in der Juniausgabe geht.
April und Mai haben in diesem Jahr
die Pflanzen nicht mit Regen verwöhnt.
Die Trockenheit hat bereits
in den vergangenen Jahren für
Schäden in den Wäldern gesorgt,
der Pegelstand in den Talsperren
im Harz war teilweise extrem niedrig,
Landwirte haben Sorgenfalten
auf der Stirn, Experten befürchten,
dass der Grundwasserspiegel weiter
absinkt und es zu Wasserknappheit
kommt. Einige Kommunen
haben in der Vergangenheit bereits
Beschränkungen für die Verwendung
von Trinkwasser erlassen.
Die SIEBEN: hat bei dem Dipl.-Ing.
Holger Chlebusch vom Architektur-
und Ingenieurbüro Chlebusch
und dem selbstständigen Architekten
Andreas Behrens nachgefragt,
welche Möglichkeiten es bei
der Verwendung von Regenwasser
im privaten Bereich gibt und wo es
Einsparmöglichkeiten bei der Trinkwassernutzung
gibt.
Klima oder Kosten?
„Wirtschaftlich ist die komplette
Regenwassernutzung auf dem eigenen
Grundstück zumindest aktuell
nur bedingt interessant, ökologisch
aber eigentlich unbedingt notwendig“,
sagt Holger Chlebusch, der seit
Jahrzehnten Industriebauten plant
und umsetzt. Unter anderem sind
unter seiner Federführung Gebäude
von Kelpe Bikes, ALU-Kanttechnik,
Meyer Seals in Alfeld und Hamelin in
Gronau entstanden. Zusätzlich entstehen
unter seiner Regie auch Wohngebäude.
„Regenwasser verbleibt
im optimalen Fall komplett auf dem
eigenen Grundstück. Üblicherweise
ist die Entwässerung über einen
Regenwasserkanal vorgesehen. Hierfür
fallen Gebühren an, die pro Quadratmeter
versiegelte Fläche berechnet
werden. Wenn das Grundstück
eine entsprechende Beschaffenheit
aufweist, ist es durchaus möglich, das
Areal so anzulegen, dass das komplette
Regenwasser versickern kann. Dazu
bedarf es aber einer Bodenanalyse
und einem Sickertest. Lehm oder felsiger
Untergrund sind eher ungeeignet.
Der Aufwand lohnt sich, da relativ
kurzfristig eine deutliche Kostenersparnis
realisiert werden kann. Außerdem
bleibt das Regenwasser dort, wo
es abgeregnet ist, und kommt somit
dem Grundwasser vor Ort wieder
zugute. Durch das Auffangen in einer
Zisterne können Eigentümer zusätzlich
Wasservorräte anlegen, die zum
Gießen, für die Waschmaschine und
die Toilettenspülung geeignet sind.
Dazu sind allerdings zwei getrennte
Wasserkreisläufe notwendig, einer
für die häusliche Regenwassernutzung
und einer für das Trinkwasser. In
Altbauten ist das nur mit großem Aufwand
möglich und auch bei Neubauten
sind nicht unerhebliche Zusatzkosten
zu berücksichtigen, zumal das
Regenwasser an die Verbrauchsstellen
gepumpt werden muss.“
Neubauten können höchstmögliche
Energieeffizienz bieten
Holger Chlebusch will aber nicht allein
auf die Notwendigkeit der Regenwassernutzung
hinweisen. „Wir benötigen
dringend modernen und bezahlbaren
Wohnraum. Die Gesellschaft
wird immer älter, die Anforderungen
an das Wohnen haben sich geändert,
Barrierefreiheit wird zum Standard,
die Energiekostensteigerung ist allgegenwärtig.
Dazu bedarf es Neubauten
mit höchstmöglicher Energieeffizienz,
die beispielsweise durch den Einsatz
von Wärmepumpen und Fotovoltaik
in Verbindung mit Flächenheizungen
erreicht werden kann. Mit Sanierungen
von Altbauten ist das wirtschaftlich
nicht zu schaffen.“
Gründach und Grauwassernutzung
Die Kostenproblematik bei der Nutzung
von Regenwasser ist auch Andreas
Behrens bewusst. „Obwohl es
mehr als sinnvoll ist, denn die Verdunstung
und das Versickern auf dem
eigenen Grundstück sind wichtig für
das Mikroklima im direkten Umfeld.
Hier müssen sich die Eigentümer allerdings
beispielsweise beim Anlegen
von Versickerungsmulden von Fachfirmen
beraten lassen. Bei Neubauten
kann die Anlage eines Gründachs
sinnvoll sein, obwohl das wieder mit
der Installation einer Fotovoltaik-
Anlage kollidieren könnte. Eine weitere
Möglichkeit ist die Wiederverwendung
von Grauwasser, also Wasser,
das beispielsweise beim Geschirrspülen
oder Wäsche waschen entstanden
ist und nicht mit Fäkalien belastet
ist, um es als Brauchwasser beispielsweise
für die Toilettenspülung
zu verwenden. Aber auch hier verhält
es sich ähnlich wie beim Regenwasser:
Getrennte Rohrleitungssysteme
sind notwendig. Einfache Möglichkeiten
zur Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs
sind moderne Armaturen,
Spülkästen mit Spartaste und natürlich
Regenwassersammelbehälter im
Garten. Wie sinnvoll umfangreiche
Umbauten sind, hängt vom Einzelfall
ab. Bei Neubauten sind Maßnahmen
zur Trinkwassereinsparung einfacher
umzusetzen und in jedem Fall
eine Investition in die Zukunft.“
Sind spezielle Maßnahmen für die
Regenwassernutzung bzw. Versickerung
im neu zu erschließenden
Wohngebiet in Gerzen geplant?
Andreas Behrens, der als Ratsherr
im Bau- und Grundeigentumsausschuss
sitzt, sagt dazu Folgendes:
„Aktuell werden noch verschiedene
Varianten für den Umgang mit
dem anfallenden Regenwasser diskutiert.
Eine Entscheidung kann aber
erst getroffen werden, wenn ein Gutachten
zu den dort vorhandenen
Bodenqualitäten vorliegt, da nicht
jeder Boden für die Versickerung von
Regenwasser geeignet ist. Gerade in
unserer Gegend gibt es viele Bereiche
mit bindigen Böden, durch diese
versickert Regenwasser nur sehr langsam.
Ich gehe aber stark davon aus,
dass eine klassische „Entsorgung“ in
der Kanalisation nicht kommen wird.
Dafür ist Regenwasser eine zu wichtige
Ressource und auch die zusätzliche
Belastung des vorhandenen
Kanalsystems ist nicht gewollt.“ (sr)
Andreas Behrens
Holger Chlebusch
Für das neu zu erschließende Baugebiet in Gerzen ist zu entscheiden: Klassische „Entsorgung“
des Niederschlagswassers oder alternative Lösungen.