29.07.2022 Aufrufe

Tabu – Reden ist Gold

Herzlich willkommen in der Tabuzone! Lassen Sie uns über Dinge sprechen, die bei vielen Menschen ein unangenehmes Gefühl auslösen. Zum Beispiel Ekel, wenn es um körperliche Ausscheidungen geht. Angst, wenn es sich um den Tod handelt. Neid beim Vergleich der Penisgröße. Scham, wenn es im Intimbereich juckt und brennt. Na, fühlen Sie sich ertappt? Auch wenn wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht müde wird zu betonen, dass für sie gar keine mehr existieren, gibt es sie immer noch zur Genüge: Tabuthemen. Meist fristen sie ein Dasein ohne große Erklärung, sondern basieren häufig auf dem seit der Kindheit vertrauten, peinlich berührten „Darüber spricht man nicht“. Damit ist jetzt Schluss – zumindest in dieser Lektüre. Wir laden Sie dazu ein, die Tabuzone tatsächlich und ohne komische Gefühle zu verlassen, indem wir aufklären, kein Blatt vor den Mund nehmen und vor allem zeigen, warum es für uns alle wichtig ist, über Tabuthemen zu sprechen.

Herzlich willkommen in der Tabuzone! Lassen Sie uns über Dinge sprechen, die bei vielen Menschen ein unangenehmes Gefühl auslösen. Zum Beispiel Ekel, wenn es um körperliche Ausscheidungen geht. Angst, wenn es sich um den Tod handelt. Neid beim Vergleich der Penisgröße. Scham, wenn es im Intimbereich juckt und brennt. Na, fühlen Sie sich ertappt? Auch wenn wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht müde wird zu betonen, dass für sie gar keine mehr existieren, gibt es sie immer noch zur Genüge: Tabuthemen. Meist fristen sie ein Dasein ohne große Erklärung, sondern basieren häufig auf dem seit der Kindheit vertrauten, peinlich berührten „Darüber spricht man nicht“. Damit ist jetzt Schluss – zumindest in dieser Lektüre.
Wir laden Sie dazu ein, die Tabuzone tatsächlich und ohne komische Gefühle zu verlassen, indem wir aufklären, kein Blatt vor den Mund nehmen und vor allem zeigen, warum es für uns alle wichtig ist, über Tabuthemen zu sprechen.

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Ein Verschluss für<br />

mehr Lebensqualität<br />

STOMA I VON TOBIAS LEMSER<br />

Deutschlandweit leben rund 150.000 Menschen<br />

mit einem künstlichen Darmausgang.<br />

Für Betroffene ändert sich durch das Tragen<br />

eines Stomas der Alltag abrupt <strong>–</strong> sowohl physisch<br />

als auch psychisch. Trotz Dankbarkeit <strong>ist</strong><br />

die Angst vor Stigmatisierung groß, wie eine<br />

neue US-Studie zeigt.<br />

87 Prozent der Erkrankten<br />

fühlen sich stigmatisiert.<br />

Wer an Blasen- oder Darmkrebs erkrankt <strong>ist</strong>,<br />

kommt in der Regel nicht um eine Operation<br />

herum. In vielen Fällen kann damit den Betroffenen<br />

geholfen werden, die Tumorerkrankung<br />

in den Griff zu bekommen. Trotz dieser wichtigen<br />

Nachricht bleibt ein Wermutstropfen, gerade<br />

wenn tumorbedingt der Schließmuskel ebenso<br />

entfernt werden muss und der Stuhlgang<br />

nicht mehr zurückgehalten werden kann. Um<br />

ein Herauslaufen zu vermeiden, wird der Anus<br />

dauerhaft verschlossen und der Dickdarm über<br />

eine operativ geschaffene kleine künstliche Öffnung<br />

in der Bauchdecke ausgeleitet <strong>–</strong> auch Colostoma<br />

genannt.<br />

Hygienisch bedenkenlos<br />

Bei rund 70 Prozent aller Betroffenen <strong>ist</strong> eine<br />

Krebserkrankung der Grund für einen künstlichen<br />

Darmausgang. Ein Stoma <strong>–</strong> das Wort<br />

kommt aus dem Griechischen und bedeutet<br />

„Mund“ oder „Öffnung“ <strong>–</strong> kann jedoch auch<br />

nach Unfällen mit Verletzung der Blase (Urostoma)<br />

oder bei Morbus Crohn zum Einsatz<br />

kommen. Bei dieser chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankung kann es notwendig werden,<br />

