WeltBlick 1/2022
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WeltReise<br />
Zwischen<br />
Auswanderung<br />
und Aufbruch<br />
Kuba nach Corona<br />
Schon abends bilden sich lange Schlangen vor den Geschäften, doch<br />
ob Ware geliefert wird, zeigt sich erst am nächsten Morgen. Alles ist<br />
knapp in Kuba, sogar Grundnahrungsmittel. Hilfsgüter können den<br />
Hafen nicht verlassen, weil Diesel für die Gabelstapler fehlt. Nach<br />
einer Besuchsreise auf der Karibik-Insel beschreibt der landeskirchliche<br />
Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst ein gebeuteltes<br />
Land, das trotzdem die Hoffnung nicht verliert.<br />
TEXT UND FOTOS: DR. PATRICK ROGER SCHNABEL<br />
»Allein in der letzten Woche haben zwei tragende Säulen<br />
unserer Gemeinde das Land verlassen«, sagt Pastorin<br />
Liudmila Hernández aus Havanna. In fast jeder<br />
Gemeinde, jedem Projekt, mit dem das Berliner Missionswerk<br />
verbunden ist, fehlen vertraute Gesichter und engagierte Menschen.<br />
Sie gehen überwiegend in die Vereinigten Staaten, einige<br />
auch nach Spanien, Mexiko und in andere Länder. Die »Emigration«<br />
ist in aller Munde und viele, die bleiben, wirken verzweifelt.<br />
»Die Auswanderer fehlen uns ja nicht nur in den<br />
Gemeinden und Projekten, sondern auch als Verwandte und<br />
Freunde«, beschreibt Hernández die Lage.<br />
Grund für diesen Exodus ist die dramatische Verschlechterung<br />
der Wirtschaftslage, die den Menschen ihre Lebensperspektiven<br />
nimmt. Hinzu kommt ein psychologischer Faktor:<br />
Auch früher gab es schon schwere Zeiten in Kuba, aber über die<br />
letzten 15-20 Jahre ging es langsam, aber stetig bergauf. Raul<br />
Castro, der Bruder des Revolutionsführers Fidel Castro, führte<br />
wichtige Reformen ein: Es gab mehr Möglichkeiten, sich privatwirtschaftlich<br />
zu engagieren, es kamen mehr Touristen ins<br />
Land, der Zugang zum Internet ermöglichte neue Kommunikation<br />
und neue Freiheit. »Cambio«, Wandel, wurde zum Lebensgefühl;<br />
Aufbruchsstimmung war in der Luft. Erleichtert wurde<br />
dies durch einen weicheren Kuba-Kurs der USA unter Präsident<br />
Barak Obama.<br />
Erste Wolken zogen am Horizont auf, als US-Präsident<br />
Trump den Kurs umgekehrte und die ohnehin erdrückenden<br />
Sanktionen weiter verschärfte: Er erließ über 200 anti-kubanische<br />
Maßnahmen, darunter auch eine Deckelung der Hilfen,<br />
die US-Kubaner an ihre Familien überweisen dürfen.<br />
34 <strong>WeltBlick</strong> 1/<strong>2022</strong>