TIROL VERSICHERT - Ausgabe Frühling/Sommer 2022

S. 7
Haftpflichtversicherung 7Ob104/21a
Bilanzbuchhalter, Überschreitung Gewerbeberechtigung
Sachverhalt
Es besteht eine Berufshaftpflichtversicherung für
Bilanzbuchhalter. Der Versicherungsnehmer hatte eine
Aufforderung des Finanzamts bezüglich der Erstattung
von Einkommensteuer versehentlich nicht weitergeleitet,
wodurch es zu einer Schätzung kam.
Der Versicherer lehnte die Deckung ab. Der
Versicherungsnehmer sei vor Abgabenbehörden des Bundes
in Einkommensteuerangelegenheiten nicht legitimiert und
es resultiere daraus keine versicherte Tätigkeit im Rahmen
des Versicherungsvertrages.
Rechtliche Beurteilung des OGH
Der OGH führte dazu aus, dass sich der
Berechtigungsumfang eines Bilanzbuchhalters aus den
Bestimmungen des Bilanzbuchhaltungsgesetz § 2 (1) BiBuG
2014 ergebe. Folgende Tätigkeiten fallen darunter (in
Kurzform und demonstrativ):
■ Geschäftsbuchhaltung einschließlich Lohnverrechnung
Erstellung einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung
■ Erstellung von Bilanzen
■ Beratung bei Arbeitnehmerveranlagung
■ Vertretung in Abgaben- und Abgabenstrafverfahren für
Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben, ausgenommen
die Vertretung vor den Abgabenbehörden des
Bundes, den Verwaltungsgerichten und dem
Verwaltungsgerichtshof
■ Akteneinsicht auf elektronischem Weg gegenüber
Abgabenbehörden des Bundes
■ Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der
Umsatzsteuervoranmeldung, Lohnverrechnung und
lohnabhängigen Abgaben
■ kalkulatorische Buchhaltung
■ Beratung in Beitrags-, Versicherungs- und
Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen
■ Beitragsangelegenheiten vor gesetzlich anerkannten
Kirchen- und Religionsgemeinschaften
■ Vertretung beim Arbeitsmarktservice
■ Vertretung in Angelegenheiten der Kammerumlagen
gegenüber den gesetzlichen Interessenvertretungen
■ Vertretung in allen Angelegenheiten der An- und
Abmeldung von Registrierkassen
Zu beurteilen war, ob die in diesem Fall in Rede stehende
Tätigkeit gegenüber dem Finanzamt in einem inneren
ursächlichen Zusammenhang mit den Berufsbefugnissen
eines Bilanzbuchhalters gestanden sei.
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes sei die Erstellung
von Steuererklärungen im Rahmen der Befugnisse eines
Bilanzbuchhalters nicht erfasst. Der Bilanzbuchhalter
sei weder zur Beratung oder Hilfestellung bei der
Verfassung einer Einkommensteuererklärung, noch zur
Abfassung oder Erstellung einer solchen befugt. Damit
steht auch die Tätigkeit eines Bilanzbuchhalters vor
einer Bundesabgabenbehörde nicht in einem inneren
ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
Der Versicherungsschutz war daher zu versagen.