den betroffenen Darmabschnitt temporär auszuschalten,<br />

damit dieser sich von der Entzündung<br />

Der Stomabeutel fängt die<br />

Ausscheidungen auf.<br />

erholt. Ein sogenanntes Ileostoma <strong>ist</strong> eine operativ<br />

angelegte Öffnung in der Bauchdecke,<br />

durch die ein kleines Stück des Dünndarms (Ileo)<br />

nach außen auf die Hautoberfläche geführt wird.<br />

Wichtig zu wissen: Grundsätzlich verfügen Stomas<br />

an der Austrittsstelle über einen an der Haut<br />

haftenden geruchsundurchlässigen, flachen<br />

Auffangbeutel, in dem sich der Stuhlgang sammelt.<br />

Alternativ dazu besteht die Möglichkeit,<br />

mit einem bis zu 48-stündigen Einlauf über das<br />

Stoma den Darm anzuregen, sich zu entleeren.<br />

So kann in vielen Fällen das Stoma mit einer flachen<br />

Kappe abgedeckt und ein bis zwei Tage auf<br />

das Tragen eines Beutels verzichtet werden.<br />

Selbstbewusstes Auftreten<br />

Klar <strong>ist</strong>: Das Tragen eines künstlichen Darmausgangs<br />

oder einer Harnableitung bedeutet einen<br />

immensen Einschnitt im Leben. Neben dem<br />

veränderten körperlichen Aussehen haben die<br />

Betroffenen Furcht, nicht mehr vollwertige Partner<br />

in Familie, Beruf und Gesellschaft sein zu<br />

können und stigmatisiert zu werden. Laut einer<br />

im Mai veröffentlichten US-Studie von Wakefield<br />

Research und Convatec unter 200 Patientinnen<br />

und Patienten und 200 Krankenschwestern<br />

empfinden 87 Prozent der Erkrankten ein gewisses<br />

Maß an Stigmatisierung. Zudem <strong>ist</strong> es 44<br />

Prozent der Befragten peinlich, wenn sie über<br />

ihren aktuellen Gesundheitszustand sprechen.<br />

43 Prozent bedauern, dass ihre Erkrankung kaum<br />

in den Medien vorkommt <strong>–</strong> Ergebnisse, die laut<br />

Karim Bitar, CEO von Convatec, verdeutlichen,<br />

dass mehr im Kampf gegen die Stigmatisierung<br />

zu tun <strong>ist</strong>. „Dies geht am besten, indem wir aufzeigen,<br />

wie unsere Patienten selbstbewusst<br />

leben, indem wir gegenseitige Unterstützung<br />

anbieten und wir Gespräche zwischen Freunden,<br />

Familie und Pflegeteams erleichtern.” <br />

SCHON GEWUSST?<br />

Es gibt Selbsthilfegruppen für<br />

Menschen mit Stoma. Hier ein paar<br />

Anlaufstellen:<br />

Deutsche ILCO e. V.<br />

www.ilco.de/stoma/stomatraegerweltweit/<br />

Selbsthilfe Stoma-Welt e. V.<br />

www.selbsthilfe-stoma-welt.de<br />

Hilfelotse Berlin<br />

www.hilfelotse-berlin.de/detail/selbsthilfegruppe-fuer-menschen-mit-einemkuenstlichen-darmausgang-undoder-einer<br />

iStock / Sheila Alonso<br />

11<br />

Weitere Informationen unter www.reflex-portal.de<br />

„Rettungsschwimmen und Stoma<br />

schließen sich nicht aus”<br />

Werbebeitrag <strong>–</strong> Interview<br />

Melanie Landsberg lebt seit ihrem<br />

15. Lebensjahr mit Morbus Crohn.<br />

Die heute 42-jährige DLRG-Rettungsschwimmerin<br />

und Bloggerin<br />

hat seit sechs Jahren einen künstlichen<br />

Dünndarmausgang, ein sogenanntes<br />

Ileostoma.<br />

Ist ein künstlicher Darmausgang<br />

und das damit verbundene Tragen<br />

eines Stomabeutels ein <strong>Tabu</strong>thema?<br />

Ja, das <strong>ist</strong> es. Aber ich sehe<br />

eine Tendenz zu mehr Offenheit.<br />

Ich wünsche mir, dass uns mehr<br />

Menschen ansprechen. Am Strand<br />

fragte mich ein Kind einmal ganz<br />

direkt nach dem Beutel auf meinem<br />

Bauch. Ich habe es kindgerecht<br />

erklärt. Genau so können wir<br />

das <strong>Tabu</strong> brechen.<br />

Heute bloggen Sie über Ihre Erfahrungen.<br />

Sind Sie schon immer<br />

so offen damit umgegangen? Natürlich<br />

war es ein Prozess. Aber<br />

bereits drei Monate nachdem ich<br />

aus dem Krankenhaus entlassen<br />

wurde, stand ich zum ersten Mal<br />

am Strand. Ich wollte mein altes<br />

Leben zurück, und dazu gehörte<br />

das Rettungsschwimmen <strong>–</strong> das<br />

war mein Antrieb. Trotzdem fühlte<br />

ich mich in Badesachen anfangs<br />

unwohl, alle Augen schienen auf<br />

mich gerichtet zu sein. Ich musste<br />

lernen, dass dies meine eigene<br />

Einbildung war.<br />

Was und wer hat Ihnen geholfen?<br />

Mir hat mein engster Familien- und<br />

Freundeskreis sehr geholfen, die<br />

Situation anzunehmen. Darüber hinaus<br />

habe ich durch meine Stomatherapeutin<br />

der GHD GesundHeits<br />

GmbH Deutschland den Kontakt<br />

zur Patientengruppe „Orchideen-<br />

Treff” erhalten. Der Austausch mit<br />

Betroffenen <strong>ist</strong> für mich enorm<br />

wertvoll. Ich habe gelernt, dass<br />

mein Stoma mich nur begleitet und<br />

nicht definiert. Ich möchte, dass<br />

auch andere Betroffene schnell erkennen,<br />

dass das Leben mit einem<br />

Stoma lebenswert <strong>ist</strong> <strong>–</strong> aus diesem<br />

Grund habe ich meinen Stoma-<br />

Blog gestartet.<br />

Melanie Landsberg bloggt hier:<br />

www.gesundheitsgmbh.de/blogs/<br />

melanies-stoma-blog

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