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WeltBlick 1/2022

Partnerschaften verbinden, weltweit

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ien zu überlegen. Sollte es noch schlimmer<br />

kommen, sollte ein größerer Krieg ausbrechen,<br />

müssen wir versuchen, Menschen aus Russland<br />

zu evakuieren. Mit meinen Konsistorien besprechen<br />

wir gerade, wie es weitergeht, wie das<br />

Leben vor Ort aufrechterhalten werden kann.<br />

Wie es aber in zwei Monaten aussehen wird,<br />

kann niemand sagen. Meine Hoffnung ist, dass<br />

sich die Situation entschärft. Auch das wäre<br />

möglich.<br />

Was sind Ihre langfristigen Pläne? Können Sie<br />

nach Russland zurückkehren?<br />

DIETRICH BRAUER: Im Moment nicht. Leider<br />

gibt es jetzt mehr Fragen als Antworten. Ich distanziere<br />

mich klar und öffentlich von diesem<br />

Krieg, der nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine<br />

ist, sondern ein Krieg gegen die Menschlichkeit.<br />

Er wird nicht in unserem Namen geführt.<br />

Was ist Ihre Botschaft?<br />

DIETRICH BRAUER: Ich wünsche uns einen<br />

gerechten Frieden, den wir ernst meinen. In<br />

unseren Gottesdiensten kommt das Wort Frieden<br />

sehr oft vor. Dieser Frieden wird konkret im<br />

Leiden Christi. In der Einsamkeit und Unwissenheit,<br />

was die Zukunft bringt. In dem Kelch, den<br />

wir trinken müssen, damit ein Neuanfang möglich<br />

ist. Die Nähe Gottes wird spürbar bei den<br />

Menschen, die für Frieden beten mit den Menschen<br />

vor Augen – den weinenden Neugeborenen<br />

in den Bunkern, den jungen Soldaten, die<br />

sich an der Front befinden und den Müttern, die<br />

die Todesnachrichten bekommen. Für dieses<br />

Leid haben wir keine Worte. Das ist Passionsgeschichte.<br />

Aber auch in dieser Hölle ist eine Hoffnung<br />

auf Frieden.<br />

Was trägt Sie in dieser Zeit, was gibt Ihnen<br />

Kraft?<br />

DIETRICH BRAUER: Meine Familie, Freundinnen<br />

und Freunde und unsere Partner hier vor Ort.<br />

Aber auch die Menschen in Russland, die mutig<br />

weitermachen. Eine große Quelle sind die<br />

Herrnhuter Losungen, die ich täglich lese. Ich<br />

staune, wie das Wort Gottes in der aktuellen Situation<br />

zu uns spricht. Das bewegt mich sehr. /<br />

IN SORGE UM DIE GESCHWISTER<br />

Seit 1992 unterhält das Berliner Missionswerk<br />

partnerschaftliche Beziehungen zu den evangelischen<br />

Christen an der Wolga. Im Frühjahr 2014<br />

wurde ein Partnerschaftsvertrag mit der Evangelisch-Lutherischen<br />

Kirche im Europäischen<br />

Russland (ELKER) unterzeichnet, hier speziell mit<br />

den Propsteien Saratow und Wolga.<br />

Am 29. März <strong>2022</strong> äußerte sich der Wolga-Beirat<br />

des Berliner Missionswerkes in einem Brief zum<br />

Krieg in der Ukraine. Darin heißt es u. a.:<br />

»Das Erschrecken über das unglaubliche Elend<br />

des Krieges Putins in der Ukraine und gegen<br />

alle verfassten Normen staatlicher Grundfesten<br />

und ihrer gesellschaftlichen Beziehungen hat<br />

uns alle erfasst und dringt in alle Bereiche auch<br />

unserer Gesellschaft vor. Das erleben wir gerade<br />

in Bezug auf die Partnerbeziehungen zu unseren<br />

Geschwistern in Russland. Ihr Elend können wir<br />

nur vermuten, da weitgehend die Kommunikation<br />

zum Erliegen gekommen ist. Es wird auch<br />

sehr dazu geraten, wegen der allgegenwärtigen<br />

Überwachungen möglichst keinen Schriftverkehr<br />

anzustreben und auch bei Telefonaten,<br />

wenn sie überhaupt zustande kommen, eine<br />

vorsichtige Wortwahl zu nutzen. (…)<br />

Gegenwärtig hält sich Erzbischof Brauer in<br />

Deutschland auf. Da er nicht bereit war, einen<br />

Appell zu unterschreiben, drohte ihm Haft. So<br />

zog er es für seine Familie vor, in höchster Not<br />

das Land zu verlassen. Wie groß mag die Not<br />

sein, die über unsere Partnergemeinden gekommen<br />

ist?«<br />

Magdalena Smetana<br />

ist Pfarrerin und Medienbeauftragte der Prälatur Reutlingen und<br />

des Kirchenbezirks Tübingen. Das Interview führte sie Ende März<br />

für die Homepage der Evangelischen Landeskirche in Württemberg<br />

(www.elk-wue.de). Sie gehört dem Vorstand des Gustav-Adolf-Werks<br />

Württemberg an.<br />

WeltReise<br />

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